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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 09.01.2003
Aktenzeichen: 6 U 994/01
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 87c Abs. 1
HGB § 87c Abs. 2
HGB § 89a
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 6 U 994/01

Verkündet am: 9. Januar 2003

in dem Rechtsstreit

Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwarz und den Richter am Oberlandesgericht Wünsch

auf die mündliche Verhandlung vom 14. November 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil der 10. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Trier vom 16. Mai 2001 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit die Klägerin Abrechnung verlangt hat.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheit kann durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts geleistet werden.

Tatbestand:

Die Klägerin war als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Sie betreute u.a. folgende Kunden: Militärische Duty-Free-Abnehmer, zivile Duty-Free-Organisationen im Ausland, Fluggesellschaften und deren Zulieferer, eine Firma in Süd-Korea sowie Kunden in Afrika und Indien.

In § 4 des Handelsvertretervertrages heißt es, dass die Klägerin ihre Vermittlungstätigkeit weitgehend vom Büro ihres Geschäftsführers in F............. aus betreibt. Seit dem Jahre 1998 ist der Geschäftsführer der Klägerin im Einverständnis der Beklagten von einem Büro in Luxemburg aus tätig.

Mit Schreiben vom 1. Januar 2000 teilte der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten mit, er sei nach M...... in Spanien umgezogen. Dies nahm die Beklagte zum Anlass, mit Schreiben vom 17. Januar 2000 den Handelsvertretervertrag fristlos zu kündigen.

Mit der Klage hat die Klägerin u.a. Abrechnung und einen Buchauszug für die Zeit vom I. Februar 2000 bis zum 31. August 2000, Zahlung der sich aus der Abrechnung ergebenden Provision sowie die Feststellung begehrt, dass das Handelsvertreterverhältnis nicht durch die Kündigung vom 17. Januar 2000 beendet sei.

Das Landgericht hat durch Teilurteil der Klage auf Abrechnung und Buchauszug sowie der Feststellungsklage stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Die Klägerin hat im Berufungsverfahren den Rechtsstreit für erledigt erklärt, soweit sie Abrechnung verlangt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Urkunden sowie das angefochtene Urteil verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg.

1.

Die Klägerin hat gemäß § 87c Abs. 2 HGB einen Anspruch auf den begehrten Buchauszug. Sie hat außerdem einen Anspruch auf die Feststellung, dass der Handelsvertretervertrag nicht durch die Kündigung vom 17. Januar 2000 beendet - worden ist.

a) Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte den Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges erfüllt hat. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, in der mündlichen Verhandlung den Vortrag der Klägerin in der Berufungserwiderung aufzugreifen, "der Buchauszug" habe die etwa gleich bleibenden Umsätze der Kunden nach der Kündigung bestätigt. Die Beklagte hat nicht näher vorgetragen, ob die offenbar unstreitig übergebenen Unterlagen so umfassend sind, dass sie als Buchauszug qualifiziert werden können. Die Klägerin hat das in ihrem nachgelassenen Schriftsatz in Abrede gestellt. Außerdem dürften die genannten Unterlagen - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts übergeben worden sein. Erfolgt die Leistung zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem noch nicht rechtskräftigen Titel, bleibt die Erfüllungswirkung bis zur Rechtskraft in der Schwebe.

b) Die fristlose Kündigung vom 17. Januar 2000 ist unwirksam. Es fehlt an einem wichtigen Grund, der gemäß § 89a HGB die ausgesprochene Kündigung rechtfertigen könnte.

aa) Dabei kann dahinstehen, ob der ohne Absprache mit der Beklagten erfolgte Umzug nach Spanien für sich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu begründen. Es fehlt jedenfalls an einer Abmahnung.

Eine Abmahnung ist zwar entbehrlich bei schweren Pflichtverletzungen, die so gravierend sind, dass eine Billigung des Verhaltens offensichtlich ausgeschlossen ist. Besonders gravierend in diesem Sinne sind Pflichtverstöße, die die Vertrauensbasis des Vertrages so erschüttern, dass diese auch durch eine Abmahnung nicht mehr wieder hergestellt werden kann (Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd. 1, 3. Aufl., Rn. 1750). Der eigenmächtige Umzug nach Spanien ist jedoch kein derart schwerwiegender Verstoß gegen die vertraglichen Pflichten.

Der Umzug steht allerdings nicht mit der Bestimmung des Handelsvertretervertrages im Einklang, dass die Vermittlungstätigkeit überwiegend von F............. zu betreiben ist. Die Klägerin kann auch aus dem Einverständnis der Beklagten mit einer Verlegung des Büros nach Luxemburg nichts herleiten. Im Vergleich zu M....... liegt Luxemburg relativ nahe zu dem vertraglich festgelegten Bürositz in F.............. Im Übrigen hat ein Büro in Luxemburg den Vorteil, näher am Sitz der Beklagten zu liegen.

