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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 10.04.2000
Aktenzeichen: 8 W 212/00
Rechtsgebiete: ZPO, BVG


Vorschriften:

ZPO § 341 Abs. 2
ZPO § 341 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567
ZPO § 577 Abs. 1
ZPO § 569
ZPO § 338
ZPO § 339 Abs. 1
ZPO § 91
BVG § 81 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 8 W 212/00 5 O 218/99 LG Trier

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hölzer, den Richter am Oberlandesgericht Grüning und die Richterin am Oberlandesgericht Krumscheid

am 10. April 2000

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 4. März 2000 wird der Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 16. Februar 2000 aufgehoben.

II. Das klagende Land trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Der Beklagte wendet sich mit seinen Anträgen im Schriftsatz vom 4. März 2000 (Bl. 67-71), die das Landgericht als sofortige Beschwerde nach § 341 Abs. 2 ZPO angesehen hat (vgl. Bl. 65 RS GA), gegen den seinen Einspruch vom 19. Januar 2000 (vgl. Bl. 55, 56 GA) gegen das im schriftlichen Vorverfahren ergangene Versäumnisurteil vom 16. Dezember 1999 (vgl. Bl. 41 GA) über de Zahlung von 25.000 DM nebst 4 % Zinsen seit 1.10.1999 als unzulässig verwerfenden Beschluss des Landgerichts Trier vom 16. Februar 2000 (vgl. Bl. 64 GA).

Das klagende Land hat gegen den Beklagten (neben seiner früheren Ehefrau) aus nach § 81 a BVG übergegangenem Recht Schadensersatzansprüche wegen sexuellen Missbrauchs an beider Tochter Sch, geboren am 29. April 1980, im Zeitraum 1992 bis einschließlich Mai 1994 über einen Teilbetrag von 25.000 DM als - angeblich - aufgewandte psychologische Heilbehandlungskosten geltend gemacht.

Antragsgemäß erging gegen den Beklagten am 29. Oktober 1999 (vgl. Bl. 2 GA) ein Mahnbescheid über 25.000 DM nebst 4 % Zinsen seit 1. Oktober 1999. Hiergegen hat der Beklagte Widerspruch eingelegt (vgl. Bl. 5 GA), woraufhin der Rechtsstreit in das streitige Verfahren, an das Landgericht Trier verwiesen worden ist.

Der zuständige Berichterstatter, dem die Sache als Einzelrichter übertragen worden war, ordnete am 1. Dezember 1999 das schriftliche Vorverfahren mit entsprechender - formularmäßiger - Fristsetzung und weiterer Belehrung an (vgl. Bl. 32 GA). Daraufhin meldete sich der Beklagte persönlich mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 (vgl. Bl. 35/36 GA), in dem er erklärte, die Forderung von 25.000 DM "anerkennen" zu wollen. Daraufhin wurde mündliche Verhandlung auf den 5. Januar 2000 anberaumt und dem Beklagten zugleich jedoch mitgeteilt, dass er wirksame prozessuale Erklärungen und damit ein wirksames Anerkenntnis im Prozess nicht persönlich abgeben könne und zugleich auf den eventuellen Erlass eines Versäumnisurteils hingewiesen (vgl. Bl. 34 RS GA).

Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 1999 (vgl. Bl. 39 GA) hatte das klagende Land das zwischenzeitlich von dem Beklagten unter dem 8. Dezember 1999 (vgl. Bl. 40 GA) abgegebene schriftliche Schuldanerkenntnis über 25.000 DM vorgelegt, woraufhin das Landgericht den Termin zur mündlichen Verhandlung vom 5. Januar 2000 am 16. Dezember 1999 (vgl. Bl. 40 RS GA) aufhob und ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten über 25.000 DM erließ (vgl. Bl. 41 GA). Dieses wurde dem Beklagten am 20. Dezember 1999 (vgl. Bl. 44 GA) zugestellt.

Dagegen hat sich der Beklagte wiederum persönlich mit Schreiben vom 28. Dezember 1999 (vgl. Bl. 45-49 GA) gewandt, das das Landgericht als Einspruch angesehen und dies auch entsprechend dem Beklagten mitgeteilt hat (vgl. Bl. 49 RS GA). Darin hat der Beklagte unter anderem ausgeführt, dass nicht sorgfältig geprüft worden sei, weil ansonsten ein in die Zuständigkeit des Amtsgerichts fallender Streitwert herausgekommen wäre. Zudem hat er auf die immense Summe von 143.836,06 DM und dessen spätere Korrektur sogar auf 268.776,86 DM für angeblich nur neun Behandlungstage bei der Ärztin in Mainz hingewiesen und dies als unmöglich dargestellt.

