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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 20.04.2000
Aktenzeichen: 14 WF 42/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 1592 Nr. 1
ZPO § 127
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

14 WF 42/2000 14 F 57/2000 AG Euskirchen

In der Vaterschaftsanfechtungssache

betreffend das Kind

pp.

hat der 14. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Köln am 20. April 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Euskirchen vom 09.02.2000 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht - Familiengericht - Euskirchen zurückverwiesen mit der Maßgabe, Prozesskostenhilfe nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Gründe

Die Klägerin hat Prozesskostenhilfe beantragt für eine Klage auf Feststellung, dass der Beklagte, ihr Ehemann, mit dem sie seit dem 05.05.1999 verheiratet ist, nicht der leibliche Vater ihres am 25.10.1999 geborenen Kindes F. sei. Als Vater kämen vielmehr zwei andere Männer in Betracht, die bisher aber nicht bereit seien, die Vaterschaft anzuerkennen.

Das Amtsgericht hat Prozesskostenhilfe mit der Begründung verweigert, die Notwendigkeit der Rechtsverfolgung sei mutwillig herbeigeführt worden. Da die Klägerin bei Heirat gewusst habe, dass sie von einem anderen Mann schwanger sei, hätte sie die Eheschließung vor der Geburt des Kindes unterlassen müssen, um nicht die falsche Folge des § 1592 Nr. 1 BGB, wonach Vater eines Kindes der Mann ist, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist, herbeizuführen.

Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend, sie habe die Rechtsfolge des § 1592 Nr. 1 BGB nicht gekannt, sondern sei vielmehr davon ausgegangen, dass sie sich nach der Geburt nur um die Anerkennung der Vaterschaft des Erzeugers bemühen müsse.

In der Nichtabhilfeentscheidung weist das Amtsgericht darauf hin, dass die Klägerin, 1976 geboren und gelernte Zahnarzthelferin, wie jeder erwachsene und verständige Mensch gewusst habe, dass in der Ehe geborene Kinder als Kinder der Eheleute gelten.

Die nach § 127 ZPO zulässige Beschwerde der Klägerin hat nach Maßgabe des Beschlusstenors einen vorläufigen Erfolg.

Die Rechtsverfolgung der Klägerin bzw. deren Notwendigkeit - hier wohl speziell für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen - ist nicht als mutwillig zu erachten. Der Klägerin ist es nach den Kriterien für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht anzulasten, dass sie die Ehe mit einem Mann zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, als sie von einem anderen Mann schwanger war. Denn in ihrer Entscheidung, wann sie welchen Mann heiratet, ist sie grundsätzlich frei. Ihre Entscheidungsfreiheit war auch nicht durch die ihr bekannte Tatsache, dass sie von einem anderen Mann schwanger war, eingeengt. Darauf, warum sie eine Ehe nicht mit dem Erzeuger vor der Niederkunft einging, kann es nicht ankommen. Denn dafür können verschiedene Gründe sprechen. Im Zeitpunkt der Eheschließung war auch noch keineswegs mit Sicherheit abzusehen, dass eine Anfechtung der Vaterschaft erforderlich sein würde. Voraussetzung dafür war zunächst erst einmal, dass das Kind überhaupt geboren wurde, des weiteren, dass die Klägerin dann von der Anfechtungsmöglichkeit - aus welchen Gründen auch immer - Gebrauch machen würde, was wiederum voraussetzte, dass der Erzeuger die Vaterschaft nicht anerkannte. Mit der Eheschließung war also keineswegs zwingend die Notwendigkeit einer späteren Vaterschaftsanfechtung gegeben. Daher ist weder die Eheschließung als solche als mutwillig zu erachten, noch ist die Folge der jetzt beantragten Anfechtung der Vaterschaft mit den damit verbundenen Kosten mutwillig herbeigeführt.

Der Fall ist auch nicht mit der prozesskostenrechtlichen Problematik bei Scheidung einer sogenannten Scheinehe vergleichbar, d. h. einer Ehe zu ehefremden Zwecken, die in der Regel zur Verschaffung einer Aufenthaltserlaubnis für den ausländischen Ehegatten abgeschlossen wird in der Absicht, sich nach Erreichen des ehefremden Zweckes alsbald wieder scheiden zu lassen. Die Rechtsprechung zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Scheidung einer solchen Ehe ist nicht einheitlich. Zum Teil wird die Eingehung derartiger Ehen als mutwillig angesehen, die Scheidung als solche indessen als rechtmäßige rechtsstaatliche Maßnahme anerkannt, so dass Prozesskostenhilfe bei Mittellosigkeit grundsätzlich gewährt wird. Zum Teil wird unter Würdigung des Verhaltens der Parteien nach ihrem Gesamtplan die Inanspruchnahme staatlicher Mittel als rechtsmissbräuchlich und damit als mutwillig erachtet und Prozesskostenhilfe deshalb verweigert (vgl. dazu einerseits Johannsen-Henrich-Jaeger, Eherecht, 3. Aufl., § 1565 RZ 18, andererseits Kalthoener/Büttner/Fröbel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 2. Aufl., RZ 464 jeweils m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist demgegenüber weder dargetan noch ersichtlich, dass die Ehe als solche von einem ehefremden Zweck getragen ist. Vielmehr ist mangels anderer Anhaltspunkte von einer auf Dauer ausgerichteten Eheschließung auszugehen, die sich unter PKH-Gesichtspunkten nicht nachteilig für die Klägerin auswirken darf. Angesichts dessen kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Klägerin bei Eingehung der Ehe über die rechtlichen Konsequenzen im Hinblick auf § 1592 Nr. 1 BGB im Klaren war.

Prozesskostenhilfe ist der Klägerin damit nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu versagen. Da das Amtsgericht noch nicht die Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe im Übrigen geprüft hat, u. a., ob nicht ein Prozesskostenvorschussanspruch gegen den Ehemann der Klägerin in Betracht kommt, ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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