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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 30.12.2004
Aktenzeichen: 7 UF 837/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

BGB § 1587
BGB § 1587 Abs. 2
BGB § 1587 a
BGB § 1587 c
BGB § 1587 c Abs. 1
BGB § 1587 c Nr. 2
BGB § 1587 c Nr. 3
ZPO § 629 a Abs. 2
ZPO § 621 e Abs. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 6
GKG § 49
Auf Kindererziehungszeiten beruhende Rentenanwartschaften sind grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einzubeziehen. Führen die aus den Kindererziehungszeiten herrührenden Anwartschaften dazu, dass der erziehende Elternteil ausgleichspflichtig ist, ist dies allein noch kein Grund für einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 1587 c Abs. 1 BGB.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 7 UF 837/04

in der Familiensache

wegen Versorgungsausgleichs als Scheidungsfolgesache

Der 7. Zivilsenat - 4. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Wolff, den Richter am Oberlandesgericht Eck und den Richter am Landgericht Pollex

am 30. Dezember 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Montabaur vom 23.09.2004 (Ziffer 2: Versorgungsausgleich) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 1.000,- € festgesetzt.

Gründe:

Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei hat es Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 94,79 € vom Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte auf dasjenige des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt Rheinland Pfalz übertragen. Nur gegen Letzteres wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde. Sie möchte den Ausschluss des Versorgungsausgleichs erreichen, weil ein Teil ihrer Anwartschaften auf der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten beruhe und damit allein die Stellung der Mutter gestärkt, nicht aber ein Ausgleichspotential für den Ehepartner geschaffen werden solle. Im Übrigen habe der Antragsgegner nach der Trennung keinen Ehegattenunterhalt gezahlt, der ihr mindestens im Höhe von 500,- € zugestanden habe; Kindesunterhalt sei nicht bzw. nicht zeitgerecht gezahlt worden, so dass Pfändungen hätten ausgebracht werden müssen. Obwohl der Antragsgegner in der Vergangenheit als Selbständiger gut verdient habe, habe er immer nur den Mindestbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung bezahlt. Der Antragsgegner habe mit seinen Einkünften das in seinem Eigentum stehende Haus aufs Beste modernisiert. Im Übrigen sei sie - im Gegensatz zum Antragsgegner - auf die erworbenen Rentenanwartschaften angewiesen.

Die gemäß §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich auf der Grundlage der erteilten Auskünfte der Versorgungsträger rechtlich und rechnerisch zutreffend und von den Beteiligten unbeanstandet durchgeführt.

Der Versorgungsausgleich ist auch nicht nach § 1587 c BGB herabzusetzen oder auszuschließen.

Für die Anwendung des § 1587 c Nr. 3 BGB fehlt es bereits an einer groben Unterhaltspflichtverletzung des Antragsgegners von besonderem Gewicht, die zu ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten der Unterhaltsberechtigten geführt hätte (vgl. BGH, NJW-RR 1987, 578). Denn nach dieser Vorschrift kommt ein Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nur in Betracht, wenn der Ausgleichsberechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seiner Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat.

Der Antragsgegner war während der gesamten etwa dreizehnjährigen Ehedauer i.S.d. § 1587 Abs. 2 BGB (01.05.1991 bis 31.01.2004) selbständig als Gas- und Wasserinstallateurmeister erwerbstätig. Dies entsprach der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien. Während der Zeit des Zusammenlebens hat er unstreitig mit seinem Verdienst hieraus seinen Beitrag zum Familienunterhalt geleistet. Nach der Trennung hat er - auch nach dem Vortrag der Antragstellerin - den geschuldeten Unterhalt für die bei der Antragstellerin lebenden gemeinsamen Kinder gezahlt; soweit die Antragstellerin sich auf Unpünktlichkeit der Zahlungen und das Erfordernis von Vollstreckungsmaßnahmen - nach dem Vorbringen des Antragsgegners geschah dies allerdings nur ein einziges Mal - beruft, hat sie dies lediglich pauschal ohne hinreichende Substantiierung vorgetragen. Dies kann aber letztlich dahinstehen, denn das von der Antragstellerin geschilderte Verhalten kann nicht als grobe Unterhaltspflichtverletzung angesehen werden. Gröblichkeit verlangt nämlich neben einer besonderen Rücksichtslosigkeit auch, dass der Unterhaltsberechtigte in Not geraten ist (vgl. BGH a.a.O.). Der Unterhalt der Kinder war aber nie gefährdet, da auch nach dem Vortrag der Antragstellerin spätestens durch die Pfändungsmaßnahmen die geschuldeten Beträge erlangt wurden und im Übrigen die Antragstellerin aufgrund ihres eigenen Erwerbseinkommens geringfügige Verspätungen in den Unterhaltszahlungen überbrücken konnte. Etwas anderes ergibt sich jedenfalls aus dem Vortrag der für das Vorliegen der Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 1587 c BGB darlegungs- und beweispflichtigen Antragstellerin nicht. Dies gilt ebenso, soweit sich die Antragstellerin auf eigene Trennungsunterhaltsansprüche beruft, die der Antragsgegner nicht erfüllt habe. Auch hier ist nicht dargetan, dass sie durch die Nichtzahlung von Ehegattenunterhalt in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten ist. Die Antragstellerin hat nach der Trennung eine Erwerbstätigkeit aufgenommen und monatlich durchschnittlich zunächst rund 900,- €, später rund 1.400,- € netto verdient. Dass sie restliche Gehaltsansprüche aus ihrer Tätigkeit im Betrieb des Antragsgegners vor den Arbeitsgerichten einklagen musste - das Verfahren endete mit einem Vergleich über 2.000,- € - ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ohne hinreichende Relevanz.

Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 1587 c Nr. 2 BGB erfüllt. Hiernach findet ein Versorgungsausgleich u.a. dann nicht statt, wenn der Berechtigte in Erwartung der Scheidung oder danach bewirkt hat, dass auszugleichende Versorgungsanwartschaften nicht entstanden sind. Dass der Antragsgegner nicht einen seinem tatsächlichen Einkommen entsprechenden (freiwilligen) Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt oder anderweitig für eine höhere Alterssicherung gesorgt hat, entsprach der gemeinsamen Lebensplanung der Parteien und wurde unbeanstandet über die ganze Ehezeit so gehandhabt. Darüber hinaus fehlt dem Verhalten des Antragsgegners jeder Bezug zur Scheidung der Parteien.

Aber auch für die Anwendung des § 1587 c Nr. 1 BGB fehlt es vorliegend bei einer Gesamtwürdigung der beiderseitigen Verhältnisse an ausreichenden Gesichtspunkten. Die Anwendung dieser Härteregelung kommt nur in Betracht, wenn aufgrund besonderer Verhältnisse die starre Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. BGH, NJW 1982, 989).

Vorliegend sind die Voraussetzungen für einen Härtefall, der nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zuzulassen ist, nicht gegeben. Eine grobe Unbilligkeit liegt insbesondere nicht darin, dass der Berechtigte es unterlassen hat, bei bestehender Lebensgemeinschaft als selbständig Erwerbstätiger eine höhere eigene Altersvorsorge zu treffen (vgl. OLG Bremen, FamRZ 2002, 466; OLG Köln, FamRZ 1986, 580; OLG Hamm, FamRZ 1981, 547). Die Ausgleichspflicht beruht nämlich auf der wirtschaftlichen Solidargemeinschaft der Eheleute. Während des Zusammenlebens hat die Antragstellerin an der Erhöhung des Lebensstandards aufgrund der nicht durch die Altersvorsorge gebundenen Mittel partizipiert. Darüber hinaus ist wesentlich, welche Planung der ehelichen Gemeinschaft zugrunde lag. Dass der Antragsgegner einer selbständigen Tätigkeit nachging, wurde - ebenso wie die Höhe der freiwilligen Beitragszahlung zur gesetzlichen Rentenversicherung - vom Willen beider Parteien getragen und von der Antragstellerin von Anfang an durch ihre Mitarbeit im Betrieb, durch die sie eigenen Anwartschaften erwarb, unterstützt.

Ebenso entsprach es der gemeinsamen Lebensplanung, dass die Antragstellerin sich neben bzw. in Unterbrechung ihrer Tätigkeit im Familienbetrieb während eines Teils der Ehezeit der Kinderbetreuung widmete. Die ihr während dieser Zeit zugeflossenen Anwartschaften wegen Kindererziehungszeiten entsprechen ihrem - einverständlichen - Einsatz in der Ehezeit und sind deshalb grundsätzlich in gleicher Weise wie die sonstigen Versorgungsanrechte in die am Ende der Ehezeit aufzustellende Bilanz der beiderseitigen Anwartschaften einzubeziehen; eine Beschränkung oder Wegfall des Versorgungsausgleichs allein aus dem Grunde, dass die ausgleichspflichtige Ehefrau Versorgungsanwartschaften (auch) durch Kindererziehungszeiten erworben hat, kommt nicht in Betracht (vgl. OLG München, OLGR 2004, 171; OLG Bremen, FamRZ 2002, 466; OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 890; OLG Brandenburg, FamRZ 2000, 891). Denn nach den §§ 1587, 1587 a BGB sind bei der Durchführung des Versorgungsausgleichs alle Anrechte auszugleichen, die der Versorgung wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit dienen. Hierzu gehören auch die Anwartschaften wegen Kindererziehungszeiten. Diese sind weder privilegiert noch stellt deren Ausgleich allgemein und erst recht nicht für sich allein eine grobe Unbilligkeit für die Antragstellerin dar. Der Gesetzgeber hat im Gesetz zur Neuordnung der Hinterbliebenenrente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten vom 11.07.1985 (BGBl I S. 1450) - anders als etwa bei Leistungen nach dem Kindererziehungsleistungs-Gesetz vom 12.07.1987 (BGBl I S. 1585), die an Mütter der Geburtsjahrgänge vor 1921 nicht wegen Alters, sondern als Anerkennung gezahlt werden (vgl. BGH, NJW 1991, 1825) - die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für Mütter der Geburtsjahrgänge nach 1920 rentenbegründend bzw. rentensteigend ausgestaltet. Sie sind deshalb grundsätzlich in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, da mit dem HEZG keine aus dem System des Rentenrechts herausgelöste Stellung der kindererziehenden Elternteile geschaffen werden sollte. Es kann von daher auch keinen Unterschied machen, ob die aus der Kindererziehungszeit herrührenden Anwartschaften dazu führen, dass der andere Ehepartner geringere Anwartschaften zu übertragen hat, oder ob der erziehende Elternteil durch den Erwerb dieser Anwartschaften ausgleichspflichtig wird. Mit der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten im Rentenrecht wird ein Ausgleich für die aus der Zeit der Kindererziehung folgenden Einkommenseinbußen geschaffen. Der die Kindererziehung ausübende Elternteil wird damit (annähernd) so gestellt, als wenn er während dieser Zeit tatsächlich Einkommen bezogen und durch die Abführung entsprechender Rentenversicherungsbeiträge Anwartschaften erworben hätte. Hätte er in dieser Zeit gearbeitet und aufgrund des Bezugs von Erwerbseinkommen Rentenanwartschaften erworben, so gäbe es keinen Grund, diese nicht im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Die Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten führt letztlich lediglich dazu, dass sich die auf der gemeinsamen Willensentscheidung der Parteien beruhende Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nunmehr auch beim Ausgleich der von beiden Ehegatten erworbenen Versorgungsanwartschaften auswirkt.

Die Übertragung der Hälfte des Wertunterschieds der Anwartschaften der Antragstellerin ist auch nicht deshalb unbillig, weil die Antragstellerin dringend auf diese Anwartschaften angewiesen wäre. Denn der Antragsgegner hat bis zum Ende der Ehezeit insgesamt nur eine geringfügig höhere Anwartschaft (434,30 €) erworben als die Antragstellerin (404,04 €), obwohl er zehn Jahre älter ist als diese. Auch wenn die Antragstellerin über den Versorgungsausgleich hiervon 94,79 € an den Antragsgegner abgeben muss, ist zu berücksichtigen, dass sie vom Ende der Ehezeit bis zum Erreichen der Altersgrenze noch über 26 Jahre im Berufsleben stehen und hierdurch ihre Anwartschaften aufbessern kann, während der Antragsgegner hierfür nur noch rund 16 Jahre zur Verfügung hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner in erheblich besseren Einkommens- und Vermögensverhältnissen lebt als die Antragstellerin. Hierfür ist der Vortrag der Antragstellerin zu wenig substantiiert. Unstreitig hat der Antragsgegner in der Vergangenheit mit seiner selbständigen Tätigkeit gut verdient. Er hat aber nachvollziehbar vorgetragen, dass dies im Wesentlichen auf Aufträgen (Rohrverlegungstätigkeiten) im Zusammenhang mit der Errichtung der ICE-Trasse zwischen Frankfurt und Köln zusammenhing und inzwischen nach Fertigstellung und Inbetriebnahme der ICE-Trasse nicht mehr der Fall ist. Es kann deshalb nicht ohne weiteres angenommen werden, dass der Antragsgegner in den ihm verbleibenden Jahren der Erwerbstätigkeit besser als die Antragstellerin in der Lage sein wird, für sein Alter (weiter) vorzusorgen. Soweit die Antragstellerin sich auf Investitionen des Antragsgegners in sein (allerdings belastetes) Hausgrundstück beruft, kann sie - sollte dem so sein - hieran über den Zugewinnausgleich partizipieren.

Bei dieser Sachlage muss es nicht als unerträglicher Verstoß gegen das Gerechtigkeitsgefühl empfunden werden, wenn der Versorgungsausgleich zu Lasten der Antragstellerin durchgeführt wird.

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs. 2 ZPO).

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 49 GKG in der ab 01.07.2004 geltenden Fassung.

Ende der Entscheidung

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