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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 26.08.2009
Aktenzeichen: 17 W 198/09
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 91
BGB § 280
Die rechtskräftige Abweisung eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf Ersatz der Kosten für ein Privat-Gutachten steht der (erneuten) Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung entgegen.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Kläger.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 1.391,96 € (84 % von 1.657,09 €).

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger leiteten zunächst ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Da sie mit der Darlegung des gerichtlichen Gutachters T. nicht uneingeschränkt einverstanden waren, holten sie ein Privat-Gutachten bei dem Sachverständigen A. ein. Die Kosten für das Privat-Gutachten A. machte der Kläger im Rahmen seiner nachfolgenden Klage als Schadenersatz neben einem Anspruch auf Kostenvorschuss geltend. Während der Kläger mit Letzterem Erfolg hatte, wies das Landgericht die auf Schadenersatz gerichtete Klage wegen der Privat-Gutachter-Kosten A. ab. Er erging Kostenentscheidung nach § 92 Abs. 1 ZPO. Seine Berufung nahm der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem OLG Köln zurück.

Zur Festsetzung angemeldet hat er u.a. die Kosten für den Privat-Sachverständigen A. in Höhe von 1.657,09 €.

Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung abgelehnt mit der Begründung, eine nochmalige Geltendmachung derselben Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung sei nicht möglich, nachdem der Anspruch per Urteil rechtskräftig abgewiesen worden sei.

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers. Er ist der Ansicht, die Gutachterkosten könnten sowohl im Erkenntnis- als auch im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden. Es liege eine Doppelnatur vor.

Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Sie hat ausgeführt, ungeachtet der Doppelnatur sei es nicht möglich, die in Rede stehenden Kosten in zwei unterschiedlichen Verfahren geltend zu machen. Es handele sich um einander ausschließende Alternativen.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache selbst keinerlei Erfolg.

1.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Rechtspflegerin die Festsetzung der in Rede stehenden Kosten für das von dem Privat-Gutachter A. erstattete Gutachten abgelehnt.

a.

Die Frage, ob die Doppelnatur der Vorbereitungskosten auch bei der Rechtskraftabgrenzung zu beachten ist, wird nicht einheitlich beantwortet. Nach einer Ansicht hindert die Aberkennung eines Anspruches im Erkenntnisverfahren nicht die nachträgliche Festsetzung und umgekehrt die Aberkennung im Festsetzungsverfahren nicht die gesonderte klageweise Geltendmachung in einem Hauptsacheverfahren. Zur Begründung wird angeführt, dass sich die Prüfung anlässlich der Kostenfestsetzung alleine nach den Maßstäben des § 91 ZPO zu richten habe, d.h. ob die Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig waren. Demgegenüber seien bei der Prüfung eines materiellen Kostenerstattungsanspruches anlässlich eines Klageverfahrens ganz andere rechtliche Voraussetzungen zu prüfen, so dass mangels Übereinstimmung mit denjenigen anlässlich der Kostenfestsetzung eine Aberkennung im Rahmen eines anderen Verfahrens keinerlei Vorentscheidung darstelle. Durch die Rechtskraft eines Urteils, das einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch verneine, werde der Anspruchsteller lediglich gehindert, den mit der Klage erhobenen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch erneut zum Streitgegenstand in einem Folgeprozess zu machen. Die nochmalige Geltendmachung der entsprechenden Kosten im Rahmen der Kostenfestsetzung bleibe hingegen unbenommen (so: OLG Dresden NJW 1998, 1872; OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 571; OLG Koblenz JB 1992, 475; LAG Berlin MDR 2002, 238; Ecker-Eberhard JZ 1995, 814; Schneider MDR 1981, 353, 357; Zöller/Herget, ZPO, 27. Aufl., vor § 91 Rn. 13).

b.

