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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 11.06.2004
Aktenzeichen: 8 W 380/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 109 Abs. 4
ZPO § 295 Abs. 1
ZPO § 348 Abs. 1
ZPO § 568
ZPO § 568 Abs. 1 Satz 1
BGB § 364 Abs. 2
1. Die Zuständigkeitsregelung in § 568 ZPO betrifft wie die in § 348 Abs. 1 ZPO den gesetzlichen Richter und nicht lediglich eine rein interne arbeitsorganisatorische Frage.

2. Nach Erlass des bestätigenden Berufungsurteils darf der Gläubiger nicht nur aus dem Berufungsurteil, sondern auch aus dem erstinstanzlichen Urteil ohne Sicherheitsleistung vollstrecken und darüber hinaus die Rückgabe einer bereits geleisteten Sicherheit verlangen, sofern er noch nicht aus dem erstinstanzlichen Urteil vollstreckt hat (KG NJW 1976, 1752 f.). In der Übersendung eines Schecks durch den Schuldner an die bezogene Bank nach einer Vollstreckungsandrohung des Gläubigers liegt noch keine Vollstreckung, solange der Gläubiger den Scheck nicht annimmt oder dieser nicht eingelöst wird.


OBERLANDESGERICHT KOBLENZ BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 8 W 380/04

In Sachen

Der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Richter am Oberlandesgericht Marx als Einzelrichter

am 11. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der Rechtspflegerin der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 2. April 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 87.188,58 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 109 Abs. 4 ZPO statthafte und auch ansonsten zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinen Erfolg.

Zwar leidet das Abhilfeverfahren des Landgerichts Koblenz an einem Verfahrensfehler, weil der Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts vom 26. Mai 2004 (§ 572 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO) in Kammerbesetzung ergangen ist, obwohl gemäß § 568 Abs. 1 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zuständig war, weil die angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger erlassen wurde und eine Übertragung auf die Kammer nicht erfolgt war.

Gemäß § 348 Abs. ZPO stellt der Einzelrichter, so lange keine Übertragung auf die Kammer erfolgt, das erkennende Prozessgericht und damit auch den gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Diese Zuständigkeitsregelung betrifft nicht lediglich eine rein interne arbeitsorganisatorische Frage (so allerdings OLG Frankfurt am Main, NJW 1977, 813 zu § 348 Abs. 1 ZPO), sondern bestimmt das Prozessgericht. Die Entscheidung der Kammer vermag nicht die des zuständigen Einzelrichters zu ersetzen, und zwar selbst dann nicht, wenn dieser als Mitglied daran beteiligt war. Die Kammer kann dem Einzelrichter schon deshalb nicht gleichgestellt werden, weil bei einer Kammerentscheidung die Möglichkeit besteht, dass der darin beteiligte Einzelrichter überstimmt worden ist, ohne dass dies nach außen erkennbar geworden wäre. Schon aus diesem Grunde lässt sich in der Kammerentscheidung auch nicht sogleich eine konkludente Rückübertragung auf die Kammer sehen. Verstöße sind auch keinem Rügeverzicht nach § 295 Abs. 1 ZPO zugänglich. Diese für den Einzelrichter nach § 348 Abs. 1 ZPO entwickelten Grundsätze (OLG Hamm, MDR 1993, 384; Urteil des Senats vom 11. Juli 2003, Az.: 8 U 977/00) gelten auch für § 568 ZPO, da in beiden Fällen die Vorschrift des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG als Ausdruck des Prinzips der Rechtsstaatlichkeit tangiert ist und die Vorschrift Grundrechtscharakter hat (OLG Köln, NJW 1976, 1509).

Der Verfahrensfehler hindert das Beschwerdegericht indes nicht an einer eigenen Entscheidung. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren. Das Beschwerdegericht kann daher nach fehlerhaftem oder unzulässigem Abhilfeverfahren selbst in der Sache entscheiden (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 572 Rdnr. 4).

In der Sache selbst hat die Rechtspflegerin zu Recht das Erlöschen der von der Klägerin hingegebenen Bürgschaft über 435.942,94 EUR angeordnet, da die Veranlassung für die Sicherheitsleistung durch das für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil des Senats vom 21. November 2003 - 8 U 548/03 - weggefallen ist. Mit dem Kammergericht (NJW 1976, 1752 f.) ist davon auszugehen, dass der Gläubiger nach Erlass des bestätigenden Berufungsurteils nicht nur aus dem Berufungsurteil, sondern auch aus dem erstinstanzlichen Urteil ohne Sicherheitsleistung vollstrecken und darüber hinaus die Rückgabe einer bereits geleisteten Sicherheit verlangen kann, sofern er noch nicht aus dem erstinstanzlichen Urteil vollstreckt hat. Letzteres war entgegen der Auffassung der Beklagten vor Erlass des Berufungsurteils nicht der Fall.

Durch die Übersendung des Verrechnungsschecks über 397.966,43 EUR an die B....... .....bank eG haben die Beklagten keine Zahlung auf die für vorläufig vollstreckbar erklärte Klageforderung geleistet. Bei der Hingabe eines Schecks tritt die Erfüllung erst bei der Einlösung des Schecks ein (BGHZ 131, 66). Eingelöst wurde der Scheck jedoch erst nach Erlass des Berufungsurteils.

Die Zahlung mittels des Schecks kann auch nicht über § 364 Abs. 2 BGB auf einen früheren Zeitpunkt vorverlegt werden. Zwar kommt es für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf den Zeitpunkt der Leistungshandlung und nicht auf den des Leistungserfolges an. Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit der Leistung ist es deshalb gerechtfertigt, die Hingabe eines Schecks bereits als Zahlung zu behandeln, vorausgesetzt, dass der Leistungserfolg eintritt, d.h. der Scheck vom Gläubiger angenommen und von der bezogenen Bank eingelöst wird. Das ist sowohl für die Zahlung mit einem Barscheck als auch für die mit einem Verrechnungsscheck anerkannt. Die Rechtzeitigkeit der Zahlung richtet sich demnach unter den genannten Voraussetzungen nach dem Tag der Hingabe des Schecks (BGHZ 44, 178). Vorliegend ist der Scheck jedoch nicht an die Kläger sondern an die bezogene Bank übergeben worden, so dass nicht festgestellt werden kann, dass er bei Übersendung an die Bank von den Klägern bereits angenommen wurde.

Da mithin nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Kläger bereits vor Erlass des bestätigenden Berufungsurteils mit Erfolg gegen die Beklagten vollstreckt haben, ist die Veranlassung für die Sicherheitsleistung mittels der Prozessbürgschaft mit Erlass des Berufungsurteils entfallen. Das Erlöschen der Bürgschaft ist deshalb zu Recht angeordnet worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist auf 20 % der Bürgschaftssumme festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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