Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Urteil verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 9 UF 647/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

BGB § 1579
BGB § 1586 b
BGB § 1579 Nr. 7
ZPO § 323
ZPO § 727
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KOBLENZ IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Geschäftsnummer: 9 UF 647/00

Verkündet am 19. September 2001

in der Familiensache

Der 9. Zivilsenat - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Krüger, die Richterin am Oberlandesgericht Peters und den Richter am Oberlandesgericht Eck auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2001

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 4. April 2001 bleibt aufrecht erhalten.

Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Tochter des am 10. Juli 1999 verstorbenen F........ F.... S....... und der Beklagten. Die am ... August 1941 geborene Beklagte heiratete F........ S....... 1960. Die Ehe wurde 1989 geschieden. Die Beklagte und ihr Ehemann schlossen anlässlich der Scheidung einen Vergleich vor dem Amtsgericht Karlsruhe, wonach er der Beklagten monatlich 500 DM nachehelichen Unterhalt zu zahlen hätte (Bl. 9-11 GA). Nach dem Tod des Erblassers kündigte die Beklagte an, die Klägerin als Alleinerbin ihres Vaters aus dem gerichtlichen Vergleich in Anspruch nehmen zu wollen. Sie lebt seit 1995 in eheähnlicher Gemeinschaft mit G..... S....... Die Klägerin stützt darauf ihre Abänderungsklage und macht geltend, die Beklagte habe ihren Anspruch auf nachehelichen Unterhalt verwirkt. Dem hält die Beklagte im Wesentlichen entgegen, der Erblasser habe hiervon gewusst und gleichwohl den Unterhalt gezahlt. Das sei als Verzeihung zu werten.

Das Familiengericht hat durch Urteil vom 4. Oktober 2000 den Vergleich dahingehend abgeändert, dass die Klägerin ab dem Monat August 1999 nicht mehr verpflichtet ist, den nach dem Vergleich geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Auf das Urteil wird Bezug genommen (Bl. 101-105 GA). Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die ihren erstinstanzlichen Sachvortrag wiederholt und geltend macht, die Voraussetzungen des § 1579 BGB seien hier nicht gegeben.

Die Beklagte hat zunächst den Antrag angekündigt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Nachdem sie im Termin vom 4. April 2001 säumig war, hat die Klägerin beantragt,

die Berufung durch Versäumnisurteil zurückzuweisen.

Entsprechend hat der Senat durch Urteil vom 4. April 2001 erkannt (Bl. 148 GA).

Die Beklagte beantragt nunmehr,

unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 4. April 2001 das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Senats aufrecht zu erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsründe:

Auf den in formeller Hinsicht nicht zu beanstandenden Einspruch ist das Versäumnisurteil vom 4. April 2001 aufrecht zu erhalten. Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO ist zulässig. Die Parteien sind zwar nicht die Parteien des Titels, dessen Abänderung die Klägerin erstrebt. Indes ist die Klägerin als Alleinerbin Rechtsnachfolgerin des Unterhaltsschuldners. Der Titel kann damit ohne Weiteres gem. § 727 ZPO auf sie umgeschrieben werden. Damit kann sie auch die Abänderung des Titels verlangen (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 765).

Die Klägerin ist ab August 1999 nicht mehr verpflichtet, der Beklagen nachehelichen Unterhalt zu zahlen. Zwar haftet sie grundsätzlich gemäß § 1586 b BGB als Erbin für den nachehelichen Unterhalt der Beklagten. Jedoch ist der Unterhaltsanspruch gemäß § 1579 Nr. 7 BGB verwirkt. Hierauf kann die Klägerin sich auch berufen, obwohl der Erblasser dies nicht getan hat.

Die Rechtsnatur des Anspruchs auf Unterhalt wird durch den Tod des geschiedenen Ehegatten nicht geändert (vgl. BGH FamRZ 1986, 164). Grundsätzlich bleiben damit alle Vorschriften für den Grund und die Höhe des Anspruchs anwendbar, damit auch § 1579 BGB.

Das langjährige Zusammenleben der Beklagten mit ihrem Lebensgefährten in einer eheähnlichen Gemeinschaft stellt einen schweren Grund im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB dar. Die Beklagte stellt nicht in Abrede, seit 1995 in ehegleicher Gemeinschaft mit Herrn S...... zu leben. Sie gab in diesem Jahr ihre Wohnung in K........ auf und zog in dessen Wohnung ein. Beide führen nicht nur einen gemeinsamen Haushalt, sondern treten spätestens seitdem auch in der Öffentlichkeit und bei Familienfeiern als Paar auf. Unter diesen Voraussetzungen kann, wenn wie hier die Gemeinschaft sich verfestigt hat, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Verpflichtung des Ehegatten zur Zahlung von Unterhalt entfallen, wenn es als grob unbillig erschiene, das weiter Unterhalt gezahlt werden müsste (BGH FamRZ 1989, 487). Der Billigkeit kann es stattdessen auch entsprechen, den Unterhalt herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen.

