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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 18 U 101/08
Rechtsgebiete: BGB, HGB, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 193
BGB § 269
BGB § 269 Abs. 1
BGB § 270
BGB § 270 Abs. 1
BGB § 270 Abs. 4
BGB § 284 Abs. 3 a.F.
BGB § 286
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 286 Abs. 3
BGB § 288
BGB § 289
BGB § 289 S. 2
BGB § 291 S. 2
HGB § 353
EGBGB Art. 229 § 5 S. 1
EGBGB Art. 229 § 5 S. 2
ZPO § 29
ZPO § 139 Abs. 2
1. Aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 3.4.2008 (NJW 2008, 1935) zur Zahlungsverzugsrichtlinie sind die §§ 269, 270, 286 BGB spätestens für die Zeit ab dem 8.8.2002 richtlinienkonform dahin auszulegen, dass es für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung durch Banküberweisung auf den Zeitpunkt der Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers ankommt.

2. Zum Vertrauensschutz für Altfälle.


Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 3.6.2008 verkündete Teilurteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 11 O 12/07 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 48.146,85 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage hinsichtlich der für Rechnungen aus dem Jahr 2006 geltend gemachten Beträge abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 6 % und die Beklagte zu 94 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Telekommunikationsunternehmen. Sie streiten über Zinsansprüche der Klägerin wegen angeblich verspäteter Zahlungen der Beklagten.

Zwischen den Parteien besteht ein im Jahr 1999 geschlossener und in der Folgezeit mehrfach geänderter Fakturierungs- und Inkassovertrag ("F+I-Vertrag", Anl. K 1). Die jeweils erbrachten Leistungen stellen die Parteien sich wechselseitig in Rechnung und verrechnen daraus resultierende Rechnungsentgelte; nach Verrechnung etwa verbliebene restliche Rechnungsbeträge werden im Bankverkehr überwiesen.

Die maßgebliche Klausel über Zahlung und Verzug in der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso" der Beklagten Stand März 2001 (Anl. K 3) und Stand September 2002 (vgl. GA 72) lautete:

"8. Abrechnung zwischen den Vertragsparteien

Der Vertragspartner kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von der E. U. als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungen zuzüglich Umsatzsteuer mit der E. U. abrechnen. .... Der Rechnungsbetrag muss spätestens am 30. Tag nach dem Zugang der Rechnung auf dem in der Rechnung angegebenen Konto gutgeschrieben oder verrechnet sein."

Für das Jahr 2006 gilt gem. "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso Stand: Januar 2006" (Anl. B 5) folgende Regelung:

"8. Abrechnung zwischen den Vertragsparteien

Der Vertragspartner kann jeweils in der Mitte und am Ende eines Kalendermonats in einer Rechnung die von ihm gelieferten und von U.-D als fakturierbar erkannten Nettoentgelte zu den Leistungsdaten zuzüglich Umsatzsteuer mit U.-D abrechnen.....Der Rechnungsbetrag wird mit Zugang der Rechnung fällig und ist auf das in der Rechnung angegebene Konto zu zahlen. Der Verzug tritt ein, wenn nicht innerhalb von 30 Tagen nach Rechnungszugang geleistet worden ist. Fällt der dreißigste Tag auf einen Samstag, Sonntag oder einen am Leistungsort staatlich anerkannten Feiertag, so ist die Zahlung bis zum Ablauf des darauf folgenden Werktages zu leisten."

Zwischen der Beklagten und einem anderen Telekommunikationsunternehmen ist ein ähnlicher Rechtsstreit anhängig, in dem es ebenfalls um die Berechnung der Verzugszeiträume geht. Streitpunkte waren zum einen, ob § 193 BGB Anwendung findet, zum anderen, ob für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf die Erteilung und Annahme des Überweisungsauftrages durch den Schuldner oder auf die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers abzustellen ist. Das Landgericht hatte im Parallelverfahren durch Urteil vom 1.4.2005 der dortigen Klage überwiegend stattgegeben. Es hatte § 193 BGB für nicht anwendbar gehalten. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Leistung hat es §§ 270, 269 BGB im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 lit. c)ii) der Richtlinie 2000/35/EG vom 29.6.2000 zur Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr (Zahlungsverzugsrichtlinie) dahingehend ausgelegt, dass es auf die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers ankomme. Diese Richtlinie war bis 8.8.2002 von den Mitgliedsstaaten umzusetzen.

