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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 08.12.2006
Aktenzeichen: 8 U 1022/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 278
Überlässt der Verkäufer einer Eigentumswohnung die Suche nach Kaufinteressenten und die Vertragsverhandlungen einem Vertreter, so hat er sich dessen Erklärungen nach § 278 BGB zurechnen zu lassen. Nichts anderes gilt, wenn der Vertreter seinerseits die Verhandlungen nicht selbst führt, sondern sie dritten Personen überträgt.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 8 U 1022/05

Verkündet am 08.12.2006 In dem Rechtsstreit Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Marx und die Richterinnen am Oberlandesgericht Becht und Speich auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 2006 für Recht erkannt: Tenor:

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 30. Juni 2006 wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckendesn Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen. Gründe: I. Die Klägerin wendet sich mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die Zwangsvollstreckung des Beklagten aus der notariellen Urkunde des Notars H...-J... A... vom 19.12.2003, UR-Nr. ...7/2003. Der Steuerberater der Klägerin, der Zeuge S..., empfahl der Klägerin im Sommer 2003, die streitgegenständliche Eigentumswohnung Nr. 9 im Anwesen W... . in B... zu erwerben. Die Wohnung stand im Eigentum des Beklagten, der sie seinerseits am 29.8.2003 zu einem Kaufpreis von 44.000 € erworben hatte. Zuvor waren am 2.1.2003 ein Zwangsversteigerungsvermerk und am 3.1.2003 ein Zwangsverwaltungsvermerk in das Grundbuch eingetragen worden. Diese Vermerke wurden am 2.4.2004 beziehungsweise 23.4.2003 gelöscht (Anlage K7). Im Zwangsversteigerungsverfahren war der Verkehrswert der Immobilie mit 88.000 € ermittelt worden (Gutachten L... vom 7.4.2003 Bl.29-1). Der Klägerin wurde ein Kurzexposé vorgelegt, aus dem sich ergab, dass die Wohnung zu 415 € pro Monat vermietet sei und der Kaufpreis der Wohnung im Jahr 2000 172.817 € betragen habe (Anlage K 1). Unter dem 20./25.11.2003 unterschrieb die Klägerin einen "Zeichnungsschein und Auftrag zur Vorbereitung eines Kaufvertrages" der Firma C... (Anlage K 2), den sie mit dem Zusatz, der Kauf erfolge "vorbehaltlich einer einwandfreien Finanzierung, wie besprochen durch die St. G... K...bank und eines weiteren zinsgünstigen Darlehens", versah. Obwohl die von den Zeugen S... und Se... in Aussicht gestellte Finanzierung des Kaufpreises durch die St. G... K...bank und ein weiteres Kreditinstitut zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesichert war, erwarb die Klägerin die Eigentumswohnung mit notariellem Vertrag des Notars H...-J... A... vom 19.12.2003 zu einem Kaufpreis von 116.400,-- € (Anlage K 3). Bei Abschluss des notariellen Vertrages wurde der Beklagte von dem Zeugen N... als vollmachtloser Vertreter vertreten. Dessen Auftreten hat der Beklagte mit notarieller Urkunde vom 3.2.2004 genehmigt. Nachdem die Klägerin in der Folgezeit wegen der benötigten Finanzierung vertröstet worden war, bat sie gemeinsam mit dem Zeugen Sch... um Aufhebung des notariellen Vertrages. Nachdem diese Bitte mit Schreiben vom 25.2.2004 (Anlage K 5) abschlägig beschieden worden war, erklärte sie mit Schreiben vom 19.3.2004 (Anlage K 10) die Anfechtung des notariellen Kaufvertrages vom 19.12.2003 aus allen rechtlichen Gründen, insbesondere wegen arglistiger Täuschung. Die Klägerin hat vorgetragen,

sie sei von dem Beklagten in kollusivem Zusammenwirken mit den Zeugen S..., Se... und N... arglistig getäuscht worden. Der Beklagte habe die Zeugen N..., S... und Se... mit dem Verkauf der Immobilie beauftragt und sei über die Gesamtvorgänge informiert gewesen. Der Zeichnungsschein sei dem Zeugen N... bekannt gewesen.

Die Herren Se... und S... hätten eine Finanzierung mit einem Zinssatz von 3,5% bei der St. G... K...bank ermöglichen wollen; Herr N... habe den Differenzbetrag von rund 60.000 € in Form eines Darlehens bei der D... Bank mit einem Zinssatz von 3,8% beschaffen wollen. Tatsächlich hätten sie sich um eine Finanzierung nicht bemüht; die Finanzierung sei auch nicht realisierbar gewesen. Noch bei Abschluss des Kaufvertrages sei ihr ausdrücklich bestätigt worden, dass die vereinbarte Finanzierung sichergestellt sei.

