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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 21.07.2005
Aktenzeichen: 7 UF 773/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, BSHG, BErzGG, InsO


Vorschriften:

BGB § 1603 Abs. 1
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1605
BGB § 1606 Abs. 3 S. 1
BGB § 1610 Abs. 1
BGB § 1615 I Abs. 1
BGB § 1615 I Abs. 2
BGB § 1615 l
BGB § 1615 l Abs. 2
BGB § 1615 l Abs. 2 S. 2
BGB § 1615 l Abs. 2 S. 3
BGB § 1615 l Abs. 3 S. 1
ZPO § 850 Abs. 2
ZPO § 850c
ZPO § 850i
BSHG § 91 Abs. 1
BErzGG § 9
InsO § 209
Nimmt eine Mutter den nicht mit ihr verheirateten Vater eines Kindes nach § 1615I Abs. 1 oder 2 BGB auf Unterhalt in Anspruch und kann sie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anteilig mithaftenden Vaters eines anderen Kindes nicht darlegen, kann ihr ein Unterhaltsanspruch nicht zuerkannt werden, weil die von den verschiedenen Vätern zu tragenden Haftungsanteile nicht bestimmbar sind.

Versorgungsleistungen gegenüber einem Lebensgefährten sind - ebenso wie beim Ehegattenunterhalt (BGH FamRZ 2004, 1170 und 2004, 1173) - auch bei Geltendmachung eines Unterhaltsanspruchs gemäß §§ 1615I Abs. 1 und 2 BGB mit einem fiktiven Entgelt zu belegen, das auf den Anspruch bedarfsdeckend anzurechnen ist.

Anders als gegenüber minderjährigen unverheirateten und diesen gleichgestellten Kindern (vgl. BGH, FamRZ 2005, 608) besteht gegenüber dem Anspruch aus § 1615I Abs. 1 und 2 BGB keine Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung.

Auch die Obliegenheit, sich auf den Pfändungsschutz der §§ 850 Abs. 2, 850c, 850i ZPO zu berufen, besteht nicht, wenn die Schuldverpflichtungen bei einer Aussetzung oder Verringerung der Zahlungen weiter anwachsen würden.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 7 UF 773/04

Verkündet am 21. Juli 2005

in der Familiensache

wegen Unterhalts nach § 1615 l BGB.

Der 7. Zivilsenat -4. Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Wolff, die Richterin am Oberlandesgericht Darscheid und den Richter am Oberlandesgericht Eck auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Diez vom 31. August 2004 in Abänderung des Versäumnisurteils des Senates vom 27. Januar 2005 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Diez vom 01. Juni 2004 wird unter Ziff. 2 dahingehend abgeändert, dass die Klage auf Zahlung von Mutterunterhalt abgewiesen wird.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Beklagten zu 35% und der Klägerin zu 1) zu 65% auferlegt mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die der Beklagte in vollem Umfang zu tragen hat.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin zu 1) (im Folgenden nur noch: die Klägerin) und der Beklagte lebten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Aus dieser Beziehung ist die am 29.09.2003 geborene Klägerin zu 2) hervorgegangen. Der Beklagte hat seine Vaterschaft anerkannt. Er montiert als Subunternehmer Küchen sowie sonstige Möbel für die Firma M......... GmbH. Seine Entgeltansprüche sind wegen rückständiger Steuerschulden vom Finanzamt D... gepfändet, im Wege einer Vollstreckungsvereinbarung allerdings beschränkt auf monatliche Teilbeträge von 3.000,00 €. Diese führt die Firma M......... - jedenfalls seit Februar 2004 - regelmäßig an das Finanzamt ab, mit Ausnahme der Monate Januar bis März 2005 und einer Ermäßigung auf 1.200,00 € im Monat Mai 2005.

