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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 02.10.2002
Aktenzeichen: 7 U 1722/01
Rechtsgebiete: AVB Elt V, ZPO


Vorschriften:

AVB Elt V § 8
AVB Elt V § 8 Abs. 1
AVB Elt V § 8 Abs. 3
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Koblenz IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 7 U 1722/01

Verkündet am. 2. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

Der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Jahn sowie die Richter am Oberlandesgericht Trueson und Dr. Fischer auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 21. September 2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger haben das Anwesen P in der Gemarkung H, Kreis R 1998 im Rahmen einer Versteigerung erworben. Das Grundstück ist mit einem Wohntrakt und einem Pferdestall bebaut. Neben den Gebäuden befindet sich seit mindestens 25 Jahren eine Mittelspannungsstromleitung, über die u.a. die Gemeinde H mit Strom versorgt wird. Auch das Grundstück der Kläger ist an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Die Kläger verfügen über eine genehmigte Planung für ein weiteres Wohnhaus sowie ein Appartementhaus auf dem Gelände des P. Die Kläger haben geltend gemacht, der Strommast befinde sich im Bereich einer projektierten Gartenterrasse. Die Stromleitung verlaufe zudem über eine geplante Garage. Daher müsse die Beklagte den Strommast aus Rechtsgründen verlegen. Zudem sei der Verbleib des Strommastes wegen Elektrosmogs, Blitzeinschlaggefahr, Umsturzgefahr bei Sturm und ästhetischen Beeinträchtigungen unzumutbar.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und nach Durchführung einer Ortsbesichtigung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:

Das von den Klägern geplante Bauvorhaben erfordere keine Verlegung des Strommastes, weil die Abstandsvorschriften nach den einschlägigen DIN- bzw. VDE-Normen eingehalten seien. Sollten bei der Durchführung des, Bauvorhabens, insbesondere bei Geländeregulierungen durch den Mast Behinderungen auftreten, habe sich die Beklagte verpflichtet, kurzfristig die Leitungsführung anzupassen. Im Übrigen sei es für die Kläger nicht unzumutbar, wenn der Strommast an seinem jetzigen Standort verbleibe. Eine konkrete Gefährdung durch Blitzeinschlag sei nicht dargetan. Die ästhetische Beeinträchtigung sei noch zu ertragen, weil der Mast aus Holz bestehe und sich daher in die ländlich geprägte Umgebung einfüge.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit der Berufung. Sie machen geltend, nach der Liberalisierung des Strommarktes im Jahre 1998 bestehe keine Verpflichtung mehr für Stromkunden, Strommasten auf ihrem Grundstück zu dulden. Im Übrigen sei der Strommast ein massiv störender Fremdkörper, der bei den Benutzern der noch herzustellenden Gartenterrasse Mißempfinden hervorrufe. Letztlich rechtfertige sich der Beseitigungsanspruch auch aus der Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Elektrosmog.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, den auf dem Grundstück der Kläger in der Gemarkung H, Flur, Flurstück-Nr. /3, befindlichen Strommast zu entfernen und die über den Strommast verlaufende Freileitung zu verlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Kläger zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf deren Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist nicht begründet. Das Landgericht hat mit insgesamt zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt (§ 543 Abs. 1 ZPO a.F.) einen Anspruch der Kläger auf Beseitigung des Strommastes verneint.

Mit der Berufung machen die Kläger insbesondere geltend, nach der sogenannten Liberalisierung des Strommarkts durch das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 29. April 1998 sei die Verpflichtung der Grundstückseigentümer entfallen, im öffentlichen Interesse zur Schaffung und Aufrechterhaltung einer leistungsfähigen Stromversorgung ihre Grundstücke unentgeltlich für Versorgungseinrichtungen zur Verfügung zu stellen (vgl. § 8 AVB Elt V). Dies ist rechtlich nicht zutreffend. Nach allgemeiner Ansicht regeln die AVB Elt vom Energiewirtschaftsgesetz losgelöst, wichtige Bereiche der Versorgung mit elektrischer Energie und gelten daher auch nach der Energierechtsreform fort (vgl. Scholtka, NJW 2000, 548, 550). Gemäß § 8 AVB Elt V sind somit die Kläger als Kunden eines Elektrizitätsversorgungsunternehmens weiterhin verpflichtet, das Anbringen von Strommasten und das Verlegen von Leitungen über ihr Grundstück zuzulassen.

Mit überzeugender Begründung hat das Landgericht nach Durchführung einer Ortsbesichtigung eine unzumutbare Belastung der Kläger in ästhetischer Hinsicht durch den Strommast und die Freileitungen verneint. Das Landgericht hat hierzu festgestellt, dass sich der Mast in die Umgebung einfügt. Allein der Umstand, dass Strommasten und Leitungen allgemein als ästhetisch negativ empfunden werden, begründet keine unzumutbare Belastung i.S. von § 8 Abs. 1 und Abs. 3 AVB Elt V.

Die weiteren Ausführungen der Kläger, Strommasten könnten bei Sturm umknicken, es könnten dort auch Blitze einschlagen und Kinder könnten unter Freileitungen keine Drachen steigen lassen, sind abstrakte allgemeine Erwägungen, aus denen sich eine konkrete - auf die Kläger bezogene - Unzumutbarkeit nicht herleiten lässt. Dies gilt auch für Darlegungen über die Sensibilität der Bevölkerung gegenüber "Elektrosmog". Dass die Grenzwerte zum Gesundheitsschutz vor elektromagnetischen Feldern vorliegend überschritten werden, machen die Kläger nicht geltend. Sie rügen vielmehr, dass diese Grenzwerte zum Gesundheitsschutz nicht ausreichend seien. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt (NJW 2002, 1638), dass Untersuchungen zu den Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf den Menschen bereits seit längerem auf internationaler Ebene fachübergreifend stattfinden. Die Forschungen seien nach wie vor nicht abgeschlossen. Daher könne durch einzelne wissenschaftliche Studien kein konkretes Bild über die Gefährdungslage erreicht werden. Eine kompetente Risikobewertung setze statt dessen die laufende fachübergreifende Sichtung und Bewertung der umfangreichen Forschungen voraus. Diese Bewertung werde von verschiedenen internationalen und nationalen Fachkommissionen wahrgenommen. Es liege daher auf der Hand, dass eine gerichtliche Beweiserhebung anlässlich eines Streitfalls die gebotene Gesamteinschätzung des komplexen wissenschaftlichen Erkenntnisstands nicht leisten könne. Das Landgericht hat somit zu Recht dem entsprechenden Beweisantrag der Klägerin, dass von dem Elektrosmog der Leitungen der Gesundheitsgefährdung ausgehe, nicht stattgegeben.

Letztlich ist es Sache der Beklagten als Energieversorgungsunternehmen darüber zu befinden, in welcher Weise die Versorgung der Kunden mit elektrischer Energie erfolgt. Dazu gehört auch die Art der Verlegung einer Leitung, die Streckenführung usw.. Selbst wenn somit der Strommast und die Freileitungen sich in einer rechtlich unzulässigen Nähe zum geplanten Bauvorhaben der Kläger befinden würden, könnten die Kläger nicht die generelle Beseitigung von Mast und Freileitung verlangen. Die Beklagte wäre vielmehr berechtigt, z.B. durch eine Versetzung des Mastes den rechtlich erforderlichen Abstand wieder herzustellen.

Die Berufung der Kläger ist somit mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert sowie die Beschwer der Kläger betragen 25.000 DM (12.782,30 EUR).

Die Revision wird nicht zugelassen.

Ende der Entscheidung

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