Nach anderer Ansicht (BGHZ 45, 251, 256 f = NJW 1966, 1513; JZ 1994, 840; OLG Hamm MDR 1993, 909; OLG Nürnberg MDR 1977, 936; Schneider MDR 1981, 353, 360; von Eicken/Hellstab/Lappe/Madert/Mathias, Die Kostenfestsetzung, 19. Aufl., B 9 ff, 13; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., vor § 91 Rn. 47 ff; Giebel MK-ZPO, 3. Aufl., vor § 91 Rn 17 ff; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., vor § 91 Rn. 19 ff) ist zwar davon auszugehen, dass eine prozessuale Kostenentscheidung nicht erschöpfend ist und deshalb grundsätzlich Raum lässt für ergänzende sachlich-rechtliche Ansprüche auf Kostenerstattung, etwa aus Vertrag, wegen Verzuges oder aus Delikt. Ein derartiger Anspruch könne - je nach Sachlage - neben die prozessuale Kostenregelung treten, dieser sogar entgegengerichtet sein, wenn zusätzliche Umstände hinzukämen, die bei der prozessualen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden konnten. So ist eine Partei trotz einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO nicht gehindert, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen die andere Partei durchzusetzen, wenn das Gericht in seinem Kostenbeschluss die Prüfung der materiellen Rechtslage ausdrücklich ablehnt und auf die Möglichkeit verweist, einen etwaigen Anspruch im Klagewege geltend zu machen (BGH NJW 2002, 680 = MDR 2002, 473). Falls allerdings der Sachverhalt, der der abschließenden Kostenentscheidung zugrunde liegt, unverändert bleibe, ohne dass selbstständige Umstände hinzuträten, dann gehe es nicht an, nunmehr den selben Sachverhalt erneut zur Nachprüfung zu stellen und in seinen kostenrechtlichen Auswirkungen entgegengesetzt zu beurteilen.

c.

Der Senat verkennt nicht, dass die Entscheidungen des BGH (Z 45, 251 ff = NJW 1966, 1513; JZ 1994, 840) sowie des OLG Hamm, a. a. O., zu Fallgestaltungen ergangen sind, in denen der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgenommen bzw. zurückgewiesen wurde mit entsprechender Kostenentscheidung zum Nachteil des Anspruchstellers. Dann, so der Bundesgerichtshof, sei es diesem aus den vorstehend dargestellten Gründen verwehrt, diese Kosten erstattet zu verlangen, wenn er im späteren Hauptsacheverfahren obsiege.

Die grundsätzlichen Überlegungen des Bundesgerichtshofs treffen zur Überzeugung des erkennenden Senats jedoch auf die vorliegend zu beurteilende Problematik ebenfalls zu.

aa)

Bereits aus dem Grundsatz der Rechtskraft folgt, dass eine getroffene prozessuale Kostenentscheidung in einem selbstständigen Verfahren weitere sachlich-rechtliche Ansprüche ausschließt. Der dadurch erzielte Rechtsfrieden kann nicht im Nachhinein wieder dadurch beseitigt werden, dass behauptet wird, die Kostenentscheidung sei ungerechtfertigt und aufgrund der Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 91 ZPO im Kostenfestsetzungsverfahren wieder zu korrigieren.

bb)

Die gegenteilige Ansicht führt zu untragbaren und vor allem zufälligen Ergebnissen, wie am vorliegenden Fall exemplarisch verdeutlicht werden kann. Wenn der Kläger lediglich die Kosten für die Einschaltung des Privat-Gutachters A. im Klagewege geltend gemacht und verloren hätte, könnte nur der Prozessgegner Festsetzung von Kosten beantragen. Dem Zufall wäre Tür und Tor geöffnet, wenn die (erneute) Geltendmachung eines rechtskräftig aberkannten Anspruchs nur deshalb möglich ist, weil die betreffende Partei neben dem Anspruch, mit dem sie rechtskräftig abgewiesen wurde, insoweit zumindest teilweise obsiegt und allein deshalb eine quotale Kostenentscheidung (auch) zu ihren Gunsten ergangen ist. Vor allem kommt hinzu, dass der Ausspruch, wonach der Kläger teilweise seine Kosten selbst zu tragen hat, § 92 Abs. 1 ZPO, alleine darauf beruht, dass er mit dem Betrag abgewiesen wurde, den er nun unter Hinweis auf § 91 Abs. 1 ZPO anlässlich des Kostenfestsetzungsverfahrens (erneut) geltend macht.

cc)

An seiner früheren anders lautenden Rechtsprechung hält der Senat nicht mehr fest.

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich ist, § 574 Abs. 1 - 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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