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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 31.10.2006
Aktenzeichen: 3 U 138/05
Rechtsgebiete: BGB, BinSchG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 683
BGB § 677
BGB § 670
BinSchG §§ 4-5m
ZPO § 305 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 7. Juli 2005 (5 C 32/00) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen und Abweisung der weiter gehenden Klage wie folgt abgeändert:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 7.170,76 Euro nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 16.10.1999 bis zum 27.01.2000, in Höhe von 4,5 % seit dem 28.01.2000 bis zum 09.04.2000, in Höhe von 5 % seit dem 10.04.2000 bis zum 03.12.2002, in Höhe von 4,5 % seit dem 04.12.2002 bis zum 16.02.2003 sowie in Höhe von 4 % seit dem 17.02.2003 zu zahlen.

Den Beklagten bleibt vorbehalten, das Recht auf Beschränkung der Haftung gem. §§ 4 bis 5m des Binnenschifffahrtsgesetzes geltend zu machen, wenn ein Fonds nach § 5d des Binnenschifffahrtsgesetzes errichtet worden ist oder bei Geltendmachung des Rechts auf Beschränkung der Haftung errichtet wird.

Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Kosten der Streithelferin der Klägerin zu 9/10. Die Klägerin trägt 1/10 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Gerichtskosten. Im Übrigen tragen die Parteien und die Streithelferin ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen, soweit die Klägerin durch das vorliegende Urteil beschwert ist.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Erstattung ihr entstandener Sicherungskosten nach einem Schiffsunfall.

Am 07.05.1999 gegen 1.30 Uhr explodierte das im Eigentum der Beklagten zu 1. stehende TMS "B" an der Verladeanlage der Streithelferin der Klägerin in E, Rheinkilometer 710,6. Verantwortlicher Schiffsführer des TMS "B" war der Beklagte zu 2.. Das Schiff wurde durch die Explosion zerstört und sank außerhalb der Fahrrinne des Rheins. Das Wrack wurde durch Auslegen von zwei Wahrschaupontons seitens des Wasser- und Schifffahrtsamtes L bis zur Bergung gesichert. Die Kosten für diese Sicherungsmaßnahmen betrugen 14.024,80 DM, deren Erstattung die Klägerin verlangt.

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Das Schifffahrtsgericht hat die Klage zugesprochen. Es hat einen Anspruch der Klägerin aus §§ 683, 677, 670 BGB bejaht. Diese habe mit den von ihr ergriffenen und hier in Rechnung gestellten Sicherungsmaßnahmen ein Geschäft der Beklagten geführt. An der Verantwortlichkeit der Beklagten für Sicherungsmaßnahmen habe sich durch die im Unfallzeitpunkt vorgenommene Verladung nichts geändert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei davon auszugehen, dass das Unfallereignis nicht von der Streithelferin zu verantworten sei. Daher habe für die Klägerin keine Veranlassung bestanden, ihr etwaiges Ermessen dahin auszuüben, nicht die Beklagten sondern die Streithelferin in Anspruch zu nehmen. Auf eine Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 ff. BSchG könnten sich die Beklagten nicht berufen, da der geltend gemachte Anspruch nicht von diesen Vorschriften erfasst werde.

Mit ihrer Berufung wenden sich die Beklagten zunächst gegen die Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort; zuständig gewesen sei vielmehr das Rheinschifffahrtsgericht. Zudem bestehe ein Anspruch der Klägerin auch nach materiellem Recht nicht. Zu Unrecht sei das Schifffahrtsgericht von einer schiffsseitig zu verantwortenden Verursachung des Unfalls ausgegangen. Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag ergäben sich allenfalls im Verhältnis der Klägerin zu ihrer Streithelferin. Jedenfalls seien etwaige Ansprüche der Klägerin aber gem. § 5 f BSchG beschränkt.

Die Beklagten beantragen,

das angefochtene Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 07.07.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen, sowie hilfsweise (sinngemäß), die Haftungsbeschränkung nach dem Binnenschifffahrtsgesetz vorzubehalten.

Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin und ihre Streithelferin verteidigen das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat nur zu einem geringen Teil Erfolg, soweit sie sich gegen die Versagung der Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 bis 5m des Binnenschifffahrtsgesetzes wendet; im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Die Klage ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, ist für Fälle wie den vorliegenden, in dem der Verkehrssicherungspflichtige Ersatz von Aufwendungen für Sicherungsmaßnahmen verlangt, die Zuständigkeit des von der Klägerin angerufenen Schifffahrtsgerichts und nicht diejenige des Rheinschifffahrtsgerichts eröffnet (BGH, Urt. v. 24.05.1971, VersR 1971, 816; im selben Sinn Berufungskammer der Zentralkommission, Urt. v. 22.10.1976, ZfB 1978, 476). Die Frage, ob angesichts der Regelung des § 513 Abs.2 ZPO die Zuständigkeit im Berufungsverfahren überhaupt noch zu prüfen ist (vgl. OLG Karlsruhe, Rheinschifffahrtsobergericht, Urt. v. 08.11.2002, TranspR 2003, 248 ff.), kann daher vorliegend dahinstehen.

2.

Das Schifffahrtsgericht hat mit Recht einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten nach den Vorschriften der §§ 683, 677, 670 BGB bejaht. Denn die Klägerin hat mit den von ihr getroffenen Sicherungsmaßnahmen, deren Umfang und Kostenaufwand unstreitig sind, berechtigterweise ein Geschäft auch der Beklagten geführt und kann daher Erstattung der ihr entstandenen Aufwendungen verlangen.

a.

Die Klägerin hat mit der Sicherung der Unfallstelle ein Geschäft geführt, das in den Rechts- und Interessenkreis auch der Beklagten fiel. Denn gem. § 1.17 Ziff.2 der RhSchPVO ist die Sicherung der Unfallstelle eines gesunkenen Schiffs Aufgabe des Schiffsführers, hier des Beklagten zu 2.; nach allgemeinen Grundsätzen ist aber auch der Eigentümer des Schiffs, hier die Beklagte zu 1., für die Sicherung der Unfallstelle verantwortlich (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1975, BGHZ 65, 384 ff.). Soweit die Beklagten hier geltend machen, ihr Schiff sei "Teil der Verladeanlage" geworden, ergibt sich daraus nichts Anderes für die Verantwortlichkeit hinsichtlich der Sicherung des gesunkenen Schiffs; dieses hat seine Eigenschaft als Schiff im Sinne des § 1.17 RhSchPVO offensichtlich nicht verloren und stellte nach der Explosion eine eigenständige Gefahrenquelle dar. Anhaltspunkte dafür, dass die von der Klägerin veranlasste Wahrschau hier ausnahmsweise offensichtlich unnötig gewesen wäre, weil eine Gefährdung des Schiffsverkehrs offensichtlich ausgeschlossen war (dazu vgl. Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Aufl., § 1.17 Rn7), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b.

Diese Pflicht zur Sicherung der Unfallstelle hat hier die Klägerin anstelle der Beklagten erfüllt. Damit hat sie ein Geschäft der Beklagten geführt, unabhängig von der Erfüllung der sie selbst treffenden Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGH, Urt. v. 15.12.1975, BGHZ 65, 384 ff.).

c.

Diese Geschäftsführung lag im Interesse der zum Handeln verpflichteten Beklagten, denn mit den von der Klägerin ergriffenen Sicherungsmaßnahmen wurden sie von ihrer eigenen Verpflichtung zur Sicherung der Unfallstelle befreit. Der Fremdgeschäftsführungswille der Klägerin ist daher nach den Grundsätzen über das sog. "auch-fremde-Geschäft" zu vermuten (vgl. nur Palandt-Sprau, BGB, 65. Aufl., § 677 BGB Rn6).

d.

Ob die Geschäftsführung auch dem Willen der Beklagten entsprach, ist vorliegend ohne Belang, da die Sicherung der Unfallstelle im öffentlichen Interesse lag, § 679 BGB (BGH, Urt. v. 10.04.1969, NJW 1969, 1205 ff.).

e.

Der Einwand der Beklagten, der Untergang des Schiffs sei von der Streithelferin der Klägerin und nicht von ihnen zu verantworten, ist unerheblich. Darauf, ob die Beklagten den Untergang verschuldet haben, kommt es für ihre Inanspruchnahme nach den Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht an (BGH, Urt. v. 12.03.1964, NJW 1964, 1365).

f.