Der Bundesgerichtshof hat im Parallelverfahren auf die Revision der Beklagten durch Urteil vom 1.2.2007 - III ZR 159/06 - (BGHZ 171, 33) entschieden, dass § 193 BGB sowohl für Fristen, nach deren Ablauf die Fälligkeit einer Forderung eintrete, als auch für Fristen, nach deren Ende der Verzug beginne, gelte. Der Europäische Gerichtshof hat durch Urteil vom 3.4.2008 - C-306/06 - (NJW 2008, 1935) entschieden, dass nach der Richtlinie die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers für die Rechtzeitigkeit der Zahlung und das Ende des Verzugs maßgeblich ist.

Die Parteien streiten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1.2.2007 darüber, ob nach der Zahlungsklausel Verzug bereits mit Ablauf der Zahlungsfrist von 30 Tagen eingetreten ist. Hinsichtlich der Rechnungen aus 2006 streiten die Parteien ferner darüber, ob nach der geänderten Zahlungsklausel für das Ende des Verzuges die Leistungshandlung der Beklagten oder der Eingang der Zahlung bei der Klägerin maßgeblich ist. Schließlich ist bei mehreren Rechnungen der Zeitpunkt des Zugangs bei der Beklagten streitig.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 103.905,10 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat die Klage durch Teilurteil hinsichtlich der für die Rechnungen aus dem Jahr 2006 geltend gemachten Beträge (54.627,68 € nebst Zinsen) abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Die Klägerin berechnet in der Berufung ihre Forderung aus den Rechnungen 2006 neu und macht nunmehr für 2006 nur noch Verzugszinsen in Höhe von 51.067,09 € geltend. Wegen der Berechnung wird auf S. 10 der Berufungsbegründung (GA 325) Bezug genommen. Sie rügt die Auslegung der für 2006 maßgeblichen Zahlungsklausel in der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso, Stand 2006" der Beklagten. Die bisherige Klausel sei inhaltlich nur dahin geändert worden, dass § 193 BGB Anwendung finde. Etwas anderes sei für sie nicht erkennbar gewesen, der Parallelprozess sei ihr nicht bekannt gewesen. Der Leistungsbegriff sei nach der Richtlinie 2000/35/EG und dem Urteil des EuGH vom 3.4.2008 zwingend dahin zu verstehen, dass es auf den Eingang der Zahlung beim Gläubiger ankomme. Soweit das Landgericht davon ausgehe, dass die Beklagte mit der Änderung der Klausel der sich aus der Richtlinie ergebenden Problematik in ihrem Sinne habe Rechnung tragen wollen, habe die Beklagte dies selbst nicht geltend gemacht. Zudem wäre es für sie - die Klägerin - auch nicht erkennbar gewesen und daher für die Auslegung einer Allgemeinen Geschäftsbedingung auch nicht maßgeblich. Zumindest sei die Klausel unklar, was zu Lasten der Beklagten als deren Verwenderin gehe.

Die Klägerin rügt ferner die Fehlerhaftigkeit der Tatsachenfeststellung des Landgerichts. Es hätte ihrem Antrag stattgegeben müssen, "der Beklagten aufzugeben, sich darüber zu erklären, wie sie in dem Kalenderjahr 2006 die Zugangsdatenerfassung in ihrem Zentralbereich Billingservices in E. organisiert hat". Bei den von der Beklagten behaupteten Zugangsdaten falle auf, dass von sieben per Post versandten Rechnungen in vier Fällen der angebliche Zugang außerhalb des normalen Verlaufs liege, da diese Rechnungen nicht am Tag nach der Aufgabe zur Post zugegangen sind. Die von der Beklagten vorgelegten Zugangsvermerke ließen nur den Schluss zu, dass die ungeöffneten Sendungen zunächst hausintern an die jeweiligen Fachabteilungen weitergeleitet und erst dann geöffnet und mit Posteingangsstempel versehen werden. Das Landgericht hätte der Beklagten aufgeben müssen, sich zu diesem Aspekt zu erklären.

Hilfsweise verweist die Klägerin auf ihrer erstinstanzlichen Alternativberechnungen und stützt die Forderung äußerst hilfsweise auf § 353 HGB (Fälligkeitszinsen).