Ihr sei vorgespiegelt worden, dass es sich um eine äußerst günstige Immobilie handele, die ihr eine entsprechende Rendite gewähre. Der Wert der Immobilie dürfte bei maximal 70.000 € beziehungsweise 88.000 € liegen.

Wenn vor Vertragsschluss der eingetragene Zwangsversteigerungsvermerk offen gelegt worden wäre, hätte sie vom Erwerb der Problemimmobilie Abstand genommen. Der Beklagte hat vorgetragen,

er habe die Klägerin nicht arglistig getäuscht. Mit den Zeugen S..., Se... und N... sei er weder vertraglich noch sonstwie verbunden. Sie hätten nur gewusst, dass er die streitgegenständliche Eigentumswohnung habe verkaufen wollen. Ein intensiver Kontakt habe nicht bestanden. Es liege allenfalls eine falsche Beratung durch den von der Klägerin selbst eingeschalteten Steuerberater S... vor, dessen Vorgehen ihm allerdings nicht zuzurechnen sei. Der Zeichnungsschein sei weder ihm noch dem Zeugen N... bekannt gewesen.

Mit der Finanzierung sei er nicht befasst gewesen. Der Zeuge N... habe eine Finanzierung durch die D... Bank nie in Aussicht gestellt.

Der Klägerin sei nie vorgegaukelt worden, dass es sich bei den Kaufpreis von 116.400 € um ein Schnäppchen handele.

Die Klägerin sei vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages über die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks informiert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe den notariellen Kaufvertrag vom 19.12.2003 erfolgreich wegen arglistiger Täuschung angefochten. Der Beklagte habe ihr verschwiegen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ein Zwangsversteigerungsvermerk im Grundbuch eingetragen war. Hierbei handele es sich um einen ungefragt offenbarungspflichtigen Umstand, da er ausschlaggebend für den Kaufentschluss sei und den Vertragszweck gefährde. Dies sei dem Beklagten auch bewusst gewesen. Unerheblich sei, dass der Beklagte vor bzw. bei Vertragsschluss nicht selbst in Erscheinung getreten sei, sondern sich des Zeugen N... als vollmachtlosen Vertreters bedient habe. Dessen Verstoß gegen die Aufklärungspflicht habe sich der Beklagte nämlich wie eine in eigener Person verübte arglistige Täuschung zurechnen zu lassen, nachdem er den Vertragsschluss genehmigt habe. Die Löschung des Zwangsversteigerungsvermerks stehe der Anfechtung nicht entgegen, da der Anfechtungsgrund bei Abgabe der Anfechtungserklärung am 19.03.2004 vorgelegen habe. Die Klägerin könne daher auch die Kosten der notariellen Beurkundung in Höhe von 779,11 €, die Kosten für die Eintragung der Vormerkung in Höhe von 118,50 € sowie im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Vertrages künftig entstehende Kosten ersetzt verlangen. Hiergegen wendet sich der Beklagte im Wege der Berufung. Zur Begründung führt er aus, das Landgericht sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Klägerin unstreitig nicht über den im Grundbuch eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk aufgeklärt worden sei. Dies folge schon aus der mit Beschluss vom 27.07.2005 erfolgten Tatbestandsberichtigung. Das Landgericht hätte daher seinem Beweisangebot nachgehen müssen.

Eine arglistige Täuschung liege nicht vor, weil sich der Zwangsversteigerungsvermerk eindeutig aus dem Grundbuch ergebe. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin vor Abschluss des notariellen Vertrages von ihrem Steuerberater beraten worden sei. Die Aufklärungspflichten dürften gegenüber der nicht unerfahrenen und fachkundig beratenen Klägerin nicht überspannt werden. Der Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Koblenz vom 30.6.2005 die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Klägerin führt aus, sie habe nach Treu und Glauben eine Aufklärung über den Zwangsversteigerungsvermerk erwarten dürfen. Sie sei völlig unerfahren und keinesfalls fachkundig gewesen. Dass sie unstreitig durch ihren Steuerberater beraten wurde, sei irrelevant.

