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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 11.02.2008
Aktenzeichen: 6 W 879/07
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 89a Abs. 3 Nr. 1
HGB § 90a Abs. 1 Satz 3
HGB § 90a Abs. 4
ZPO § 139
Vereinbart ein Handelsvertreter nach seiner einseitig, ohne Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist erklärten Kündigung mit dem Unternehmer, dass dieser auf die Einhaltung der Kündigungsfrist verzichtet, der Handelsvertreter einen bestimmten Betrag an überbezahlten Vorschussleistungen zurückerstattet und im Übrigen keine gegenseitigen Ansprüche mehr bestehen, kann dies - nach denjeweiligen Umständen des Einzelfalles - als Eigenkündigung im Sinne des § 89 a Abs. 3 Nr. 1 HGB gewertet werden, wenn weiter in diesem Vertrag aufgnommen wird, dass der Unternehmer keine einvernehmliche Aufhebung des Vertrages anerkennt.

In einem solchen Fall hat der Handelsvertreter im Rahmen eines Verzichtsvertrages auf Ansprüche auf Handelsvertreterausgleich nach § 89a Abs. 3 Nr. 1 HGB wirksam verzichtet, nicht jedoch auf Karrenzentschädigung nach § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB, da das Abredeverbot des § 90a Abs. 4 HGB dem entgegensteht.

Bei der Angemessenheit der Entschädigung nach § 90a Abs. 1 Satz 3 HGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Hat der Handelsvertreter die maßgeblichen Umstände für eine Anspruchsermittlung nur pauschal vorgetragen, muss das Gericht im Rahmen seiner Hinweispflicht nach § 139 ZPO auf die nach der Rechtsprechung verlangten Kriterien hinweisen, bevor es zu einer dem Handelsvertreter nachteiligen Entscheidung gelangt.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 6 W 879/07

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Sartor, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Metzger und den Richter am Landgericht Groß

am 11. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss des Vorsitzenden der 5. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bad Kreuznach vom 26. Oktober 2007 aufgehoben, soweit die Klägerin einen Betrag von mehr als 14.630,94 € verlangt und soweit der Beklagte mit der Widerklage die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung einer Wettbewerbsentschädigung in Höhe von 27.929,60 € begehrt.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass die beantragte Prozesskostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses und der Nichtabhilfeentscheidung vom 12. Dezember 2007 abgelehnt werden darf.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Klägerin nimmt den Beklagten, der für sie vom 24. Juni 2004 bis zum 28. Februar 2007 als Handelsvertreter tätig war, aus einem privatschriftlichen Schuldanerkenntnis auf Zahlung in Anspruch. Der Beklagte erhielt von der Klägerin für die Vermittlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungsverträgen Vorschussleistungen auf Provisionen, wobei die bis zum 28. Februar 2007 gezahlten Vorschussleistungen die abgerechneten Provisionsansprüche um 16.578,01 € überstiegen.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung und verlangt widerklagend, die Klägerin zu verurteilen, Buchauszüge über seine provisionspflichtigen Geschäfte vom 1. August 2004 bis zum 31. Dezember 2006 zu erteilen, den sich aus dem zu erteilenden Buchauszug ergebenden Ausgleichsbetrag und weitere 80.943,79 € zu zahlen sowie das zweiseitige Originalanerkenntnisschreiben vom 12. Februar 2007 an ihn herauszugeben.

Das Landgericht hat dem Beklagten die nachgesuchte Prozesskostenhilfe insgesamt mangels hinreichender Erfolgsaussichten verweigert.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO) und zum Teil begründet. Der Rechtsverteidigung gegen die Klage und der Widerklage können in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfang nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung hinreichende Erfolgsaussichten abgesprochen werden, während im Übrigen das Landgericht die Erfolgsaussichten zu Recht verneint hat (§ 114 ZPO).

I.

