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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 29.04.1999
Aktenzeichen: 15 W 28/99
Rechtsgebiete: GVG, BGB, GO NW


Vorschriften:

GVG § 13
BGB § 823
BGB § 1004
GO NW § 13
GO NW § 56 II
Grenzen des Rechts der Ratsfraktionen zur Öffentlichkeitsarbeit

GVG § 13, BGB §§ 823, 1004, GO NW §§ 13, 56 II

Äußerungsrechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten i.S. von § 13 GVG. Mitteilungen eines Gemeinderatsmitglieds über die ihm in dieser Funktion bekannt gewordene beamtenrechtliche Personalangelegenheiten gegenüber der Presse machen hiervon keine Ausnahme.

Das Recht der Ratsfraktionen zur Öffentlichkeitsarbeit nach § 56 II GO NW erstreckt sich nicht auf die Preisgabe anvertrauter, geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen.

- 15 W 28/99 - Beschluß vom 29.04.1999 - unanfechtbar.


OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

15 W 28/99 9 O 551/98 LG Aachen

In Sachen

pp.

hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Diederichs, Wahle und Scheffler

am 29. 4. 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der am 5.2.1999 verkündete Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen- 9 O 551/98- abgeändert:

Dem Verfügungsbeklagten werden die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung vollen Umfanges auferlegt.

Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers gegen den Beschluß der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 5.2.1999 ist gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO statthaft sowie im übrigen zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Nachdem die Parteien mit Rücksicht auf die von dem Verfügungsbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 15.1.1999 vor dem Landgericht abgegebene Erklärung, künftig keine geheimhaltungsbedürftigen Kenntnisse über Personalangelegenheiten des Verfügungsklägers aus nichtöffentlichen Sitzungen des Rates der Stadt A. zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, das Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten, war über die Kosten dieses Verfahrens gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO zu befinden. Billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes entsprach es nach Auffassung des Senats, dem Verfügungsbeklagten die Kosten dieses Verfahrens vollen Umfanges aufzuerlegen. Der Verfügungsantrag des Verfügungsklägers war nämlich zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses begründet. Daran, daß die aus Art. 5 Abs. 1 GG folgende Äußerungsfreiheit persönlichkeitsrechtlichen Beschränkungen auch im Hinblick auf die Darstellung der beruflichen Tätigkeit insoweit unterzogen ist, als der Einzelne jedenfalls auf einen Mindestbestand an Schutz vor der Öffentlichkeit angewiesen ist, weil er ohne diesen seine Persönlichkeit in diesem Bereich nicht frei entfalten kann (vgl. dazu Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Auflage Rdn. 5.56 ), besteht zwischen den Parteien im Kern kein Streit. Ebensowenig zweifelhaft ist es, daß der Unterlassungsanspruch vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen war; äußerungsrechtliche Streitigkeiten sind grundsätzlich bürgerlich- rechtliche Streitigkeiten im Sinne von § 13 GVG; Mitteilungen eines Gemeinderatsmitgliedes über ihm in dieser Funktion bekannt gewordene beamtenrechtliche Personalangelegenheiten machen hiervon keine Ausnahme (Wenzel aaO Rdn. 12.97 m.w.N.). Die von dem Verfügungsbeklagten an die A.er Zeitung weitergegebenen Informationen über die in der nichtöffentlichen Sitzung des Rates der Stadt A. vom 28.10.1998 erörterte Höhergruppierung des Verfügungsklägers nach Teilnahme an einem sog. Assessment- Verfahren und das von dem Verfügungskläger erzielte Ergebnis dieser Prüfung gehörten zu dem Kreis der durch das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers geschützten personenbezogenen Daten. Die Geheimhaltungspflicht des Verfügungsbeklagten folgt insoweit aus § 30 GO NRW; danach ist der Verfügungsbeklagte verpflichtet, über die ihm bei seiner Tätigkeit als Ratsmitglied bekannt gewordenen Angelegenheiten, deren Geheimhaltung ihrer Natur nach erforderlich, besonders vorgeschrieben, vom Rat beschlossen oder vom Bürgermeister angeordnet ist, Verschwiegenheit zu wahren. Personalangelegenheiten haben per se bereits vertraulichen Charakter (Rehn/Cronauge, Kommentar zur Gemeindeordnung NRW, 2. Auflage, Anm. II. 1 zu § 30 GO NRW). Da die Sitzung, in der die Personalangelegenheiten des Verfügungsklägers zur Sprache kamen, zudem folgerichtig unter Ausschluß der Öffentlichkeit stattfand, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß es sich bei den die Beförderung des Verfügungsklägers betreffenden Fakten um Kenntnisse handelte, welche der Verschwiegenheitspflicht nach § 30 GO NRW unterlagen. Seine Behauptung, die von ihm an die A.er Zeitung weitergeleiteten Kenntnisse seien in der Öffentlichkeit, zumal auch in der Presse, bereits bekannt gewesen- was eine Preisgabe der ihm anvertrauten Geheimnisse begrifflich ausschließen würde-, hat der Verfügungsbeklagte nicht glaubhaft gemacht. Aus den bei den Akten befindlichen Zeitungsausschnitten ergeben sich gerade die im Streit gewesenen Einzelheiten des Bewerbungs- und Beförderungsverfahrens nicht. Soweit sich der Verfügungsbeklagte auf das den Fraktionen nach § 56 Abs. 2 GO NRW zustehende Recht zur Öffentlichkeitsarbeit beruft, bezieht sich dieses seinem Wortlaut nach nicht auf die Preisgabe anvertrauter geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen. Daß ein Spannungsverhältnis zwischen der Verschwiegenheitspflicht nach § 30 GO NRW und dem den politischen Gremien zwecks Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben zustehenden Recht zur öffentlichen Erörterung - hier- von Gemeindeangelegenheiten entstehen kann (vgl. dazu Rehn/Cronauge aaO), ist zwar unverkennbar. Inwieweit indessen im Einzelfall die Verschwiegenheitspflicht im Wege der Güterabwägung aus höherrangigen Gründen des öffentlichen Interesses zurückzutreten hat, bedarf keiner Vertiefung. Ein derartiger Konfliktsfall ist weder von dem Verfügungsbeklagten geltend gemacht worden noch sind hierfür aus dem Akteninhalt hinreichende Gesichtspunkte ersichtlich.

