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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 11.01.2002
Aktenzeichen: 8 U 497/01
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 635
BGB § 633
BGB § 634
BGB § 634 Abs. 2
BGB § 634 Abs. 1 Satz 1
BGB § 278
BGB §§ 249 ff.
BGB § 284 Abs. 1 Satz 1
BGB § 288 Abs. 1
ZPO § 287
ZPO § 92 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 8 U 497/01

Verkündet am 11. Januar 2002

in dem Rechtsstreit

wegen Erstattung der Kosten aus einem Beweissicherungsverfahren

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Hölzer und die Richter am Oberlandesgericht Grüning und Marx auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das am 14. Februar 2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 16.524,54 DM nebst 7,5 % Zinsen seit dem 16. September 1999 zu zahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz trägt die Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Kläger haben durch notariellen Kaufvertrag vom 31. Oktober 1995 das Anwesen M........... in D........ erworben. Als sie kurze Zeit nach ihrem Einzug Feuchtigkeit im Kellerbereich des Anwesens feststellten, beantragten sie die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens vor dem Amtsgericht Bad Kreuznach (2 H 13/97). Das selbständige Beweisverfahren führten sie gegen die Beklagte unter der falschen Bezeichnung Firma L.. S........ GmbH als Antragsgegnerin zu 1), gegen eine Firma G........ R.... als Antragsgegnerin zu 2) und gegen die Verkäuferin des Grundstücks als Antragsgegnerin zu 3).

Im Rahmen des selbständigen Beweissicherungsverfahrens hat der Sachverständige B......... in einem schriftlichen Gutachten festgestellt, dass die Feuchtigkeit zum einen darin begründet gewesen sei, dass die Beklagte die Außenwand nicht ordnungsgemäß abgedichtet gehabt habe und zum anderen die vorgesehene Drainage von dem Antragsgegner zu 2) nicht ordnungsgemäß verlegt gewesen sei. Hinsichtlich der Verantwortlichkeit hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese zwischen den Antragsgegnern zu 1) und zu 2) im Verhältnis 70 zu 30 gequotelt werden könne. Zur Begründung hat er angeführt, dass die Außenisolierung der Wand unerlässlich sei, während die Drainage keine zwingend notwendige Maßnahme darstelle.

Da der Sachverständige im Rahmen der Erstellung des Gutachtens Drittfirmen herangezogen hat, beliefen sich die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auf 20.630,70 DM. Hierauf hat die Beklagte 3.946,48 DM gezahlt. Den Restbetrag machen die Kläger mit der Klage geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es ist der Auffassung, die Kosten seien nach der Baumbach'schen Formel auf die Parteien des Beweissicherungsverfahrens zu verteilen. Das führe dazu, dass die Kläger einen Kostenerstattungsanspruch gegen die Beklagten in Höhe von 23 1/3 % der Gesamtkosten hätten. Nach Verrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin verblieben 3.946,48 DM. Diesen Betrag habe die Beklagte vorgerichtlich gezahlt. Ob die geforderte Besprechungsgebühr angefallen sei, könne bei diesem Ergebnis dahinstehen.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihren Erstattungsanspruch weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist bis auf einen geringen auf einem Rechenfehler der Kläger beruhenden Betrag sowie auf die geforderten Auslagen von 5,- DM begründet.

Die auf einen materiell-rechtlichen Anspruch gestützte Klage ist zulässig. Auf ein Kostenfestsetzungsverfahren können die Kläger nicht statt dessen verwiesen werden. Das Kostenfestsetzungsverfahren betrifft alleine die Erstattungsfähigkeit als Folge der gerichtlichen Kostenentscheidung (BGHZ 111, 168, 170). Eine Kostenentscheidung ist in dem selbständigen Beweisverfahren jedoch nicht ergangen, so dass ein Kostenfestsetzungsverfahren schon deshalb nicht in Betracht kommt. Unabhängig davon bildet die Erstattungspflicht auf sachlich rechtlicher Grundlage einen andersartigen die Verteilung von Kostenlasten in der außerprozessualen Rechtsbeziehung der Parteien zueinander betreffenden und von anderen Voraussetzungen abhängigen sowie gegebenenfalls eigenständige Rechtsfolgen mit sich bringenden Streitgegenstand (BGHZ a.a.O., 170 f.).

Die Klage ist ebenfalls bis auf einen geringen Betrag begründet.

Den Klägern steht aus § 635 BGB ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der in dem selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten zu.

Die Kläger sind Inhaber des Anspruchs und damit aktivlegitimiert. Der notarielle Kaufvertrag vom 31. Oktober 1995 zwischen den Klägern und der Voreigentümerin K........-W.... enthält die Klausel, wonach an den Verkäufer Gewährleistungsansprüche abgetreten werden, soweit solche dem Verkäufer noch aus dem Bau des auf dem verkauften Grundstück aufstehenden Hauses gegen am Bau beteiligte Architekten, Handwerker und sonstige Unternehmen zustehen (Bl. 16 GA). Die Klausel ist von der Beklagten nicht in Abrede gestellt worden. Sie enthält auch die Abtretung der in Rede stehenden Gewährleistungsansprüche. Das pauschale Bestreiten einer Abtretung durch die Beklagte in der Berufung (Bl. 104 GA) geht deshalb ins Leere.