Andererseits können nicht die Besonderheiten außer Acht bleiben, die die praktische Tätigkeit der Klägerin geprägt haben. Soweit ersichtlich, hatte zwar ein erheblicher Teil der Kunden, die bereits geworben waren und zu denen die Beziehungen zu pflegen waren, ihren Sitz in Deutschland. Die Klägerin hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass die Betreuung der Kunden in wesentlichem Umfang per Telefon oder schriftlich (Internet) erfolgt ist. Diese Art der Betreuung kann auch von M...... aus wahrgenommen werden. Ein persönliches Zusammentreffen kann offenbar eher selten zustande bzw. wurde gesucht, wenn man sich - etwa in C..... - auf Messen traf. Dass die Beklagte diese Form der Zusammenarbeit mit den Kunden vor der Kündigung beanstandet hat, ist nicht erkennbar.

Darüber hinaus kann der Aufgabenbereich der Klägerin nicht unberücksichtigt bleiben. Dieser war international. Die Klägerin hatte Verkäufe an Kunden in Afrika und Indien zu vermitteln. Auch wenn es bisher in diesen Gebieten nicht zu Verträgen gekommen ist, so gehörte es doch zur Aufgabe der Klägerin, dort Kunden zu werben. Dazu waren Reisen nach Afrika und Indien geboten. Ob diese von F.............. Luxemburg oder M....... ausgingen, spielt keine Rolle.

Im Hinblick auf diese Gesichtspunkte war es nicht offensichtlich ausgeschlossen, dass sich die Beklagte mit einer Verlegung des Büros nach M....... einverstanden erklärt. Aus diesem Grund kann der Umzug auch nicht als Pflichtverstoß gewertet werden, der die Vertrauensbasis unheilbar erschüttert.

Der Vortrag der Beklagten, dass die Klägerin die lokalen Einkäufer in den Geschäften des amerikanischen und britischen Militärs in Deutschland zu besuchen hat, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Es war nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte den Umzug nach M....... trotz der Notwendigkeit solcher Besuche hinnimmt. Es ist zwar sicherlich schwieriger, diese Besuche zu organisieren, wenn das Büro in M....... statt in F............. oder Luxemburg ist. Undurchführbar erscheint dies aber nicht, zumal sich die Geschäfte ganz überwiegend in einem regional begrenzten Gebiet (Rhein-Main/Eifel/Pfalz bzw. M..............) befinden und damit - weil der Reiseaufwand innerhalb Deutschlands eher gering ist - in kurzer Zeit viele Geschäfte besucht werden können.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Abmahnung deswegen sinnlos gewesen wäre, weil die Klägerin nicht bereit gewesen wäre, das Büro ihres Geschäftsführers wieder nach F............ oder Luxemburg zurückzuverlegen. Insbesondere kann die Beklagte die fehlende Bereitschaft nicht aus dem Vortrag in der Berufungserwiderung ableiten, im Falle einer Abmahnung wäre es möglich gewesen, "zu einem gemeinsamen Nenner bezüglich der Niederlassungsfreiheit" zu gelangen. Damit ist nicht gesagt, dass die Klägerin auch dann versucht hätte, das Büro in M....... zu halten, wenn die Beklagte kategorisch darauf bestanden hätte, das Büro aufzugeben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Parteien den Fall, dass die Klägerin ohne Abstimmung ihr Büro weit weg von F............ einrichtet, nicht als Grund für eine fristlose Kündigung bestimmt. § 8 Nr. 3 des Handelsvertretervertrages erwähnt andere Sachverhalte. Die Bestimmung, ein wichtiger Grund liege vor, wenn die Ziele des Vertrages gefährdet seien, ist nichtssagend.

bb) Die Beklagte kann ihr Vorgehen nicht damit begründen, dass der Geschäftsführer der Klägerin bei einer Besprechung am 2. Dezember 1999 nichts von seinen Umzugsplänen mitgeteilt hat. Es ist nicht dargetan, dass solche Pläne damals bereits bestanden haben bzw. soweit gediehen waren, dass Anlass bestanden hat, sie zu erörtern. Nach Darstellung der Klägerin hat sich der Entschluss zur Verlegung des Wohnsitzes erst im Dezember 1999 konkretisiert.

cc) Schließlich rechtfertigt auch die Mitnahme des Firmenfahrzeugs nach Spanien eine fristlose Kündigung nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass die private Nutzung des Fahrzeugs - etwa für einen Umzug nach Spanien - verboten gewesen wäre. Die Klägerin hat in der Klageschrift vorgetragen, das Fahrzeug sei ihr zur geschäftlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt worden. Aus dem Handelsvertretervertrag ergibt sich eine Beschränkung der Nutzung zu dienstlichen Zwecken nicht. Eine private Fahrt nach Spanien bedurfte keiner Genehmigung der Beklagten. Das in § 4 Nr. 5 des Handelsvertretervertrages enthaltene Erfordernis einer Genehmigung betrifft offensichtlich nur dienstliche Auslandsreisen.

Abgesehen davon kommt der Mitnahme des Fahrzeugs keine eigenständige Bedeutung zu. Sie ist im Zuge der Verlegung des Büros erfolgt und musste wie diese vor einer fristlosen Kündigung durch eine Abmahnung beanstandet werden.

2.

Der Rechtsstreit ist erledigt, soweit die Klägerin gemäß § 87c Abs. 1 HGB Abrechnung verlangt hat. Die Klage auf Abrechnung war - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - begründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.564,59 EUR. (= 50,000 DM) festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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