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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 23.12.2004
Aktenzeichen: 7 UF 768/04
Rechtsgebiete: BGB, SGB XI


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1606 Abs. 3 S. 2
BGB § 1610 a
BGB § 1612 b Abs. 5
SGB XI § 13 Abs. 6 S. 1
SGB XI § 13 Abs. 6 S. 2
SGB XI § 13 Abs. 6 S. 2 Nr. 2
Zum Umfang der gesteigerten Barunterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 BGB) eines Elternteils gegenüber einem beim anderen Elternteil lebenden Kind aus erster Ehe, wenn in der zweiten Ehe weitere Kinder betreut werden, von denen eines aufgrund einer Schwerbehinderung besonders betreuungsbedürftig ist.

Zur Heranziehung des für das behinderte Kind gezahlten, an den unterhaltspflichtigen Elternteil als Pflegeperson weitergeleiteten Pflegegeldes zur Deckung des Barunterhaltsbedarfs des nicht betreuten Kindes.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 UF 768/04

Verkündet am 23. Dezember 2004

in der Familiensache

wegen Kindesunterhalts

Der 7. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Eck und den Richter am Landgericht Pollex auf die mündliche Verhandlung vom 02. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Kindesunterhalt zu zahlen:

vom 15.11.2000 bis zum 31.12.2000 monatlich 151,34 € (= 296,- DM),

vom 01.01.2001 bis zum 30.06.2001 monatlich 204,52 € (= 400,- DM),

vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2001 monatlich 83,85 € (= 164,- DM),

vom 01.01.2002 bis zum 31.12.2002 monatlich 85,00 €,

vom 01.01.2003 bis zum 31.05.2003 monatlich 91,00 €,

vom 01.06.2003 bis zum 30.06.2003 43,00 €,

vom 01.07.2003 bis zum 31.12.2003 monatlich 14,00 €

sowie ab 01.01.2004 monatlich 38,00 €.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Beklagte ist die Mutter der inzwischen vierzehn Jahre alten Klägerin. Diese lebt seit der Scheidung ihrer Eltern im Haushalt des Vaters und wird von diesem betreut und versorgt.

Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin für die Zeit ab 15.11.2000 Barunterhalt in Höhe des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung.

Die Beklagte, die keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, ist wieder verheiratet und betreut drei Kinder in ihrem Haushalt: die aus einer anderen Beziehung stammende V......, geb. am ...09.1993, für die deren Vater regelmäßig Unterhalt zahlt, sowie zwei Kinder aus der jetzigen Ehe, J....., geb. am ...06.1997, und M...., geb. am ...10.1999. M.... ist herzkrank, ihm wird ein Grad der Behinderung von 60, seit 15.07.2004 von 80 bescheinigt. Bei J..... ist die Sprachentwicklung verzögert.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, zwar seien die Unterhaltsansprüche der Klägerin und der übrigen Kinder der Beklagten gleichrangig, der Beklagten sei im vorliegenden Fall wegen der besonderen Belastung durch die weiteren außergewöhnlich betreuungsbedürftigen Kinder jedoch ausnahmsweise nicht zuzumuten, neben ihrer Familienarbeit noch einer Nebentätigkeit nachzugehen, um so auch den Unterhaltsbedarf der nicht von ihr betreuten Klägerin sicherstellen zu können. Auch ein Anspruch auf - für Unterhaltszwecke einsetzbares - Taschengeld gegenüber dem Ehemann bestehe nicht, da dessen Einkommen kaum zur Deckung des notwendigen Bedarfs der Familie ausreiche. Das für den Sohn M.... gezahlte Pflegegeld könne nicht berücksichtigt werden.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren zunächst weiter. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie ihren Anspruch jedoch der zwischenzeitlich erfolgten - eingeschränkten - Prozesskostenhilfebewilligung angepasst und verlangt nur noch die aus den Beschlüssen des Senats vom 15. und 29.11.2004 ersichtlichen Beträge.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist zulässig, in der Sache führt es zu einem Teilerfolg. Der Klägerin steht Kindesunterhalt nur in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zu.

Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Beklagte gegenüber der nicht von ihr betreuten Klägerin grundsätzlich barunterhaltspflichtig. Denn die aus § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB folgende Freistellung von der Pflicht zur Zahlung von Barunterhalt gilt nur gegenüber dem selbstbetreuten Kind, nicht gegenüber dem beim andern Ehegatten lebenden Kind, für das keine Betreuung geleistet wird.