Die Voraussetzungen der §§ 633, 634 BGB für eine Wandlung oder Minderung, die gegeben sein müssen, weil der Schadensersatzanspruch nur statt der Wandlung oder Minderung geltend gemacht werden kann (Palandt/Sprau, BGB, 60. Aufl., § 635 Rdz. 2) liegen vor.

Mit Schreiben vom 19. März 1997 (Bl. 88 GA) haben die Kläger die Beklagte aufgefordert, bis zum 26. März 1997 ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Beseitigung von Nässeschäden im Kellerbereich zu erklären. Mit Schreiben vom 2. April 1997 (Bl. 89 GA) hat die Beklagte jegliche Haftung mit dem Hinweis abgelehnt, dass die Arbeiten, die ursächlich für die aufgetretene Nässe sein könnten, nicht von ihr ausgeführt worden seien.

In diesem Schreiben liegt eine Mängelbeseitigungsverweigerung im Sinne des § 634 Abs. 2 BGB, die eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung im Sinne des § 634 Abs. 1 Satz 1 BGB für die Kläger entbehrlich machte.

Insoweit kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, die Kläger hätten nur Nässeschäden an den Innenwänden des Kellers beanstandet und sie habe nur insoweit eine Haftung abgelehnt. Eine endgültige und ernsthafte Ablehnung einer Nachbesserung der in Rede stehenden Mängel sei deshalb nicht erfolgt (Bl. 106 GA).

Den Klägern ging es um die Beseitigung der im Kellerbereich aufgetretenen Nässeschäden. Diese waren nur an den Innenwänden sichtbar, da die entsprechenden Außenwandbereiche mit Erde verfüllt waren. Bei den von den Klägern in dem Schreiben vom 7. April 1997 (Bl. 90 GA) angesprochenen Außenwänden handelt es sich offensichtlich um die über dem Erdreich liegenden, da die darunterliegenden nicht einsehbar waren, mithin nicht auf Nässeschäden hin kontrolliert und auch nicht als frei von Nässeschäden beurteilt werden konnten.

Die Beklagte musste deshalb in Erwägung ziehen, dass die beanstandeten Nässeschäden durch Mängel an den mit Erdreich verfüllten Außenwänden, insbesondere an der dort von ihrem Subunternehmer angebrachten Außenisolierung verursacht wurden. Ihr eine Haftung ablehnendes Schreiben vom 2. April 1997 musste dementsprechend auch auf Mängel an der Außenisolierung bezogen werden. Mithin enthält es eine Verweigerung der Mängelbeseitigung im Sinne des § 634 Abs. 2 BGB.

Damit sind die Voraussetzungen der §§ 633, 634 BGB für eine Wandlung bzw. Minderung erfüllt. Da die Beklagte die Mängel an der Außenisolierung über § 278 BGB auch zu vertreten hat, können die Kläger gemäß § 635 BGB statt der Wandlung bzw. Minderung auch Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangen.

Zum Schaden im Sinne der vorgenannten Vorschrift gehören die begehrten und in dem selbständigen Beweisverfahren angefallenen Kosten in vollem Umfang.

Dabei kann offenbleiben, ob es sich um einen Mangelschaden oder um einen Mangelfolgeschaden handelt. In einem Fall, in dem ein geschädigter Bauherr aufgrund eines unrichtigen Beweissicherungsgutachtens zunächst erfolglos den Bauunternehmer statt den wegen eines Planungsfehlers haftenden Architekten verklagt hat, hat der BGH (NJW-RR 1991, 1428) die Auffassung vertreten, es liege im Rahmen allgemeiner Erfahrung, dass der durch einen Planungsfehler geschädigte Bauherr zur Klärung der Verantwortlichkeit ein Beweissicherungsverfahren betreiben und er sodann den in diesem Verfahren anscheinend festgestellten Schädiger verklage. Bei einer solchen Fallgestaltung sei ebenfalls nicht zu bezweifeln, dass die aufgewandten Prozesskosten innerhalb des Schutzzweckes liegen, dem die verletzten Pflichten des planenden Architekten dienen. In diesen Prozesskosten habe sich das spezifische, durch die Vertragsverletzung herbeigeführte Risiko eines Zusatzschadens verwirklicht. Soweit der Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen werde, habe der Schädiger dann auch für den gesamten durch seine pflichtwidrige Handlung verursachten Schaden Ersatz zu leisten. Wenn demnach noch die Kosten des von einem Geschädigten erfolglos geführten Rechtsstreits dem Schaden nach § 635 BGB zuzurechnen sind, muss dies um so mehr für die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens gelten, in dem der haftende Schädiger richtig festgestellt werden konnte (so auch Palandt/Sprau, BGB, 60. Aufl., § 635 Rdnr. 6 b; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2000, 1167, 1168).

Die geltend gemachten Kosten sind sämtlich durch den der Beklagten zurechenbaren Mangel entstanden.