Der Beklagte habe vorsätzlich gehandelt, da er sich das Handeln seines Vertreters N... zurechnen lassen müsse. Der Beklagte habe sie über den Streitverkündeten N... zudem hinsichtlich des Werts der Immobilie arglistig getäuscht. Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Sch..., S..., N... und Se... aufgrund des Beweisbeschlusses vom 21.04.2006 (Blatt 317 ff. GA). Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsprotokolle vom 21.7. und 10.11.2006 (Blatt 337 ff. und 371 ff. GA) Bezug genommen. II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. 1. Die Vollstreckungsgegenklage, §§ 767,797 ZPO, ist begründet. Die Klägerin hat den notariellen Kaufvertrag vom 19.12.2003 wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten, so dass der Kaufvertrag von Anfang an als nichtig anzusehen ist, §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB. a. Die Anfechtung kann allerdings nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin beim Wohnungskauf nicht über den Zwangsversteigerungsvermerk informiert und damit arglistig getäuscht worden wäre. Der Senat stimmt mit dem Landgericht zwar darin überein, dass die Klägerin durch den Beklagten als Grundstücksverkäufer über den eingetragenen Zwangsversteigerungsvermerk hätte aufgeklärt werden müssen (BGH NJW 1978, 1486). Die Anfechtungserklärung der Klägerin vom 19.3.2004 (K 10) bezog sich jedoch allein auf die zu niedrige Miete und die nicht eingehaltene Finanzierungszusage, nicht aber auf die fehlende Information hinsichtlich des Zwangsversteigerungsvermerks. Zwar muss der Anfechtungsgrund in der Erklärung nicht angegeben werden; erforderlich ist aber, dass der Anfechtungsgegner erkennen kann, auf welchen tatsächlichen Grund die Anfechtung gestützt wird (Palandt - Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 143 Rn. 3). Werden andere als die in der ursprünglichen Anfechtungserklärung genannten Gründe geltend gemacht, liegt eine neue Anfechtungserklärung vor, deren Rechtzeitigkeit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (BGH NJW-RR1993, 948; Münchener Kommentar zum BGB-Mayer-Maly/Busche, 4. Auflage 2001, § 143 Rn. 6).

Eine neue Geltendmachung ist vorliegend in der Klage vom 15.7.2004 zu sehen (Staudinger-Roth, Neubearbeitung 2003, § 143 Rn. 6), die zeitlich ausreichend ist, da die Anfechtung binnen Jahresfrist ab Kenntnis von der Täuschung erklärt wurde, § 124 BGB. Der Zwangsversteigerungsvermerk wurde jedoch bereits am 2.4.2004 (vergleiche Grundbuchauszug K 7) gelöscht. Zum Zeitpunkt der Anfechtungserklärung am 15.7.2004 lag der Anfechtungsgrund folglich nicht mehr vor. Die Anfechtung kann daher unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht mehr auf die fehlende Aufklärung über den Zwangsversteigerungsvermerk gestützt werden (Staudinger-Roth § 123 Rn. 86 m.w.N.).

b. Die Klägerin kann den Kaufvertrag nach Treu und Glauben auch nicht mit der Begründung anfechten, sie sei hinsichtlich der Miethöhe arglistig getäuscht worden, da ihr unstreitig Zahlung der Mietdifferenz angeboten wurde.

c. Die Anfechtung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt begründet, dass der Beklagte die Klägerin hinsichtlich des Wertes der Immobilie und der Rendite getäuscht habe.

Der Beklagte bzw. die für ihn tätigen Zeugen S..., N... und Se... waren nicht verpflichtet, die Klägerin vor dem Kauf darauf hinzuweisen, dass der Beklagte die Immobilie für lediglich 44.000 € erworben hatte. Hat der Verkäufer einer Immobilie diese sehr preisgünstig als so genanntes "Schnäppchen" erworben, besteht keine Verpflichtung, den Käufer zu informieren und den aus dem finanziell günstigen Geschäft gezogenen Vorteil an ihn weiterzugeben.

d. Der Kaufvertrag ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht als wucherisches Geschäft nichtig. Zwar findet die Vorschrift des § 138 Absatz 2 BGB neben der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Anwendung (Palandt - Heinrichs § 138 Rn. 15). Auszugehen ist hier jedoch von dem seitens der Sachverständigen L... im Zwangsversteigerungsverfahren ermittelten Wert von 88.000,-- € (Blatt 29-1 GA), auf den sich auch die Klägerin bezogen hat (Schriftsatz vom 8.6.2005 Seite 8 - Blatt 111 GA). Das Vorbringen der Klägerin, der Wert sei darunter, nämlich mit 70.000,-- € wegen Wohngeldrückständen anzusetzen, ist unsubstantiiert (vergleiche unter anderem Schriftsatz vom 8.6.2005 Seite 9 - Blatt 112 GA). Da bei einem Kaufpreis von 116.400,-- € nur das 1,32fache des Wertes von 88.000,-- € verlangt wurde, liegt kein Wucher vor.