Das Maß des geschuldeten Unterhalts (§ 1610 Abs.1 BGB) richtet sich, da minderjährige Kinder noch keine selbständige Lebensstellung haben, grundsätzlich nach der in den Einkommensverhältnissen zum Ausdruck kommenden Lebensstellung des barunterhaltspflichtigen, nicht betreuenden Elternteils, wobei zum Einkommen in diesem Sinne auch die aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbaren Einkünfte gehören (vgl. Ziff. 9 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Koblenz). Gemäß § 1603 Abs. 2 BGB besteht gegenüber minderjährigen, nicht verheirateten Kindern eine erweiterte Unterhaltspflicht der Eltern, die die Obliegenheit zur gesteigerten Ausnutzung ihrer Arbeitskraft beinhaltet und bei nicht hinreichendem Bemühen um Arbeit zum Ansatz eines fiktiven Einkommens führen kann (BGH, NJW 2003, 3122), insbesondere wenn nicht einmal Kindesunterhalt in Höhe des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung gezahlt werden kann. Allerdings kann die Leistungsfähigkeit des barunterhaltspflichtigen Elternteils wiederum durch die ihm obliegende Betreuung eines oder mehrerer Geschwisterkinder beeinträchtigt sein (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1160). Das ist vorliegend der Fall, so dass die Beklagte auch unter Berücksichtigung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit nur eingeschränkt leistungsfähig ist.

Die Beklagte betreut drei Kinder im Alter von jetzt elf, sieben und fünf Jahren. Aus unterhaltsrechtlicher Sicht müsste die Beklagte deshalb an sich keiner Erwerbstätigkeit nachgehen (vgl. Ziff. 17 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Koblenz). Grundsätzlich haben Eltern nämlich das Recht, ihre eigenen betreuungsbedürftigen Kinder selbst zu betreuen, und sind nicht verpflichtet, damit Dritte zu beauftragen, selbst wenn diese bereit und in der Lage sind (vgl. Kalthoener/ Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rn. 894). Dies gilt vorliegend zwar nicht uneingeschränkt, da die Beklagte auch gegenüber der Klägerin gleichermaßen wie gegenüber V......, J..... und M.... unterhaltspflichtig ist (§ 1609 Abs. 1 BGB), so dass die Beklagte an sich die Obliegenheit trifft, alles ihr Mögliche zu unternehmen, um auch ihrer Unterhaltsverpflichtung gegenüber der von ihr nicht betreuten Tochter nachkommen zu können. Diese aus § 1603 Abs. 2 BGB folgende Verpflichtung kann grundsätzlich dazu führen, dass ein Elternteil trotz der ihm obliegenden Kinderbetreuung einer Erwerbstätigkeit nachgehen muss.

Dies ist allerdings nach der Auffassung des Senats vorliegend ausnahmsweise nicht der Fall, da die Beklagte nicht nur insgesamt drei Kinder betreut, von denen eines noch nicht einmal schulpflichtig ist, sondern die Kinder - jedenfalls die beiden jüngsten - auch noch einer besonders umfangreichen und - im Falle von M.... - die Eltern psychisch und physisch außergewöhnlich belastenden Betreuung bedürfen, da sie in ständiger Sorge um das Leben dieses behinderten Kindes sind. Der jetzt fünf Jahre alte M.... ist seit seiner Geburt herzkrank, er leidet an einer hypertrophen obstruktiven Kardiomyopathie. Deswegen waren in der Vergangenheit häufige ambulante und stationäre Krankenhausaufenthalte erforderlich. Gegenwärtig besteht die jederzeitige Gefahr eines plötzlichen Herztodes (vgl. Arztbericht der Klinik und Poliklinik für Kinderkardiologie K... vom 23.07.2004); eine Schwerbehinderung von zunächst 60, jetzt 80 % ist anerkannt. Zudem ist M.... in seiner psychomotorischen Entwicklung erheblich verzögert, hat Gleichgewichtsprobleme, die zum Erbrechen führen können, und besucht wöchentlich mehrere Therapien, die für seine Entwicklung von großer Bedeutung sind (vgl. Schreiben der Klinik und Poliklinik für Kinderkardiologie K... vom 21.07.2004). Sein zwei Jahre älterer Bruder J..... leidet an einer Sprachentwicklungsverzögerung und besucht seit Sommer 2003 eine Grundschule mit Sprachförderung; bis dahin wurde er regelmäßig logopädisch und ergotherapeutisch behandelt (vgl. Sonderpädagogisches Gutachten/Erhebung des sonderpädagogischen Förderbedarfs vom 24.04.2003). Unter diesen Umständen ist die Beklagte nach der Auffassung des Senats nicht in der Lage, eine wie auch immer geartete Erwerbstätigkeit neben der sie in erhöhtem Maße physisch und psychisch in Anspruch nehmenden Betreuung der drei bei ihr lebenden Kinder, insbesondere von M...., aufzunehmen und regelmäßig auszuüben, ohne dass hierunter die Betreuung dieser Kinder in einem nicht mehr hinnehmbaren Maße leidet. Soweit dem Ehemann der Beklagten (sicherlich) zuzumuten ist, die Kinder in regelmäßigen Abständen für einige Stunden allein zu betreuen, benötigt die Beklagte insbesondere aufgrund der durch die chronische Erkrankung des behinderten Kindes außergewöhnlich belastenden familiären Situation diese Zeit vorrangig zur eigenen Regeneration.

