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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.08.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 349/09
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 57 Abs. 1
StGB § 68 b
StGB § 68 d
StGB § 68 e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StGB § 68 f Abs. 1 Satz 1
StGB § 68 f Abs. 1 Satz 2
StPO § 453 Abs. 2 S. 1
StPO § 453 Abs. 2 S. 2
StPO § 456 a
StPO § 463 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer hat bis zum 02.07.2009 eine vom Landgericht Schwerin mit Urteil vom 25.02.2004 - 33 KLs 58/03 jug.- wegen schweren Bandendiebstahls verhängte Freiheitsstrafe von 3 Jahren und zwei Monaten vollständig verbüßt. Im Anschluß hieran hat die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluss festgestellt, dass die gemäß § 68 f Abs. 1 Satz 1 StGB von Gesetzes wegen eintretende Führungsaufsicht nicht nach Abs. 2 der Bestimmung entfällt, da dem Beschwerdeführer keine günstige Sozialprognose gestellt werden könne. Unter Ziff. IV Nr. 2 des Beschlusses hat die Strafvollstreckungskammer dem Verurteilten untersagt, sich für die (auf fünf Jahre festgesetzte) Dauer der Führungsaufsicht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Der Beschwerdeführer ist gem. Schreiben des Landrates des Rhein-Sieg-Kreises vom 19.03.2008 vollziehbar ausreisepflichtig und kann abgeschoben werden. Die Staatsanwaltschaft Schwerin hat gleichwohl von der Möglichkeit, gem. § 456 a StPO von der Vollstreckung abzusehen, keinen Gebrauch gemacht. Der Beschwerdeführer befindet sich nach Verbüßung der Strafe aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 05.05.2008 in Untersuchungshaft; ihm liegt ein weiterer Bandendiebstahl zur Last. In diesem Verfahren ist unter dem 13.05.2009 Anklage erhoben worden (StA Köln 101 Js 11/09).

Gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 09.06.2009 hat der Verurteilte mit Verteidigerschriftsatz vom 19.06.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der gerügt wird, die Weisung, die Bundesrepublik zu verlassen, sei gesetzeswidrig. Sie stelle eine mit dem Recht der Europäischen Union unvereinbare Aufenthaltsbeschränkung dar, für die allein die Ausländerbehörde zuständig sei.

II.

1. Der Senat wertet das Rechtsmittel dahin, dass es sich allein gegen das Verbot des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland und nicht gegen die Feststellung des Nichtentfallens der Führungsaufsicht als solche richtet , die in keiner Weise zu beanstanden ist, sodass ein Rechtsmittel dagegen keine Erfolgsaussicht hätte. Insbesondere hindert den Eintritt der Führungsaufsicht nicht, dass der Beschwerdeführer nach vollständiger Verbüßung der Strafe nicht aus der Haft entlassen worden ist, sondern sich weiterhin in (Untersuchungs-)Haft befindet (OLG Düsseldorf NStZ-RR 02,190; S/S-Stree, StGB, 27. Aufl., Randnr.6). Etwas anderes bestimmt § 68 f Abs. 1 S.2 StGB nur für den Fall, dass im Anschluß an die Strafvollstreckung eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung vollzogen wird.

2. Das so verstandene Rechtsmittel ist gem. §§ 463 Abs. 1, 453 Abs. 2 S. 1 und 2 StPO als einfache Beschwerde statthaft, die nur auf die Gesetzeswidrigkeit einer Anordnung gestützt werden kann, worauf sich der Verurteilte ausdrücklich beruft. Dabei kann die Gesetzeswidrigkeit auch darin liegen, dass die Grenzen des der Strafvollstreckungskammer eingeräumten Ermessens überschritten sind, während bloße Zweckmäßigkeitsrügen die Beschwerde nicht rechtfertigen können (KK-Appl, StPO, 6. Aufl., § 453 Randnr. 13 ff)