1.) Der Rückforderungsanspruch der Klägerin in Höhe von 16.578,01 € aus überzahlten Vorschussleistungen ist insoweit unstreitig, als sich dieser Saldo auf den Zeitpunkt 28. Februar 2007 bezieht.

Insoweit kann dahinstehen, ob sich der Anspruch aus einem deklaratorischen oder konstitutiven Schuldanerkenntnis im Sinne des § 780 BGB ergibt, da sich der Anspruch auf Rückzahlung nicht verdienter Vorschüsse auch aus dem Vertrag ergibt, nachdem das Vertragsverhältnis beendet ist.

Der Anspruch hat sich jedoch der Höhe nach vermindert. Aus der Abrechnung der Klägerin vom 3. April 2007 (Anlage B 16) für den Zeitraum 18. März 2007 bis 3. April 2007 stehen dem Beklagten Provisionsansprüche für Abschlussvergütungen in Höhe von 1.947,07 € zu, mit denen der Beklagte die Aufrechnung erklären kann.

Dieser Anspruch ist auch fällig. Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, dass dieser Anspruch noch nicht verdient sei und nur eine vorläufige Zahlung darstelle, weil, je nach dem, ob die Versicherungsnehmer die Erstprämie zahlen, eine Korrektur der gutgeschriebenen Provisionen erfolgen könnte. Es handelt sich hierbei nicht um Provisionsvorauszahlungen entsprechend der Zusatzvereinbarung vom 27. Juni 2004, sondern um Vergütungsansprüche nach § 6 des Vermittlervertrages vom 24. Juni 2004, da sie aus einer Provisionsabrechnung resultieren.

Deswegen steht auch nicht das in § 6 des Vertrages vereinbarte Aufrechnungsverbot entgegen, da die Klägerin die Forderung durch ihre Abrechnung anerkannt hat, wofür § 6 des Vertrages eine Ausnahme vom Aufrechnungsverbot vorsieht.

Soweit die Klägerin weiter vorträgt, dass der Saldo aus den Vorschussleistungen zum 24. August 2007 18.151,89 € betragen habe, ist ihr dies nicht behelflich. Dieser vom Beklagten bestrittene Vortrag ist nicht substantiiert und unter Beweis gestellt worden. Es ist insoweit nicht ausreichend, das letzte Blatt der internen Buchhaltung vorzulegen.

Da das Landgericht die Forderung des Beklagten in Höhe von 1.947,07 € aus der Abrechnung vom 3. April 2007 nicht berücksichtigt hat, kann die Verweigerung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dieser Höhe mit der angegebenen Begründung keinen Bestand haben.

Ob dem Beklagten Prozesskostenhilfe insoweit zu bewilligen sein wird, kann vom Senat nicht abschließend geklärt werden, da der Beklagte bislang noch nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat, dass er wirtschaftlich bedürftig ist im Sinne der §§ 114, 115 ZPO. Nach den von ihm dargelegten wirtschaftlichen Verhältnissen übersteigen seine monatlichen Ausgaben seine Einnahmen. Diesbezüglich besteht noch erheblicher Aufklärungsbedarf.

2.) Die Rechtsverteidigung des Beklagten gegen den Zahlungsanspruch der Klägerin hat jedoch im Übrigen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Soweit er geltend macht, dass das Schuldanerkenntnis nichtig sei und dem Zahlungsanspruch § 242 BGB entgegenstehe, weil aufgrund eines Verhaltens der Klägerin nur ein atypisch niedriger Verdienst habe erzielt werden könne, ist dies unerheblich.

a.) Wenn auch ab Anfang des Jahres 2005 ein Rückgang an abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen aufgrund der seit dem 1. Januar 2005 geltenden Gesetzesänderung in der Besteuerung der Erträge stattgefunden hat, ist die Klägerin hierfür nicht verantwortlich.