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Bonn - 11 O 12/07 - die Beklagte zu verurteilen, an sie 51.067,09 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des EuGH sei auf die streitgegenständlichen Forderungen nicht anzuwenden. Eine richtlinienkonforme Auslegung komme im Hinblick auf die bisherige gefestigte Rechtsmeinung, wonach für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf die Leistungshandlung des Schuldners und nicht auf den Leistungserfolg abzustellen sei, nicht in Betracht. Es bestehe auch kein Zwang zur richtlinienkonformen Auslegung. Gem. Art. 6 Abs. 3 lit. b der Richtlinie könnten die Mitgliedsstaaten von der Umsetzung Verträge ausnehmen, die vor dem 8.8.2002 geschlossen wurden. Bei dem F+I-Vertrag handle es sich um ein vor dem 8.8.2002 begründetes Dauerschuldverhältnis. Jedenfalls müsse ihr aber Vertrauensschutz zugebilligt werden. Seinerzeit habe sie davon ausgehen dürfen, dass die rechtzeitige Erteilung des Überweisungsauftrages zur Vermeidung des Verzugs ausreiche. Dieser Rechtsirrtum schließe angesichts der "sehr unklaren Rechtslage" zumindest ihr Verschulden aus.

Die Klausel sei auch nicht unklar, ihre Auslegung führe zu einem eindeutigen Ergebnis. Der Verweis auf § 193 BGB mache nur Sinn, wenn die Leistungshandlung des Schuldners maßgeblich sei.

Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei nicht zu beanstanden. Die Darlegungs- und Beweislast für den Zugang der Rechnungen liege bei der Klägerin. Sie - die Beklagte - sei ihrer sekundären Darlegungslast durch Vorlage der bei ihr vorhandenen Rechnungsunterlagen mit den jeweiligen Eingangsstempeln nachgekommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstand wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und die von ihnen vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten gem. §§ 288, 286 BGB Verzugszinsen aus den Rechnungen 2006 in Höhe von insgesamt 48.146,85 € verlangen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts kommt es für die Rechtzeitigkeit der Leistung auch für die in 2006 erbrachten Leistungen auf die Gutschrift des Rechnungsbetrages auf dem Konto der Klägerin an.

1. Nach der für 2006 maßgeblichen Zahlungsklausel in der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso, Stand 2006" der Beklagten in Verbindung mit § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB tritt Verzug mit Ablauf von 30 Tagen nach Rechnungszugang ein, ohne dass es einer weitergehenden Mahnung bedarf. Ereignis im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB kann auch der Zugang einer Rechnung sein (BGH Urt. v. 1.2.2007 - III ZR 159/06 - BGHZ 171, 33 zu Rn 12). Mit Ablauf der Zahlungsfrist tritt Verzug ein. Für § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB kommt es nicht darauf an, ob es sich bei der Frist in der Zahlungsklausel um eine Verzugs- oder eine Fälligkeitsregelung handelt.

Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1.2.2007 im Parallelverfahren ergibt sich nichts anderes. Der Bundesgerichtshof stellt in diesem Urteil für die ab 1.1.2003 entstanden Forderungen nur fest, dass Fälligkeit und Verzug gem. § 193 BGB nicht an einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag eintreten können. Lediglich für bereits in 2002 entstandene Forderungen - die ebenfalls Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshofs waren - tritt nicht schon mit Ablauf der 30-Tages-Frist Verzug ein. Denn für die in 2002 entstandenen Forderungen gilt der erst durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingeführte § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht, da es sich bei dem F+I-Vertrag um ein Dauerschuldverhältnis handelt, auf welches das BGB in der ab 1.1.2002 geltenden Fassung erst für die nach dem 31.12.2002 entstandenen Forderungen Anwendung findet, Art. 229 § 5 S. 1 und 2 EGBGB (vgl. auch das Urteil des BGH vom 1.2.2007 zu Rn 11 und 12). Nach dem für die Forderungen aus 2002 maßgeblichen § 284 Abs. 3 BGB a.F. (jetzt § 286 Abs. 3 BGB) beginnt die Frist von 30 Tagen, nach deren Ablauf Verzug auch ohne Mahnung eintritt, erst mit Fälligkeit der Forderung, so dass die Beklagte erst 60 Tage nach Rechnungszugang in Verzug geraten ist.

