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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 16.10.2008
Aktenzeichen: 17 W 252/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, RpflG


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 269 Abs. 3
BGB § 247
RpflG § 11 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers beim Landgericht Köln vom 8. Mai 2008 - 3 O 18/06 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Aufgrund des Beschlusses gemäß § 269 Abs. 3 ZPO der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28. Dezember 2007 sind von der Klägerin an die Beklagte 1.647,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 28. Dezember 2007 zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 451,01 €

Gründe:

I.

Mit einem am 14. Dezember 2007 (Freitag) bei Gericht eingegangenen Schriftsatz nahm die Klägerin die Klage zurück. Termin war auf den 18. Dezember 2007 (Dienstag) bestimmt. Als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zur festgesetzten Terminsstunde im Sitzungssaal erschien, wurde ihm seitens des Gerichts unter Übergabe des gegnerischen Schriftsatzes vom 14. Dezember 2007 mitgeteilt, dass die Klage zurückgenommen und der Termin aufgehoben worden sei. Dem Akteninhalt lässt sich eine förmliche Terminsaufhebung nicht entnehmen. Jeweils unter dem 18. Dezember 2007 finden sich lediglich eine gerichtliche Verfügung ("Wiedervorlage 2 Wochen - Kostenantrag") und ein gerichtlicher Vermerk ("RA Dr. X. hat Durchschrift erhalten").

Zur Festsetzung angemeldet hat die Beklagte u.a. eine 0,5 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 451,01 €. Der Rechtspfleger hat dies abgelehnt unter Hinweis darauf, dass ein Termin infolge der Klagerücknahme nicht stattgefunden habe.

Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrem Rechtsmittel. Sie führt hierzu aus, da ihr Rechtsanwalt zum zuvor anberaumten Termin in Unkenntnis der Klagerücknahme verhandlungsbereit zur vorgesehenen Terminsstunde im Sitzungssaal anwesend gewesen sei, sei die Terminsgebühr in beantragter Höhe entstanden und zu erstatten.

Die Klägerin tritt der Ansicht des Rechtspflegers bei und ist im Übrigen der Meinung, dass eine Terminsgebühr, sollte sie doch entstanden sein, lediglich nach dem Kostenwert zu berechnen sei.

Der Rechtspfleger hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen unter Hinweis darauf, dass die Akte kein Protokoll über die mündliche Verhandlung enthalte, aus dem sich ergebe, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten verhandlungsbereit zum Termin erschienen sei.

II.

Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten verfahrensrechtlich unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in vollem Umfang Erfolg.

Entgegen der Ansicht des Rechtspflegers kann die Beklagte von der Klägerin die Erstattung einer 0,5 Terminsgebühr verlangen, weil ihr Prozessbevollmächtigter, dem die Klagerücknahme und die Terminsaufhebung bis dahin nicht bekannt waren, verhandlungsbereit im Sitzungssaal zur ursprünglich vorgesehenen Terminsstunde erschienen war.

1.

In einer früheren Entscheidung (Beschluss vom 8. März 2007 - 17 W 37/07 - = OLGReport 2008, 30) hat der Senat eine 0,5 Terminsgebühr als erstattungsfähig dann angesehen, wenn der Prozessbevollmächtigte des Klägers zum Termin erschien und das Gericht davon unterrichtete, dass ihm der gegnerische Kollege telefonisch mitgeteilt habe, er habe die Berufung zwischenzeitlich zurückgenommen und während einer Sitzungsunterbrechung seitens des Gerichts festgestellt wurde, dass etwa 1 Stunde zuvor ein entsprechender Schriftsatz eingegangen war.

Eine 0,5 Terminsgebühr hat der Senat des Weiteren in einer anderen Entscheidung (Beschluss vom 22. Januar 2008 - 17 W 123/08 -) als zu erstatten angesehen, wo ca. 2 Stunden vor dem Termin ein die Klagerücknahme enthaltener Schriftsatz eingegangen war, dieser dem Gericht erst dadurch zur Kenntnis gelangte, dass auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Termin erschien und jenes und den gegnerischen Kollegen dementsprechend informierte.

2.

Im vorliegend zu beurteilenden Fall gilt nichts Anderes. Dass die Durchführung eines Termins nicht Tatbestandsvoraussetzung für das Entstehen einer Terminsgebühr ist, ergibt sich bereits aus Vorb. 3 Abs. 3, 3. Alt. VV RVG. Sie entsteht vielmehr nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH AnwBl. 2007, 381= FamRZ 2007, 321) selbst dann, wenn die Parteien einer außergerichtliche Besprechung über nicht rechtshängige Ansprüche zur Vermeidung eines zukünftigen Prozesses führen (s. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., Vorb. 3 VV RVG Rdn. 93 m. w. N.).

Es reicht deshalb in Fällen, in denen der gegnerische Prozessbevollmächtigte von der Rücknahme der Klage oder des Rechtsmittels nichts weiß, aus, dass er zur Terminsstunde verhandlungsbereit erscheint. Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu seinen beiden früheren Entscheidungen. Auch in jenen Fällen hätte ein Termin schon aus Rechtsgründen gar nicht mehr stattfinden dürfen, da sowohl die Klagerücknahme als auch die Rücknahmeerklärung bezüglich eines Rechtsmittels mit Eingang bei Gericht wirksam werden (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 269 Rdnr. 12; Zöller/Gummer/Heßler, § 516 Rdnr. 13) und es deshalb an einer rechtshängigen Klage infolge der Rücknahme fehlte.

3.

Aus dem Veranlasserprinzip heraus, welches seinerseits auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruht, muss sich die Klägerin das Versäumnis vorhalten lassen, ihren Prozessbevollmächtigten nicht früher mit einer Klagerücknahme beauftragt zu haben. Ebenfalls ist ihr zuzurechnen, dass die gegnerische Partei nicht unmittelbar und zeitnah zur Klagerücknahme hiervon unterrichtet wurde. Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten hat sich die Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen. Da der die Klagerücknahme enthaltene Schriftsatz erst an einem Freitag bei Gericht eingegangen war, konnte die Klägerin nicht sicher damit rechnen, dass das Gericht bis zum nächsten Dienstag den Prozessgegner von der Terminsaufhebung infolge Klagerücknahme benachrichtigen würde.

Angesichts dessen musste der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zwangsläufig nicht nur zum ursprünglich anberaumten Termin erscheinen, sondern sich auf die mündliche Verhandlung in Unkenntnis der Klagerücknahme auch vorbereiten. Hierdurch ist ein der Klägerin zurechenbarer anwaltlicher Aufwand entstanden, der jedenfalls dem Anfall einer 0,5 Terminsgebühr entspricht.

4.

Die Begründung des Rechtspflegers im Nichtabhilfebeschluss, eine Terminsgebühr scheitere bereits daran, dass sich kein Protokoll über eine mündliche Verhandlung mit dem Aufruf zur Sache und der Feststellung der anwesenden Beteiligten in der Akte befinde, liegt neben der Sache, da unstreitig kein Termin stattgefunden hat. Dass sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zur ursprünglich vorgesehenen Terminsstunde verhandlungsbereit im Saal befand, hat er unwidersprochen vorgetragen.

5.

Aus alledem ergibt sich zugleich, dass der Bemessung der Terminsgebühr der volle Streitwert zugrunde zu legen ist (Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, Nr. 3104 VV RVG Rdnr. 115; Onderka, in: N. Schneider/Wolf, RVG, 3.Aufl, Nr. 3105 VV RVG Rdnr. 23).

6.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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