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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 09.02.2009
Aktenzeichen: 16 Wx 252/08
Rechtsgebiete: RVG, RVG VV


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2
RVG § 15
RVG § 16 Nr. 4
RVG § 22 Abs. 1
RVG § 33 Abs. 6
RVG § 55 Abs. 4
RVG § 56 Abs. 2
RVG § 56 Abs. 2 Satz 1
RVG VV Nr. 2503
RVG VV Nr. 2508
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin wird unter Aufhebung des Beschlusses der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.10.2008 (3 T 243/08) und des Beschlusses des Amtsgerichts Monschau vom 30.05.2008 (4 UR II 58/07) und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrages der Antragstellerin der Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Monschau vom 13.03.2008 (4 UR II 58/07) dahingehend abgeändert, dass die der Antragstellerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für die mit Berechtigungsschein vom 17.04.2007 bewilligte Beratungshilfe auf 1.023,40 € festgesetzt wird.

Die weitergehende weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die von der Antragstellerin vertretene Mandantin erhielt am 17.04.2007 einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe für die Angelegenheit "Getrenntleben, Ehescheidung, Folgesachen insbesondere Unterhaltsfragen, Vermögensauseinandersetzung und Sorgerechtsfragen/Umgang". In der Folgezeit wurde Frau T von der Antragstellerin in der Zeit von April 2007 bis Januar 2008 anwaltlich beraten.

Mit Antrag vom 29.01.2008 hat die Antragstellerin die Festsetzung von Gebühren für Beratungshilfe für fünf Angelegenheiten in Höhe von insgesamt 1.279,25 € (5 x 255,85 €) beantragt. Durch Beschluss des Amtsgerichts Monschau - Rechtspflegerin - vom 13.03.2008 ist die der Antragstellerin zustehende Vergütung auf 255,85 € festgesetzt worden. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin ausgeführt, es habe sich insgesamt nur um eine Angelegenheit gehandelt.

Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Antragstellerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts Monschau vom 30.05.2008 zurückgewiesen worden, ebenso die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin durch den nunmehr angefochtenen Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 10.10.2008, mit dem die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen worden ist. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass die Antragstellerin schon deswegen nur eine Angelegenheit abrechnen könne, weil nur für eine Angelegenheit Beratungshilfe bewilligt worden sei.

Die Antragstellerin hat gegen die Beschwerdeentscheidung weitere Beschwerde eingelegt, zu der der Bezirksrevisor ablehnend Stellung genommen hat.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei der Abrechnung der Beratungshilfevergütung von einer Angelegenheit oder von mehreren auszugehen ist.

II.

Die weitere Beschwerde der Antragstellerin ist kraft Zulassung gemäß der §§ 55 Abs. 4, 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 RVG statthaft und zulässig.

In der Sache ist das Rechtsmittel teilweise begründet. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts Aachen hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Antragstellerin steht für die Beratung in insgesamt vier Angelegenheiten eine Vergütung nach § 2 Abs. 2 RVG i. V. m. RVG VV-Nr. 2503 und 2508 nebst Auslagenpauschale und Umsatzsteuer in Höhe von jeweils 255,85 €, d. h. in Höhe von insgesamt 1.023,40 € zu.

Nach dem Beratungshilfegesetz wird Beratungshilfe in "Angelegenheiten" gewährt (§§ 2 Abs. 2, 6 BerHG), so dass auch die Vergütung, die der Rechtsanwalt nach den Vorschriften des RVG erhält (§ 44 RVG), auf die "Angelegenheit" auszurichten ist. Eine Definition des Begriffs Angelegenheit ergibt sich aus dem Gesetz nicht, so dass auf die Vorschriften des RVG (§§ 15 ff) zurückzugreifen ist. Aus den §§ 15, 22 Abs. 1 RVG ergibt sich, dass die Gebühren in "derselben Angelegenheit" nur einmal entstehen, in mehreren Angelegenheiten dagegen mehrfach. Da bei den Pauschgebühren der Beratungshilfe das Korrektiv des Gegenstandswertes fehlt, kommt der Abgrenzung, wann eine Angelegenheit vorliegt und wann mehrere Angelegenheiten anzunehmen sind, erhebliche praktische Bedeutung zu. So ist auch der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 31.10.2001 (BVerfG AGS 2002, 273) zu entnehmen, dass der Begriff der Angelegenheit aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der ohnehin zu niedrigen Gebühren des Rechtsanwaltes nicht zu weit gefasst werden darf. Dabei ist entgegen den Ausführungen des Beschwerdegerichts die Anzahl der Berechtigungsscheine für die Zahl der Angelegenheiten nicht maßgebend. Wie die im Berechtigungsschein "genau bezeichnete" Angelegenheit nachträglich im Einzelnen gebührenrechtlich zu bewerten ist, obliegt nicht dem Rechtspfleger im Bewilligungsverfahren, sondern ist allein der Beurteilung im anschließenden Vergütungsfestsetzungsverfahren vorbehalten. Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit ist allein, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist. Insgesamt muss ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen (vgl. Gerold/Schmidt-Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rdnr. 7 ff).