Die Klägerin, die während des Zusammenlebens mit dem Beklagten für diesen unentgeltlich Büroarbeiten erledigte, ist Mutter eines weiteren, am 27.10.2001 ebenfalls nichtehelich geborenen Kindes. Für dieses Kind bezieht sie Unterhaltsvorschuss, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters sind ihr nicht bekannt. Zur Zeit lebt sie von Erziehungsgeld und Sozialhilfe; der Sozialhilfeträger hat die auf ihn übergegangenen Unterhaltsansprüche auf die Klägerin zurückübertragen.

Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den Beklagten auf Zahlung von Kindesunterhalt ab Januar 2004 und von Mutterunterhalt für den Zeitraum Dezember 2003 bis September 2006 in Anspruch. Das Familiengericht hat den Beklagten durch Versäumnisurteil vom 01.06.2004 antragsgemäß verurteilt und dieses Versäumnisurteil auf den - auf den Mutterunterhalt beschränkten - Einspruch des Beklagten durch Urteil vom 31.08.2004 aufrechterhalten.

Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Berufung rügt der Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin, verweist auf die Mithaftung des Vaters des weiteren Kindes der Klägerin und darauf, dass diese nie ein Einkommen in Höhe des vom Familiengericht ausgeurteilten Betrages von 730 € gehabt habe. In der Hauptsache macht er geltend, wegen derzeit geringen Umsatzes und der Pfändung des Finanzamtes nicht leistungsfähig zu sein.

Der Senat hat die Berufung des Beklagten durch Versäumnisurteil vom 27.01.2005 zurückgewiesen. Mit seinem hiergegen rechtzeitig eingelegten Einspruch legt der Beklagte erstmals Jahresabschlüsse der Jahre 2003 und 2004 vor und behauptet, er bemühe sich mit aller Kraft, eine andere Arbeit bzw. weitere Aufträge zu finden, was ihm bisher jedoch nicht gelungen sei. Außerdem verweist er darauf, dass die Klägerin - unstreitig - seit Februar 2005 mit einem neuen Partner eheähnlich zusammenlebt.

Die Klägerin hält entgegen, der Antragsgegner habe sein Einkommen nicht in ausreichendem Maße dargetan. Soweit er behaupte, von der Firma M......... keine ausreichenden Aufträge zu erhalten, sei er verpflichtet, sich um Aufträge anderer Auftraggeber zu bemühen. Zudem sei davon auszugehen, dass er die Zahlungen an das Finanzamt freiwillig wieder aufgenommen habe, um keinen Unterhalt zahlen zu müssen. Er sei verpflichtet, eine Aussetzung, Stundung oder Herabsetzung zu vereinbaren. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Vaters ihres weiteren Kindes seien ihr nicht bekannt; das Jugendamt verweigere aus datenschutzrechtlichen Gründen jede Auskunft.

Wegen der näheren Sachdarstellung wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen Bezug genommen.

II.

Die in förmlicher Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung ist begründet, weshalb das Versäumnisurteil des Senates abzuändern ist (§§ 539 Abs. 3, 343 ZPO). Streitgegenstand der Berufung ist allein der Unterhalt der Klägerin als nichteheliche Mutter, weil das angefochtene Urteil entgegen der weitergehenden Formulierung des Tenors nur den Ausspruch Ziff. 2) des Versäumnisurteils vom 01.06.2004 betraf, nachdem der Beklagte seinen Einspruch gegen Ziff. 1) dieses Urteils (Kindesunterhalt) im Verhandlungstermin vom 27.07.2004 (Bl. 86 GA) zurückgenommen hatte.

Ein Anspruch auf Zahlung von Mutterunterhalt steht der Klägerin nicht zu. Gemäß § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB hat eine Mutter, soweit von ihr wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, gegen den Vater einen Anspruch auf Unterhalt. Die Klägerin ist zur Geltendmachung dieses Anspruchs sachlegitimiert, weil die Verbandsgemeindeverwaltung D... die aufgrund der Sozialhilfeleistungen gemäß § 91 Abs. 1 BSHG auf sie übergegangenen Ansprüche mit Urkunde vom 02.12.2003 auf die Klägerin zurück übertragen hat (Bl. 14 f GA). Der Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, der Klägerin Unterhalt zu leisten.

Bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes A...-M.... am 26.10.2004 ist die Klage bereits nicht schlüssig. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Klägerin nämlich möglicherweise einen Unterhaltsanspruch gegen den Vater dieses Kindes, ebenfalls aus § 1615 l Abs. 2 BGB. Zwar verdrängt dieser Anspruch nicht den mit der Geburt der Klägerin zu 2) am 29.09.2003 hinzugetretenen Anspruch gegen den Beklagten; vielmehr haften beide Väter ab diesem Zeitpunkt nach §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1606 Abs. 3 S. 1 BGB für den Unterhalt der Klägerin anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (vgl. BGH FamRZ 1998, 543; Bamberger/Roth/Reinken, BGB, § 1615 l Rdn. 15 u.a.m.). Jedoch ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig hinsichtlich der für die Ermittlung der Haftungsanteile maßgeblichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Unterhaltspflichtigen (BGH a.a.O.; OLG Zweibrücken FuR 2000, 438). Von dieser prozessualen Verpflichtung ist die Klägerin nicht deshalb befreit, weil das Jugendamt aus Datenschutzgründen entsprechende Angaben verweigert. Unabhängig davon, ob diese Weigerung zu Recht erfolgt, hätte die Klägerin den Kindesvater, solange dessen Mithaftung bestand, gemäß §§ 1615 l Abs. 3 S. 1, 1605 BGB auf Auskunft in Anspruch nehmen können und hat gegen diesen -was hier allerdings keiner Vertiefung bedarf - unter Umständen nach Treu und Glauben als Nachwirkung der früheren Unterhaltsverpflichtung einen Anspruch auf Schweigepflichtentbindung gegenüber dem Jugendamt hinsichtlich seiner früheren Verhältnisse. Zudem fällt die Nichtaufklärbarkeit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Unterhaltspflichtigen im Verhältnis zum Beklagten in die Risikosphäre der Klägerin. Daher kann ihr ein Unterhaltsanspruch gegen diesen, solange möglicherweise eine Mithaftung des Vaters ihres anderen Kindes bestand, nicht zuerkannt werden, weil der vom Beklagten zu tragende Haftungsanteil nicht bestimmbar ist.

Das Maß des der Klägerin hiernach allenfalls ab 27.10.2004 zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach ihrer Lebensstellung (vgl. BGH NJW 2005, 818). Denn nach § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB sind auf den Unterhaltsanspruch der nicht verheirateten Mutter die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und somit auch § 1610 Abs. 1 BGB entsprechend anwendbar (vgl. BGH a.a.O.). Da die Klägerin vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig war, ist ihr Bedarf mit dem Existenzminimum eines nicht Erwerbstätigen anzusetzen (Ziff. 18 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des Oberlandesgerichts Koblenz; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1615 l Rdn. 15, 16); das sind bis zum 30.06.2005 monatlich 730 € und ab 01.07.2005 aufgrund der geänderten Fassung der Düsseldorfer Tabelle 770 €. Dass die Klägerin in der Vergangenheit kein Einkommen in dieser Höhe hatte, ist unerheblich, weil es sich hierbei um einen Mindestbetrag handelt.

