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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.10.2006
Aktenzeichen: 16 Wx 194/06
Rechtsgebiete: FGG, BGB


Vorschriften:

FGG § 7
FGG § 43 b Abs. 2 S. 2
BGB § 1767 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Beschlüsse des Amtsgerichts Königswinter vom 22.06.2006 - 11 XVI 8/05 - und des Landgerichts Bonn vom 01.08.2006 - 4 T 312/06 - werden aufgehoben.

Die Adoptionsanträge werden zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die 78-jährige, verwitwete Beteiligte zu 3. hat im August 2005 beim Vormundschaftsgericht - Amtsgericht Königswinter - beantragt, die Annahme der inzwischen knapp 22-jährigen Beteiligten zu 1. und der 25-jährigen Beteiligten zu 2. auszusprechen. Diese sind türkische Staatsangehörige und seit ca. 9 Jahren vollziehbar ausreisepflichtig. Sie leben zusammen mit ihren Geschwistern und Eltern in Königswinter. Die Beteiligte zu 3., die in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Beteiligten zu 1. und 2. lebt, haben diese etwa 1999 während eines Praktikums im Altenheim "St. L" kennen gelernt, in welchem die Beteiligte zu 3. bis September 2005 ehrenamtlich tätig war.

Das Vormundschaftsgericht hat den Adoptionsantrag nach Anhörung aller Beteiligten durch Beschluss vom 22.06.2006 - 11 XVI 8/05 AG Königswinter - zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht darauf verwiesen, dass die Annahme als Kind sittlich nicht gerechtfertigt sei, weil sie dazu diene, die Abschiebung der Anzunehmenden in die Türkei zu verhindern. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht durch Beschluss vom 01.08.2006 - 4 T 312/06 - zurückgewiesen.

Mit ihrer fristgerecht gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegten weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten ihren Adoptionsantrag weiter. Das Landgericht habe lediglich pauschal auf die drohende Abschiebung der Beteiligten zu 1. und 2. abgestellt. Die Rechtsbeschwerde sieht darin eine Verletzung von Art. 6 GG. Das Grundrecht verleihe einen Anspruch darauf, ein bestehendes Mutter-Kind-Verhältnis durch eine Adoption offiziell werden zu lassen.

II.

1.

Die zulässigen weiteren Beschwerden führen zwar zur Aufhebung der Vorentscheidungen, in der Sache indes zu keinem Erfolg.

a. Das Amtsgericht Königswinter war zur Entscheidung örtlich nicht zuständig. Auch dem Landgericht Bonn fehlte die örtliche Zuständigkeit.

Zuständig für die Entscheidung über die Adoption wäre das Amtsgericht Köln gewesen, da es als Amtsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts gemäß § 43 b Abs. 2 S. 2 FGG für sämtliche Adoptionen im Bezirk des Oberlandesgerichts Köln zuständig ist, bei denen wegen der ausländischen Staatsangehörigkeit des Annehmenden zusätzlich ausländisches Recht zu prüfen ist. Diese Zuständigkeitsbestimmung gilt nicht nur bei Adoptionen Minderjähriger, sondern nach der Rechtsprechung des Senats auch bei Adoptionen Volljähriger mit ausländischer Staatsangehörigkeit (Senat vom 29.05.2006, StAZ 2006, 234; vgl. auch Senat vom 17.10.2005, StAZ 2006, 76). Ein solcher Fall liegt hier. Die Anzunehmenden, die Beteiligten zu 1. und 2. sind türkische Staatsangehörige.

b. Nach § 7 FGG sind gerichtliche Handlungen eines örtlich unzuständigen Gerichts zwar nicht wegen fehlender Zuständigkeit unwirksam. Im Rechtsmittelverfahren sind sie indes wegen dieses Verfahrensfehlers aufzuheben, ohne dass es hierzu einer Rüge bedarf (vgl. Keidel/Kuntze/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 7 Rdn. 36).