Lebte der Erblasser noch, könnte er sich auf den Verwirkungsgrund berufen. Damit kann es auch die Klägerin als seine Rechtsnachfolgerin (vgl. Soergel-Häberle, BGB, 12. Aufl., § 1586 b Rnr. 3; OLG Celle - 10 UF 122/00 - Urteil vom 21.12.2000 - rech, bei JURIS -). Der Erblasser hatte zwar Kenntnis von der Beziehung der Beklagten, wobei es unerheblich ist, seit wann das der Fall war. Das unterstellt der Senat trotz des Bestreitens der Klägerin (Bl. 58 GA). Das ist jedoch nicht entscheidend. Zwar könnte die Klägerin sich auf den Verwirkungsgrund des § 1579 Nr. 7 BGB nicht berufen, wenn das Verhalten des Erblassers objektiv den Schluss zuließe, er werde von der Geltendmachung dieses Einwands keinen Gebrauch machen. Diese Schlussfolgerung kann hier jedoch nicht gezogen werden, insbesondere nicht aus dem Umstand, dass der Erblasser sich bis zu seinem Tod nicht geweigert hat, der Beklagten den nach dem gerichtlichen Vergleich geschuldeten Unterhalt zu zahlen. Der Erblasser hatte, solange die Beklagte nicht ihrerseits rentenberechtigt war, wirtschaftliche Vorteile aus der Zahlung des Unterhalts. Er bekam, weil die Beklagte aus dem Versorgungsausgleich noch keine Rente erhielt und er ihr Unterhalt zahlte, eine um 759,18 DM höhere Rente als die um den Versorgungsausgleich gekürzte (§ 4 Abs. 1 VAHRG). Daher kann aus der Zahlung nicht geschlossen werden, der Erblasser habe nicht vorgehabt, den genannten Verwirkungsgrund später geltend zu machen, wenn der Vorteil der ungekürzten Rentenzahlung in der Zukunft einmal entfallen sollte, nämlich wenn die Beklagte ihrerseits Rente erhält. Den entsprechenden Einwand aus § 1579 Nr. 7 BGB hätte er selbst nicht verloren (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rnr. 1061). Eine Verwirkung der Einwände aus § 1579 BGB tritt erst ein, wenn in Kenntnis des Verwirkungstatbestandes der konkret erhobene Unterhaltsanspruch anerkannt wird. Ein solches Anerkenntnis ist eine Weiterzahlung des Unterhalts im Hinblick auf den, auch der Beklagten bekannten Vermögensvorteil, nicht. Es kann auch nicht unterstellt werden, der Erblasser hätte die Verpflichtung, seiner früheren Frau unter Einbuße eigener Mittel trotz deren Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner weiter Unterhalt zahlen zu müssen, subjektiv nicht als unbillig empfunden. Dieser Schluss ist nicht gerechtfertigt, weil der Erblasser einerseits finanzielle Vorteile aus der Zahlung zog und er andererseits den Verwirkungsgrund nicht sogleich mit dem Umzug der Beklagten in das Haus ihres heutigen Lebensgefährten geltend machen konnte, weil zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer verfestigten Lebensgemeinschaft auszugehen war.

Die Auffassung der Klägerin, die weitere Unterhaltszahlung sei unbillig, ist bei Abwägung der von den Parteien unterbreiteten Umstände nicht zu beanstanden. Die Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung wird objektiv als unzumutbar angesehen, wenn sich das Zusammenleben der neuen Partner so darstellt, wie es in einer Ehe üblich ist, also an die Stelle der Ehe getreten ist. Das entspricht auch heute noch einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O. Rnr. 1120 Fn. 490, 491). Zwar war die Beklagte nahezu 30 Jahre mit dem Erblasser verheiratet und während der Ehe nicht berufstätig, sondern führte den Haushalt und erzog die Kinder. Der Scheidungsvereinbarung ist jedoch ihre grundsätzliche Verpflichtung zu entnehmen, selbst für ihr wirtschaftliches Auskommen zu sorgen. Die Beklagte ist ausgebildete Einzelhandelskauffrau und war bei der Scheidung erst 48 Jahre alt. Die Kinder waren erwachsen.

Auch ohne den Unterhalt ist die Beklagte heute nicht mittellos. Sie hat früher Teilzeit gearbeitet. Dann ist sie krank geworden. Hieraus hat sie Krankengeld erhalten (Bl. 32 GA). Ihrem Prozesskostenhilfeantrag ist zu entnehmen, dass sie seit dessen Auslaufen Arbeitslosenhilfe (1.010 DM/Monat) erhält. In der mündlichen Verhandlung hat sie durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe einen Rentenantrag gestellt. Ihr Lebensgefährte hat eine monatliche Rente von bereinigt mindestens 2.150 DM (Bl. 27, 53 GA). Außerdem leben er und die Beklagte mietfrei in seinem Haus. Nach Auffassung des Senats wirkt es sich nicht zu Gunsten der Beklagten aus, dass der Erblasser wegen der Weiterzahlung des Unterhalts einen wirtschaftlichen Vorteil dadurch hatte, dass er auf der einen Seite eine um 759,18 DM höhere Rente erhielt, andererseits nur 500 DM Unterhalt zu zahlen hatte. Zwar mögen die angesammelten Differenzbeträge noch irgendwie in dem Nachlass gewesen und von ihm nicht ausgegeben worden sein. Das ist jedoch unerheblich. Es handelt sich hierbei nicht um Vorteile, die auf einer Leistung der Beklagten beruhen, sondern um seinen durch Arbeit erwirtschafteten Rentenanspruch.

Der Senat hat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 8.000 DM festgesetzt. Das entspricht auch der Beschwer der Beklagten durch das Urteil.

Der Senat lässt die Revision zu. Die Frage, ob der Erbe eines zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt Verpflichteten erstmals Verwirkung wegen eines verfestigten eheähnlichen Verhältnisses geltend machen kann (§ 1579 Nr. 7 BGB), obwohl der Erblasser hiervon wusste und sich hierauf nicht berufen hat, ist von grundlegender Bedeutung und höchstrichterlich nicht geklärt.

Ende der Entscheidung

Zurück