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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.04.2000
Aktenzeichen: 14 UF 29/00
Rechtsgebiete: KindUG, ZPO, RPflG


Vorschriften:

KindUG § 3 Abs. 2
KindUG § 3
ZPO § 652
ZPO § 646
ZPO § 646 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 645
ZPO § 646 Abs. 1
ZPO § 646 Abs. 2
ZPO § 91
RPflG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 UF 29/00 28 FH 11/99 AG

In der Familiensache

pp.

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. Büttner am 20. April 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Bergisch Gladbach vom 28. Dezember 1999 - 28 FH 11/99 - dahingehend abgeändert, daß der Vomhundertsatz des jeweiligen Regelbetrages 190 % (statt 150%) beträgt.

Die Kosten beider Instanzen trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I.

Durch Beschluß des Amtsgerichts Köln vom 27. März 1996 - 381 H 2673/95 - war der von dem Antragsgegner an den Antragsteller zu zahlende Unterhalt auf monatlich 349,00 DM (Regelunterhalt) zuzüglich eines Zuschlags von 90 % festgesetzt worden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Antrag auf Umstellung dieses Titels gemäß Art. 5 § 3 Abs. 2 des Kindesunterhaltsgesetzes (KindUG) dahingehend, daß der Unterhalt auf 190 % des jeweiligen Regelbetrages abzüglich anteiligen Kindergeldes festgesetzt wird. Das Amtsgericht hat dem Antrag lediglich in Höhe von 150 % des Regelbetrages entsprochen und im Übrigen den Antrag zurückgewiesen. Gegen diese Zurückweisung richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II.

1. Das Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde in analoger Anwendung von § 652 ZPO statthaft und auch im Übrigen formell bedenkenfrei.

Der Statthaftigkeit steht insbesondere Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG i.V.m. § 646 ZPO nicht entgegen. Art. 5 § 3 KindUG, der die Dynamisierung von sogenannten Alttiteln regelt, erklärt zwar in Absatz 2 unter anderem die Vorschrift des § 646 ZPO für entsprechend anwendbar. Damit gilt grundsätzlich auch § 646 Abs. 2 Satz 3 ZPO, wonach die Zurückweisung eines Antrags wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen der §§ 645, 646 Abs. 1 ZPO unanfechtbar ist. Nach Thomas/Putzo[Putzo], Zivilprozeßordnung, 22. Aufl. 1999, Rdn. 6 ist in diesen Fällen nur die sofortige Erinnerung gemäß § 11 RPflG gegeben, über die - unanfechtbar - der Amtsrichter zu entscheiden hat.

Gleichwohl kommt in Fällen der vorliegenden Art die Anwendung von § 646 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht in Betracht, soweit es um die Zurückweisung des Antrags wegen Überschreitung des Eineinhalbfachen des Regelbetrages geht. Insoweit besteht eine Wechselbeziehung zu der unter 2. erörterten Frage, ob bei der Umstellung von Alttiteln nach Art. 5 § 3 KindUG die Begrenzung auf 150 % des Regelbetrages gemäß § 645 Abs. 1 ZPO gilt oder nicht. Wird diese Frage bejaht, so gehört die Begrenzung zu den in § 645 bezeichneten Voraussetzungen, bei deren Nichterfüllung der Antrag gemäß § 646 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen ist. Dann wäre nach dem Wortlaut von Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG i.V.m. §§ 645 Abs. 1, 646 Abs. 2 Satz 3 ZPO eine Beschwerde des Antragstellers ausgeschlossen, soweit das Amtsgericht - wie im vorliegenden Fall - eine Festsetzung ablehnt, die 150 % des Regelbetrages übersteigt.

Anders hingegen, wenn man die 150 %-Grenze bei der Umstellung von Alttiteln gemäß Art. 5 § 3 KindUG nicht für anwendbar hält. Dann greift der Regelungsmechanismus der §§ 645 Abs. 1, 646 Abs. 2 ZPO bei der Ablehnung eines über 150 % des Regelbetrages hinausgehenden Festsetzungsantrags nicht ein, so daß hieraus auch nicht der Ausschluß der Beschwerde hergeleitet werden kann.