Eine Aufhebung und Zurückverweisung mit dem Ziel der Abgabe an das zuständige Amtsgericht ist hier allerdings entbehrlich. Denn dem Rechtsbeschwerdegericht ist auch eine eigene Entscheidung nicht verwehrt, wenn die bisher tätigen Gerichte und das zuständige Amts- oder Landgericht zu seinem Bezirk gehören und weitere Aufklärung nicht erforderlich ist (Keidel/Kuntze/Zimmermann, FGG, 15. Aufl., § 7 Rdnr. 37; Bumiller/Winkler, FFG, 8. Aufl., § 7 Rdnr. 16; ebenso BayObLG vom 7.3.1968, BayObLGZ 68, 62 ff m.w.N.; KG vom 21.02.1966, OLGZ 1966, 321 für das Beschwerdegericht). Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat an. In Anbetracht der in der Entscheidung des BayObLG vom 7.3.1968 herangezogenen Gründe hat der Senat ebenfalls keine Bedenken gegen eine eigene Sachentscheidung, die grundsätzlich bei hinreichend aufgeklärtem Sachverhalt rechtlich möglich ist. Auch das Erfordernis des gesetzlichen Richters spricht nicht dagegen, da diesem durch die Entscheidung des zuständigen Oberlandesgericht Rechnung getragen wird. Schließlich steht auch das Erfordernis des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht dagegen, worauf bereits das BayObLG hingewiesen hat, sofern die Beteiligten in den Vorinstanzen ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.

Im vorliegenden Fall ist der Sachverhalt ausreichend aufgeklärt. Die Beteiligten sind in erster Instanz persönlich ausführlich angehört worden. In zweiter Instanz hatten die anwaltlich vertretenen Beteiligten ausreichend Gelegenheit, nochmals schriftsätzlich den Adoptionsantrag zu begründen. Diese Feststellungen implizieren zugleich, dass allen Beteiligten rechtliches Gehör gewährt worden ist. Mithin steht einer Sachentscheidung des Senats aus den aufgeführten Gründen nichts entgegen.

2.

Der Senat kommt bei einer erneuten Prüfung des Sachverhalts ebenso wie das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für eine Volljährigenadoption gemäß § 1767 Abs. 1 BGB nicht gegeben sind.

a.

Die Adoption unterliegt aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit der Beteiligten zu 3. deutschem Recht (Art. 22 S. 1 EGBGB). Es begegnet keinen Bedenken, die Vorschriften über die Volljährigenadoption anzuwenden, da an der nach ihrem türkischen Heimatrecht zu beurteilenden Volljährigkeit der anzunehmenden Beteiligten zu 1. und 2. keine Zweifel bestehen.

Da eine Adoption bereits nach deutschem Recht abzulehnen ist, sind die grundsätzlich über Art. 23 S. 1 EGBGB beachtlichen Anforderungen des türkischen Rechts hier nicht von Bedeutung.

b.

In Anbetracht der in den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen sind die Voraussetzungen des § 1767 Abs. 1 BGB nicht erfüllt. Verbleibende Zweifel führen zur Ablehnung des Antrags, da einem Adoptionsantrag im Ergebnis nur stattzugeben werden kann, wenn die Voraussetzungen für eine Adoption positiv festgestellt werden (vgl.OLG Köln, NJW-RR, 1004, 155; BayObLG, NJWE-FER 1998, 78), was hier nicht der Fall ist.

Nach § 1767 Abs. 1 BGb kann ein Volljähriger als Kind angenommen werden, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist. Dies setzt voraus, dass zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (§ 1767 Abs. 1 2. HS.) oder die Entstehung zumindest objektiv zu erwarten ist (Palandt/Diederichsen, BGB, 65. Aufl. 2006, § 1767 Rn. 2). Eine solche Beziehung zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern ist im Wesentlichen durch eine innere Verbundenheit und die Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand gekennzeichnet ist (vgl. z.B. den Beschluss des Senats vom 7.4.2003 - 16 Wx 63/03 -, NJW-RR 2004, 155; sowie BayObLG NJWE-FER 1998, 78 m.w.N.). Die Begründung einer dem natürlichen Eltern-Kind-Verhältnis nachgebildeten Beistandsgemeinschaft muss Hauptzweck der Adoption sein; die Beteiligten müssen mit der Adoption vorrangig dieses familienbezogene Motiv verfolgen (OLG Köln, a.a.O.; OLG Hamm, FGPrax 2003, 124, 125 m.w.N.). Sonstige, etwa wirtschaftliche oder ausländerrechtliche Zwecke, dürfen demgegenüber lediglich einen Nebenzweck bilden (OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.). Die Adoption darf insbesondere nicht dazu missbraucht werden, dem Anzunehmenden unter Umgehung der ausländerrechtlichen Vorschriften ein Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen (BayObLG, NJWE-FER 2000, 146).

