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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 13 U 216/05
Rechtsgebiete: WpHG


Vorschriften:

WpHG § 37 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln IM NAMEN DES VOLKES Urteil

13 U 216/05

Verkündet am 18.10.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 06.09.2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Hentschel als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Waters und den Richter am Landgericht Dr. Hake

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.11.2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 144/05 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes R. S. (im Folgenden: Zedent) Schadensersatz aus einem zwischen diesem und der Beklagten abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag.

Der Zedent schloss mit der Beklagten am 20.02.1997 einen Vermögensverwaltungsvertrag (Anlage K 2, Anlagenheft). Im Rahmen der Vermögensverwaltung nahm die Beklagte unter anderem die in der Tabelle auf Seite 3/4 des landgerichtlichen Urteils (im Folgenden: Tabelle I.) aufgeführten An- und Verkäufe vor, die im Depot des Zedenten zu einem Verlust von insgesamt 149.833,31 DM (= 76.608,55 €) führten. Darüber hinaus tätigte die Beklagte für den Zedenten die in der weiteren Tabelle auf Seite 4-6 des landgerichtlichen Urteils aufgeführten Geschäfte (Tabelle II.), aus denen ein weiterer Verlust von 143.513,60 DM (= 73.377,34 €) resultierte. Insgesamt hat die Beklagte für den Zedenten während der Laufzeit des im Jahre 2002 gekündigten Vermögensverwaltungsvertrages einen Gewinn von 225.052,15 € erzielt. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin den Gesamtverlust aus den Geschäften gemäß Tabellen I. und II. (149.985,89 €) von der Beklagten erstattet.

Die Klägerin hat behauptet, der Erwerb der in Tabelle I. aufgeführten Aktien und Fondsanteile habe nicht der zwischen dem Zedenten und der zuständigen Mitarbeiterin der Beklagten, der Zeugin C., mündlich vereinbarten Anlagestrategie entsprochen. Der Zedent habe mehrfach den ausdrücklichen Wunsch geäußert, dass lediglich konservative Werte (Standardaktien) erworben werden sollten, so dass der Erwerb der in der Tabelle aufgeführten Werte des "Neuen Marktes" nicht den mündlich vereinbarten Anlagerichtlinien entsprochen habe.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei hinsichtlich der in der Tabelle II. aufgeführten Aktien und Fondsanteile verpflichtet gewesen, diese angesichts der eingetretenen Kursverluste rechtzeitig abzustoßen. Eine entsprechende Verpflichtung habe bei einem Absinken des Kurses um 10 % gegenüber dem Einstandspreis, jedenfalls aber bei einem Kursverlust von 20 % gegenüber dem Einstandspreis bestanden.

Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, der Zedent sei durch die Zeugin C. umfassend und zutreffend beraten worden; dies gelte insbesondere auch für die Risiken und Chancen einer Beteiligung am sogenannten "Neuen Markt". Der Zedent habe während der gesamten Laufzeit des Verwaltungsvertrages mehrmals wöchentlich mit der für ihn zuständigen Zeugin C. gesprochen und dabei unter anderem auch bezüglich eines Teils der streitgegenständlichen Geschäfte einzelne Weisungen erteilt. Er habe auch die ausdrückliche Anweisung gegeben, Anlagen am Neuen Markt und im Technologiebereich zu erwerben.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, etwaige Ansprüche des Zedenten seien gemäß § 37 a WpHG verjährt. Darüber hinaus habe der Zedent selbst bei unterstellten Pflichtverletzungen wegen des im Rahmen der Vermögensverwaltung insgesamt erzielten Gewinnes von 225.052,15 € keinen Schaden erlitten.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2005, auf das wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes einschließlich der gestellten Anträge Bezug genommen wird, abgewiesen. Etwaige Ansprüche wegen des Erwerbs der in der Tabelle I. aufgeführten Werte seien gemäß § 37 a WpHG verjährt. Hinsichtlich der in der Tabelle II. aufgeführten Aktien und Fondsanteile sei zwar noch keine Verjährung eingetreten, insoweit scheide ein Schadensersatzanspruch aber deshalb aus, weil die Klägerin nicht substantiiert dargelegt habe, zu welchem genauen Zeitpunkt der Verkauf der entsprechenden Papiere zwingend geboten gewesen sei. Darüber hinaus sei dem Zedenten auch kein Schaden entstanden, weil die Vermögensverwaltung der Beklagten insgesamt zu einem Gewinn geführt habe.