Dies ist im Hinblick auf die hier fraglichen außergerichtlichen Trennungs-, Scheidungs- und Folgesachen zu verneinen. Nach Auffassung des Senats genügt es weder bei Trennungs- noch bei Scheidungsfolgesachen, dass die verschiedenen Folgen ihren gemeinsamen Grund in der Trennung bzw. der Scheidung der Eheleute haben. Es kann nicht danach unterschieden werden, ob es sich um Sachen handelt, die im Ehescheidungsverbund geltend gemacht werden können. Vor Trennung, nach Trennung und für die Zeit nach der Scheidung kommt es allein darauf an, ob wegen eines einheitlichen Lebenssachverhalts um Beratung ersucht wird, die auch einheitlich erledigt werden kann (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rz. 1022). Eine einheitliche Angelegenheit von Scheidungs- und Folgesachen ergibt sich im Rahmen der Beratungshilfe auch nicht aus § 16 Nr. 4 RVG. Diese Vorschrift ist nicht anwendbar, da sie - wie die Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO zeigt - lediglich das gerichtliche Verbundverfahren erfasst und nicht die außergerichtliche Beratungshilfe, die dem eintretenden Verbund vorgelagert ist. Für eine analoge Anwendung gibt es im Hinblick auf die ohnehin niedrigen Gebühren in der Beratungshilfe (vgl. BVerfG a.a.O.) keine zwingenden Gründe (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2008 - I - 10 W 85/08). Würde man der Gegenmeinung folgen, wonach bei einer Beratungshilfetätigkeit für die Scheidung und deren Folgen gebührenrechtlich von einer Angelegenheit auszugehen ist, wenn diese später im gerichtlichen Verbundverfahren geltend zu machen wären, wäre nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die Belastung des Rechtsanwaltes derart groß ist, dass es nicht mehr vertretbar ist, ihn mit nur einmaligen Gebühren der Beratungshilfe zu vergüten (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 18. Aufl., § 16 Rz. 25 f). Diese Einzelfallprüfung wäre für das dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle obliegende Festsetzungsverfahren unpraktikabel, schon weil es an nötigen Kriterien fehlt, ab wann der Rechtsanwalt mit einer unzumutbaren Vergütung unnötig belastet würde. Bis zu einer Klärung durch den Gesetzgeber ist daher an dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes festzuhalten (so OLG Düsseldorf a.a.O.).

Vorliegend ist die Antragstellerin im Rahmen der für Frau T erfolgten Beratungshilfe in vier selbstständigen Angelegenheiten tätig geworden. Es handelt sich hierbei um die Angelegenheiten Ehegattenunterhalt, Kindesunterhalt, Umgangsrecht und eheliches Güterrecht/Hausrat/Vermögensauseinandersetzung. Hier ist nach dem nicht bestrittenen Vortrag der Antragstellerin die Annahme einer einheitlichen Erledigung nicht gerechtfertigt. Dass hinsichtlich der letztgenannten Angelegenheit eine Aufspaltung in mehreren Angelegenheiten gerechtfertigt ist, ergibt das Vorbringen der Antragstellerin hingegen nicht. Insoweit fehlt es an einem konkreten Sachvortrag.

Für die vier Angelegenheiten sind die jeweils von der Antragstellerin in Ansatz gebrachten Gebühren (Geschäftsgebühr, Einigungs- und Erledigungsgebühr sowie Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer) zugrunde zu legen, also 4 x 255,85 €, mithin insgesamt 1.023,40 €.

In diesem Umfang war dem Rechtsmittel der Antragstellerin stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 RVG.

Ende der Entscheidung

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