Nach Auffassung des Senats fehlte es auch nicht an der für den auf §§ 823, 1004 BGB gestützten Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr. Wie das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluß zutreffend hervorgehoben hat, besteht hierfür grundsätzlich bereits nach einer einmaligen Verletzung eine tatsächliche Vermutung, welche von dem Verletzer zu widerlegen ist (BGH WM 1994, 641, 644). Hierfür genügte das Vorbringen des Verfügungsbeklagten jedoch in keiner Weise; die von dem Verfügungskläger in seiner Antragsschrift ausdrücklich unter Hinweis auf die von dem Verfügungsbeklagten nicht akzeptierte Unterlassungsverpflichtungserklärung (Bl. 4 d.A.) behauptete Gefahr einer Wiederholung hat der Verfügungsbeklagte erstinstanzlich an keiner Stelle konkret in Zweifel gezogen. Indem er sich zu Unrecht darauf berufen hat, daß das aus § 56 Abs. 2 GO NRW folgende Recht der Fraktionen zur Öffentlichkeitsarbeit vom Grundsatz her höherrangig sei als die aus § 30 GO NRW folgende Geheimhaltungspflicht, hat der Verfügungsbeklagte im Gegenteil deutlich gemacht, daß er auch zukünftig ihm in nichtöffentlichen Ratssitzungen bekannt werdende Personalangelegenheiten des Verfügungsklägers an die Presse weiterleiten werde, sofern dafür aus seiner subjektiven Sicht Bedarf bestehen sollte. Es verhält sich auch keineswegs so, daß diese Gefahr lediglich theoretischer Natur ist und weitere Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ernsthaft nicht zu erwarten sind. Abgesehen davon, daß die herausgehobene Stellung des Verfügungsklägers als Personalratsvorsitzender der allgemeinen Verwaltung der Stadt A. auch für die Zukunft erwarten läßt, daß ihn betreffende Personalangelegenheiten Gegenstand von Erörterungen in nichtöffentlichen Ratssitzungen sein werden, indiziert auch die von dem Verfügungskläger unwidersprochen zitierte Zeitungsmeldung vom 18.7.1998 (Bl. 68 d.A.) eine Wiederholungsgefahr: Sie macht deutlich, daß es zwischen den Parteien schon vor dem hier in Rede stehenden Vorfall unterschiedliche Auffassungen über den Umfang der zur öffentlichen Diskussion freigegebenen berufsbedingten Daten des Verfügungsklägers gegeben und der Verfügungsbeklagte sich mit einem aus diesem Problemkreis stammenden Anliegen an die Presse gewandt hat. In Anbetracht aller dieser Umstände teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, daß die Wiederholungsgefahr zum Zeitpunkt der Erledigung noch offen gewesen sei. Dem in tatsächlicher Hinsicht hinreichend glaubhaft gemachten Unterlassungsbegehren des Vefügungsklägers wäre vielmehr ohne die zur Erledigung führende Erklärung des Verfügungsbeklagten stattzugeben gewesen, so daß es billigem Ermessen entspricht, dem Verfügungsbeklagten die Kosten des Verfahrens auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung insgesamt aufzuerlegen.

Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 ZPO. Wert des Beschwerdeverfahrens: Außergerichtliche Kosten des Verfügungsklägers zuzüglich der Hälfte der erstinstanzlich entstandenen Gerichtskosten nach einem Streitwert von 15.000,- DM

Ende der Entscheidung

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