Unter dem 5. Januar 2000 (vgl. 31. 51-53 GA), eingegangen bei dem Landgericht Trier am 6. Januar 2000, hat der Beklagte Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Hinweis auf den vom klagenden Land - angeblich - "willkürlich beschrittenen Klageweg" gestellt und auf die Sachkenntnis von den Abrechnungsmodalitäten sowohl der Sachbearbeiter bei dem Landesamt als auch auf die des Prozessbevollmächtigen der Klägerin verwiesen. Mit weiterem Schreiben vom 19. Januar 2000 (vgl. Bl. 55/56 GA) hat der Beklagte schließlich ein Schreiben der BKK-Boehringer Angelheim vom 14. Januar 2000 (vgl. Bl. 57 GA) vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass dieser lediglich 1.594,39 DM an tatsächlichen Kosten entstanden sind.

Nachdem die Klägerin zwischenzeitlich mitgeteilt hatte, dass sie nur den Schadensersatzbetrag fordern, werde, der tatsächlich aufgrund der Behandlung entstanden ist, und der Beklagte die entsprechende Anfrage des Landgerichts, ob sein Einspruch und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufrechterhalten werde, bejaht hat, hat das Landgericht durch den angefochtenen Beschluss vom 16. Februar 2000 (vgl. Bl. 64 GA) den Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 16. Dezember 1999 als unzulässig verworfen Hiergegen wendet sich der Beklagte mit Schriftsatz vom 4. März 2000 (vgl. Bl. 67-71 GA), der das Landgericht als sofortige Beschwerde ansieht, und in dem er im Wesentlichen seine schon früher vorgebrachten Argumente und Vorwürfe wiederholt.

II.

1. Die als sofortige Beschwerde gemäß § 341 Abs. 2 Satz 2 ZPO gegen den seinen Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts vom 16. Dezember 1999 als unzulässig verwerfenden Beschluss des Landgerichts vom 16. Februar 2000 anzusehende Eingabe des Beklagten vom 4. März 2000 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig und wirksam erhoben. Denn ersichtlich greift der Beklagte den seinen Einspruch verwerfenden Beschluss an und will diesen aus der Welt geschafft wissen.

Gegen einen ohne mündliche Verhandlung ergehenden, den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verwerfenden Beschluss ist die sofortige Beschwerde das statthafte Rechtsmittel, §§ 341 Abs. 2 Satz 2, 567 ZPO.

Sie ist auch in der gesetzlichen Frist von zwei Wochen des § 577 Abs. 1 ZPO und in der Form des § 569 ZPO eingelegt, also auch im Übrigen zulässig.

Sie brauchte auch - ausnahmsweise - nicht durch einen jedenfalls vor dem Landgericht Trier postulationsfähigen Rechtsanwalt erhoben werden, da sich die Sache - wie in anderem Zusammenhang noch zu zeigen sein wird - im Rahmen eines PKH-Verfahrens befindet.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel auch Erfolg und führt deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Denn das Landgericht hat den Einspruch des Beklagten gegen das gegen ihn im schriftlichen Vorverfahren ergangene Versäumnisurteil vom 16. Dezember 1999 zu Unrecht als unzulässig verworfen.

a) Das vom Landgericht insoweit zutreffend als Einspruch nach § 338 ZPO angesehene - persönliche - Schreiben des Beklagten vom 28. Dezember 1999 ist rechtzeitig innerhalb der Zweiwochenfrist des § 339 Abs. 1 ZPO bei Gericht eingegangen. Denn die Zustellung des Versäumnisurteils vom 16. Dezember 1999 an den Beklagten erfolgte am 20. Dezember 1999; die am 1. Januar 2000 ablaufende Zweiwochenfrist ist mit dem am 29. Dezember 1999 bei dem Landgericht Trier eingegangenen, oben bereits erwähnten Schreiben des Beklagten vom 28. Dezember 1999 gewahrt.

b) Sie ist zwar nicht durch einen bei dem Landgericht Trier zugelassenen Rechtsanwalt innerhalb der Einspruchsfrist (und auch nicht danach) begründet worden. Das aber ist entgegen der Ansicht des Landgerichts - hier ausnahmsweise - wegen des PKH-Antrages des Beklagten vom 5. Januar 2000, eingegangen bei dem Landgericht Trier am 6. Januar 2000, unschädlich.