Schließlich greift auch der Hinweis der Beklagten darauf, die Klägerin habe hier jedenfalls im Rahmen ihrer Ermessensausübung in erster Linie ihre Streithelferin in Anspruch nehmen müssen, nicht durch. Denn eine Verpflichtung der Beklagten, (zunächst) die Streithelferin in Anspruch zu nehmen, besteht vorliegend nicht.

aa.

Auszugehen ist davon, dass es gem. § 421 BGB im freien Belieben der Klägerin steht, ob sie die Beklagten oder - deren Haftung unterstellt - ihre Streithelferin in Anspruch nimmt. Auf die Haftungsverteilung im Innenverhältnis braucht sie grundsätzlich keine Rücksicht zu nehmen, selbst wenn sie von der Alleinverantwortlichkeit eines der Schuldner Kenntnis hat (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1991, NJW 1991, 1289 f.). § 421 BGB findet Anwendung, denn soweit auch die Streithelferin zur Sicherung der Unfallstelle verpflichtet war, hat die Klägerin hier die von ihr ergriffenen Sicherungsmaßnahmen für mehrere Störer getroffen. Damit hätte die Klägerin zulässigerweise zugleich für mehrere Geschäftsherrn gehandelt (Seiler, in: Münchner Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 677 BGB Rn7; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.11.1976, BGHZ 67, 368, 372). Handelt ein Geschäftsführer aber in dieser Weise für mehrere Geschäftsherrn, so sind ihm diese gesamtschuldnerisch zum Aufwendungsersatz verpflichtet (Palandt-Sprau § 677 BGB Rn8).

bb.

Besondere Umstände, die der Klägerin im vorliegenden Fall eine Inanspruchnahme der Beklagten verwehren würden, sind nicht ersichtlich.

(1)

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt eine Ausnahme dann in Betracht, wenn der Gläubiger mit der Inanspruchnahme gerade eines bestimmten Gesamtschuldners missbilligenswerte Absichten verfolgt (vgl. BGH, Urt. v. 22.01.1991, NJW 1991, 1289 f.); dafür ist hier nichts ersichtlich.

(2)

Weiter kommt eine Einschränkung bei der Inanspruchnahme mehrerer als Gesamtschuldner Haftender dann in Betracht, wenn die Gesamtschuldner auf öffentlich-rechtlicher Grundlage verpflichtet sind; hier kann es ein Gebot pflichtgemäßer Ermessensausübung sein, eine vorrangige Verantwortlichkeit des im Innenverhältnis allein Verantwortlichen zu berücksichtigen (Noack, in: Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 421 BGB Rn117; Bydlinski, in: Münchner Kommentar, BGB, 4.Aufl., § 421 BGB Rn77). Im vorliegenden Fall geht es aber gerade nicht um eine Inanspruchnahme auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, sondern um eine solche auf privatrechtlicher Grundlage; die Verkehrssicherungspflicht der Klägerin ist ebenso privatrechtlich zu beurteilen wie die Inanspruchnahme der Beklagten nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag (BGH, Urt. v. 12.03.1964, NJW 1964, 1365). In Fällen wie dem vorliegenden lässt sich daher schon im Ansatz nicht feststellen, an welchen Zweck die Ausübung des Ermessens gebunden werden sollte (dazu vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1993, NJW 1993, 1667, 1669; BVerwG, Urt. v. 29.09.1982, BVerwGE 66, 178 ff.), weil es an einer entsprechenden öffentlich-rechtlichen, das freie Belieben gem. § 421 BGB im Einzelfall beschränkenden Zweckbestimmung gerade fehlt.