b.) Soweit der Beklagte weiter moniert, dass er zeitweilig 3 mal pro Woche an Schulungsmaßnahmen der Klägerin, insbesondere zur Einführung neuer Beratungssoftware habe teilnehmen müssen und ihm deswegen weniger Zeit für seine Vermittlertätigkeiten zur Verfügung gestanden habe, ist auch dies unbeachtlich. Entsprechend dem Aufgabenbereich nach dem Vermittlervertrag war er zum bedarfsgerechten Vertrieb von Versicherungsprodukten und insbesondere zur kompetenten Beratung, Unterstützung und Information der Kunden in allen Versicherungsangelegenheiten verpflichtet. Dazu gehörte auch, dass sich der Beklagte stets über die Einführung von neuen Produkten, weiter entwickelter Software oder Verträge informieren und diese beachten musste. Dies diente letztlich der Steigerung der Effizienz seiner Vermittlertätigkeit und somit auch seinen eigenen Verdienstmöglichkeiten.

Zudem ist aus dem Vertrag nicht ersichtlich, dass er für die Teilnahme an Schulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen einen finanziellen Ausgleich mit der Klägerin vereinbart hatte.

c.) Eine Vertragsverletzung der Klägerin kann auch nicht darin gesehen werden, dass seit dem Jahre 2005 eine geringere Anzahl von Interessentendaten durch die C...bank AG zur Verfügung gestellt wurde.

Zwar ist die C...bank eine Gesellschafterin der Klägerin, jedoch stand der Beklagte mit dieser nicht in einer vertraglichen Beziehung. Im Vermittlervertrag war ihm in § 2 von der Klägerin ein Betreuungsgebiet zugewiesen, in dem er in eigener Verantwortung schwerpunktmäßig seine Tätigkeit ausüben sollte. Dazu gehörten ursprünglich die Filialen der C...bank AG in F...-D... und F...-B... und später 4 weitere Filialen. Jedoch vereinbarten die Vertragsparteien ausdrücklich, dass ein Gebiets- und/oder Kundenschutz nicht gewährt werde. Des Weiteren wurde vereinbart, dass die Gesellschaft (die Klägerin) berechtigt war, in dem Gebiet des Vertriebspartners (des Beklagten) die eigenen Produkte auch unmittelbar selbst zu vertreiben oder durch Dritte vertreiben zu lassen, ohne das dadurch dem Vertriebspartner Provisionsansprüche oder sonstige Rechte erwachsen sollten. Selbst wenn man also unterstellt, dass die Klägerin Einfluss darauf hatte, dass ihre Gesellschafterin, die C...bank AG weniger Interessenten weiterleitete als der Beklagte erwartete, wäre ihr Verhalten deshalb von der vertraglichen Vereinbarung gedeckt.

Eine schuldhafte Vertragsverletzung durch die Klägerin liegt auch dann nicht vor, wenn die Behauptung des Beklagten zutrifft, wonach Ursache für die geringere Anzahl von vermittelten Kundendaten war, dass die neue Regionaldirektorin der Klägerin, Frau W..., den Regionaldirektor der C...bank AG N... verärgert hatte, weil sie ihn übergangen und unmittelbaren Kontakt zu den einzelnen Filialleitern der C...bank AG aufgenommen hatte, um die geringere Anzahl von Vermittlungen zu rügen. Hieraus kann kein Fehlverhalten der Klägerin gegenüber dem Beklagten abgeleitet werden. Wenn die Regionaldirektorin an den maßgeblichen Stellen die Aufmerksamkeit auf die geringe Anzahl der Vermittlungen lenkte, dann lag dies vielmehr auch im Interesse des Beklagten. Der nach der (pauschalen) Behauptung des Beklagten erzielte gegenteilige Effekt war nicht vorhersehbar und kann der Klägerin deshalb nicht angelastet werden. Jedenfalls hat der Beklagte bislang keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss zulassen, die neue Regionaldirektorin der Klägerin hätte wissen müssen, dass ihr Verhalten die von dem Beklagten behaupteten Folgen haben würde.

d.) Soweit der Beklagte des Weiteren eine einseitige Provisionsänderung durch die Klägerin von 1 % auf 0,3 % dargestellt hat, fehlt es an einem ausreichenden Vortrag, auf welche Verträge sich diese Änderung beziehen soll. Des Weiteren war in § 6 des Vermittlervertrages vereinbart, dass, wenn sich die Geschäftsgrundlagen z.B. durch Einführung neuer Produkte, neuer Produktgeber oder neuer Rechtsformen änderten, die Provisionsregelungen durch einseitige Erklärung der Gesellschaft neu festgesetzt werden konnte, sofern hiermit keine wesentliche Beeinträchtigung des Vertriebspartners verbunden war. Demnach war also grundsätzlich eine Änderung einseitig möglich. Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern der Beklagte überhaupt seinen Abweisungsantrag auf diesen Umstand stützen will, da er erklärt hat, sich entsprechende Ansprüche aus diesem Umstand (nur) vorzubehalten.

Insgesamt sind die vorstehend dargestellten Einwendungen des Beklagten daher gegenüber dem Zahlungsanspruch der Klägerin unerheblich, so dass insofern keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.

II.

Die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche haben nur teilweise Aussicht auf Erfolg.

1.) Zwar hat der Beklagte grundsätzlich gemäß § 87 c Abs.2 HGB einen Anspruch auf die Erteilung des begehrten Buchauszuges. Im vorliegenden Fall wird dieser Antrag jedoch abzuweisen sein. Da der Beklagte mit seiner Unterschrift unter das Schreiben der Klägerin vom 12. Februar 2007 (Anlage K 1) auf weitere Ansprüche gegen die Klägerin (mit Rücksicht auf seine Eigenkündigung des Vermittlervertrages) wirksam verzichtet hat, kann er weitere Provisionsforderungen nicht geltend machen, so dass ihm auch der Hilfsanspruch aus § 87 b HGB nicht zusteht.

2.) Wegen des vorgenannten Verzichtsvertrages stehen dem Beklagten auch keine Ansprüche auf einen Handelsvertreterausgleich nach § 89 b HGB zu, so dass der in Ziffer 3 bezeichnete Widerklageantrag ebenfalls keine Aussicht auf Erfolg hat. Auch für diesen Anspruch kann somit kein Buchauszug verlangt werden.

Vorliegend findet § 89 b Abs. 3 Nr. 1 HGB Anwendung, wonach der Anspruch auf Handelsvertreterausgleich nicht besteht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat. Es ist zwar so, dass auf den Abfindungsanspruch im Rahmen einer einvernehmlichen Vereinbarung nicht verzichtet werden kann (vgl. Hopt "Handelsvertreterrecht" 2. Aufl., Rdnr. 53 zu § 89 b, BGH 51, 188). Dies gilt jedoch nicht für den Fall der Eigenkündigung durch den Handelsvertreter (vgl. BGH aaO), wovon im vorliegenden Fall auszugehen ist. Aufgrund der Eigenkündigung des Beklagten liegt ein wirksamer Verzicht auf Ausgleichsansprüche nach § 89 b HGB vor.

Sofern der Beklagte geltend macht, dass die Vereinbarung vom 12. Februar 2007 als einvernehmliche Aufhebung des Vermittlungsvertrages zu bewerten sei und keine einseitige Eigenkündigung seinerseits vorliege, kann dem nicht gefolgt werden.

Der vorstehenden Vereinbarung ging ein Kündigungsschreiben des Beklagten vom 31. Januar 2007 voraus, in dem er nicht die ordentliche Kündigungsfrist von 3 Monaten einhielt, sondern das Vertragsverhältnis zum 28. Februar 2007 beenden wollte. Damit kündigte er das Vertragsverhältnis einseitig. Wenn die Klägerin nun auf die Einhaltung der Kündigungsfrist einerseits verzichtete und andererseits dafür verlangte, dass der Beklagte seinerseits auf weitergehende Ansprüche gegen sie verzichtete und den Saldo aus den Vorschusszahlungen für Provisionen anerkannte, kann darin nicht ein nachträglicher Aufhebungsvertrag gesehen werden. Die Klägerin stellte nämlich ausdrücklich klar, dass dieser Verzicht auf Einhaltung der Kündigungsfrist nicht bedeute, dass man einvernehmlich das Vertragsverhältnis aufhebe. Sollte der Beklagte mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden sein, müsse man auf die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist bestehen. Deswegen stellte der gegenseitige Verzicht eine von der Kündigungsfrage unabhängige Sondervereinbarung dar, der aus der einseitigen Kündigungserklärung des Beklagten keine einvernehmliche Kündigung machte. In diesem Zusammenhang ist nämlich auch zu berücksichtigen, dass die zwischen den Parteien getroffene Sondervereinbarung für den Beklagten den Vorteil hatte, dass die Klägerin nicht mehr angehalten war, eine Meldung über den Schuldsaldo an die Auskunftsstelle der Versicherungsvermittler (AVAD) zu tätigen, was für den Beklagten bedeutet hätte, dass er voraussichtlich keine anderweitige Betätigungsmöglichkeit als Versicherungsvermittler gefunden hätte. Nach alledem ist somit von einem wirksamen Verzichtsvertrag hinsichtlich weitergehender Provisionsansprüche auszugehen, so dass der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges nicht besteht.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Verhalten des Unternehmers (der Klägerin) für die Kündigung des Beklagten einen begründeten Anlass gab. Insoweit kann auf das Vorstehende in Ziffer I2.) Bezug genommen werden, wonach der Klägerin kein Fehlverhalten hinsichtlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen angelastet werden kann.

3.) Da der Klägerin kein Fehlverhalten angelastet werden kann, stehen dem Beklagten auch die mit der Widerklage in Ziffer 4 geltend gemachten Schadensersatzansprüche für behauptete geringere Verdienste in den Jahren 2005 und 2006 (insgesamt 53.014,19 €) nicht zu.

Abgesehen davon ist die Schadensberechnung nicht nachvollziehbar. Es ist sachlich nicht gerechtfertigt, dass der Beklagte bei der Errechnung seines durchschnittlichen Verdienstes von den provisionsstärksten Monaten (August bis Dezember 2004) ausgeht, obwohl es mutmaßlich nur aufgrund der Gesetzesänderung im Steuerrecht zum 1. Januar 2005 zu einem (nicht nachhaltigen) Anstieg von Neuabschlüssen gekommen war. Eine solche Betrachtungsweise würde den Beklagten unangemessen und einseitig bevorteilen.

4. Sofern der Beklagte mit der Widerklage einen Anspruch nach § 90 a Abs. 3 Satz 3 HGB auf Wettbewerbsentschädigung (so genannte Karenzentschädigung) in Höhe von 27.929,60 € geltend macht, kann allerdings der Rechtsverfolgung jedenfalls zur Zeit die hinreichende Erfolgsaussicht nicht mit der vom Landgericht gegebenen Begründung abgesprochen werden.

Ein wirksamer Verzicht liegt nicht vor, denn hinsichtlich des gesetzlichen Anspruches auf Karrenzentschädigung können gemäß § 90 a Abs. 4 abweichende Vereinbarungen zum Nachteil des Handelsvertreters nicht getroffen werden.

