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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 9 UF 266/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
BGB § 1601
BGB § 1606 Abs. 3
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 2
BGB § 1603 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 9 UF 266/01

Verkündet am 19.09.2001

OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

- abgekürzt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO -

in der Familiensache

wegen Kindesunterhalts.

Der 9. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Peters und den Richter am Oberlandesgericht Eck auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bitburg vom 30. März 2001 dahingehend abgeändert, dass die Klage für die Zeit bis einschließlich April 2000 abgewiesen wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Sie schuldet dem Kläger für den vom Teilurteil vom 30. März 2001 umfassten Zeitraum vom 22. Juni 1995 bis zum 30. April 2000 keinen Kindesunterhalt, weil der Kläger in dem genannten Zeitraum von seinem Vater unterhalten wurde und daher nicht bedürftig war (§ 1602 Abs. 1 BGB).

Allerdings war die Beklagte als Mutter des Klägers gemäß §§ 1601, 1606 Abs. 3 BGB grundsätzlich verpflichtet, ihrem bei seinem Vater lebenden Sohn Barunterhalt zu gewähren. Soweit der Vater des Klägers neben der persönlichen Betreuung auch für dessen Barunterhalt aufgekommen ist, hat dies die Bedürftigkeit des Klägers zunächst nicht berührt. Da der Vater dem Kläger gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB nicht zum Barunterhalt verpflichtet war, handelte es sich insoweit um die freiwillige Leistung eines Dritten, bei der zunächst nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden kann, dass sie nicht dazu gedacht war, die Beklagte von ihrer Unterhaltsverpflichtung zu entlasten (vgl. BGH FamRZ 1988, 159 ff.; FamRZ 1993, 417; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rn. 100 und 101 m. w. N.).

Auch sind für die Bedarfsbemessung (§ 1610 BGB) des Klägers und die Leistungsfähigkeit der Beklagten (§ 1603 BGB) neben dem - tatsächlichen oder fiktiven - Erwerbseinkommen der Beklagten auch die Unterhaltszahlungen des geschiedenen Ehemannes mit heranzuziehen (Wendl/Hausleiter, a. a. O. § 1 Rn. 379 und Wendl/Scholz, a. a. O. § 2 Rn. 148, 149). Dies gilt insbesondere bei der hier vorliegenden gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind, zu dessen Unterhalt die Eltern gemäß § 1603 Abs. 2 BGB alle verfügbaren Mittel bis zur Grenze ihres notwendigen Selbstbehalts verwenden müssen.

Jedoch verweist die Beklagte zu Recht darauf, dass sie ihren Beitrag zum Unterhalt des Klägers bereits dadurch geleistet hat, dass bei der Berechnung des ihr zustehenden Ehegattenunterhalts im Urteil des 15. Zivilsenats vom 23. Januar 2001 - 15 UF 131/00 OLG Koblenz/3 F 36/95 AG Bitburg - der doppelte Tabellenbetrag der Düsseldorfer Tabelle vom Einkommen des geschiedenen Ehemannes vorab in Abzug gebracht worden ist. Hierdurch wurde im Verhältnis der Eheleute zueinander berücksichtigt, dass der Ehemann nicht nur die Betreuung des gemeinsamen Kindes übernommen hatte, sondern auch für dessen Barunterhalt aufgekommen war. Dies hat dazu geführt, dass der Beklagten ein geringerer Unterhaltsanspruch zuerkannt worden ist, als er ihr ohne Berücksichtigung der überobligatorischen Unterhaltsleistungen des Ehemannes an das gemeinsame Kind zugestanden hätte. Hierdurch ist im Verhältnis der Eheleute ein Ausgleich dafür geschaffen worden, dass der Ehemann an Stelle der Beklagten für den Barunterhalt des Klägers aufgekommen ist. Dass die Beklagte sich tatsächlich sogar noch mit einem geringeren Unterhalt begnügte, ist insoweit entgegen der Ansicht des Klägers ohne Bedeutung. Allerdings ist der Kläger an das Ergebnis des vorgenannten Unterhaltsrechtsstreits zwischen seinen Eltern nicht gebunden, weil er hieran nicht beteiligt war und daher von der Rechtskraft nicht erfasst ist. Indes hat der Vater des Klägers dadurch, dass er sich im Rechtsstreit über den Ehegattenunterhalt darauf berufen hat, für den Barunterhalt des Klägers aufgekommen zu sein, konkludent eine nachträgliche Tilgungsbestimmung getroffen (vgl. zu dieser Möglichkeit im allgemeinen BGH NJW 1986, 2700 und in Bezug auf Unterhaltsleistungen Gießler, Erlöschen der elterlichen Prozessführungsbefugnis und Übergang zum familienrechtlichen Ausgleichsanspruch, FamRZ 1994, 800 ff., 806), durch welche die Unterhaltsverpflichtung der Beklagten gegenüber dem Kläger erloschen ist (§§ 267, 362 BGB). Nach Treu und Glauben ist es nämlich nur dann gerechtfertigt, über den Ehegattenunterhalt einen Ausgleich der überobligatorisch für das Kind erbrachten Unterhaltsleistungen zu suchen, wenn zugleich der andere Ehegatte hierdurch von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind befreit wird. Andernfalls würde dieser doppelt zum Kindesunterhalt herangezogen, nämlich einerseits durch die - geringere - Bemessung seines Ehegattenunterhalts und andererseits durch Inanspruchnahme seitens des Kindes. Aus diesem Grund kann das Vorbringen im Unterhaltsprozess der Ehegatten, für den Barunterhalt des Kindes aufgekommen zu sein, redlicherweise nur dahingehend verstanden werden, dass der Kindesunterhalt als für den anderen Ehegatten erbracht anzusehen sein soll. Der bedürftige Ehegatte kann daher nicht mehr auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen werden, wenn sein Anspruch auf Zahlung von Ehegattenunterhalt unter Berücksichtigung der Barunterhaltsleistungen des anderen Ehegatten an das Kind errechnet ist (im Ergebnis ebenso, aber ohne dogmatische Einordnung Wendl/Scholz a. a. O., § 2 Rn. 151; OLG Hamm FamRZ 1996, 1234).

Dies gilt jedenfalls für die Vergangenheit, für die eine Abänderung des Urteils über den Ehegattenunterhalt nicht mehr möglich ist (§ 323 Abs. 3 S. 1 ZPO). Ob die in diesem Rechtsstreit ausgesprochene Tilgungsbestimmung des Vaters des Klägers auch die künftigen Unterhaltsleistungen umfasst, bedarf hier keiner Entscheidung, weil das Teilurteil vom 30. März 2001 nur den bereits abgeschlossenen Zeitraum bis einschließlich April 2000 betrifft.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.280,74 DM festgesetzt (Rückstände 22. Juni 1995 bis 10. Juli 1995 9/30 x 210,00 DM + 3 x 210,00 DM + 10/31 x 210,00 DM; laufender Unterhalt 12 x 210,00 DM).



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