2. Für den Eintritt bzw. das Ende des Verzugs ist nicht auf die von der Beklagten geschuldete Leistungshandlung, die Erteilung des Überweisungsauftrages bzw. dessen Annahme durch die Bank der Beklagten bei ausreichender Kontodeckung, abzustellen, sondern auf die Gutschrift des Rechnungsbetrags auf dem Konto der Klägerin.

2.1. Die Klausel in der "Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso, Stand 2006" der Beklagten enthält keine Regelung zu der Frage, ob es für die Rechtzeitigkeit auf die Erteilung des Überweisungsauftrags oder die Gutschrift der Zahlung ankommt. Die Klausel wiederholt lediglich den Wortlaut der gesetzlichen Vorschriften der §§ 286 Abs. 3 und 193 BGB. Der Begriff der Leistung lässt nicht hinreichend deutlich erkennen, ob damit die dem Schuldner obliegende Handlung oder der zur Erfüllung erforderliche Leistungserfolg gemeint ist. Auch der Verweis auf § 193 BGB führt nicht zu einer anderen Auslegung. § 193 BGB regelt lediglich die Berechnung von Fristen, nicht aber die Frage, ob der Verzug mit Erteilung des Überweisungsauftrages oder mit Eingang der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers endet. Die Anwendung des § 193 BGB setzt nicht voraus, dass die Frist sich lediglich auf die Leistungshandlung bezieht. Das Parallelverfahren, in dem der Bundesgerichtshof § 193 BGB auf die Berechnung einer Fälligkeitsfrist und den Verzug angewandt hat, betraf eine Klausel, nach der es ausdrücklich auf den Eingang der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers ankam, und damit den Leistungserfolg.

Damit stellt die Neufassung von Nr. 8 der Leistungsbeschreibung Fakturierung und Inkasso aus dem Jahr 2006 nicht klar, dass es für die Rechtzeitigkeit der Leistung nicht mehr wie bisher auf die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers, sondern auf die Leistungshandlung (Erteilung des Überweisungsauftrages) des Schuldners ankommen soll. Allenfalls die Regelung, dass ein "am Leistungsort staatlich anerkannter Feiertag"" den Verzugseintritt hinausschieben soll, könnte zu dem Schluss führen, dass es für die Rechtzeitigkeit der Leistung auf die Leistungshandlung ankommt, wenn man davon ausgeht, dass "Leistungsort" der Ort der Leistungshandlung ist. Das erscheint dem Senat jedoch nicht hinreichend klar (§ 305c Abs. 2 BGB) und begegnet jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Transparenz (§ 307 BGB) durchgreifenden Bedenken.

Der Klausel lässt sich damit keine über die gesetzliche Regelung hinausgehende Bestimmung des Beginns bzw. Ende des Verzugs entnehmen. Ein gegenüber dem Gesetz eigenständiger Regelungsgehalt ist jedenfalls nicht hinreichend deutlich, was zu Lasten der Beklagten als Verwenderin der Klausel geht.

2.2. Nach der gesetzlichen Regelung in der spätestens seit 8.8.2002 - dem Ablauf der Umsetzungsfrist in der Zahlungsverzugsrichtlinie - gebotenen richtlinienkonformen Auslegung ist für die Rechtzeitigkeit einer Zahlung per Banküberweisung nicht die Leistungshandlung bzw. das Zustandekommen des Überweisungsvertrages maßgeblich, sondern der Eingang der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers.

Nach der Zahlungsverzugsrichtlinie kommt es für den Verzug und die Verzinsung auf den Zeitpunkt der Gutschrift der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers an, wobei Verzögerungen bei der Bearbeitung des Überweisungsauftrages durch die Banken, mit denen der Schuldner nicht rechnen musste, sein Verschulden ausschließen können (EuGH NJW 2008, 1935). Dagegen entsprach es der bisher ganz überwiegenden Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass gem. §§ 270 Abs. 1 und 4, 269 BGB die Geldforderung eine modifizierte Schickschuld ist, die am Sitz des Schuldners zu erbringen ist und bei der er lediglich die Verlustgefahr trägt (BGHZ 44, 179; vgl. auch Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 5 m.w.Nachw.).

