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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 05.11.1999
Aktenzeichen: 2 Wx 41/99
Rechtsgebiete: GBO, BGB


Vorschriften:

GBO § 78 Satz 1
GBO § 35 Abs. 1 Satz 1
GBO § 35 Abs. 1 Satz 2
GBO § 29 Abs. 1
GBO § 79 Abs. 2
BGB § 2102 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

2 Wx 41/99 11 T 142/99 Landgericht Köln L., Bl. .... und .... Amtsgericht Köln

In der Grundbuchsache

betreffend die im Grundbuch von L. des Amtsgerichts Köln, Blatt ...... eingetragenen Grundstücke pp.

hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Jäger sowie der Richter am Oberlandesgericht Schmidt-Eichhorn und Sternal

am 5. November 1999

beschlossen:

Tenor:

Auf die weitere Beschwerde der Antragsteller vom 22. September 1999 wird der Beschluß der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 24. August 1999 - 11 T 142/99 - geändert und wie folgt neu gefaßt:

Auf die Beschwerde der Antragsteller vom 6. Juli 1998 wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Grundbuchamtes - Köln vom 28. Juni 1999 - 12 L. ... /2 - aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den in dieser Zwischenverfügung geäußerten Bedenken gegen den Berichtigungsantrag der Antragsteller vom 31. Mai 1999 Abstand zu nehmen.

Gründe:

1. Die Antragsteller sind die gemeinsamen Kinder der verstorbenen Eheleute J.-J. W. und M. E. W., gebotene S..

Die Eheleute J.-J. und E. W. waren zu je 1/2-Anteil Eigentümer des im Grundbuch von L., Blatt ...., eingetragenen Grundstücks Am Sch. 36. Herr J.-J. W. war ferner Eigentümer des im Grundbuch von L., Blatt ...., verzeichneten Grundstücks W.er Straße 10.

Die Eheleute W. haben am 9. Juli 1955 ein gemeinschaftliches notarielles Testament - UR Nr. 104/1955 des Notars N. aus W. - errichtet, durch das sie sich gegenseitig als unbeschränkte Vorerben und ihre beiden Kinder, die Antragsteller, zu Nacherben eingesetzt und bestimmt haben, daß die Nacherbfolge beim Tode des überlebenden Ehegatten oder, falls dieser wieder heiraten sollte, mit dieser Heirat eintreten solle. Nachdem Frau E. W. am 21. April 1994 verstorben war, ist Herr J.J. W. als Alleineigentümer des im Grundbuch von L., Blatt ...., verzeichneten Grundstücks - mit einem Nacherbenvermerk zu Gunsten der Antragsteller - eingetragen worden. Herr J.-J. W. ist am 21. Dezember 1997 verstorben. Unter Bezugnahme auf das nach seinem Tode am 3. Februar 1998 eröffnete notarielle Testament vom 9. Juli 1955 und die Niederschrift über die Eröffnung dieses Testaments haben die Antragsteller mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 31. Mai 1999 beantragt, sie anstelle des Verstorbenen in Erbengemeinschaft als Eigentümer der beiden Grundstücke im Grundbuch einzutragen.

Mit Zwischenverfügung vom 28. Juni 1999 hat die Rechtspflegerin diesen Antrag beanstandet und ausgeführt, eine Berichtigung des Grundbuchs komme derzeit nur hinsichtlich des (früheren) 1/2-Anteils von Frau E. W. an dem auf Blatt .... verzeichneten Grundstück in Betracht, weil das Testament vom 9. Juli 1955 nur den Eintritt des Nacherbfalls regele, nicht jedoch eine Erbeinsetzung nach dem zuletzt verstorbenen Ehepartner enthalte. Zugleich hat das Grundbuchamt den Antragstellern eine Frist zur Vorlage eines Erbscheins nach ihrem Vater gesetzt.

Die gegen diese Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde der Antragsteller vom 6. Juli 1999 hat das Landgericht Köln durch Beschluß vom 24. August 1999 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluß wenden sich die Antragsteller mit der weiteren Beschwerde vom 22. September 1999.

