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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 04.08.2009
Aktenzeichen: 2 Ws 361/09
Rechtsgebiete: BtMG, StPO, StrVollstrO, EGGVG, StGB


Vorschriften:

BtMG § 35
BtMG § 35 Abs. 2 Satz 2
BtMG § 35 Abs. 6
StPO § 311 Abs. 2
StPO § 454 b Abs. 2
StPO § 458
StPO § 458 Abs. 2
StPO § 462 Abs. 3
StrVollstrO § 21
StrVollstrO § 43 Abs. 3 S. 1
StrVollstrO § 43 Abs. 4
EGGVG §§ 23 ff
EGGVG § 25
EGGVG § 28
StGB § 57 Abs. 1
StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Verurteilten im Beschwerdeverfahren hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.

Gegen den Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 - 708 Ds 128/08 - wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt worden. Das Urteil ist seit dem 11.09.2008 rechtskräftig. Diese Strafe wurde seit dem 11.02.2009 vollstreckt. Die Staatsanwaltschaft Köln hat die Vollstreckung zum 2/3-Zeitpunkt mit Ablauf des 10.04.2009 zur Vollstreckung der Strafe aus dem Verfahren 109 Js 54/08 StA Köln unterbrochen, in dem der Verurteilte am 09.12.2008 - rechtskräftig seit dem 18.02.2009 - wegen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden ist. Der gemeinsame 2/3-Termin beider Strafen ist am 17.12.2009, Strafende ist auf den 18.07.2010 notiert.

Der Verurteilte hat im Hinblick auf die von ihm im Verfahren 109 Js 54/08 StA Köln angestrebte Zurückstellung nach § 35 BtMG mit anwaltlichem Schreiben vom 22.06.2009 bei der Staatsanwaltschaft Köln beantragt, die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 vorweg zu vollstrecken und die Vollstreckung nicht zum 2/3-Termin zu unterbrechen; die Staatsanwaltschaft Köln hat dies abgelehnt (Bl. 124, 128, 131 f. d.A.).

Auf die "Beschwerde" des Verurteilten vom 06.07.2009 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Köln durch den angefochtenen Beschluss seinen Antrag zurückgewiesen.

Gegen diesen, seinem Verteidiger am 16.07.2009 und ihm am 17.07.2009 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schreiben vom 20.07.2009, eingegangen beim Landgericht Köln am selben Tag, erneut "Beschwerde" eingelegt.

II.

Die gem. § 462 Abs. 3 StPO statthafte, rechtzeitig innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO eingelegte und damit insgesamt zulässige sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

Für die Entscheidung über die Einwendung des Verurteilten gegen die Vollstreckungsreihenfolge ist nicht nach §§ 458 Abs. 2, 454 b Abs. 2 StPO die Strafvollstreckungskammer zuständig. Vielmehr ist gegen die Ablehnung der Änderung der Vollstreckungsreihenfolge durch die Staatsanwaltschaft der Rechtsweg nach §§ 21 StrVollstrO, 23, 25, 28 EGGVG gegeben. D.h. über die Einwendungen des Verurteilten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft entscheidet zunächst die Generalstaatsanwaltschaft (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StrVollstrO), gegen deren Entscheidung sodann gegebenenfalls nach §§ 23 ff EGGVG das Oberlandesgericht angerufen werden kann.

Der Verurteilte begehrt eine Änderung der von der Staatsanwaltschaft Köln als Vollstreckungsbehörde vorgesehenen Vollstreckungsreihenfolge mit dem Ziel, möglichst früh eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zu erreichen. Hierzu muss zunächst die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 vollständig verbüßt oder zur Bewährung ausgesetzt sein, da diese Strafe nicht nach § 35 BtMG zurückstellungsfähig ist und gem. § 35 Abs. 6 BtMG die Zurückstellung der anderen Strafen hindert. Denn die Zurückstellung nach § 35 BtMG kann nur erfolgen, wenn nicht eine weitere, nicht zurückstellungsfähige Freiheitsstrafe zur Vollstreckung ansteht (Körner, BtMG, 6. Auflage 2007, § 35 Rdnr.443).

Gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Strafvollstreckung ist grundsätzlich der Rechtsweg nach §§ 21 StrVollstrO, 23 ff EGGVG gegeben, sofern die Maßnahme nicht ausnahmsweise aufgrund gesetzlicher Anordnung der umfassenden Beurteilung durch das Gericht unterliegt. Es handelt sich um Verwaltungsentscheidungen, die nur der eingeschränkten Rechtskontrolle nach § 23 EGGVG unterliegen.

Die Ablehnung des Antrages auf Vorwegvollstreckung der nicht zurückstellungsfähigen Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Köln vom 05.06.2008 gehört nicht zu den Entscheidungen, die nach § 458 StPO der umfassenden Beurteilung durch die Strafvollstreckungskammer unterliegen.

Nach § 458 Abs. 2 StPO entscheidet das Gericht über Einwendungen gegen die Entscheidung der Vollstreckungsbehörde im Rahmen des § 454 b Abs. 2 StPO, der die Unterbrechung der Vollstreckung zum 2/3-Zeitpunkt regelt.