Der Senat geht - wie unter 2. näher ausgeführt wird - davon aus, daß die Dynamisierung von Alttiteln im vereinfachten Verfahren nicht auf 150 % des Regelbetrages beschränkt ist, so daß der Zulässigkeit der Beschwerde jedenfalls § 646 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht entgegensteht. Damit ist zwar die Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde in Fällen der vorliegenden Art noch nicht positiv entschieden. Für die Statthaftigkeit spricht indes der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit den Fällen, in welchen sich der Antragsgegner gegen eine seiner Meinung nach zu hohe, weil über 150 % des Regelbetrages hinausgehende Festsetzung des Unterhalts zur Wehr setzen will. In diesen Fällen folgt die Statthaftigkeit der Beschwerde unmittelbar aus § 652 ZPO (vgl. z.B. OLG Düsseldorf DAVorm 2000, Spalte 63ff.; wer Beschwerdeführer in der vom OLG Karlsruhe DAVorm 2000, Spalte 62f. entschiedenen Sache war, läßt sich den veröffentlichten Gründen nicht entnehmen.). Nach § 652 Abs. 2 ZPO können mit der Beschwerde unter anderem die in § 648 Abs. 1 ZPO bezeichneten Einwendungen geltend gemacht werden. Da § 648 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO generell die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens als Gegenstand von Einwendungen vorsieht, kann der Antragsgegner in diesem Rahmen auch die Frage, ob die 150 %-Grenze zu beachten ist, mit der Beschwerde zur Überprüfung stellen. Dann besteht aber keine sachliche Rechtfertigung dafür, dem Antragsteller eine Beschwerdemöglichkeit mit dieser Zielrichtung zu versagen, wenn das Amtsgericht sich auf den Standpunkt stellt, auch bei der Dynamisierung von Alttiteln sei nur eine Festsetzung bis zu 150 % des Regelbetrages möglich. Für ein Beschwerderecht des Antragstellers in diesen Fällen haben sich auf Anfrage - bis auf den 21. Zivilsenat - sämtliche mit Familiensachen befassten Senate des OLG Köln ausgesprochen.

2. Die Frage der Anwendbarkeit der 150 %-Grenze in Verfahren nach Art. 5 § 3 KindUG ist umstritten. Dazu liegen unter anderem die vorstehend zitierten divergierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe und Düsseldorf vor (Das OLG Karlsruhe ist entgegen dem irreführenden Leitsatz der Auffassung, daß die 150 %-Grenze auch bei der Umstellung von Alttiteln nach Art. 5 § 3 KindUG gilt.).

Aus dem Bereich des OLG Köln ist eine zur Veröffentlichung vorgesehene Entscheidung des 25. Zivilsenats (Beschluß vom 26.10.1999 - 25 UF 212/99 -) bekannt, in welcher der Senat - wie das OLG Düsseldorf - die Anwendung der 150 %-Grenze bei der Dynamisierung von Alttiteln verneint. Dies entspricht der Auffassung des erkennenden Senats und - bis auf den 21. Zivilsenat - derjenigen aller übrigen mit Familiensachen befassten Senate des OLG Köln, wie diese auf Anfrage mitgeteilt haben.

Der erkennende Senat schließt sich der zutreffenden Begründung des OLG Düsseldorf (a.a.O., so jetzt auch OLG Düsseldorf (4. Familiensenat) OLG-Report 2000,125) an und verweist ergänzend auf Art. 4 des Gesetzentwurfs zum Kinderrechteverbesserungsgesetz - KindRVerbG - (BT.-Drucksache 14/2096). Diese Vorschrift sieht eine Änderung von Art. 5 § 3 Abs. 2 des Kinderunterhaltsgesetzes in der Weise vor, daß die Angabe "die §§ 642 und 645 Abs. 1" durch die Angabe "§ 642" ersetzt werden soll. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird ausgeführt, daß die Verweisung auf § 645 Abs. 1 ZPO in der Praxis teilweise dahingehend verstanden worden sei, daß eine Umstellung von Alttiteln nur bis zum Eineinhalbfachen des Regelbetrages möglich sei. Eine derartige Auslegung sei aber nicht zwingend und übergehe die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Wörtlich heißt es dann weiter:

"Die genannte Verweisung in Artikel 5 § 3 Abs. 2 hatte bereits der Regierungsentwurf zum KindUG vorgesehen, bevor in den Beratungen des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages § 645 Abs. 1 ZPO dahingehend geändert wurde, dass in vereinfachten Verfahren nach dieser Vorschrift anstelle des <<Regelunterhalts>> ein Unterhaltsanspruch bis zum 1,5-fachen des Regelbetrages geltend gemacht werden kann. Es sind aber keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der unmittelbar die erstmalige Unterhaltsfestsetzung im vereinfachten Verfahren berührenden Änderung zugleich die Umstellung von Alttiteln einschränkend regeln wollte. Für eine derartige Beschränkung wäre überdies kein sachlich überzeugender Grund ersichtlich."

In der weiteren Begründung wird ausgeführt, daß angesichts des Meinungsstands in der Rechtsprechung eine klarstellende Änderung des Art. 5 § 3 Abs. KindUG im vorgeschlagenen Sinne erforderlich sei.

Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf betont, daß die vorgeschlagene Klarstellung sinnvoll erscheine und schon der bisher vom Bundesministerium der Justiz vertretenen Rechtsauffassung zu Art. 5 § 3 Abs. 2 KindUG entspreche.

Daraus ergibt sich, daß auch schon nach der bisherigen Rechtslage die Dynamisierung von Alttiteln nicht auf das Eineinhalbfache des Regelbetrages zu beschränken ist. Der angefochtene Beschluß war dementsprechend abzuändern.

Der Antragsgegner hat die Kosten beider Instanzen zu tragen, § 91 ZPO.

Beschwerdewert: 2.008,00 DM

Ende der Entscheidung

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