Die Klägerin kann diesen Bedarf nicht durch eigenes Einkommen decken. Das Erziehungsgeld ist gemäß § 9 BErzGG bei der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen, die gezahlte Sozialhilfe ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch nachrangig (§ 2 BSHG). Die Klägerin ist auch nicht gehalten, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Aus § 1615l Abs. 2 S. 2 BGB folgt, dass sie jedenfalls während der ersten drei Lebensjahre des Kindes frei entscheiden kann, ob sie sich in vollem Umfang seiner Pflege und Erziehung widmet oder ob sie (daneben) berufstätig sein möchte. (vgl. BGH NJW 2005, 818). Ab Beginn der Lebensgemeinschaft mit dem neuen Partner im Februar 2005 ist der Klägerin jedoch ein fiktives Entgelt aus Haushaltsführung zuzurechnen. Nach der Rechtsprechung des BGH zum Ehegattenunterhalt sind Versorgungsleistungen gegenüber einem neuen Lebenspartner einer Erwerbstätigkeit gleichzustellen (BGH FamRZ 2004, 1170 und 2004, 1173) und - Leistungsfähigkeit des Lebensgefährten vorausgesetzt - mit einem fiktiven Entgelt zu belegen. Diese Rechtsprechung ist auf den Unterhaltsanspruch einer nichtehelichen Mutter ebenfalls anzuwenden (vgl. Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rdn. 759). Das hierfür in Ansatz zu bringende fiktive Entgelt beläuft sich nach Ziff. 6 der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenates des Oberlandesgerichts Koblenz auf 350 € monatlich, sodass der Klägerin ab Februar 2005 nach Abzug des sogenannten "Anreizsiebtels" (vgl. die Berechnung in der Entscheidung des BGH FamRZ 2004, 1170 ff, 1172) ein Betrag von 300 € bedarfsdeckend anzurechnen ist. Da die Klägerin zur Leistungsfähigkeit ihres Lebensgefährten keine Angaben gemacht hat, ist davon auszugehen, dass er diesen Betrag an die Klägerin leisten könnte, ohne seinen - in diesem Zusammenhang einschlägigen - angemessenen Selbstbehalt zu gefährden. Daher beläuft sich der Anspruch der Klägerin ab Februar 2005 auf 430,00 € (730,00 € - 300,00 €) und ab Juli 2005 auf 470,00 € (770,00 € - 300,00 €).

Der Beklagte ist zur Zahlung des hiernach geschuldeten Unterhalts jedoch nicht leistungsfähig. Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Jahresabschlüssen 2003 und 2004 erzielte er in diesen Jahren einen Gewinn von 48.725,77 € und 30.804,53 € zusammen: 79.530,30 €.

Das sind durchschnittlich 39.765,15 € und monatlich rund 3.314,00 €. Dieses Einkommen legt der Senat seiner Berechnung zugrunde. Hierbei übersieht er nicht, dass - worauf die Klägerin zutreffend hinweist - die Angaben des Beklagten über seine Einkommensverhältnisse seit Beginn des Rechtsstreits sehr wechselhaft und zum Teil widersprüchlich waren. Der Senat hat jedoch keinen Anlass, die nunmehr von einem Steuerberater gefertigten und zur Grundlage der von diesem ebenfalls erstellten Einkommensteuererklärungen gemachten Jahresabschlüsse anzuzweifeln (vgl. auch Wendl/Kemper, a.a.O., § 1 Rdn. 209), zumal die Klägerin keine konkreten Positionen dieser Abschlüsse in Frage stellt. Soweit die Klägerin darauf abhebt, dass zur Ermittlung des Einkommens selbständig Tätiger wegen der jährlichen Schwankungen in der Regel die Gewinne dreier aufeinanderfolgender Jahre maßgebend sind (Wendl/Kemper, a.a.O., § 1 Rdn. 274), schließt dies nicht aus, sich im Einzelfall mit einem kürzerer Zeitraum zu begnügen, wenn dieser eine ausreichend sichere Aussage ermöglicht. Das ist hier der Fall. Nach dem Beitragsbescheid der IHK K...... vom 12.03.2004 belief sich der der Beitragsberechnung zugrunde gelegte Gewinn des Jahres 2002 auf 41.900,00 € und lag damit exakt im Schwankungsbereich der Gewinne der beiden Folgejahre.