Eine Einschränkung der Schadensersatzpflicht der Beklagten kann nicht über die im prozessualen Kostenrecht geltende Baumbach'sche Formel herbeigeführt werden, da der hier in Rede stehende materielle Schadensersatzanspruch nach den im materiellen Schadensrecht für die Berechnung des Schadens geltenden Grundsätze der §§ 249 ff. BGB zu beurteilen ist (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Danach ist bei Nichteinhaltung einer Leistungspflicht aus einem Vertrag grundsätzlich das volle Erfüllungsinteresse zu ersetzen, der Gläubiger also so zu stellen wie er stehen würde, wenn der Schuldner ordnungsgemäß erfüllt hätte (Palandt/Heinrichs, a.a.O. Vorbem. vor § 249 Rdnr. 16).

Bei einer ordnungsgemäß angebrachten Außenisolierung wären die in Rede stehenden Kosten nicht angefallen. Das gilt sowohl für die Anwaltsgebühren der Kläger in Höhe von 2.238,80 DM und 1.142,60 DM als auch für die von dem Sachverständigen B......... in Rechnung gestellten Kosten in Höhe von 17.126,29 DM.

Hinsichtlich der Anwaltsgebühren ist neben der Prozess- und der Beweisgebühr (§§ 31, 48 BRAGO) auch die Besprechungsgebühr (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO) angefallen, weil die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur Klärung der sich an das selbständige Beweisverfahren anschließenden Frage, in welcher Weise und durch wen eine Nachbesserung geltend gemacht werden konnte und sollte (Bl. 85 GA), erforderlich war.

Die den sogenannten Fremdrechnungen des Sachverständigen zugrundeliegenden Forderungen sind der Beklagten ebenfalls in voller Höhe zurechenbar, da sie zur Ermittlung der Schadensursache sämtlich erforderlich waren.

Eine Quotelung der Kosten wegen der fehlerhaft verlegten Drainage kommt nicht in Betracht. Die Feuchtigkeitsschäden, die Veranlassung zur Durchführung des Beweissicherungsverfahrens gegeben haben, wären bei einer ordnungsgemäßen Abdichtung der Außenwände nicht aufgetreten. Im Verhältnis zu den Klägern ist der Schaden der Beklagten mithin in vollem Umfang zuzurechnen. Dementsprechend können die Kläger die Beklagte auch in voller Höhe in Anspruch nehmen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Feuchtigkeitsschäden trotz der fehlerhaften Außenisolierung auch vermieden worden wären, wenn die Drainage ordnungsgemäß verlegt gewesen wäre, d.h. wenn beide Mängel die Schäden verursacht hätten. Ein Zurechnungszusammenhang ist auch im Falle der sogenannten kumulativen Kausalität gegeben, d.h. wenn die Handlung des Schädigers den Schaden nicht allein, sondern nur im - Zusammenwirken mit dem Handeln eines anderen herbeiführen konnte (Palandt/Heinrichs, a.a.O. Vorbem. vor § 249 Rdnr. 86). Dieser Umstand könnte die Beklagte auch dann nicht entlasten, wenn jeder der beiden Mängel auch allein den Schaden verursacht hätte. Denn bei einer sogenannten konkurrierenden Kausalität sind beide Ereignisse im Rechtssinne ursächlich (Palandt/Heinrichs, a.a.O. Vorbem. vor § 249 Rdnr. 86). Hier kann jedoch nicht einmal von einer konkurrierenden Kausalität ausgegangen werden, weil bei einer ordnungsgemäß angebrachten Außenisolierung eine fehlerhaft verlegte Drainage die Feuchtigkeitsschäden nicht hätte verursachen können. Der Mangel an der Drainage war allein zur Schadensverursachung nicht geeignet.

Eine Quotelung käme nur in Betracht, wenn eine zwischen fehlerhafter Außenisolierung und fehlerhafter Drainageverlegung abgrenzbare Schadensverursachung festgestellt werden könnte, ist der Schaden teilweise durch das eine und teilweise durch das andere Ereignis verursacht worden, besteht eine gemäß § 287 ZPO voneinander abgrenzbare Teilverantwortlichkeit (Palandt/Heinrichs, a.a.O.). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden.

Der Schadensersatzanspruch der Kläger aus § 635 BGB betrug demnach ursprünglich (2.238,80 DM + 1.142,60 DM + 17.125,29 DM =) 20.507,69 DM. Darauf hat die Beklagte 3.983,15 DM gezahlt, so dass noch 16.524,54 DM offenstehen.

Der Anspruch ist nicht verjährt. Die Beklagte hat nicht bewiesen, dass zwischen ihr und der Rechtsvorgängerin der Kläger die VOB vereinbart war und die kurze Verjährungsfrist nach der VOB eingreift.

Die Zinsforderung hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB. Die geforderten Auslagen von 5 DM sind jedoch nicht hinreichend dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht aufgrund der §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Der Streitwert beträgt 16.647,55 DM, die Beschwer der Beklagten 16.524,54 DM und die Beschwer der Kläger 123,01 DM.

Ende der Entscheidung

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