Die richtlinienkonforme Auslegung der §§ 286, 270 BGB ist möglich und geboten (Gsell, GPR 2008, 165, 168, 170, wonach es daher zur Umsetzung der Richtlinie noch nicht einmal einer Gesetzesänderung bedarf; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 6; die Möglichkeit einer richtlinienkonformen Auslegung bejaht auch PWW/Schmidt-Kessel, BGB, 3. Aufl., § 286 Rn 9). Der Gesetzeswortlaut lässt hinreichenden Spielraum und auch schon vor Erlass der Richtlinie gab es Stimmen, die auf die Gutschrift des Betrages auf dem Konto des Gläubigers abgestellt haben.

§ 286 BGB enthält keine Regelung darüber, wann die Leistung rechtzeitig erbracht bzw. ein eingetretener Verzug endet. Allein der Formulierung "wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen ... leistet" lässt sich das nicht eindeutig entnehmen. § 270 BGB ist zwar bislang von der ganz herrschenden Meinung dahin interpretiert worden, dass die Geldschuld eine - modifizierte - Schickschuld ist, so dass die Leistungshandlung erbracht ist, wenn der Schuldner das zur Übermittlung des Geldes seinerseits erforderliche getan hat (BGH, NJW 1964, 499; OLG E., DB 1984, 2686; OLG Köln, NJW-RR 1992, 1528; OLG Koblenz, NJW-RR 1993, 583; OLG Nürnberg, MDR 1999, 858; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 2922, 2923; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 270 Rn 6 m.w.Nachw.). Die Vorschrift lässt aber auch de lege lata die Auslegung zu, dass die Geldschuld eine modifizierte Bringschuld ist, bei der Leistungs- und Erfolgsort am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Gläubigers liegen und der Schuldner daher einheitlich die Verlust- und Verzögerungsgefahr trägt. §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 4 BGB regeln dann nur noch den Gerichtsstand des Erfüllungsorts i.S.v. § 29 ZPO (so bereits Schön, AcP 198, 1998, 401, 443; Staudinger/Bittner, Neubearbeitung 2004, § 270 Rn 3, 36 ff.; im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH Gsell, GPR 2008, 165, 170; Hilbig, Anm. zur Entscheidung des EuGH, JZ 2008, 991, 992). Umgekehrt lässt auch die Richtlinie eine Auslegung zu, wonach die Geldschuld zwar modifizierte Schickschuld ist, der Schuldner aber zur Vermeidung des Verzugs die Leistungshandlung so früh vorzunehmen hat, dass der Geldbetrag bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge rechtzeitig beim Gläubiger eintrifft (Hilbig, aaO).

Zudem wäre eine richtlinienkonforme Auslegung auch dann zulässig und geboten, wenn der Gesetzeswortlaut sie nicht zuließe. Der Wortlaut ist nicht notwendig Grenze der richtlinienkonformen Auslegung (BGH, Urt. v. 26.11.2008 - VIII ZR 200/05 - Quelle -, NJW 2009, 427, hierzu Pfeiffer, NJW 2009, 412). Vielmehr kommt eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion auch dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung ausdrücklich seine Absicht bekundet, eine richtlinienkonforme Regelung zu schaffen, die Annahme des Gesetzgeber, die Regelung sei richtlinienkonform, aber fehlerhaft ist. So liegt der Fall hier. Der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung von § 286 BGB durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz gerade auch die Zahlungsverzugsrichtlinie umsetzen, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt. Der Gesetzentwurf nimmt Bezug auch auf die Zahlungsverzugsrichtlinie (BT-DrS 14/6040 S. 1, ferner insb. S. 81 ff., sowie - bezogen auf die Änderung von § 286 BGB - S. 146). Das Problem der Fristberechnung bzw. des für die Rechtzeitigkeit der Leistung maßgeblichen Ereignisses hat er dabei übersehen.

