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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 7 WF 105/05
Rechtsgebiete: BRAGO, RVG, BGB


Vorschriften:

BRAGO § 23 Abs. 1
RVG § 56 Abs. 2 S. 1
RVG § 33 Abs. 3 S. 1
RVG § 33 Abs. 3 S. 3
BGB § 1666
BGB § 1671
BGB § 1671 Abs. 1
BGB § 1671 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1671 Abs. 3
Einigen sich die Eltern nach gegenläufigen Anträgen zur Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Aufenthalt des gemeinsamen Kindes bei einem Großelternteil und belassen es im Übrigen bei der gemeinsamen Sorge, löst auch dies eine Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO (jetzt Einigungsgebühr, RVG VV 1000) aus.
Oberlandesgericht Koblenz Beschluss

Geschäftsnummer: 7 WF 105/05

in der Familiensache

betreffend die elterliche Sorge für M.... H.., geboren am ...02.2000, gemeinsame Tochter der getrennt lebenden Eheleute

hier: Vergütung der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwälte.

Der 7. Zivilsenat -4. Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Eck als Einzelrichter

am 11. März 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Idar-Oberstein vom 09.12.2004 wird zurückgewiesen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Im vorliegenden isolierten Sorgerechtsverfahren hatten die getrennt lebenden Eltern, denen die elterliche Sorge für ihre Tochter bisher gemeinsam zustand, gegenläufige Anträge auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.03.2004 hat das Familiengericht im Einvernehmen mit den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Großmutter väterlicherseits übertragen, es im Übrigen bei der gemeinsamen Sorge der Eltern belassen und ein Besuchsrecht der Mutter geregelt.

Die den beiden im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung hat die Urkundsbeamtin auf jeweils 571,30 € festgesetzt und hierbei antragsgemäß eine Vergleichsgebühr berücksichtigt. Die hiergegen eingelegten Erinnerungen des Bezirksrevisors hat das Familiengericht durch Beschluss vom 09.12.2004 mit der Begründung zurückgewiesen, die einvernehmliche Regelung sei erst nach sehr streitiger Erörterung im Wege des gegenseitigen Nachgebens gefunden worden, hierdurch sei die Vergleichsgebühr angefallen. Gegen diesen ihm am 20.12.2004 zugestellten Beschluss hat der Bezirksrevisor am 28.12.2004 Beschwerde eingereicht mit dem Antrag, die Vergütung auf jeweils 352,06 € herabzusetzen. Er ist der Ansicht, eine Vergleichsgebühr sei nicht angefallen, weil die Dispositionsbefugnis der Eltern nicht die Übertragung des Sorgerechts auf Dritte umfasse.

II.

Die Beschwerde der Staatskasse ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Nach 61 Abs. 1 S. 2 RVG ist auf das Beschwerdeverfahren das seit dem 01.07.2004 geltende Recht anwendbar, weil das Rechtsmittel nach diesem Zeitpunkt eingelegt wurde, sodass sich die Zulässigkeit der Beschwerde nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 und 3 RVG richtet; deren Voraussetzungen sind gewahrt.

Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors hat das Familiengericht beiden Anwälten zu Recht eine Vergleichsgebühr gemäß § 23 Abs. 1 BRAGO (für die Vergütung der Anwälte gilt noch altes Recht, § 60 Abs. 1 S. 1 RVG) zuerkannt. Zwar unterliegt die Sorgerechtsregelung und damit auch die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als eines Teils der elterlichen Sorge nach wie vor nicht der Verfügungsbefugnis der Parteien. Nach der Neuregelung des § 1671 BGB kommt dem übereinstimmenden Vorschlag der Eltern jedoch insoweit eine besondere Bedeutung zu, als das Gericht dem Antrag auf Aufhebung der gemeinsamen Sorge bei Zustimmung des anderen Elternteils stattgeben und dem gemeinsamen Wunsch entsprechen muss (wenn nicht ein bereits 14 Jahre altes Kind widerspricht, was hier nicht der Fall ist). Eine Richtigkeitskontrolle durch das Gericht oder eine Überprüfung der Motive erfolgt bei Vorliegen einer entsprechenden Elternvereinbarung ebenso wenig wie die Überprüfung der Frage, ob die von ihnen getroffene Regelung zur (teilweisen) Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1671 Rz. 5 f., 13). Eine am Kindeswohl orientierte inhaltliche Überprüfung der Elternvereinbarung findet nur statt, wenn Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls durch Sorgerechtsmissbrauch oder Kindesvernachlässigung bestehen mit der Folge, dass die gem. § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB bestehende Bindung des Gerichts an den Elternvorschlag entfällt und das Verfahren gemäß § 1671 Abs. 3 BGB von Amts wegen in ein solches nach § 1666 BGB übergeleitet werden muss. Diese in der Neuregelung des § 1671 BGB zum Ausdruck gekommene Stärkung der (Mit-) Bestimmungsrechte der Eltern und die damit einhergehende Einschränkung des gerichtlichen Prüfungsumfanges und Entscheidungsspielraumes machen deutlich, dass die Eltern unter bestimmten Voraussetzungen durchaus "verbindliche" Regelungen zum Sorgerecht treffen können, von denen das Gericht in seiner danach zu treffenden Entscheidung nicht abweichen kann. Dies rechtfertigt die Zuerkennung einer Vergleichsgebühr für den Anwalt, der durch seine Bemühungen an der Beilegung eines zuvor bestehenden Streits über das Sorgerecht mitgewirkt hat (h.M. vgl. OLG Koblenz, 13. Zivilsenat, FamRZ 2002, 36; OLG Düsseldorf JurBüro 2001, 135; OLG Zweibrücken JurBüro 2001, 134; OLG Stuttgart FamRZ 1999, 389). Dies gilt nach der Rechtsprechung des Senates auch unter Berücksichtigung der Erwägungen im Beschluss des BGH vom 26.09.2002 (FamRZ 2003, 88). Diese Entscheidung betrifft die Abgrenzung einer einvernehmlichen Streitbeilegung in Form eines Teilanerkenntnisses nach teilweiser Klagerücknahme zur vergleichsweisen Beendigung eines Rechtsstreits und dient der Vermeidung von Unklarheiten für den Kostenbeamten; für die Frage, ob der übereinstimmende Elternvorschlag im Fall des § 1671 BGB eine Vergleichsgebühr auslöst, ist hieraus nichts herzuleiten (vgl. den Beschluss des Senates vom 31.07.2003, 7 WF 463/03).

Im vorliegenden Fall gilt nicht deshalb etwas anderes, weil nach der Vereinbarung der Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht auf einen von ihnen sondern auf die Großmutter väterlicherseits, also eine Dritte, übertragen wurde. Zwar ist dem Beschwerdeführer zuzugeben, dass § 1671 Abs. 1 BGB nur die Übertragung der elterlichen Sorge oder eines Teiles wie des Aufenthaltsbestimmungsrechts (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1671 Rdn. 4; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1671 Rdn. 18) auf einen der Elternteile, nicht aber auf einen Dritten vorsieht (vgl. Bamberger/Roth/Veit, BGB, § 1671 Rdn. 16) und demgemäß auch die Bindung an einen übereinstimmenden Elternvorschlag gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB sich nur hierauf bezieht. Jedoch haben die Eltern im vorliegenden Fall insoweit eine das Familiengericht bindende Vereinbarung dahingehend getroffen, dass die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam ausgeübt werden soll. Die gleichzeitig vereinbarte Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Großmutter ist Ausfluss der ihnen hiermit weiterhin gemeinsam obliegenden Personensorge (vgl. § 1631 Abs. 1 BGB), die es auch ermöglicht, das Kind bei einem Dritten unterzubringen (Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1631 Rdn. 8; Bamberger/Roth/Veit, a.a.O., § 1631 Rdn. 11). Hierdurch ist - entgegen der insoweit etwas missverständlichen Formulierung des Beschlusses vom 17.03.2004 - nicht das vom Ausnahmefall des § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB abgesehen unverzichtbare Aufenthaltsbestimmungsrecht als solches übertragen, sondern dieses der Großmutter bis auf Weiteres lediglich zur Ausübung überlassen (vgl. hierzu Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1626 Rdn. 3); eine völlige Übertragung dieses Rechts wäre nur nach §§ 1671 Abs. 3, 1666 BGB in Verbindung mit einer teilweisen Entziehung der Personensorge möglich gewesen, was das Familiengericht aber ersichtlich nicht beabsichtigte, zumal die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht ersichtlich sind. Durch diese zusätzliche Vereinbarung verliert die Einigung der Eltern über die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht ihren Charakter als einvernehmliche, das Familiengericht bindende Regelung. Dass die weitere Voraussetzung für einen Vergleich, nämlich Streitbeilegung durch gegenseitiges Nachgeben vorliegt, nachdem beide Elternteile gegenläufige Anträge auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt und ausweislich des angefochtenen Beschlusses im Termin "sehr ausführlich und auch sehr streitig erörtert" hatten, bedarf hier keiner weiteren Diskussion.

Die Kostenregelung folgt aus § 33 Abs. 9 RVG.

Ende der Entscheidung

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