2. Die gemäß § 78 Satz 1 GBO statthafte, an keine Frist gebundene, in rechter Form (§ 80 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GBO) eingelegte weitere Beschwerde ist begründet. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 78 GBO, 550 ZPO).

Die Berichtigung des Grundbuchs dahin, daß die Antragsteller Eigentümer der beiden in Rede stehenden Grundstücke sind, kann nicht von der Vorlage eines Erbscheins nach ihrem Vater abhängig gemacht werden. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge zwar grundsätzlich durch Vorlage eines Erbscheins zu führen. Beruht die Erbfolge indes auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde - wie hier einem notariellen Testament - enthalten ist, so genügt gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO die Vorlage dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift. Die Auslegung der Verfügung von Todes wegen obliegt (auch) dem Grundbuchamt, und zwar auch dann, wenn rechtlich schwierige Fragen beurteilt werden müssen (vgl. BayObLGZ 1982, 449 [452]; BayObLGZ 1989, 8 [9 ff]; BayObLG Rpfleger 1995, 249; Bauer/von Oefele/Schaub, GBO, 1999, § 35, Rdn. 125; Demharter, GBO, 22. Aufl. 1997, § 35, Rdn. 42; Herrmann in Kuntze/Eickmann/Herrmann u.a., GBO; 5. Aufl. 1999, § 35, Rdn. 73; Meikel/Roth, GBO, 8. Aufl. 1998, § 35, Rdn. 111). Dabei hat das Grundbuchamt auch die gesetzlichen Auslegungsregeln zu beachten (vgl. OLG Stuttgart, Rpfleger 1992, 154). Einen Erbschein darf es nur dann verlangen, wenn sich bei der Prüfung der Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts Zweifel tatsächlicher Art ergeben, die nur durch weitere - nur dem Nachlaßgericht (§§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB), wegen der Beschränkung des § 29 Abs. 1 GBO aber nicht dem Grundbuchamt mögliche Ermittlungen über den Willen des Erblassers oder über die tatsächlichen Verhältnisse geklärt werden können (vgl. BayObLGZ 1974, 1 [6]; BayObLG Rpfleger 1995, 249; Senat, MittRhNotK 1988, 44; OLG Hamm, NJW 1969, 798; f; OLG Stuttgart, Rpfleger 1992, 154; Bauer/von Oefele/Schaub, a.a.O., § 35, Rdn. 126; Demharter, a.a.O., § 35, Rdn. 39; Hermann, a.a.O., § 35, Rd. 74; Meikel/Roth, a.a.O.).