Die Beklagte beruft sich gegenüber der richtlinienkonformen Auslegung auch ohne Erfolg darauf, dass die Mitgliedsstaaten gem. Art. 6 Abs. 3 lit. b der Richtlinie von der Umsetzung Verträge ausnehmen können, die vor dem 8.8.2002 geschlossen wurden. Der deutsche Gesetzgeber hat von der Ausnahmeregelung in Art. 6 Abs. 3 lit. B der Richtlinie bei der Umsetzung der Richtlinie durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nur insoweit Gebrauch gemacht, als die Neuregelungen für Dauerschuldverhältnisse, die vor dem 1.1.2002 begründet wurden, erst am 1.1.2003 in Kraft treten. Unabhängig davon liegen auch die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung nicht vor. Denn die maßgebliche vertragliche Regelung datiert - unstreitig - aus dem Jahr 2005 mit Wirkung zum 1.1.2006. Gerade die Verzugsregelung wurde per September 2002 und dann wieder für 2006 neu gefasst.

2.3. Gegenüber der nach Ablauf der Umsetzungsfrist gebotenen richtlinienkonformen Auslegung kann die Beklagte sich nicht auf Vertrauensschutz berufen.

Der Vertrauensschutz ist zwar sowohl Grenze der richtlinienkonformen Auslegung (EuGH, NJW 2006, 2465 zu Rn 110) als auch einer rückwirkenden Änderung einer gefestigten und anerkannten Rechtsprechung (BGHZ 154, 370; NJW 2006, 765). Für das Jahr 2006 ist aber ein schützenswertes Vertrauen der Beklagten nicht anzuerkennen. Denn das Landgericht hatte bereits im Parallelverfahren 11 O 112/04 = 18 U 78/05 OLG Köln durch Urteil vom 1.4.2005 für den Eintritt bzw. das Ende des Verzugs auf die Gutschrift der Zahlung auf dem Konto des Gläubigers abgestellt und dies gerade mit der Zahlungsverzugsrichtlinie begründet. Der Beklagten war die Problematik daher bekannt und sie musste damit rechnen, dass die Entscheidung des Landgerichts letztlich bestätigt werden würde. Nach dem Wortlaut der Richtlinie war es nicht fernliegend, für die Rechtzeitigkeit der Zahlung auf die Gutschrift auf dem Gläubigerkonto abzustellen. Art. 3 Abs. 1 lit. c) ii) der Richtlinie bestimmt, dass der Gläubiger berechtigt ist "bei Zahlungsverzug Zinsen insoweit geltend zu machen, als er den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten hat, es sei denn, dass der Schuldner für die Verzögerung nicht verantwortlich ist". Dementsprechend hat der Senat in dem damaligen Verfahren, an welchem die Beklagte beteiligt war, nach mündlicher Verhandlung vom 30.3.2006 durch Beschluss vom 26.5.2006 die Frage nach der Auslegung der Zahlungsverzugsrichtlinie dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.

Aus dem gleichen Grund ist der Verzug auch nicht durch einen unverschuldeten Rechtsirrtum auf Seiten der Beklagten ausgeschlossen. Zwar kann das Vertrauen auf die bisher herrschende Meinung für die Zeit bis zum Bekanntwerden der Entscheidung des EuGH als unverschuldeter Rechtsirrtum den Verzug ausschließen (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 6). Im Hinblick auf das Parallelverfahren gilt dies indes nicht für die Beklagte. Spätestens nach dem Urteil des Landgerichts konnte die Beklagte von einer jahrelangen, nicht beanstandeten Praxis nicht mehr ausgehen. Muss der Schuldner mit einer abweichenden Beurteilung durch das zuständige Gericht ernsthaft rechnen, handelt er grundsätzlich auch dann auf eigenes Risiko, wenn er seine eigene Rechtsansicht sorgfältig gebildet hat (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 276 Rn 23). Hier war es gerade das zuständige Gericht, welches die Ansicht vertreten hatte, dass es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung auf die Gutschrift beim Gläubiger ankommt.

3. Hinsichtlich des Verzugsbeginns ist - mit Ausnahme der Rechnung vom 2.10.2006 - von den von der Beklagten vorgetragenen Daten auszugehen. Die Klägerin rügt zu Unrecht eine unzureichende Tatsachenfeststellung durch das Landgericht.

Streitig ist der Zugang lediglich bei fünf Rechnungen, nämlich den Rechnungen vom 23.2., 2.3., 19.6., 18.7 und 2.10.2006. Drei dieser Rechnungen wurden ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Kopien der Briefumschläge durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt, nämlich die Rechnungen vom 23.2., 19.6. und 18.7.2006. Insoweit besteht kein Anlass zu Beweiserleichterungen der Klägerin.

