Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 24.05.2006
Aktenzeichen: 17 W 77/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

17 W 77/06

In der Kostenfestsetzungssache

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 15.02.2006 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Köln vom 31.01.2006 - 83 O 21/05 - unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dallmann sowie der Richter am Oberlandesgericht Schütz und Dr. Waters

am 24. Mai 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gegenstandswert: 218,76 €

Gründe:

I.

Die Klägerin, die ihren Sitz in E hat, hat die Beklagte vor dem Landgericht Köln aus übergegangenem bzw. abgetretenem Recht wegen eines Transportschadens auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin, die sich vor dem Landgericht Köln von einem Hamburger Rechtsanwalt hat vertreten lassen, unter anderem die Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten von Hamburg nach Köln (insgesamt 252,70 €) sowie Tage und Abwesenheitsgeld in Höhe von 168,00 € zur Kostenausgleichung angemeldet und zur Begründung ausgeführt, die Angelegenheit sei von ihrer in Hamburg ansässigen Zweigstelle bearbeitet worden.

Der Rechtspfleger ist in dem der Klägerin am 14.02.2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss davon ausgegangen, dass angesichts des Sitzes der Klägerin in E erstattungsfähig nur Reisekosten auf der Basis eines Anwalts in E seien. Diese hat er - unter Einbeziehung des Tage- und Abwesenheitsgeldes - mit einem Betrag von 108,18 € ermittelt. Unter Berücksichtigung der im landgerichtlichen Urteil vom 21.07.2005 enthaltenen Kostengrundentscheidung (nach dieser sind der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu 30% und der Beklagten zu 70% auferlegt worden) hat der Rechtspfleger - von den hier streitigen Kosten - lediglich einen Betrag von 75,73 € (70% von 108,18 €) zugunsten der Klägerin bei der Kostenausgleichung berücksichtigt, anstelle des von der Klägerin geltend gemachten Betrages von 294,49 € (70% von 420,70 €) .

Mit ihrer am 17.02.2006 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde macht die Klägerin unter Bezugnahme auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 13. Mai 2004 - Az.: I ZB 3/04 - NJW 2004, 1212, geltend, der Rechtspfleger habe verkannt, dass es nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht darauf ankomme, wo eine Partei formal ihren Sitz habe, sondern dass entscheidend sei, wo der Ort der tatsächlichen Regressbearbeitung liege.

Der Rechtspfleger hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 20.04.2006 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i. V. m. § 11 Abs. 1 RpflG statthaft und begegnet auch sonst keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. In der Sache hat das Rechtsmittel allerdings keinen Erfolg, denn die Reisekosten des Hamburger Prozessbevollmächtigten sind nur in dem vom Rechtspfleger zuerkannten Umfang zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen (§ 91 Abs.2 Satz 1 ZPO).

Auszugehen ist von dem Grundsatz, dass eine auswärtige Partei nicht verpflichtet ist, einen Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts zu mandatieren, sie vielmehr einen Rechtsanwalt an ihrem Wohn-/Geschäftssitz beauftragen kann. Ihre Rechtfertigung findet diese Auffassung darin, dass im Regelfall die Notwendigkeit eines persönlichen Mandantengesprächs besteht. Eine Ausnahme hiervon kommt unter anderem dann in Betracht, wenn die Partei über eine eigene, die Angelegenheit bearbeitende Rechtsabteilung verfügt, denn in einem solchen Fall ist es ihr regelmäßig zuzumuten, einen Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts zu beauftragen und diesen schriftlich oder fernmündlich zu informieren.

Ausgehend hiervon hat der Rechtspfleger zutreffend darauf abgestellt, dass die Klägerin, die über keine eigene Rechtsabteilung verfügt, nicht verpflichtet war, einen Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts in Köln zu beauftragen, sondern sie unter Erstattungsgesichtspunkten berechtigt war, einen Prozessbevollmächtigten an ihrem Geschäftssitz zu beauftragen. Des weiteren hat der Rechtspfleger zutreffend E und nicht Hamburg als Geschäftssitz der Klägerin angesehen und demzufolge die tatsächlich entstandenen Reisekosten des Hamburger Prozessbevollmächtigten nur in Höhe der fiktiven Reisekosten eines Rechtsanwalts am Geschäftssitz der Klägerin für erstattungsfähig gehalten. Die Klägerin hat ihren Sitz unstreitig in E. Zwar werden nach dem Vortrag der Klägerin die Regresssachen nicht an ihrem "formalen" Sitz, sondern in der Regressabteilung in Hamburg bearbeitet, dies ist für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Reisekosten aber unerheblich, denn der Geschäftssitz der Partei ist nach rein objektiven Maßstäben, insbesondere auch im Einklang mit den Vorschriften über den Gerichtsstand (§ 17 Abs.1 ZPO) zu ermitteln (vgl. auch KG, KG-Report 2005, 590).