Selbst wenn man aber auch in Fällen wie dem vorliegenden eine Ermessensbindung annehmen wollte, die eine Berücksichtigung auch der Verantwortlichkeit mehrerer Haftender im Innenverhältnis erfordert, erweist sich die Inanspruchnahme der Beklagten durch die Klägerin nicht als ermessensfehlerhaft. Die Ermessensausübung in Fällen wie dem vorliegenden könnte, wenn man sie denn für erforderlich hält, nur an die einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und Grundsätze, hier diejenigen des Bundeswasserstraßengesetzes, anknüpfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können strompolizeiliche Maßnahmen gem. § 25 WaStrG im Zusammenhang mit der Bergung von Schiffen aber grundsätzlich wahlweise gegen Verhaltens- und/oder Zustandsstörer gerichtet werden; Ausnahmen gibt es nur in Fällen besonderer Härte, fehlendes Verschulden an einem Unfall genügt hingegen nicht (BVerwG, Beschl. v. 22.12.1980, VkBl 1982, 135 f.). Allgemein gilt, dass bei einer Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern auf öffentlich-rechtlicher Grundlage zwar Ermessensbindung besteht, das Ermessen jedoch nach dem Zweck der jeweiligen Vorschrift sehr weit zu verstehen sein kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1993, NJW 1993, 1667 ff.; BVerwG, Urt. v. 29.09.1982, BVerwGE 66, 178 ff.). Danach ist das Ermessen zunächst nur durch offenbare Unbilligkeit begrenzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1993, NJW 1993, 1667; OVG Hamburg, Beschl. v. 24.10.2003, KStZ 2004, 116 ff.; BayVGH, Urt. v. 01.07.1998, NVwZ-RR 1999, 99 ff.). Offenbare Unbilligkeit ließe sich hier aber allenfalls dann annehmen, wenn jegliche Mitverantwortung der Beklagten sicher auszuschließen wäre. Das ist aber nach dem bisherigen Beweisergebnis in den noch beim Senat anhängigen Parallelverfahren 3 U 131/05 und 3 U 137/05, in denen über die Ursachen der Explosion noch weiter Beweis zu erheben ist, offensichtlich nicht der Fall. Bei jedenfalls noch offener Verursachungsfrage kann die Inanspruchnahme der Beklagten daher keinesfalls als offensichtlich unbillig angesehen werden. Für weitere Einschränkungen des Ermessens fehlt, da sich eine Bindung aus bestimmten öffentlich-rechtlichen Vorschriften gerade nicht ergibt und der Grundsatz der Verwaltungspraktikabilität für die Zulässigkeit beliebiger Inanspruchnahme der Gesamtschuldner streitet, die Grundlage. Aufgabe des vorliegenden Verfahrens kann es nach Auffassung des Senats nicht sein, die Verantwortlichkeit der Streithelferin und der Beklagten im Innenverhältnis endgültig zu klären. Im vorliegenden Prozess geht es vielmehr nur um eine Vorleistung, deren Ausgleich die Beklagten später im Innenverhältnis suchen mögen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.12.1980, VkBl 1982, 135 f.).

3.

Entgegen der Auffassung des Schifffahrtsgerichts ist den Beklagten jedoch das Recht der Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 bis 5m des Binnenschifffahrtsgesetzes vorzubehalten.

a.

Der geltend gemachte Anspruch gehört zu denjenigen Ansprüchen, für die das Recht zur Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 bis 5m des Binnenschifffahrtsgesetzes besteht.

Beschränkbar sind u.a. Ansprüche wegen Sachschäden, § 4 Abs.1 S.1 BSchG. Dazu zählen auch die hier geltend gemachten Kosten für die Sicherung der Unfallstelle eines gesunkenen Schiffs. Zu den Sachschäden im Sinne des § 4 Abs.1 S.1 BSchG zählen nach § 4 Abs.3 S.2 BSchG auch Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung von Sachschäden, für die der Schuldner seine Haftung nach § 4 Abs.1 bis 3 BSchG beschränken kann. Die Klägerin ist eine andere Person als der Schuldner; Schuldner sind hier die Beklagten. Die Ausbringung der Wahrschaupontons war als Sicherungsmaßnahme dazu bestimmt, dem Eintritt weiterer Schäden vorzubeugen, diente also der Vermeidung weiterer Sachschäden. Für diese hätten die Beklagten ihre Haftung gem. § 4 Abs.1 bis 3 BSchG beschränken können, weil sie in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb ihres Schiffes entstanden wären, § 4 Abs.1 S.1 BSchG, und insoweit kein Ausschlussgrund gem. § 5 BSchG vorliegt.