Gegen dieses ihr am 02.12.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.12.2005, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 29.03.2006, bei Gericht am gleichen Tage eingegangen, begründet. Hinsichtlich der in der Tabelle I. aufgelisteten Geschäfte habe das Landgericht ihren erstinstanzlichen Vortrag, der Zedent habe stets nur den Erwerb sogenannter Standardwerte gewünscht, unberücksichtigt gelassen. Darüber hinaus habe das Landgericht verkannt, dass auch bei einer chancenorientierten Anlagestrategie der Erwerb von Aktien des Neuen Marktes, bei denen es sich um spekulative Wertpapiere handele, unzulässig sei. Bezüglich der in der Tabelle II. aufgeführten Werte habe das Landgericht die Darlegungslast der Klägerin überspannt. Da sie der Beklagten vorgeworfen habe, spätestens bei Erreichen einer Verlustgrenze von 20 % ihre Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag verletzt zu haben, sei ein Schaden jedenfalls insoweit schlüssig vorgetragen, als es um Verluste geht, die über 20 % des Einstandspreises hinausgehen. Auch habe das Landgericht zu Unrecht das Vorliegen eines Schadens verneint; für diesen sei unerheblich, ob der Zedent aufgrund der Vermögensverwaltung der Beklagten insgesamt einen Gewinn oder einen Verlust erzielt habe.

Die Klägerin beantragt,

das am 29.11.2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 3 O 144/05 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 149.985,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ergänzend weist sie darauf hin, dass sie im Rahmen der Vermögensverwaltung für den Zedenten zahlreiche weitere Geschäfte getätigt hat, die nicht den von der Klägerin behaupteten mündlich vereinbarten Anlagerichtlinien entsprochen haben und hieraus - unstreitig - einen Gewinn von 139.378,90 € erzielt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Das landgerichtliche Urteil trifft im Ergebnis zu.

1. Die Klägerin hat wegen der Verluste gemäß Tabelle I keinen Anspruch auf Zahlung von 76.608,55 € aus Schlechterfüllung des Vermögensverwaltungsvertrages vom 20.02.1997. Dabei kann die Frage, ob die Beklagte durch den Erwerb der in der Tabelle aufgeführten Aktienwerte ihre Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag verletzt hat, ebenso dahinstehen wie die Frage, ob etwaige Ansprüche der Klägerin entsprechend der Auffassung des Landgerichts verjährt wären. Denn auch bei unterstellter Pflichtverletzung der Beklagten hätte der Zedent jedenfalls keinen Schaden erlitten.

a) Diese Ergebnis folgt allerdings entgegen der vom Landgericht vertretenen Auffassung nicht bereits daraus, dass bei einer Vermögensverwaltung grundsätzlich eine Gesamtbetrachtung anzustellen ist, in deren Rahmen - abgesehen von einem Verstoß gegen einzelne Weisungen - ein Schaden nur dann vorliegt, wenn die Vermögensverwaltung insgesamt zu einem negativen Ergebnis geführt hat (so auch LG Stuttgart, WM 1997, 163, 164; Eichhorn, Anmerkung zu LG München I, Urt. v. 28.10.1997 - 30 O 11093/97 [WM 1999, 179 f.], in: WuB I G 9. - 1.99). Eine Vorteilsausgleichung kommt nämlich grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht und die Anrechnung des Vorteils aus der Sicht des Geschädigten zumutbar erscheint. Da schädigendes Ereignis nicht die Vermögensverwaltung als solche ist, sondern die in deren Rahmen begangene Pflichtverletzung, kann auch im Rahmen der Vorteilsausgleichung nicht pauschal auf das vom Vermögensverwalter erzielte Gesamtergebnis abgestellt werden. Darüber hinaus sprechen auch Wertungsgesichtspunkte dagegen, in einem derart weitgehenden Umfang eine Vorteilsausgleichung zuzulassen. Denn dies würde letztlich dazu führen, dass der Vermögensverwalter, dem es gelungen ist, zunächst einen Gewinn zu erwirtschaften, anschließend nahezu nach Belieben mit dem überantworteten Vermögen verfahren könnte, solange die Verluste den bereits erzielten Gewinn nicht übersteigen (wie hier auch Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, § 25 Rdn. 4; Balzer, Anm. zu LG München I, WM 1999, 179, 180, in EWiR 1999, 249, 250).