Zwar kann grundsätzlich Prozesskostenhilfe nicht über einen Zeitpunkt rückwirkend bewilligt werden, zu dem erstmals ein vollständiges genehmigungsfähiges Gesuch dem Gericht vorliegt (vgl. BGH in NJW-RR 98, 642; in JurBÜro 93, 51; in NJW 85, 921; 82, 446; OLG Koblenz in JurBüro 96, 142 mit Anmerkung Müller; OLG Dresden in MDR 98, 185; OLG Karlsruhe in FamRZ 98, 484; 95, 1164; Zöller-Philippi, ZPO, § 119 Rn. 37 ff.; Thomas-Putzo, ZPO, § 119 Rn. 2; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, § 119 Rn. 5 ff.).

Davon wird allerdings in Fällen eines so genannten Statusverfahrens mit einer Rückwirkung der PKH-Bewilligung auf einen noch - früheren Zeitpunkt dann eine Ausnahme gemacht, wenn das Gericht nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, Prozesskostenhilfe mit Beiordnung eines Rechtsanwalts zu beantragen (vgl. hierzu OLG Karlsruhe in FamRZ 95, 1163; ThomasPutzo a.a.O.; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann a.a.O.; Rn. 10 m.w.N.).

Nichts anderes kann nach der Überzeugung des Senats - ausnahmsweise - auch im vorliegenden Fall gelten. Dass sich der Beklagte gegen die Forderung des klagenden Landes wehrte, ergab sich zwangslos und zweifelsfrei zunächst aus seinem gegen den Mahnbescheid erhobenen Widerspruch, aber auch aus seinem im anschließenden streitigen Verfahren eingereichten Schreiben von 8. Dezember 1999. Unter den gegebenen Umständen hätte sich deshalb dem Landgericht die Anregung bzw. der Hinweis an den Beklagten auf die Möglichkeit, einen PKH-Antrag mit Beiordnung eines Rechtsanwalts zu stellen, geradezu aufdrängen müssen. Denn das klagende Land hat nämlich schon selbst bereits in seinem klagebegründenden Schriftsatz vom 29. November 1999 (vgl. Bl. 12 GA) darauf hingewiesen, dass "die finanziellen Möglichkeiten des Beklagten nicht gerade als üppig anzusehen sind" und damit seine Geltendmachung nur eines Teilbetrages begründet. Ebenso lag dem Landgericht das Schreiben des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 30. August 1999 (vgl. Bl. 26/27 GA) mit entsprechendem inhaltlichen Tenor vor.

Trotz dieser signifikanten Umstände hat das Landgericht den Beklagten nicht auf die Möglichkeit einer Prozesskostenhilfe mit Beiordnung eines Rechtsanwaltes aufmerksam gemacht. Hätte es das aber getan, ist davon auszugehen, wie die weitere Vorgehensweise des Beklagten verdeutlicht, dass der Beklagte noch rechtzeitig, nämlich noch innerhalb der Zweiwochenfrist der Einspruchseinlegung des § 338 ZPO, einen entsprechenden PKH-Antrag gestellt hätte. Diese Unterlassung darf nach der Überzeugung des Senates nicht dem Beklagten zum Nachteil gereichen. Im Blick auf diese Rückwirkung des späten PKH-Gesuchs durfte das Landgericht den Einspruch des Beklagten gegen das ergangene Versäumnisurteil vom 16. Dezember 1999 nicht als unzulässig verwerfen. Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben. Das Landgericht wird daher Gelegenheit haben, zunächst über den PKH-Antrag des Beklagten vom 5. Januar 2000, was es bisher jedenfalls nicht ausdrücklich getan hat, zu befinden. Es wird sodann - erneut - über den Einspruch des Beklagten zu entscheiden haben.

III.

Nach alledem war auf die sofortige Beschwerde des Beklagten der angefochtene Beschluss aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Senat hat beschlossen, den Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens auf 25.000 DM festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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