Die Klägerin hat nicht den ihr obliegenden Nachweis dafür geführt, dass die Rechnung vom 2.3.2006 vor dem 7.3. zugegangen ist. Der Poststempel auf dem zur Rechnung vom 2.3.2006 gehörende Briefumschlag trägt das Datum 3.3. (GA 125), die Rechnung weist einen Eingangsstempel des Zentralbereichs C. T. der Beklagten (CSB) vom 7.3.2006 und einen weiteren Stempel der U.-D Service intern, Standort E. vom 7.3.2006 auf GA 124). Das spricht gegen die - nicht unter Beweis gestellte - Behauptung der Klägerin, die CSB leite die Schreiben ungeöffnet an die Fachabteilungen weiter. Dass eine an einem Freitag in N. bei der Post eingegangene Sendung erst am darauffolgenden Dienstag in E. zugestellt wird, ist nicht unplausibel.

Hinsichtlich der Rechnung vom 2.10.2006 geht der Senat von einem Zugang am 2.10. aus. In der von der Beklagten vorgelegten Anlage B 6 ist der Zugang dieser per Boten zugestellten Rechnung am 2.10.2005 unstreitig gestellt worden. Mit der Anl. B 11 hat sie sodann die Rechnung vorgelegt, die den Eingangsstempel 4.10.2006 - also dem ersten Werktag nach dem 2.10. - trägt. Der Umschlag weist einen handschriftlichen Vermerk "02.10.06, 17:55" und eine unleserliche Unterschrift auf.

Damit ist von einem Zugang am 2.10.2006 auszugehen.

Dem Zugang steht nicht entgegen, dass das Schreiben möglicherweise außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten bei der Beklagten eingegangen ist. Für den Zugang einer Erklärung bei einer Behörde genügt es, dass die Sendung bei der hierfür eingerichteten Stelle angelangt ist. Die Weiterleitung an den zuständigen Mitarbeiter ist nicht entscheidend, maßgeblich ist vielmehr der Eingang des Schreibens des Klägers bei der Posteinlaufstelle (BGH ZIP 2000, 1481). Die gleichen Grundsätze gelten für Unternehmen (Palandt/Ellenberger, BGB, 68. Aufl., § 130 Rn 6).

4. Nach den vorstehenden Erwägungen ist die Berufung der Klägerin unter Zugrundelegung der von der Beklagten behaupteten Zugangsdaten (mit Ausnahme der Rechnung vom 2.10.2006) in Höhe von 48.146,85 € begründet, das entspricht der alternativen Berechnung der Klägerin S. 11 f. ihrer Replik vom 24.5.2007 (GA 92 f.).

5. Zinsen auf die Verzugszinsen kann die Klägerin wegen § 289 BGB nicht verlangen. Nach § 289 S. 2 BGB können Zinsen auf Verzugszinsen nur geltend gemacht werden, wenn zum einen die Voraussetzungen des Verzuges auch hinsichtlich der Verzugszinsen vorliegen und zum anderen die Klägerin einen konkreten Verzugsschaden darlegt (Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 289 Rn 2). Jedenfalls an der Darlegung eines Zinsschadens fehlt es. Das gleiche gilt nach § 291 S. 2 BGB für den Anspruch auf Prozesszinsen. Eines vorherigen Hinweises bedurfte es gem. § 139 Abs. 2 ZPO nicht, da es sich um eine Nebenforderung handelt und zudem auch die Beklagte in der Klageerwiderung auf die Vorschrift des § 289 BGB hingewiesen hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat hat den Fall auf der Grundlage anerkannter Grundsätze alleine nach den tatsächlichen Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes entschieden. Die richtlinienkonforme Auslegung von §§ 286, 270 BGB nach der Entscheidung des EuGH ist in der Literatur anerkannt (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 270 Rn 6; PWW/Schmidt-Kessel, BGB, 3. Aufl., § 286 Rn 9; Gsell, GPR 2008, 165, 168, 170; Hilbig, Anm. zur Entscheidung des EuGH, JZ 2008, 991, 992). Ob der Beklagten Vertrauensschutz zuzubilligen ist und ihr Verschulden wegen unverschuldeten Rechtsirrtums ausgeschlossen ist, ist Frage des Einzelfalles.

Ende der Entscheidung

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