Würde man - der Argumentation der Klägerin folgend - unter Geschäftssitz nicht den Ort verstehen, wo die Partei ihren Sitz - und damit zugleich ihren allgemeinen Gerichtsstand - hat, sondern den Ort, wo sie die Sache bearbeitet, wären für den Gegner die von ihm im Fall seines Unterliegens zu erstattenden Kosten völlig unkalkulierbar. So liefe beispielsweise eine Partei, die die hiesige Klägerin zur Vermeidung unnötiger Kosten nicht an einem besonderen Gerichtsstand, sondern an ihrem aus dem Briefkopf ersichtlichen Sitz in E verklagen würde, Gefahr, gleichwohl Reisekosten eines Hamburger Prozessbevollmächtigten tragen zu müssen, nur weil die Sache intern in der Regressabteilung in Hamburg bearbeitet wird.

Zwar weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass es - was das Vorhandensein einer Rechtsabteilung und die Bearbeitung der Schadensangelegenheit durch diese anbelangt - nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung auf die tatsächliche Organisationsstruktur und Handhabung und nicht darauf ankommt, was nach Ansicht des Gerichts zweckmäßig wäre, hieraus kann aber nach Ansicht des Senats nur gefolgert werden, dass ein Unternehmen nicht darauf verwiesen werden darf, es hätte eine Rechtsabteilung unterhalten müssen bzw. es hätte die Angelegenheit durch die vorhandene Rechtsabteilung bearbeiten lassen müssen.

Ob der Sachverhalt anders zu beurteilen wäre, wenn die Klägerin in Hamburg eine Zweigniederlassung unterhalten würde, an der sie auch verklagt werden könnte (§ 21 ZPO), bedarf keiner Vertiefung, denn für das Vorhandensein einer derartigen Zweigniederlassung bestehen keine Anhaltspunkte (zur Erstattung der Reisekosten beim Vorhandensein einer Zweigniederlassung i.S.d. § 21 am Gerichtsort, wenn die Sache von einem Prozessbevollmächtigten am Hauptsitz der Partei bearbeitet wird, vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2005 - I ZB 24/04, NJW-RR 2005, 753).

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, sie betraue ständig die Hamburger Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung. Eine Partei, die in ihrem allgemeinen Gerichtsstand klagt oder verklagt wird, ist unter Erstattungsgesichtspunkten gehalten, einen örtlichen Anwalt zum Prozessbevollmächtigten zu bestellen; die durch die Beauftragung eines auswärtigen Anwalts zur Entstehung gelangten Mehrkosten sind auch dann nicht erstattungsfähig, wenn es sich bei diesem Anwalt, um den Vertrauensanwalt der Partei handelt, der für sie in derselben Angelegenheit schon vorprozessual tätig war, und mit dem sie auch sonst ständig zusammenarbeitet (vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2002, IZB B 29/02, NJW 2003, 901, 903 = JurBüro 2003, 2005-2007 und AGS 2003, 368 - 370; Senat, Beschluss vom 27.08.2004, 17 W 55/05). Das Interesse der Partei, im Rechtsstreit durch den wegen seiner vorprozessual entfalteten Tätigkeit bereits in die Angelegenheit eingearbeiteten auswärtigen Rechtsanwalt ihres Vertrauens vertreten zu werden, vermag deshalb die Notwendigkeit seiner Zuziehung und die Erstattbarkeit der durch dessen Einschaltung verursachten Reisekosten nicht zu begründen.

Da der Senat mit der vorliegenden Entscheidung möglicherweise von der vom Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 13. Mai 2004 - Az.: I ZB 3/04 - NJW 2004, 1212, vertretenen Auffassung abweicht, hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück