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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 05.12.2001
Aktenzeichen: 7 U 10/01
Rechtsgebiete: BörsG, ZPO


Vorschriften:

BörsG § 53 Abs. 2
BörsG § 61
BörsG § 53
BörsG § 53 Abs. 1 S. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
ZPO § 108
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 U 10/01

Verkündet am 5. Dezember 2001

in dem Rechtsstreit

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jahn sowie die Richter am Oberlandesgericht Trueson und Dr. Fischer auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 36.000 DM abwenden, sofern die Gegenseite nicht zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet; die Sicherheitsleistungen können durch Bürgschaften einer deutschen Bank erfolgen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine luxemburgische Bank, verlangt von dem Beklagten Zahlung von 487.433,91 DM zuzüglich Zinsen zum Ausgleich eines Negativsaldos auf einem bei der Klägerin geführten Konto des Beklagten. Der Negativsaldo resultiert im Wesentlichen aus Verlusten von der Klägerin vermittelten Börsentermingeschäften des Beklagten.

Dem Beklagten wurden bei Kontoeröffnung die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin ausgehändigt. Danach findet auf das Vertragsverhältnis der Parteien luxemburgisches Recht Anwendung. Weiterhin gelten bei Ausbleiben von schriftlichen Einwendungen des Kunden die Kontensalden 30 Tage nach Absendung der Kontoauszüge als anerkannt.

Eine schriftliche Aufklärung des Beklagten nach § 53 Abs. 2 des Deutschen Börsengesetzes (BörsG) ist nicht erfolgt.

Die Anweisungen zur Durchführung der Börsentermingeschäfte wurden von dem Beklagten telefonisch an die Klägerin durchgegeben. Ob der Beklagte von seinem Wohnort, R..., aus telefonierte, ist streitig.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten seien nach § 61 BörsG ausgeschlossen. Danach können aus einem Börsentermingeschäft ohne Rücksicht auf das darauf anzuwendende Recht keine weiteren Ansprüche als nach deutschem Recht begründet sind gegen eine Person geltend gemacht werden, wenn das Geschäft nach § 53 BörsG nicht verbindlich ist, der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit des Geschäftsabschlusses im Inland hat und im Inland die für den Abschluss des Geschäfts erforderliche Willenserklärung abgegeben hat. Da eine Aufklärung des Beklagten nach § 53 Abs. 2 BörsG nicht erfolgt sei, er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in R... (Landkreis T....-S.......) habe und von dort aus telefonisch der Klägerin die Anweisung für die Börsentermingeschäfte erteilt habe, seien die Geschäfte für den Beklagten unverbindlich und das fingierte Saldoanerkenntnis unwirksam.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Sie trägt vor:

§ 61 BörsG sei vorliegend nicht anwendbar, weil der Beklagte freiwillig Luxemburg als Bankstandort gewählt habe. Im Übrigen seien die Voraussetzungen der Vorschrift nicht erfüllt, weil der Beklagte gewerbsmäßig Börsentermingeschäfte betrieben habe. Der Beklagte sei ein "erfahrener Traider", der seit 1990 Börsentermingeschäfte in erheblichem Umfang getätigt habe. Er sei keiner anderen Berufstätigkeit nachgegangen und habe über eine Online-Verbindung zum "Börseninformationssystem R......" verfügt. Im Übrigen seien über das Konto, dessen Negativsaldo geltend gemacht werde, auch normale Aktienkäufe abgewickelt worden. Letztlich schulde der Beklagte zumindest 150.961,11 DM. Es handele sich dabei um die Differenz zwischen den Ein- und Auszahlungen auf dem Konto des Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteil den Beklagten zu verurteilen, an sie 487.433,91 DM nebst 7,5 % Zinsen seit 1. April 1998 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Über das Konto, dessen Negativsaldoausgleich die Klägerin mit dem vorliegenden Verfahren geltend mache, seien ausschließlich Börsentermingeschäfte finanziert worden.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren erstmals die Differenz zwischen Einzahlungen und Auszahlungen auf dem betreffenden Konto in Höhe von 150.961,11 DM verlangt, rügt der Beklagte Klageänderung, bestreitet den geltend gemachten Differenzbetrag und macht darüber hinaus geltend, dass die Klägerin aus von ihm abgeschlossenen unwirksamen Börsentermingeschäften Provisionen in Höhe von 215.479,19 DM erlangt habe, um die die Klägerin zu seinen Lasten zu Unrecht bereichert sei. Mit diesem Anspruch hat der Beklagte gegenüber der Klageforderung aufgerechnet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf deren Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Ausgleich des auf dem Kreditkonto des Beklagten bestehenden Sollsaldos. Ein derartiger Anspruch ist nach § 61 BörsG ausgeschlossen.

Zwar unterliegt das Vertragsverhältnis der Parteien gemäß Art. 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 EGBGB luxemburgischem Recht, weil in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin die Anwendung luxemburgischen Rechts vereinbart wurde und darüber hinaus die das Vertragsverhältnis der Parteien charakterisierenden Leistungen am Sitz der Klägerin in Luxemburg erbracht wurden. Da die Klägerin die Börsentermingeschäfte für den Beklagten an einer deutschen Terminbörse (Frankfurt) abschloss, unterlagen die eigentlichen Termingeschäfte deutschem Recht.

Nach § 61 BörsG, der gegen die lex causae Anwendung findet, bildet für Ansprüche aus Börsentermingeschäften das deutsche Recht stets eine Höchstgrenze, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind:

1. Das Geschäft muss nach § 53 BörsG unverbindlich sein;

2. der Kunde muss seinen gewöhnlichen Aufenthalt zur Zeit des Geschäftsabschlusses im Inland haben;

3. die für den Abschluss des Geschäfts erforderliche Willenserklärung muss im Inland abgegeben worden sein.

Das Landgericht hat zu Recht diese drei Voraussetzungen als gegeben erachtet.

Im Berufungsverfahren macht die Klägerin geltend, der Beklagte habe die bei ihr abgeschlossenen Börsentermingeschäfte gewerbsmäßig betrieben und sei daher nach § 53 Abs. 1 S. 2 BörsG börsentermingeschäftsfähig gewesen. Das Handeln des Beklagten ist jedoch nicht als gewerbsmäßig anzusehen.

Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn nicht lediglich gewohnheitsmäßig Börsentermingeschäfte abgeschlossen werden. Gewerbsmäßigkeit erfordert eine selbständige, nachhaltige in Gewinnerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit (vgl. BGH NJW 1989, 1240; OLG Saarbrücken, ZIP 1997, 1284, 1285). Die Verwaltung eigenen Vermögens, auch wenn sie spekulative Geschäfte umfasst, gehört grundsätzlich zum privaten Bereich. Gewerbsmäßiges Handeln liegt vor, wenn die Verwaltung einen planmäßigen Geschäftsbetrieb erfordert, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation zur Durchführung der Geschäfte (BGH NJW 1992, 3242; OLG Saarbrücken a.a.O.).

Nach dem Vorbringen der Klägerin verfügte der Beklagte über eine Online-Verbindung zum Börseninformationssystem R.......

Darüber hinaus vermutet die Klägerin, dass der Beklagte Fachzeitschriften bezog (vgl. GA Bl. 137 "Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der Kläger Fachzeitschriften, wie etwa den Effektenspiegel oder das Handelsblatt, bezog."). Dies ist für ein gewerbsmäßiges Handeln nicht ausreichend. Auch ein privater Anleger, der in Börsentermingeschäften spekuliert, benötigt Informationen. Das Abfragen der allgemein über das Internet zugänglichen Bankinformationsdienste, auch wenn sie im Einzelfall kostenpflichtig sind, begründet noch kein gewerbsmäßiges Handeln i.S. von § 53 Abs. 1 S. 2 BörsG. Derartige Informationen stehen einem breiten Publikum auf Grund der modernen Informationstechaiken zur Verfügung. Würde man bei jedem Internetnutzer von "Gewerbsmäßigkeit" ausgehen, bliebe für private Anleger überhaupt kein Raum mehr. Die Schutzfunktion des § 53 BörsG würde leerlaufen. Auch der Bezug einer Fachzeitschrift durch den Beklagten - der von der Klägerin nicht substantiiert vorgetragen wurde - würde für ein gewerbsmäßiges Handeln des Beklagten nicht ausreichen, denn auch für Privatanleger ist der Bezug einer überregionalen Tageszeitung mit ausführlichem Wirtschaftsteil (beispielsweise der Frankfurter Allgemeinen Zeitung) allgemein üblich. Letztlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Beklagte, der Koch als Beruf erlernt hat, über gute Kenntnisse für den Abschluss von Börsentermingeschäften verfügt (die Klägerin hat ihn als "erfahrenen Traider" bezeichnet). Die individuellen Kenntnisse eines Anlegers, z.B. aus zahlreichen Kontrakten, sind für die Herstellung der Termingeschäftsfähigkeit, die sich allein nach den formalen Kriterien des § 53 BörsG bemisst, unerheblich. Da die Börsentermingeschäfte, deren Verluste geltend gemacht werden, zudem in einem Zeitraum von weniger als 12 Monaten abgeschlossen wurden (vgl. GA Bl. 172), kann eine Gewerbsmäßigkeit auch nicht aus dem Aspekt langer Spekulationstätigkeit hergeleitet werden. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Beklagte bereits 1992/1993 Spekulationsgeschäfte in nicht näher dargelegtem Umfang abgeschlossen hat.

Der Kläger wohnt in R und hat damit seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Auftragserteilung für die Börsenspekulationsgeschäfte erfolgte nach Überzeugung des Senats vom Wohnsitz des Beklagten in R... aus. Der Beklagte hat die Aufträge jeweils telefonisch an die Zweigstelle W........... der Klägerin erteilt, die lediglich etwa 2-3 km von einem deutschen/luxemburgischen Grenzübergang entfernt ist. Die Entfernung von R... nach W..-......... beträgt etwa 30 km. Unter diesen Umständen wäre es völlig ungewöhnlich und lebensfremd, wenn der Beklagte nach W........... gefahren wäre, um von dort aus einer Telefonzelle der Klägerin die einzelnen Aufträge zu erteilen. Vielmehr sind die Angaben des Beklagten, die er in der Senatssitzung vom 24. Oktober 2001 gemacht hat, überzeugend, er habe die Klägerin jeweils von R aus angerufen.

Die Börsenspekulationsgeschäfte des Beklagten sind somit unverbindlich (§§ 61, 53 BörsG).

Die periodischen Saldierungen des Kontos, über die die Börsentermingeschäfte abgewickelt wurden, sowie die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin enthaltenen Anerkenntnisfiktionen stellen keine Leistungen i.S. von § 55 BörsG dar. Ein Anspruch der Klägerin kann daher aus den Saldierungen und fiktiven Anerkenntnissen nicht hergeleitet werden (vgl. BGH NJW 1985, 634, 636 und BGH WM 1998, 546). Auch insoweit gilt wegen der anspruchsabwehrenden Funktion des § 61 BörsG deutsches Recht.

Das Vorbringen der Klägerin in der Berufung, das Konto, dessen Saldoausgleich verlangt werde, habe nicht "ausschließlich" zur Finanzierung von Börsentermingeschäften gedient, sondern auch für normale Aktienkäufe (vgl. GA Bl. 168, 169), ist nicht substantiiert. Der Beklagte hat bestritten, dass derartige Aktienkäufe erfolgt sind. Um welche Aktienkäufe es sich konkret handelte, wurde von der Klägerin nicht vorgetragen.

Wegen des Termineinwands kann die Klägerin somit von dem Beklagten nicht den eingeklagten Saldo von 487.433,91 DM verlangen.

Im Berufungsverfahren macht die Klägerin 150.961,11 DM als Differenz der vom Beklagten getätigten Ein- und Auszahlungen geltend (GA Bl. 174, 175). Die Klägerin legt hierzu eine Aufstellung vor, wonach die Auszahlungen von dem Konto des Beklagten um den genannten Betrag höher sind als die Einzahlungen auf dieses Konto. Es wird somit ein Bereicherungsanspruch auf Grund eines neuen Sachvortrags geltend macht. Die hierin liegende Klageänderung (Änderung des Klagegrunds), der der Beklagte nicht zugestimmt hat, sieht der Senat nicht als sachdienlich an (§§ 523, 263 ZPO). Die Klägerin stellt einen völlig neuen Streitstoff zur Beurteilung. Das bisherige Prozessergebnis kann dabei nicht nennenswert mit verwertet werden. Zudem wäre zunächst eine umfangreiche Aufklärung des Sach- und Streitstandes - auch wegen der vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Positionen - und gegebenenfalls danach eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich.

Die Berufung der Klägerin ist somit mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Der Streitwert sowie die Beschwer der Klägerin betragen 487.434,-- DM.

Ende der Entscheidung

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