e. Soweit die Klägerin ihre Anfechtung mit der Erklärung vom 19.3.2004 (K 10) auf die nicht eingehaltene Finanzierungszusage stützt, hat sie jedoch Erfolg.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Zeugen Se... und S... der Klägerin vor Abschluss des Kaufvertrages vorgespiegelt haben, die Finanzierung des Kaufs der Eigentumswohnung sei gesichert. Beiden Zeugen war hierbei bewusst, dass der Kaufentschluss der Klägerin von den Finanzierungszusagen der St. G... K...bank bzw. einer weiteren deutschen Bank abhing, sie den Kaufvertrag ohne gesicherte Finanzierung somit nicht geschlossen hätte.

Die Zeugen S... und Se... haben übereinstimmend bekundet, dass sie eine Finanzierung des Wohnungskaufs durch die St. G... K...bank sowie eine deutsche Bank vermitteln sollten. Dahinstehen mag insoweit, ob die Finanzierung des überschießenden Betrages bei einer deutschen Bank durch die Zeugen Se... und N..., wie der Zeuge S... meint, oder durch den Zeugen S... - so der Zeuge Se... - durchgeführt werden sollte. Für die Klägerin stand und fiel der Kaufvertrag mit der Finanzierung, was beiden Zeugen bekannt war. Dies folgt bereits aus dem Vorbehalt, mit dem die Klägerin den Zeichnungsschein versehen hat (Anlage K 2). Der Zeuge S... hat unumwunden eingeräumt, diesen Zeichnungsschein mit dem Zusatz zu kennen. Der Zeuge Se... vermochte sich an den Vorbehalt im Zeichnungsschein zwar nicht mehr zu erinnern. Ebenso wie der Zeuge S... hat er jedoch geschildert, dass die Klägerin seinerzeit sogar auf die Durchführung der Finanzierung "gedrängt" habe. Die geplante Finanzierung war nicht durchführbar. Erst Recht lagen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keine entsprechenden Zusagen von Banken vor.

Die Finanzierung über die St. G... K...bank scheiterte letztlich - so der Zeuge S... - an dem zu geringen Kreditvolumen. Die gegenteilige Aussage des Zeugen Se..., der Zeuge S... habe ihm mitgeteilt, die St. G... K...bank werde "in dem vorliegenden Fall eine Ausnahme machen", überzeugt nicht. Die Bekundungen des Zeugen S... sind uneingeschränkt glaubhaft. Der Zeuge S... war sichtlich bemüht, wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Er war hierbei auch bereit, sein Fehlverhalten in der vorliegenden Angelegenheit einzuräumen. Demgegenüber sah sich der Zeuge Se... wiederholt gezwungen, seine Ausführungen auf Vorhalt der Angaben des Zeugen S... zu korrigieren bzw. Erinnerungslücken einzuräumen.

Ungeachtet dessen war jedenfalls die Finanzierung des überschießenden Betrages nicht gesichert. Aus den geschilderten unterschiedlichen Angaben der Zeugen folgt, dass vorliegend nicht einmal geklärt war, wer sich um die Erstrangfinanzierung durch eine deutsche Bank kümmern sollte. Erst Recht lag keine verbindliche Zusage einer Bank (welcher?) vor. Dass die Klägerin die Eigentumswohnung gleichwohl am 19.12.2003 erwarb, beruhte allein auf der unzutreffenden Finanzierungsbestätigung vor Abschluss des Kaufvertrages.

Die diesbezügliche Behauptung der Klägerin ist nicht nur durch den Zeugen S... bestätigt worden. Vielmehr hat auch der Zeuge Se... eingeräumt, er bzw. der Zeuge S... habe der Klägerin mitgeteilt, "dass die Finanzierung so gesichert sei, wie wir es der Frau H... auch erläutert hatten".

Soweit der Zeuge Se... diese Äußerung auf einen späteren Zeitpunkt, nämlich das Gespräch mit der Klägerin und dem Zeugen Sch... Anfang März 2004, datiert, überzeugt dies den Senat nicht. Es widerspricht nämlich nicht nur der Aussage des Zeugen S..., sondern auch der Lebenserfahrung, dass die Klägerin, die auf eine gesicherte Finanzierung - auch nach den Angaben des Zeugen Se... - entscheidenden Wert legte, das Objekt aufgrund eines plötzlichen Sinneswandels ohne Finanzierungszusage gekauft haben soll. Die Angaben des Zeugen Se... sind daher insoweit nicht in sich schlüssig. Hinzu kommt, dass der Zeuge S... sehr eindringlich von seinem erfolglosen Versuch berichtet hat, den Zeugen Se... von einer Beurkundung des Kaufvertrages ohne gesicherte Finanzierung abzuhalten. Es steht daher zur Überzeugung des Senats fest, dass diese Zusage vor Abschluss des Kaufvertrages erteilt wurde.