Auch ein zur Finanzierung des Barunterhalts der Klägerin einzusetzender Taschengeldanspruch gegen den Ehemann der Beklagten besteht nicht, denn dessen Einkommen deckt nicht einmal den notwendigen Bedarf der Familie (vgl. Kalthoener/ Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rn. 371):

Ausgehend von dem Gesamtjahreseinkommen im Jahr 2003 errechnet sich unter Abzug der Ausgaben zur Vermögensbildung - der Ehemann der Beklagten ist gegenüber der Klägerin nicht unterhaltspflichtig und von daher in seinen Einkommens- und Vermögensdispositionen weitgehend frei - und unter Einbeziehung der im Jahre 2004 erfolgten Steuererstattung für das Jahr 2003 sowie unter Berücksichtigung der sich aus den Einkommensbelegen für das Jahr 2004 ergebenden leichten Erhöhung des Festlohns ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen im Jahr 2004 von rund 2.200,- €

Hiervon abzuziehen sind 5 % berufsbedingte Aufwendungen 110,- € - auch wenn der Ehemann mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und ihm von daher insoweit keine PKW-Kosten entstehen, hängen auch hiermit berufsbedingte Aufwendungen zusammen, angefangen von der Anschaffung des Fahrrads und entsprechender Kleidung nach den jeweiligen Witterungserhältnissen; im Übrigen handelt es sich hierbei um eine geschätzte Pauschale, die der Senat in ständiger Rechtsprechung als Mindestbetrag immer dann ansetzt, wenn bei einem abhängig beschäftigten Arbeitnehmer Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass berufsbedingte Aufwendungen in irgendeiner Form entstehen (vgl. Ziff. 10.2.1 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Koblenz) - die Leasingrate für den PKW 158,- € - die mit der Beförderung des behinderten Kindes M.... verbundenen Fahrtaufwendungen werden steuerlich anerkannt und führen mit zu der beim Einkommen des Ehemanns berücksichtigten Steuererstattung; außerdem ist der Ehemann gegenüber der Klägerin nicht unterhaltspflichtig, so dass seine tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen sind -

