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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 09.07.2004
Aktenzeichen: 8 U 106/04
Rechtsgebiete: BGB, VOB/B


Vorschriften:

BGB § 649 Abs. 1
BGB § 505 Abs. 1
BGB § 501
BGB § 495 Abs. 1
BGB § 355
BGB § 499 Abs. 2
VOB/B § 8 Ziff. 1
Fertigbauvertrag als Teilzahlungsgeschäft und Ratenlieferungsvertrag
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 8 U 106/04

Verkündet am 9. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hölzer und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Fischer und Marx im schriftlichen Verfahren nach der Sachlage am 18. Juni 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 18. Dezember 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin stellt Ausbauhäuser her. Am 11. November 2002 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Lieferung und Errichtung eines Ausbauhauses zu einem Gesamtpreis von 99.990 EUR inklusive Fliesen- und Sanitärpaket. Nach der Anlage 4 zu dem Vertrag (Bl. 12 GA) war der Preis wie folgt zu zahlen:

5 % des in der Bestellung angegebenen Gesamtpreises 30 Tage nach Absendung der Auftragsbestätigung;

80 % nach Fertigstellung des Rohbaus, Auflegung der Dachpfannen und Einbau von Fenstern sowie Hauseingangstüren;

15 % nach Fertigstellung der beauftragten Leistung und Hausübergabe.

Mit einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 17. November 2002 erklärten die Beklagten, sie würden von dem Vertrag zurücktreten, weil ihnen nicht gesagt worden sei, dass noch zusätzliche Kosten für Türen und Sanitäranlagen auf sie zukommen würden (Bl. 37 GA). Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31. Dezember 2002 haben die Beklagten ihre auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung gegenüber der Klägern widerrufen (Bl. 41, 42 GA). Diese nimmt die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Zahlung des um ersparte Aufwendungen verminderten Werklohns in Anspruch und verlangt einen Pauschalbetrag von 15 % = 12.929,79 EUR des vereinbarten Nettogesamtpreises.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs.1 Nr.1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und der Klägerin den geltend gemachten Anspruch aus den § 649 Abs.1 BGB und § 8 Ziffer 1 VOB/B zuerkannt. Es hat die Auffassung vertreten, der Vertrag sei von den Beklagten nicht wirksam widerrufen worden. Ein Widerrufsrecht nach § 505 Abs.1 BGB habe den Beklagten nicht zugestanden, weil es sich vorliegend um einen Werkvertrag handele und die Vorschrift auf Werkverträge nicht anwendbar sei. Ein Widerrufsrecht folge auch nicht aus den §§ 501, 495 Abs.1, 355 BGB, da es sich bei dem Vertrag nicht um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 499 Abs.2 BGB handele.

Der Vertrag werde von diesen Vorschriften nach deren systematischer Stellung, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck nicht erfasst. Zudem sehe der Vertrag keine mit späteren Zahlungsaufschlägen verbundenen Zahlungserleichterungen vor.

Mit ihrer gegen das landgerichtliche Urteil gerichteten Berufung verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag weiter.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 8 Ziff.1 VOB/B nicht zu, weil der Vertrag durch den von den Beklagten erklärten Widerruf gegenstandslos geworden ist.

Den Beklagten stand ein Widerrufsrecht sowohl nach den §§ 505 Abs.1, 355 BGB als auch nach den §§ 501, 495 Abs.1, 355 BGB zu.

Die Voraussetzungen für einen Widerruf des Vertrages nach den §§ 505 Abs.1 Nr.1, 355 BGB waren gegeben. Der Vertrag vom 11. November 2002 hatte u.a. die Lieferung mehrerer als zusammengehörend verkaufter Sachen in Teilleistungen zum Gegenstand, die zur Errichtung des Ausbauhauses notwendigen Bauteile waren als abgrenzbare Einzelteile geschuldet (Bl. 8, 25-30 GA). Das Entgelt für die Gesamtheit der Sachen war in drei Teilzahlungen zu entrichten.