Die Zeugen N..., Se... und S... sind nicht als Dritte im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB anzusehen. Vielmehr hat sich der Beklagte ihre arglistige Täuschung gemäß § 278 BGB zurechnen zu lassen. Die Zeugen haben mit Wissen und Wollen des Beklagten Aufgaben übernommen, die typischerweise dem Verkäufer obliegen. Sie sind daher in seinem Pflichtenkreis tätig geworden und somit als seine Hilfspersonen zu betrachten (BGH NJW 1996, 451, 452; NJW-RR 1997, 116; NJW 2001, 358, 359).

Zwar ist es unstreitig nicht zu einem irgendwie gearteten Kontakt zwischen dem Beklagten und der Klägerin gekommen. Bei Abschluss des Kaufvertrages ist der Zeuge N... auftragsgemäß als vollmachtloser Vertreter für den Beklagten aufgetreten, sein Auftreten wurde durch den Beklagten genehmigt. Sämtliche Vertragsverhandlungen wurden nicht einmal durch den Zeugen N... geführt; vielmehr beauftragte dieser den Zeugen Se..., der seinerseits den Zeugen S... einschaltete. Gleichwohl kann der Beklagte sich nicht auf den Standpunkt stellen, das, was die Zeugen Se... und S... mit der Klägerinbesprochen hätten, gehe ihn nichts an. Er kann sich auf diesem Wege nicht seiner Verantwortung für die Vertragsverhandlungen entziehen. Der Beklagte hatte den Zeugen N... mit dem Verkauf der streitgegenständlichen Eigentumswohnung beauftragt. Er überließ es damit ihm, sämtliche Verhandlungen mit Kaufinteressenten bis zur Unterschriftsreife des Kaufvertrages zu führen. Der Beklagte musste damit rechnen, dass der Zeuge N... nicht alle Gespräche und Verhandlungen selbst führte, sondern dritte Personen - wie vorliegend die Zeugen Se... und S... - einschaltete und diesen die Verhandlungen mit den Interessenten überließ; auch deren Verhalten muss sich der Beklagte daher zurechnen lassen (BGH NJW-RR 1997, 116). Die Zeugen Se... und S... haben sich vorliegend nicht auf das Bewerben der Immobilie und Verhandlungen über die essentialia des Kaufvertrages beschränkt, sondern darüber hinausgehend unrichtige Finanzierungszusagen gemacht. Der Beklagte muss jedoch auch für diese einstehen. Der Grund dafür liegt nicht allein darin, dass dem Erwerb einer Immobilie durch eine Privatperson in der Regel Gespräche über die finanziellen Möglichkeiten des Erwerbers und die Finanzierung des Kaufpreises vorausgehen. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Zeugen Se... und S... die Klägerin vorliegend mittels dieser unzutreffenden Versprechungen zum Vertragsschluss bewogen haben. Die Finanzierungszusage war somit - auch unter Berücksichtigung des auf dem Zeichnungsschein aufgebrachten Vorbehalts der Klägerin - Vertragsbestandteil. Eine solche Zurechnung ist auch nicht unbillig. Dem Verkäufer würde anderenfalls die Möglichkeit eröffnet, sich durch Einschaltung von Vertretern bzw. sonstigen dritten Personen der Verantwortung für die Vertragsverhandlungen völlig zu entziehen. Aufgrund der erfolgreichen Anfechtung ist der am 19.12.2003 geschlossene notarielle Kaufvertrag damit gemäß § 142 Abs. 1 BGB von Anfang an als nichtig anzusehen. 2. Der Beklagte ist daher gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB verpflichtet, der Klägerin die Kosten der notariellen Beurkundung in Höhe von 779,11 €, die Kosten für die Eintragung der Vormerkung in Höhe von 118,50 € sowie im Zusammenhang mit der Rückabwicklung des Vertrages künftig entstehende Kosten zu ersetzen. Der Zinsausspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO. 4. Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ein Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). 5. Der Streitwert für beide Instanzen wird auf 118.297,61 € festgesetzt, zusammengesetzt aus 116.400 € hinsichtlich der Klageanträge zu Ziff. 1 und 2, 897,61 € hinsichtlich des Klageantrags zu Ziff. 3 und 1000,-- € hinsichtlich des Klageantrags zu Ziff. 4.

Ende der Entscheidung

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