Derartige weitere Ermittlungen sind im vorliegenden Fall nicht erforderlich. Ergänzende, über den Inhalt der Testamentsurkunde hinausgehende tatsächliche Feststellungen über den Willen der Erblasser, die das Nachlaßgericht im Erbscheinsverfahren bei der dort gebotenen Ermittlung von Amts wegen (§§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB) treffen könnte, die dem Grundbuchamt indes im Hinblick auf die Regelung des § 29 Abs. 1 GBO verwehrt sind, kommen vorliegend ersichtlich nicht in Betracht. Die Testierenden können darüber, was sie gewollt haben, nicht mehr gehört werden, und es ist auch nicht anzunehmen, daß der beurkundende Notar, falls er noch vernommen werden könnte, konkrete Angaben zu einer vor mehr als 40 Jahren vorgenommenen Beurkundung machen könnte (vgl. OLG Stuttgart, Rpfleger 1992, 154). Anzuwenden ist daher hier die Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB, nach der die Einsetzung als Nacherbe im Zweifel auch die Einsetzung als Ersatzerbe enthält. Da dies nur "im Zweifel" gilt, findet die Bestimmung zwar dann keine Anwendung, wenn sich der Wille des oder der Testierenden durch Auslegung ermitteln läßt (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 476 [477]; KG NJW-RR 1987, 451). Dies ist hier indes nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist § 2102 Abs. 1 BGB auch auf den hier gegebenen Fall anzuwenden, daß sich Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig als (befreite) Vorerben und einen oder mehrere Dritte, etwa ihre Abkömmlinge, als Nacherben einsetzen, ohne ausdrücklich zu bestimmen, wer Erbe des zuletzt versterbenden Ehepartners sein soll (vgl. BGH FamRZ 1987, 475 [476]; KG NJW-RR 1987, 451 [452]; LG Berlin, FamRZ 1976, 293 [294,,f]; Erman/M. Schmidt, BGB, 8. Aufl. 1993, § 2102, Rdn. 3; Grunsky in Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 2102, Rdn. 3 am Ende; Nehlsen-von Stryck, DNotZ 1988, 147 [149 ff]; Palandt/Edenhofer, BGB, 58. Aufl. 1999, § 2102, Rdn. 3; Staudinger/Behrens/Avena-rius, BGB, 13. Bearb. 1996, § 2102, Rdn. 3). Der früher teilweise in der Rechtsprechung (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1970, 255 ff; OLG München, HRR 1937, Nr. 1094) vertretenen Gegenauffassung vermag der Senat nicht beizupflichten. Sie ist damit begründet worden, daß mit dem Tode des zuerst verstorbenen Ehepartners die Bedingung, unter der die Abkömmlinge zu Nacherben des anderen Ehegatten berufen worden seien, ausgefallen sei (vgl. OLG München, a.a.O.; so auch Staudinger/Seybold, BGB, 11. Aufl. 1954, § 2102, Anm. 4). Diese Erwägung ist indes nicht richtig. Sie übersieht, daß die Einsetzung zum Nacherben stets an die Bedingung geknüpft ist, daß der als Vorerbe Bedachte den Erblasser überlebt (vgl. Erman/M. Schmidt, a.a.O.). Die Vorschrift des § 2102 Abs. 1 BGB will indes gerade in den Fällen, in denen die Einsetzung eines Nacherben wegen vorherigen Wegfalls des Vorerben nicht zum Tragen kommt, die Wirkung der Verfügung von Todes wegen dadurch erhalten, daß nach der gesetzlichen Auslegungsregel der Nacherbe für den Fall des Vorversterbens des Vorerben ersatzweise als Vollerbe berufen ist (vgl. KG NJW-RR 1987, 451 [452]; Nehlsen-von Stryck, DNotZ 1988, 147 [149]). Dies gilt auch und gerade bei der hier gegebenen Sachlage, so daß sich aus dem notariellen Testament in Verbindung mit der Niederschrift über seine Eröffnung und der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2102 Abs. 1 BGB ergibt, daß die Antragsteller Erben ihres Vaters geworden sind. Dies genügt den Anforderungen des § 35 Abs. 1 GBO, so daß die Vorlage eines Erbscheins hier nicht verlangt werden kann.

Daß der Senat mit der vorliegenden Entscheidung von der Rechtsauffassung abweicht, die unter anderem den oben angeführten Entscheidungen des OLG Karlsruhe (FamRZ 1,970, 255 ff) und des OLG München (HRR 1937, Nr. 1094) zugrunde liegt, gibt keinen Anlaß, die Sache nach § 79 Abs. 2 GBO dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen, weil der Bundesgerichtshof über die Frage der Anwendbarkeit des § 2102 Abs. 1 BGB inzwischen - in dem oben zitierten Urteil vom 28. Januar 1987 (FamRZ 1987, 475 f), wenn auch ohne nähere Begründung,- entschieden hat und der Senat dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs folgt. In einem derartigen Fall kommt eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nicht in Betracht (vgl. BayObLG NJW-RR 1986,1480 [1481]; OLG Hamm, NJW-RR 1993,838 [840]; Demharter, a.a.O., § 79, Rdn. 12; Kahl in Keidel/Winkler, a.a.O, § 28, Rdn. 17 mit weit. Nachw. in Fußn. 66).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt, weil den Beschwerdeführern kein Gegner gegenüber steht.

Ende der Entscheidung

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