Zwar handelt es sich bei dem Vertrag durch die neben der Lieferverpflichtung von der Klägerin übernommene Errichtungsverpflichtung um einen Werkvertrag, da für den Besteller die für den Werkvertrag typische Schöpfung eines Werkes im Mittelpunkt der vertraglichen Beziehungen steht und es ihm neben der Lieferung der vorgefertigten Teile in erster Linie auf die Errichtung des Bauwerkes ankommt, bei der es sich um das Wesentliche, die Rechtsnatur des Fertighausvertrages prägende Merkmal handelt. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 87, 112) war das damalige Abzahlungsgesetz auf einen Werkvertrag nicht anwendbar. Auch für Teilleistungen im Sinne des früheren § 2 Nr.1 VerbrKrG wurde teilweise nicht für ausreichend erachtet, wenn sie aufgrund eines Werkvertrages geschuldet waren (Palandt/Putzo, BGB, 61.Aufl., § 2 VerbrKrG, Rn.4). Entsprechendes gilt für die Teilleistung im Sinne des § 505 Abs.1 Nr.1 BGB, der dem früheren §§ 2 Nr.1 VerbrKrG nachgebildet ist (Palandt/Putzo, 63.Aufl., § 505 Rn.6).

Allerdings kann die Leistungsverpflichtung des Lieferanten nach § 505 Abs.1 Nr.1 BGB nicht auf einen Kaufvertrag begrenzt werden. Grundlage der Lieferung einer Sache kann auch ein Werklieferungsvertrag oder ein Werkvertrag sein. Nachdem gemäß § 499 Abs.2 BGB auch Werkverträge Kreditverträge sein können, erscheint es ausgeschlossen, § 505 BGB nur auf Kaufverträge anzuwenden, was auch der Wortlaut nicht erfordert (Bülow, Verbraucherkreditrecht, 5.Aufl., § 505 BGB Rn.10). Das ist bereits in der Rechtsprechung zu der dem § 505 Abs.1 S.1 Nr.1 BGB entsprechenden Vorschrift des früheren § 2 Nr.1 VerbrKrG so gesehen worden (OLGR Hamm 1997, 25). Die Anwendbarkeit des § 505 Abs.1 S.1 Nr.1 BGB auf Werkverträge kann auch nicht mit dem Hinweis auf einen anderweitigen Gesetzeszweck, nämlich den Verbraucher vor einer übereilten und nach reiflicher Überlegung aller Gesichtspunkte womöglich ungewollten vertraglichen Bindung zu schützen, in Abrede gestellt werden. Der eindeutige Wortlaut lässt keine Möglichkeit, Werkverträge in einschränkender Auslegung der Vorschrift von ihrem Regelungsbereich auszunehmen (siehe insoweit auch BGH NJW 1981, 453, 455; OLG Hamm a.a.O.).

Den Beklagten stand somit ein Widerrufsrecht nach den §§ 505 Abs.1 S.1 Nr.1, 355 BGB zu. Seine insoweit in dem in dieser Sache ergangenen Beschluss vom 27. November 2003 (Bl. 92-97 GA) vertretene anderweitige Auffassung gibt der Senat auf.

Den Beklagten stand weiterhin ein Widerrufsrecht nach den §§ 501, 495 Abs.1, 355 BGB zu, da es sich bei dem in Rede stehenden Vertrag um ein Teilzahlungsgeschäft im Sinne des § 501 BGB gehandelt hat.

Das Teilzahlungsgeschäft ist in § 499 Abs.2 BGB legaldefiniert als Vertrag, der die Lieferung einer bestimmten Sache (in der Regel Kauf) oder das Erbringen einer bestimmten anderen Leistung (in der Regel Werk- oder Dienstvertrag) gegen Teilzahlungen (Raten) zum Gegenstand hat (Palandt/Putzo, BGB, 63.Aufl., Vorbem. vor § 499 Rn.4). Ein Teilzahlungsgeschäft ist mithin ein Kauf-, Werk- (lieferungs)- oder Dienstvertrag, bei dem ein Unternehmer (§ 14 BGB) und ein Verbraucher (§ 13 BGB) als Käufer, Besteller oder Dienstberechtigter Vertragspartner sind, wobei die Vergütung (insbesondere Kaufpreis, Werklohn) in Teilbeträgen (Raten) fällig gestellt ist. Der Begriff des Teilzahlungsgeschäfts ist bereits durch das Verbraucherkreditgesetz im Vergleich zu den Altregelungen in bedeutsamer Weise inhaltlich erweitert worden, indem nicht nur Kaufverträge, sondern sämtliche Teilzahlungskredite erfasst sind, deren Gegenstand die Erbringung einer anderen Leistung als die Lieferung einer Sache ist (Bülow a.a.O. § 499 BGB Rn.59). Auch ist nicht erforderlich, dass nach Lieferung der Sach- bzw. nach Erbringung der Leistung noch mindestens zwei Raten zu zahlen sind. Die Besonderheiten nach der früheren Rechtslage nach dem Abzahlungsgesetz sind auf Verbraucherkreditrecht, auch schon unter der Geltung des Verbraucherkreditgesetzes nicht übertragbar, weil nunmehr jegliche Finanzierungshilfe erfasst ist. Auf die Anzahl der Raten kommt es für die Erforderlichkeit der Angaben nach § 502 Abs.1 BGB nicht an, sondern auf den Gegenstand des Vertrages. Leistet der Verbraucher deshalb vor oder bei Übergabe oder Leistungserbringung einen Teil des Preises und hat er den gesamten Rest danach in einem einzigen Betrag zu erbringen, handelt es sich zwar nicht um ein Abzahlungsgeschäft im Sinne von § 1 Abzahlungsgesetz, wohl aber im Sinne von § 499 Abs.2 BGB. Die Formvorschriften der §§ 502 Abs.1 in Verbindung mit § 499 Abs.2, 501 BGB sind darüber hinaus aber auch dann anwendbar, wenn die gesamte Vergütung kreditiert ist, der Verbraucher aber nur einen einzigen Betrag zu zahlen hat (Bülow a.a.O. § 499 BGB Rn.61). Kreditvertrag kann somit auch ein Fertighausvertrag mit Errichtungsverpflichtung als Werkvertrag sein (Bülow a.a.O. § 499 BGB Rn.43).