Durch das Dreiundzwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz vom 13.04.1986 wurde die ursprünglich in § 43 Abs. 3 S. 1 der StrVollstrO enthaltene Regelung, wonach bei Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen die Vollstreckung der jeweiligen Strafe nach Ablauf von zwei Dritteln zu unterbrechen ist, in § 454 b Abs. 2 StPO übernommen. Der Gesetzgeber wollte die Unterbrechung zum 2/3-Zeitpunkt, die bis dahin lediglich als Verwaltungsanordnung in der StrVollstrO geregelt war, durch die Aufnahme in §§ 454 b Abs. 2, 458 Abs. 2 StPO der umfassenden Beurteilung durch die Strafvollstreckungskammer unterstellen, um so den Vorschriften des materiellen Rechts über die Aussetzung der Vollstreckung von Strafresten Genüge zu tun (vgl. BT-DrS 10/2720, S. 15, 17; BGH NStZ 1991, 205).

Dies bedeutet umgekehrt, dass lediglich in den Fällen, in denen § 454 b Abs. 2 StPO und die hierin vorgesehene Unterbrechung zur Anwendung kommen sollen, im Streitfall die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer begründet werden sollte (BGH aaO).

In den Fällen, in denen die Vollstreckung nicht nach § 454 b Abs. 2 StPO unterbrochen werden soll, bleibt es daher bei dem für die Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen eröffneten Rechtsweg nach §§ 23, 25 EGGVG zur Generalstaatsanwaltschaft und zum Oberlandesgericht. Dementsprechend ist in den Fällen, in denen es um eine Unterbrechung zum Halbstrafenzeitpunkt in den Fällen des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB (OLG Hamm, NStZ 1999, 45) oder um die Unterbrechung einer Strafe geht, deren Rest bereits einmal zur Vollstreckung ausgesetzt war (OLG Hamm, Beschl. vom 22.10.1998, 4 Ws 590/98; BGH NStZ 1991, 205), nicht der Rechtsweg zur Strafvollstreckungskammer, sondern lediglich der Rechtsweg nach §§ 23 ff EGGVG gegeben (s. auch OLG Hamm, StraFo 2003, 276).

Nach Auffassung des Senats gilt dies auch in den Fällen, in denen der Verurteilte sich gegen die Unterbrechung zum 2/3-Zeitpunkt wendet, weil hierdurch die von ihm primär begehrte Zurückstellung der Vollstreckung nach § 35 BtMG verzögert wird. Die Frage, ob in einem solchen Fall von der in § 454 b Abs. 2 StPO an sich vorgesehenen Unterbrechung aus wichtigem Grund entsprechend § 43 Abs. 4 StrVollstrO abgesehen werden kann, um dem Verurteilten eine möglichst frühzeitige Zurückstellung nach § 35 BtMG im Hinblick auf eine angestrebte Therapie zu ermöglichen, - wofür nach Ansicht des Senats im Hinblick auf den Zweck des § 454 b Abs. 2 StPO einiges spricht - ist eine Verwaltungsentscheidung der Vollstreckungsbehörde, die nicht nach § 458 Abs. 2 StPO der vollen Rechtskontrolle durch die Strafvollstreckungskammer unterliegt. Denn in diesen Fällen geht es nicht um die Vorbereitung der Entscheidung über eine Aussetzung der Reststrafe nach § 57 Abs. 1 StGB, der die Übernahme der Regelungen zur Vollstreckungsunterbrechung in die StPO dient, vielmehr hat der Verurteilte auf die Aussetzung nach § 57 Abs. 1 StGB verzichtet. Die vom Verurteilten begehrte Änderung der Vollstreckungsreihenfolge hat vielmehr die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG zum Ziel. Entscheidungen der Vollstreckungsbehörde im Zusammenhang mit der Zurückstellung der Strafvollstreckung unterliegen gem. § 35 Abs. 2 Satz 2 BtMG indes lediglich der Verwaltungskontrolle im Verfahren nach §§ 23 ff EGGVG (SenE v. 30.04.2003 - 2 Ws 293/03 und vom 04.02.2009 - 2 Ws 34-35/09).

Die Frage, ob die in § 454 b Abs. 2 StPO angeordnete Unterbrechung die vom Verurteilten beantragte Vorabvollstreckung der nicht zurückstellungsfähigen Strafe hindert, ist lediglich eine im Rahmen dieser Verwaltungsmaßnahme zu entscheidende rechtliche Vorfrage, nicht aber der eigentliche Gegenstand der zu treffenden Entscheidung.

Bei der von der Vollstreckungsbehörde zu treffenden Entscheidung über die Änderung der Vollstreckungsreihenfolge handelt es sich daher um eine Verwaltungsentscheidung der Vollstreckungsbehörde im Rahmen der Verwaltungsvorschrift des § 43 Abs. 4 StrVollstrO, die lediglich der für Verwaltungsentscheidungen gegebenen Rechtskontrolle nach §§ 23, 25 EGGVG unterliegen. Über die Beschwerde des Verurteilten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, die Vollstreckungsreihenfolge nicht zu ändern, hat also gem. § 21 StrVollstrO zunächst die Generalstaatsanwaltschaft zu entscheiden, gegen deren Entscheidung die Beschwerde - in NRW - zum Oberlandesgericht in Hamm nach §§ 23, 25 EGGVG gegeben ist.

Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer ist daher aufzuheben. Zur Entscheidung über die Beschwerde des Verurteilten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde ist demnach zunächst die Generalstaatsanwaltschaft berufen.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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