Die dargestellten Grundsätze hat bereits das - örtlich unzuständige - Erstbeschwerdegericht in seiner Entscheidung, die inhaltlich nicht zu beanstanden ist, umfassend berücksichtigt. Der Senat verweist zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf dessen Beweiswürdigung und macht sich diese Ausführungen zu eigen.

Ergänzend ist festzuhalten, dass auch für den Senat nach den unbestrittenen Feststellungen ernsthafte Zweifel bleiben, dass die Beteiligten mit der Adoption tatsächlich vorrangig familienbezogene Zwecke verfolgen. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass zwischen den Beteiligten in den vergangenen Jahren eine freundschaftliche Beziehung entstanden ist, die von gegenseitiger Hilfsbereitschaft und vielfältiger Unterstützung geprägt ist, was auch das Landgericht gesehen hat. Der Senat kann sich jedoch nicht davon überzeugen, dass diese Beziehung über einen sehr engen nachbarschaftlichen und persönlichen Kontakt hinaus geht und von einer dauernden Verbundenheit geprägt ist, die einem familiären Verhältnis gleichkommt. Dagegen spricht, dass die Beteiligte zu 3. mit den Beteiligten zu 1. und 2. bisher nicht zusammen gelebt hat und dies auch vor Stellung des Adoptionsantrags offensichtlich nie in Erwägung gezogen hat. Bei ihrer Befragung ergab sich vielmehr, dass sie dies auch zukünftig nicht beabsichtige. Schon dieser Umstand ist ein gewichtiges Indiz gegen das Bestehen einer echten Eltern-Kind-Beziehung. Wenn die Beteiligten nun im Laufe des Adoptionsverfahren ein Zusammenleben in Aussicht stellen, hat der Senat - wie schon vorher die Zivilkammer - durchgreifende Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Absicht.

Wenngleich bei der Annahme von Volljährigen weniger weitgehende Anforderungen an die Unterhaltung einer persönlichen Beziehung zu stellen sind, als bei der Adoption minderjähriger Kinder (OLG Hamm, FGPrax 2003, 124, 125), spricht ein weiterer Umstand ebenfalls gegen eine familienähnlich enge Beziehung zwischen den Beteiligten. In den fast neun Jahren ihrer Bekanntschaft haben die Beteiligten zu 1. und 2. nicht einmal die Beteiligte zu 3. in deren Haus in P, welches diese noch bis zwei Monate vor Stellung des Adoptionsantrages bewohnt hat, besucht. Der persönliche Kontakt der Beteiligten beschränkte sich vielmehr auf Treffen am Arbeitsplatz im St. L Heim sowie in der Wohnung der Leiterin des Heims beschränkt. Diese Verhaltensweisen legen eher die Annahme nahe, dass zwischen den Beteiligten ein zwar gut freundschaftliches, aber distanziertes Verhältnis besteht. Anhaltspunkte für eine echte Mutter-Tochter-Beziehung, wie sie die Beteiligte zu 3. anspricht, kann der Senat dagegen nicht erkennen. Für eine gewisse Distanz in der Beziehung der Beteiligten, die an einer engen familiären Freundschaft zweifeln läßt, spricht auch das Fehlen eines Kontaktes der Anzunehmenden zu dem Sohn der Annehmenden, ihrem einzigen Kind. Die Beteiligten zu 1. und 2. haben den Sohn, mit dem die Beteiligte zu 3. jedenfalls ca. zwei Jahre (2003 bis 2005) zusammengelebt hat, bisher nicht kennen gelernt. Bei einer familienähnlichen Beziehung hätte es nahe gelegen, den Sohn und die Beteiligten zu 1. und 2. miteinander bekannt zu machen, selbst wenn das Mutter-Sohn-Verhältnis nicht konfliktfrei war und ist.

Schließlich ist dem Umstand Bedeutung beizumessen, dass schon einmal im Jahre 2005 eine Adoption vergeblich versucht worden ist, und zwar die der Beteiligten zu 1. durch Frau C, einer Bekannten der Beteiligten zu 3. Dies hat die Beteiligte zu 3. in einem an ihren Verfahrensbevollmächtigten adressierten und von diesem auszugsweise in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Schreiben im wesentlichen selbst so dargestellt. Für den Senat verstärken sich vor diesem Hintergrund, dass die Beteiligte zu 1. in einem kurzen Zeitraum von zwei verschiedenen Frauen adoptiert werden soll, die Zweifel an einer echten familienähnlichen Beziehung der Anzunehmenden zu der Beteiligten zu 3. Dabei kommt es auf die einzelnen Motive der Beteiligten, die zu dem Adoptionsverfahren durch Frau C geführt haben, nicht an. Die Tatsache allein, dass eine andere Person aus dem Bekanntenkreis der Beteiligten zu 3. kurz vorher notariell auch einen Adoptionsantrag vorbereiten ließ, ist ein deutlicher Hinweis auf mangelnde Ernsthaftigkeit des Antrags der Beteiligten zu 3.

Schließlich wird die sittliche Rechtfertigung der Adoption auch deshalb in Frage gestellt, weil die Beteiligten zu 1. und 2. nach wie vor eine sehr enge Beziehung zu ihren leiblichen Eltern pflegen. Es besteht die Gefahr, dass im Falle einer Adoption durch die Beteiligte zu 3. für die Beteiligten zu 1. und 2. Loyalitätskonflikte im Verhältnis zu ihren leiblichen Eltern und eventuell auch zu den Geschwistern entstehen (vgl. OLG Zweibrücken, NJWE-FER 1999, 295, 296). Hierzu ist von Bedeutung, dass die Beteiligten zu 1. und 2. bis vor kurzem noch in der elterlichen Wohnung gelebt und ihre Eltern versorgt, gepflegt und finanziert haben. Die leiblichen Eltern haben in ihrer Stellungnahme vor dem Vormundschaftsgericht zwar erklärt, mit der Adoption einverstanden zu sein. Indes legt die Äußerung der Beteiligten zu 2., ihre leiblichen Eltern seien wegen der Adoption sehr aufgeregt, nahe, dass eine Adoption zu familiären Konflikten in der Ursprungsfamilie führen wird.

Auch die Beachtung der durch Art. 6 GG geschützten Rechte führt zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Grundrecht schützt die auf natürlicher Abstammung beruhende Lebensgemeinschaft von Eltern und Kindern. Darüber hinaus schließt es die durch eine besondere Fürsorge- und Verantwortungsbeziehung gekennzeichnete Verbindung zu Adoptiv-, Stief- und Pflegekindern in seinen Schutzbereich mit ein (Maunz-Dürig/Badura, Grundgesetz - Kommentar, Loseblatt, Art. 6 Abs. 1 Rn. 60).

Dieser Schutzbereich wird hier nicht berührt. Insbesondere begründet Art. 6 GG keinen Anspruch darauf, eine sonstige Beziehung, die ausschließlich in tatsächlicher Hinsicht einer Eltern-Kind-Beziehung angenähert ist - was hier schon nicht festgestellt werden kann -, durch eine Adoption rechtlich zu bestätigen (vgl. BVerfG, NJW 1989, 2195).

Somit bleiben die Adoptionsanträge der Beteiligten zu 3. ohne Erfolg.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Geschäftswerts entspricht den nicht beanstandeten Festsetzungen der Vorinstanzen.

Ende der Entscheidung

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