3. Die demnach zulässige Beschwerde ist begründet.

Die unter Ziff. IV Nr. 2 ausgesprochene Weisung ist - unabhängig von den vom Verurteilten aufgeworfenen aufenthaltsrechtlichen Fragen - ungeeignet, das Ziel der Führungsaufsicht zu erreichen und damit gesetzeswidrig in dem oben erläuterten Sinne. Aufgabe der Führungsaufsicht als Maßregel der Besserung und Sicherung ist es, den Versuch zu machen, auch Tätern mit vielfach schlechter Sozialprognose - die dem Beschwerdeführer unzweifelhaft zu stellen ist - nach Strafverbüßung eine Lebenshilfe für den Übergang von der Freiheitsentziehung in die Freiheit zu geben und sie dabei zu überwachen und zu führen ( vgl. Fischer, StGB, 56. Aufl., Vor § 68 Randnr. 2). Mit diesem Gesetzeszweck kann das Aufenthaltsverbot in Deutschland in keinen sinnvollen Zusammenhang gebracht werden. Die Ausgestaltung der Führungsaufsicht erschöpft sich letztlich in der Weisung, Deutschland zu verlassen und innerhalb der Dauer der Führungsaufsicht nicht zu betreten. Die in Ziff. II. angeordnete Unterstellung unter die Führungsaufsichtsstelle läuft damit praktisch leer, der in Ziff. IV 1. angeordneten Pflicht zur Meldung eines Wohnsitzwechsels kommt kein erkennbar sinnvoller Gehalt zu.

Das Aufenthaltsverbot stellt sich damit im Ergebnis als das Gegenteil der mit dem Gesetz bezweckten Hilfestellung und Beaufsichtigung dar, weil es den Beschwerdeführer während der Dauer der Führungsaufsicht ohne eine praktisch zu realisierende Überwachungsmöglichkeit sich selbst überläßt. Dass der Beschwerdeführer auf diese Weise an der Begehung weiterer Straftaten im Bundesgebiet gehindert werden soll, kann die Weisung nicht rechtfertigen.

4. Der Senat hat unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung mit Beschluss vom 25.05.2009 - 2 Ws 243/09 - im Rahmen einer Reststrafenaussetzung gem. § 57 Abs. 1 StGB eine Weisung an den Verurteilten für zulässig gehalten (und selbst erteilt), die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen und während der Bewährungszeit nicht wieder zu betreten. Insoweit handelt es sich aber um nicht vergleichbare Sachverhalte, so dass diese Rechtsprechung zur Rechtfertigung der dem Beschwerdeführer erteilten Weisung nicht herangezogen werden kann. Der Senat hat in der Entscheidung vom 25.05.2009 eine Reststrafenaussetzung für vertretbar gehalten, weil dem dortigen Verurteilten eine günstige Sozialprognose nur unter dem Gesichtspunkt gestellt werden konnte, dass für ihn in seinem Heimatland Rumänien, in das er freiwillig zurückkehren wollte, eine Lebensperspektive erkennbar geworden und dadurch die begründete Aussicht auf ein straffreies Leben gegeben war, das er im Bundesgebiet prognostisch nicht hätte durchstehen können. Diese Erwägungen greifen im vorliegenden Fall nicht. Der Beschwerdeführer hat bei einer früheren Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer selbst erklärt, er habe in seiner Heimat "keine Chance". Deswegen ist er auch seit 1998 immer wieder unerlaubt in das Bundesgebiet eingereist und mit Straftaten auf dem Gebiet der Bandenkriminalität in Erscheinung getreten.

5. Der Senat hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen, damit die erforderliche am Zweck der Führungsaufsicht orientierte Ausgestaltung in ermessensgerechter Weise nachgeholt werden kann. Dabei sollte allerdings in Erwägung gezogen werden, den Ausgang des noch offenen Verfahrens StA Köln 101 Js 11/09 abzuwarten. Insoweit kann es nämlich gem. § 68e Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB zur Beendigung der Führungsaufsicht kommen, sofern in dem noch offenen Verfahren eine neue Führungsaufsicht eintritt , jedenfalls aber gem. Satz 2 der Bestimmung zum Ruhen der Führungsaufsicht während der Dauer des Vollzugs einer in dem offenen Verfahren ggfs verhängten Freiheitsstrafe. Dies läßt es nicht recht sinnvoll erscheinen, derzeit Entscheidungen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht zu treffen, die nach § 68 b StGB gem. § 68 d StGB auch nachträglich, d.h. vom Beginn der Führungsaufsicht bis zu deren Ende, getroffen werden können.

Ende der Entscheidung

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