Nach der Legaldefinition handelt es sich bei dem vorliegenden Vertrag folglich um ein Teilzahlungsgeschäft.

Voraussetzung für ein Teilzahlungsgeschäft ist darüber hinaus zwar stets, dass die hinaus geschobene Fälligkeit der Zahlung entgeltlich gewährt wird. Erhebt der Kreditgeber keinen Teilzahlungsaufschlag, ist der sachliche Anwendungsbereich gemäß § 499 Abs.1 BGB nicht erreicht (Bülow a.a.O. § 499 Rn.61). Aber auch die Voraussetzungen der Entgeltlichkeit ist vorliegend erfüllt. Denn § 502 Abs.1 S.2 BGB stellt in den Fällen, in denen der Unternehmer nur gegen Teilzahlungen Sachen liefert oder Leistungen erbringt, indirekt die Vermutung auf, dass es sich um die Gewährung eines entgeltlichen Kredits handelt, d.h. dem Kreditgeber, der nur auf Teilzahlungsbasis leistet, wird der Einwand abgeschnitten, Barzahlungs- und Teilzahlungspreise seien identisch. Er kann nicht einwenden, bei ausschließlichem Angebot zum Teilzahlungspreis fehle es an der Entgeltlichkeit des Zahlungsaufschubs, so dass Verbraucherkreditrecht überhaupt nicht anwendbar sei (Bamberger/Roth/Möller/ Wendehorst, BGB, § 499 Rn.12; Bülow a.a.O. § 502 BGB Rn.13; Urmer in Münchener Kommentar zum BGB, § 4 VerbrKrG Rn.70). Nach dem Vorbringen der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie nur auf Teilzahlungsbasis leistet. Gegenteiliges hat sie jedenfalls selbst nach dem Hinweis des Senats auf die vermutete Entgeltlichkeit bei ausschließlicher Leistung auf Teilzahlungsbasis in dem Beschluss vom 27. November 2003 (Bl. 92-97 GA) nicht behauptet.

Schließlich steht auch der Gesetzeszweck der Anwendbarkeit der §§ 501, 495 Abs.1, 355 BGB auf den vorliegenden Fall nicht entgegen. Wie bereits ausgeführt, verbietet der eindeutige Wortlaut eine nach dem Gesetzeszweck ausgerichtete einschränkende Auslegung.

Der Vertrag ist von den Beklagten wirksam widerrufen worden.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bereits in dem Schreiben der Beklagten vom 17. November 2002 oder erst in dem Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 31. Dezember 2002 ein Widerruf gesehen werden kann. Die Zweiwochenfrist des § 355 Abs.1 S.2 BGB war auch bei dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 31. Dezember 2002 noch nicht abgelaufen, da den Beklagten bis dahin noch keine Widerrufsbelehrung erteilt worden war (§ 355 Abs.2 BGB). Auch war die Ausschlussfrist des § 355 Abs.3 BGB noch nicht verstrichen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs.2 S.1 Nr.2 ZPO zuzulassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Soweit ersichtlich, hat der Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden, ob Werkverträge der in Rede stehenden Art dem Begriff der Teilzahlungsgeschäfte im Sinne des § 501 BGB bzw. der Ratenlieferungsverträge im Sinne des § 505 BGB unterfallen.



Ende der Entscheidung

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