Darüber hinaus wohnt die Familie der Beklagten mietfrei - es sind nur Nebenkosten in Höhe von pauschal 300,- € zu zahlen - im Eigentum der Schwiegereltern. Dies wäre zwar grundsätzlich als freiwillige Leistung Dritter, die nur zur Entlastung der neuen Familie führen und nicht auch der Klägerin zugute kommen soll, nicht als geldwerter Wohnvorteil zu berücksichtigen. Vorliegend haben die Beklagte und ihr Ehemann in der Vergangenheit aber Aufwendungen für den Umbau des ihnen zur Verfügung gestellten Wohnraums in erheblichem Umfang getätigt. In diesem Fall ist das mietfreie Wohnen entgegen der Regel als geldwerter Vorteil zu berücksichtigen, solange und soweit sich die kostenlose Überlassung der Wohnung als Gegenleistung für die getätigten Aufwendungen darstellt. Den Wohnwert schätzt der Senat auf rund 500,- €. Dem sind die Aufwendungen für den Umbau mit jedenfalls nicht mehr als ebenfalls rund 500,- € (Monatsraten für die zur Finanzierung des Umbaus aufgenommenen Kredite) gegenzurechnen, so dass sich letztlich keine den Wohnvorteil übersteigenden Belastungen ergeben. Sollten die Aufwendungen - so wie die Klägerin annimmt - geringer sein, wäre der Wohnvorteil auch nur anteilig in dieser geringeren Höhe zu berücksichtigen; der überschießende Wohnwert beruhte in diesem Fall nach wie vor auf einer freiwilligen Zuwendung der Schwiegereltern der Beklagten. Von daher kann dahinstehen, ob monatliche Ratenzahlungen von 200,-, 300,- oder - wie die Beklagte vorträgt - 500,- € zu berücksichtigen sind, da der zum Einkommen zu rechnende Wohnvorteil jedenfalls nicht höher sein kann. Unstreitig übersteigen die monatlichen Raten jedoch nicht den Wohnwert von 500,- €, so dass sie das der Familie im Übrigen für den laufenden Lebensunterhalt zur Verfügung stehende Einkommen des Ehemanns der Beklagten nicht vermindern.

Vom verbleibenden Einkommen des Ehemanns von 1.932,- € ist der geschuldete Tabellenunterhalt (Einkommensgruppe 5 der Düsseldorfer Tabelle, Stand 01.07.2003) für die Kinder aus dieser Ehe abzuziehen (V......, die aus einer anderen Beziehung der Beklagten stammt, erhält Barunterhalt von ihrem Vater), mithin für J..... (Altersstufe 2) 309,- € und für M.... (Altersstufe 1) 255,- € bleiben 1.368,- €

Hiermit können die Beklagte und ihr Ehemann ihren eigenen notwendigen Selbstbehalt (für den gegenüber der Klägerin nicht unterhaltspflichtigen Ehemann 1.000,- €, für die mit ihm zusammenlebende Beklagte 535,- €, vgl. Ziff. 21 und 22 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Koblenz) von insgesamt 1.535,- € nicht vollständig decken.

Allerdings erhält der behinderte Sohn M.... Pflegegeld in Höhe von 205,- € zuzüglich einer Pauschale von 31,- € für Pflegesachleistungen monatlich. Dieses Pflegegeld ist jedenfalls in Höhe von 205,- € als Einkommen der Beklagten anzusehen, das sie, da sie als Mutter gegenüber der minderjährigen Klägerin nach § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert unterhaltspflichtig ist, in voller Höhe für den Unterhalt der Klägerin einsetzen muss (§ 13 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB XI). Nach § 13 Abs. 6 S. 1 SGB XI bleibt nämlich das an den Pflegenden geleistete Pflegegeld bei der Ermittlung der Unterhaltsansprüche und Unterhaltsverpflichtungen nur grundsätzlich unberücksichtigt. Eine Ausnahme gilt nach § 13 Abs. 6 S. 2 SGB XI u. a. für den Unterhaltspflichtigen im Fall der gesteigerten Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 BGB. Kann ein barunterhaltspflichtiger Elternteil den Mindestbedarf eines minderjährigen Kindes aus sonstigen Einkünften nicht decken, so hat er den Einkommensanteil des Pflegegeldes einzusetzen. Durch diese Regelung ist eine angemessene Abwägung zwischen der öffentlich-rechtlichen Zweckbestimmung des Pflegegeldes, der immateriellen Belastung auf Seiten des Pflegenden und den Interessen der Unterhaltsberechtigten erzielt worden (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rn. 856); eine weitere Abwägung ist - entgegen der Ansicht der Beklagten - nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut nicht möglich. Daran ändert nichts, dass Klägerin und Beklagte mit dem von der Beklagten gepflegten Kind verwandt sind. Dies könnte allenfalls im Falle des § 13 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 SGB XI eine Rolle spielen, der hier aber nicht einschlägig ist.