b) Der Senat teilt aber die soweit ersichtlich einhellig vertretene Meinung, dass die Berechnung eines Schadens aus Verstößen gegen Anlagerichtlinien bei der Vermögensverwaltung eine Saldierung jedenfalls der durch den Verstoß erzielten Gewinne und Verluste voraussetzt (Lang, a.a.O. § 25 Rn. 4; m.w.N.; Balzer, EWiR 1999, 249, 250; Schäfer/Müller, Haftung für fehlerhafte Wertpapierdienstleistungen, Rn. 63; ähnlich auch Schäfer, in: Assman/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, § 28 Rn. 55, der nur eine Saldierung von schuldhaft herbeigeführten Schäden mit Gewinnen aus pflichtgemäßen Geschäften ablehnt; ebenso für die Verletzung von Aufklärungspflichten OLG Düsseldorf, WM 2003, 1263, 1264). Die Klägerin muss sich deshalb diejenigen Gewinne entgegenhalten lassen, die die Beklagte durch die auf Seite 11 ff. der Berufungserwiderung (Bl. 437 ff. d.A.) aufgeführten Geschäfte erzielt hat. Denn auch hierbei handelt es sich jeweils um Geschäfte, bei denen es nicht um Erwerb und Verkauf von Standardwerten ging und die deshalb nicht mit denjenigen Anlagerichtlinien in Einklang standen, die nach dem Vortrag der Klägerin zwischen dem Zedenten und der Beklagten vereinbart waren. Aus diesen Geschäften hat die Beklagte für den Zedenten mit 139.378,90 € deutlich mehr Erträge erzielt, als die Klägerin als Verlust berechnet.

2. Auch ein Anspruch auf Zahlung weiterer 73.377,34 € wegen pflichtwidrig verzögerten Verkaufs der in der Tabelle II. aufgeführten Aktien bzw. Fondsanteile besteht nicht.

Die Klägerin wirft der Beklagten insoweit vor, trotz Überschreitens einer Verlustgrenze, die spätestens bei einem Kursverlust von 20 % erreicht gewesen sei, untätig geblieben zu sein. Einen allgemeinen Rechtssatz, wonach der Vermögensverwalter bei einer bestimmten Kursentwicklung verpflichtet ist, einen Wert abzustoßen, gibt es indes nicht. Gerade bei den in der Tabelle II. aufgeführten Standardwerten kann es durchaus sinnvoll sein, auch Verluste von mehr als 20 % "auszusitzen", anstatt sie voreilig zu realisieren.

Die von der Klägerin für ihre gegenteilige Auffassung angeführte Entscheidung des BGH vom 29.03.1994 (XI ZR 31/93 = ZIP 1994, 893 ff- = WM 1994, 834 ff.) betrifft von vornherein nicht die Verpflichtung des Verwalters, bei Erreichen einer bestimmten Verlustgrenze Teile des verwalteten Vermögens umzuschichten, sondern befasst sich allein mit der Frage, wann der Anleger über eingetretene Verluste zu unterrichten ist. Lediglich ergänzend weist der Senat deshalb darauf hin, dass auch auf der Grundlage dieser Entscheidung keine Verpflichtung des Vermögensverwalters besteht, den Anleger über Kursverluste eines einzelnen Papiers zu informieren (so zu Recht schon LG Freiburg WM 2004, 124, 126); das vom BGH benutzte Kriterium des "erheblichen" Verlusts (WM 1994, 834, 835 f.) bestimmt sich nämlich nach herrschender und zutreffender Auffassung nach dem Gesamtportfolio (Schäfer, WM 1995, 1009, 1011; Lang, Informationspflichten bei Wertpapierdienstleistungen, § 24 Rn. 40 m.w.N. in Fn. 158).

Weitere Gesichtspunkte, aufgrund derer die Beklagte gehalten gewesen wäre, einzelne Werte zu bestimmten Zeitpunkten abzustoßen, trägt die Klägerin nicht vor.

III.

Anlass zur Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert: 149.985,89 €

Ende der Entscheidung

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