Die Parteien vereinbarten in § 11 des Vermittlervertrages eine Wettbewerbsbeschränkung. Dies war zulässig, da sie sich nur auf den dem Handelsvertreter zugewiesenen Bezirk oder Kundenkreis und die Gegenstände erstreckte, hinsichtlich derer sich der Handelsvertreter um die Vermittlung oder den Abschluss von Geschäften für den Unternehmer zu bemühen hatte (Münchener Kommentar - Von Hoynenge-Huene, "HGB", 2. Aufl., Rdnr. 24 zu § 90 a HGB). Somit wurde durch die vorstehende Vereinbarung untersagt, nach Beendigung des Handelsvertretervertrages Wettbewerbshandlungen vorzunehmen, die den Bestand der Klägerin gefährden konnten. Dadurch war andererseits der Beklagte in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt. Er war damit gehindert, umfassende Konkurrenztätigkeiten auszuüben (vgl. Münchener Kommentar - aaO Rdnr. 15 und 22 zu § 90 a). Der Klägerin kann insoweit nicht dahingehend gefolgt werden, dass dies kein Wettbewerbsverbot darstelle, da dem Beklagten nur untersagt gewesen sei, Kundendaten zu verwenden bzw. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu verletzen. Auch wenn der Beklagte durch die vorstehende Vereinbarung nicht daran gehindert war, grundsätzlich gewerbliche Tätigkeiten im Sinne eines Versicherungsvermittlers auszuführen, so war er doch nicht unerheblich eingeschränkt, da ihm der Gesamtmarkt durch die Wettbewerbsabrede nicht zur Verfügung stand.

Das Landgericht hätte die Erfolgsaussichten hinsichtlich der Geltendmachung dieses Entschädigungsanspruches im Wege der Widerklage nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, dass der Beklagte diesen nicht schlüssig dargetan hat. Zwar ist es richtig, dass, wenn der Beklagte eine monatliche Entschädigung von 1/3 der durchschnittlichen Monatsbruttoprovision des Jahres 2006 verlangt, er darlegen muss, woraus sich die Höhe des Anspruches ergeben soll. Dem Landgericht ist auch dahingehend zu folgen, dass sich der Beklagte im Handelsvertretervertrag verpflichtet hatte, innerhalb von 2 Jahren nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Abwerbung und Ausspannung von Kunden der Klägerin und ihrer Partnerunternehmen zu unterlassen und der Beklagte hinsichtlich des dadurch entstandenen Nachteils nichts vorgetragen hat. Das Landgericht hätte jedoch vor Ablehnung des Antrages auf diesen Umstand und die von der Rechtsprechung verlangten Kriterien hinweisen müssen, um dem Beklagten Gelegenheit zu einer Nachbesserung zu geben.

Bei der Angemessenheit der Entschädigung nach § 90 a HGB handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die Kriterien der Angemessenheit beruhen auf dem Grundgedanken, dass die Entschädigung nicht zu einem unangemessenen Gewinn für den Empfänger führen, sondern lediglich die mit dem Wettbewerb verbundenen beruflichen Nachteile in den vom Gesetz aufgestellten Grenzen ausgleichen soll. Daher ist eine Abwägung erforderlich zwischen den Nachteilen, die dem Handelsvertreter durch die Einhaltung des Wettbewerbverbots entstehen und den Vorteilen, die der Unternehmer hieraus zieht (BGHZ 63, 353). Zu berücksichtigen sind weiter die erforderliche wirtschaftliche Sicherung des Handelsvertreters, die Möglichkeiten einer anderweitigen, nicht dem Wettbewerbsverbot unterliegenden Erwerbstätigkeit, die wirtschaftliche Bedeutung des Wettbewerbsverbots für den Unternehmer sowie der materielle Verlust, den das Konkurrenzverbot für den Handelsvertreter (insbesondere durch Ablehnung einer unter Umständen besser vergüteten Stelle beim Konkurrenzunternehmer) bedeutet (vgl. Münchener Kommentar - aaO Rdnr. 43 zu § 90 a HGB).

Das Landgericht wird daher über die Erfolgsaussichten des geltend gemachten Anspruches auf Karrenzentschädigung erneut zu befinden haben, sobald der Beklagte ausreichend Gelegenheit gehabt hat, unter Berücksichtigung der vorgenannten Kriterien ergänzend vorzutragen. Weiter wird zu beachten sein, dass der Beklagte die Angaben zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu vervollständigen hat.

Die Gerichtsgebühr wird auf die Hälfte ermäßigt (1811 KV). Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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