Für Unterhaltszwecke einzusetzen ist nur der durch die Versorgungsleistungen nicht verbrauchte Teil. Nach § 1610 a BGB ist zu vermuten, dass die behinderungsbedingten Mehraufwendungen für M.... der Sachleistungspauschale entsprechen. Unstreitig wird der restliche Betrag von 205,- € allerdings nicht für entsprechenden Mehraufwand benötigt, sondern an die Beklagte als Pflegeperson (§ 19 SGB XI) weitergeleitet. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, ein Teil hiervon (80,- €) werde seit drei Jahren an eine dritte Person gezahlt, die der Beklagten bei der Betreuung von M.... behilflich sei, hat sie die Notwendigkeit dieser zusätzlichen Betreuungsperson auch im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.12.2004 nicht dargelegt. Die Beklagte ist nicht erwerbstätig und steht von daher für die Betreuung der bei ihr lebenden Kinder uneingeschränkt zur Verfügung. Dass sich hierbei Engpässe ergeben könnten, die auch durch die Mithilfe des Ehemannes nicht aufzufangen wären, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen und ist auch ansonsten aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich. Der nicht für Versorgungsleistungen verbrauchte Einkommensanteil des Pflegegeldes von 205,- € ist damit in ganzer Höhe als Einkommen der Beklagten anzusehen. Ein Erwerbstätigenbonus steht der Beklagten gegenüber ihrer unterhaltsberechtigten Tochter nicht zu.

Freilich ist zunächst der nicht gedeckte Teil des Familienselbstbehalts (1.535,- € - 1.368,- € = 167,- €) hiervon abzuziehen, so dass für die Klägerin noch ein Betrag von 38,- € bleibt.

Dieser Betrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht auf alle ihre Kinder gleichermaßen aufzuteilen. Denn gegenüber den Kindern V......, J..... und M.... erfüllt die Beklagte ihre Verpflichtung, zum Unterhalt der Kinder beizutragen, in voller Höhe durch die Pflege und Erziehung dieser Kinder. Weitergehenden Unterhalt schuldet die Beklagte diesen Kindern somit nicht.

Ebenso ist für die Vergangenheit vorzugehen:

Für das Jahr 2003 ergibt sich unter Einbeziehung der in diesem Jahr erfolgten Steuererstattung für 2002 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Ehemanns der Beklagten von 2.142,- € abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen 107,- € abzüglich PKW-Rate 158,- € bleiben 1.877,- €

Hiervon wird Kindesunterhalt nach der Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle (Stand 01.01.2002 bzw. 01.07.2003) geschuldet, und zwar

vom 01.01. bis zum 31.05.2003

für beide Kinder (Altersstufe 1) je 228,- €

vom 01.06. bis zum 30.06. 2003

für J..... (Altersstufe 2) 276,- €

für M.... (Altersstufe 1) 228,- €

vom 01.07. bis zum 31.12.2003

für J..... (Altersstufe 2) 292,- €

für M.... (Altersstufe 1) 241,- €

Danach bleiben

vom 01.01. bis zum 31.05.2003 1.421,- €

vom 01.06. bis zum 30.06.2003 1.373,- €

vom 01.07. bis zum 31.12.2003 1.344,- €

Vom Pflegegeld stehen folglich unter Berücksichtigung des unveränderten Selbstbehalts der Beklagten und ihres Ehemannes für die Klägerin noch zur Verfügung:

vom 01.01. bis zum 31.05.2003 91,- €

vom 01.06. bis zum 30.06.2003 43,- €

vom 01.07. bis zum 31.12.2003 14,- €

Im Jahr 2002 betrug das Jahreseinkommen des Ehemanns der Beklagten netto 23.410,46 €. Da nicht bekannt ist, welche Steuererstattung in diesem Jahr erfolgt ist (für 2001), legt der Senat die Steuererstattung für 2002 zugrunde. Somit ergibt sich ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.136,- € abzüglich 5 % berufsbedingte Aufwendungen 107,- € abzüglich PKW-Rate 158,- € bleiben 1.871,- € abzüglich Kindesunterhalt (Einkommensgruppe 4/Altersstufe 1 der Düsseldorfer Tabelle Stand 01.01.2002) je 228,- € 456,- € bleiben 1.415,- €

Der Selbstbehalt der Familie beträgt nach wie vor 1.535,- €, so dass vom Pflegegeld 85,- € für den Unterhalt der Klägerin eingesetzt werden können.