Dass der Beklagte bei einem durchschnittlichen Gewinn von 3.314,00 € - von dem noch die Aufwendungen zur Kranken- und Altersvorsorge in Abzug zu bringen sind - nach Abführung des gepfändeten Teilbetrages von 3.000,00 € zur Unterhaltszahlung an die Klägerin nicht mehr leistungsfähig ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung, zumal er vorrangig (§ 1615 l Abs. 3 S. 3 BGB) für den Kindesunterhalt aufkommen muss. Allerdings waren die Zahlungen an das Finanzamt in der Zeit von Januar bis März 2005 ausgesetzt und auch im Mai 2005 wurden nach dem Schreiben der Firma M......... vom 22.06.2005 lediglich 1.200 € gezahlt. Jedoch führt auch dies nicht dazu, den Beklagten für diesen - eingeschränkten - Zeitraum als leistungsfähig anzusehen. Da dessen Leistungsfähigkeit sich nach dem Durchschnittsgewinn mehrerer Jahre bemisst, führt die Aussetzung oder Einschränkung der Zahlungen über lediglich wenige Monate nicht zu einer maßgeblichen Änderung der Verhältnisse.

Der Beklagte ist nicht gehalten, mit dem Finanzamt einen geringeren Abführungsbetrag zu vereinbaren oder sich auf den Pfändungsschutz der §§ 850 Abs. 2, 850c, 850i ZPO zu berufen, um Unterhalt an die Klägerin zahlen zu können. Dies ist ihm nicht zumutbar. Durch Vereinbarung eines niedrigeren Abführungsbetrages oder Geltendmachung des Pfändungsschutzes würde die Verpflichtung gegenüber dem Finanzamt nämlich weiter anwachsen. Wie sich aus den Forderungsaufstellungen des Finanzamtes M........ vom 31.01.2005 (Bl. 275 ff GA) und vom 30.05.2005 (Bl. 336 ff GA) ergibt, ist der Saldo während dieses Zeitraumes von ca. 28.000 € (31.01.2005) bis auf rund 40.000 € (30.05.2005) gestiegen, worin die Steuernachzahlung von 8.411,39 € für das Jahr 2004 aufgrund des Einkommensteuerbescheides vom 06.06.2005 (Bl. 326 GA) noch nicht einmal enthalten ist. Dies verdeutlicht, dass der Beklagte durch die monatlichen Zahlungen von 3.000 € allenfalls ein weiteres Anwachsen des Schuldenstandes verhindert, ohne den bestehenden Saldo auch nur geringfügig abbauen zu können. Bei einer Verringerung oder Aussetzung dieser Zahlungen würden seine Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt daher weiter anwachsen, was dem Beklagten auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Unterhaltspflicht gegenüber der Klägerin nur noch bis September 2006 andauert, nicht zuzumuten ist, zumal das frühere Zusammenleben der Parteien ebenfalls bereits durch die monatlichen Zahlungen an das Finanzamt geprägt war.

Der bestehenden Verpflichtung gegenüber dem Finanzamt könnte der Beklagte sich nur durch Einleitung eines Insolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung entledigen. Dann wären die Drittschulden bei der Bemessung des laufenden Unterhalts nicht mehr zu berücksichtigen und der Beklagte würde nach Ablauf von sechs Jahren seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens von seinen Schulden befreit (§§ 286 ff InsO). Der BGH hat es in der Vergangenheit jedoch stets abgelehnt, den Ansprüchen Unterhaltsberechtigter einen allgemeinen Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten des Unterhaltspflichtigen einzuräumen (vgl. z.B. BGH, FamRZ 1984, 657, 658 f). Hiervon ist er in der Entscheidung vom 23.02.2005 (FamRZ 2005, 608) lediglich im Verhältnis zu minderjährigen unverheirateten und ihnen gleichgestellten Kindern abgewichen, denen gegenüber er aus der gesteigerten Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 BGB eine Obliegenheit zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz hergeleitet hat. Der Beklagte ist aber gegenüber der Klägerin nicht wie gegenüber minderjährigen Kindern nach § 1603 Abs. 2 BGB verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu seinem und der Klägerin Unterhalt gleichmäßig zu verwenden, sondern § 1615l Abs. 3 S 1 BGB erklärt die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten und damit 1603 Abs. 1 BGB für entsprechend anwendbar (vgl. BGH NJW 2005, 500). Danach ist der Beklagte nicht unterhaltspflichtig, wenn er bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts der Klägerin Unterhalt zu gewähren. Hieraus kann nach Ansicht des Senates auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 23.02.2005 (FamRZ 2005, 608) eine Obliegenheit zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens mit anschließender Restschuldbefreiung schon vom Grundsatz her nicht hergeleitet werden. Hinzukommt, dass dem Beklagten die Einleitung eines Insolvenzverfahrens auch nicht zumutbar wäre. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens würde nämlich voraussichtlich zu einer Zerschlagung seines Betriebes führen mit der Folge, dass seine Erwerbsquelle entfiele und der Beklagte sich um Aufnahme einer unselbständigen Tätigkeit bemühen müsste mit der Ungewissheit, ob und wann er überhaupt eine ausreichend einkömmliche Stelle findet, um den geschuldeten Unterhalt zahlen zu können. Sollten durch die vorhandene Substanz des Betriebes - was hier nicht beurteilt werden kann - nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt werden können und es deshalb zu einer Ablehnung der Insolvenzeröffnung kommen, hätte dies die gleichen Konsequenzen, weil in diesem Fall Restschuldbefreiung nur gewährt werden kann, wenn die Insolvenzmasse nach § 209 InsO verteilt wurde (§ 289 Abs. 3 S. 1 InsO). Durch die Vorbereitungsphase von ca. sechs Monaten und die anschließende "Wohlverhaltensphase" von sechs Jahren wäre der Beklagte zudem auf lange Zeit in seiner wirtschaftlichen Selbständigkeit nicht unerheblich eingeschränkt (vgl. hierzu näher BGH FamRZ 2005, 608). Diese weit reichenden Konsequenzen sind im Hinblick darauf, dass die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin nur noch bis September 2006, also etwas mehr als ein Jahr andauert, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht zu vereinbaren (vgl. hierzu BVerfGE 57, 361, 381 und BVerfG FamRZ 2001, 1685).

Dem Beklagten kann entgegen der Ansicht der Klägerin unterhaltsrechtlich auch nicht vorgeworfen werden, dass er die Schulden gegenüber dem Finanzamt in der Vergangenheit hat auflaufen lassen. Ein solcher Vorwurf wäre allenfalls gerechtfertigt, wenn der Beklagte die Schulden in Ansehung der Unterhaltsverpflichtung auf sich genommen hätte, obwohl sie für ihn vermeidbar waren. Das kann aber bereits deshalb nicht angenommen werden, weil die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin erst im Oktober 2004 einsetzte, während die Steuerrückstände ausweislich der vorgelegten Forderungsaufstellungen des Finanzamtes bis auf das Jahr 2001 zurückgehen.

Entgegen dem Ansinnen der Klägerin vermag der Senat dem Beklagten auch nicht vorzuwerfen, sich zur Erhöhung seiner Leistungsfähigkeit nicht um anderweitige Aufträge bemüht zu haben. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Erwerbsobliegenheit des Beklagten nicht am Maßstab des § 1603 Abs. 2 sondern nach § 1603 Abs. 1 BGB zu bemessen ist. Mit dem oben errechneten Durchschnittsgewinn von 3.314 € monatlich erzielt der Beklagte ein Einkommen, das ihn - auch nach Vorwegabzug hierauf entfallender Steuern und von Vorsorgeaufwendungen - ohne die Schuldverpflichtung gegenüber dem Finanzamt in die Lage versetzen würde, seinen Unterhaltspflichten nachzukommen. Eine weitergehende Erwerbsobliegenheit gegenüber der Klägerin besteht nicht.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 2, 92, 344, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.

Eine Revision gegen das Urteil wird nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.490,00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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