Für die Jahre 2000 und 2001 liegen keine Einkommensunterlagen des Ehemanns der Beklagten vor. Der Senat legt deshalb weiterhin das bereinigte Einkommen von 1.871,- € zugrunde; das sind umgerechnet rund 3.660,- DM abzüglich Kindesunterhalt bis 30.06.2001 (Einkommensgruppe 5/Alterstufe 1 der Düsseldorfer Tabelle Stand 01.07.1999), je 455,- DM 910,- DM vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2001 (Einkommensgruppe 4/Altersstufe 1 der Düsseldorfer Tabelle Stand 01.07.2001), je 443,- DM 886,- DM bleiben 2.750,- DM bzw. 2.774,- DM

Dies entspricht für die Zeit vom 15.11.2000 bis zum 30.06.2001 dem der Beklagten und ihrem Ehemann zu belassenden Selbstbehalt von (1.800,- DM + 950,- DM =) 2.750,- DM, so dass das gesamt Pflegegeld (ohne Pflegesachleistung von 60,- DM) von 400,- DM (= 204,52 €) für Unterhaltszwecke zur Verfugung steht. Geschuldet wird für die Zeit bis zum 31.12.2000 ein monatlicher Unterhalt in Höhe von 296,- DM (= 151,34 €) und ab 01.01.2001 infolge der Änderung des § 1612 b Abs. 5 BGB in Höhe von 431,- DM (= 220,37 €). Damit ist die Beklagte für den Zeitraum 15.11.2000 bis 31.12.2000 in vollem Umfang leistungsfähig, für die Folgezeit bis zum 30.06.2001 jedenfalls noch in Höhe von 400,- DM (= 204,52 €).

Für die Zeit vom 01.07.2001 bis zum 31.12.2001 beträgt der Selbstbehalt für die Beklagte 1.050,- DM und für ihren Ehemann 1.960,- DM, insgesamt mithin 3.010,- DM, so dass das Pflegegeld nur mit einem Teilbetrag von (400,- DM - 236,- DM =) 164,- DM (= 83,85 €) für Unterhaltszwecke verwendet werden kann.

Der Vater der Klägerin steht als anderer unterhaltspflichtiger Verwandter schon deshalb nicht zur Verfügung, da er deren Barunterhaltsbedarf nicht ohne Tangierung seines eigenen angemessenen Selbstbehalts (1.000,- €) sicherstellen kann.

Er wird nach seiner Wiederverheiratung nach der Steuerklasse IV versteuert, da auch seine Ehefrau über Erwerbseinkünfte verfügt. Sein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen errechnet sich selbst unter Zugrundelegung der Jahresverdienstbescheinigung für 2003 - in diesem Jahr wurde er noch nach der günstigeren Steuerklasse 2 versteuert - und der für dieses Jahr erfolgten Steuererstattung mit nur rund 1.890,- €. Nach Abzug der vermögenswirksamen Leistungen von rund 27,- € und Fahrtkosten von 250,- € bleiben bereinigt 1.613,- €. Hinzuzusetzen sind die Mieteinkünfte von 150,- € und der Wert des mietfreien Wohnens, den der Senat für ihn und die Klägerin auf 300,- € schätzt. Abzusetzen sind demgegenüber die monatlichen Belastungen von 475,- € und 432,- €, da der Vater als weiterer unterhaltspflichtiger Verwandter gegenüber der Klägerin nicht gesteigert unterhaltspflichtig ist. Danach bleibt ein berücksichtigungsfähiges Einkommen von nur 1.156,- €. Nach Abzug des Kindesunterhalts von 269,- € blieben dem Vater weniger als 1.000,- €. Das Einkommen des Vaters übersteigt dasjenige der Beklagten auch nicht um ein Mehrfaches. Zwar verfügt sie nur über geringe Einkünfte, daneben ist aber zu berücksichtigen, dass ihr eigener notwendiger Selbstbehalt durch das Familieneinkommen gedeckt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 516 Abs. 3 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.636,29 € (Rückstand bis März 2001: 1.737,- DM = 888,11 €; laufender Unterhalt: 2.748,18 €), ab 02.12.2004 auf 2.584,39 € (Rückstand bis März 2001: 1.737,- DM = 888,11 €; laufender Unterhalt: 1.696,28 €) festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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