Die seitens der Klägerin gegen eine solche Auslegung in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwände hält der Senat nicht für durchgreifend. Der Wortlaut des Gesetzes trägt die vorgenommene Auslegung ohne weiteres. Auch die historische Auslegung spricht dafür, dass die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auch für Fälle wie den vorliegenden vorgesehen ist. Mit dem Gesetz zur Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt wollte der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung einen möglichst weit gehenden Schutz des Schiffseigners schaffen, indem er die dem Grundsatz nach lückenlose Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nur an einzelnen, klar definierten Stellen durchbrochen hat (vgl. BT-Drucks. 13/8446 S.20), wie etwa hinsichtlich der vertraglich vereinbarten Wrackbeseitigungskosten. Dabei ist insbesondere auch gesehen worden, dass unter den Wortlaut der Gesetzesfassung auch Aufwendungsersatzansprüche fallen, die auf Maßnahmen zur Abwendung weiterer Schäden beruhen; auch für diese Ansprüche sollte aber die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung gewährt werden, (vgl. BT-Drucks. 13/8446 S.20). Schließlich war die Haftung des Eigentümers auch schon nach früherem Recht in Fällen wie dem vorliegenden beschränkt auf Schiff und Fracht (BGH, Urt. v. 10.04.1969, NJW 1969, 1205 ff.). Systematische und teleologische Erwägungen rechtfertigen kein anderes Ergebnis. Im Gegenteil bestätigt gerade die Regelung der Haftungsbeschränkung im Falle der Wrackbeseitigung in § 4 Abs.1, Abs.4 BSchG die systematische und teleologische Richtigkeit des hier gefundenen Auslegungsergebnisses. Denn für den Fall der Wrackbeseitigung hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung in einem sachlich ähnlich gelagerten Fall gerade dahin geregelt, dass diese der Haftungsbeschränkung grundsätzlich unterfallen, es sei denn, ein Entgelt sei vertraglich vereinbart. Im vorliegenden Fall ist ein Entgelt gerade nicht vereinbart worden, so dass nichts dafür spricht, die hier geltend gemachten Kosten nicht der Haftungsbeschränkung zu unterstellen. Der Hinweis der Klägerin darauf, dass die Bereitschaft der Verantwortlichen, selbst Maßnahmen zur Sicherung zu ergreifen, darunter leiden könnte, dass sie in diesem Fall die Kosten in voller Höhe selbst zu tragen haben, während sie ihre Haftung für Maßnahmen Dritter beschränken können, ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend. Diese Konsequenz kann aber angesichts der Gesamtkonzeption der gesetzlichen Regelung nicht im Wege der Auslegung korrigiert werden, zumal der Gesetzgeber das ähnlich gelagerte Problem in Zusammenhang mit den Kosten der Wrackbeseitigung gesehen und ihm mit Errichtung eines gesonderten Haftungshöchstbetrages, der ausschließlich der Erfüllung von Ansprüchen aus Wrackbeseitigung dient, die nicht ein vertraglich vereinbartes Entgelt betreffen, Rechnung getragen hat. Die hierfür in der Gesetzesbegründung angeführten Gründe (vgl. BT-Drucks. 13/8446 S.30) treffen allerdings auch auf die hier von der Klägerin durchgeführten Sicherungsmaßnahmen zu. Indes hat der Gesetzgeber diesbezüglich gerade keine § 5 j BSchG entsprechende Regelung getroffen. Dies wird insbesondere auch dadurch deutlich, dass die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 13/8446 S.30) insoweit auf Art. 18 Abs.1 c CLNI Bezug nimmt, der seinerseits auf Art.2 Abs.1 d und e CLNI verweist; ausdrücklich nicht in Bezug genommen ist hingegen Art.2 Abs.1 f CLNI, der Ansprüche der hier in Rede stehenden Art wegen Kostenerstattung für Sicherungsmaßnahmen regelt. Eine Korrektur dieses aus Sicht des Senats eindeutigen Auslegungsergebnisses dadurch, dass man die Ansprüche auf Erstattung der Kosten für Sicherungsmaßnahmen von vornherein dem Anwendungsbereicht der Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 bis 5m BSchG entzieht, überschritte die Grenzen noch zulässiger Auslegung; für eine Analogie fehlt es angesichts der klaren Äußerungen in der Gesetzesbegründung zu Aufwendungsersatzansprüchen an einer feststellbaren Regelungslücke.

b.

Die Haftungsbeschränkung ist nicht ausgeschlossen. Es geht vorliegend ersichtlich nicht um ein vertraglich vereinbartes Entgelt für Wrackbeseitigung im Sinne des § 4 Abs.1 S.2 2.Halbsatz BSchG; weder haben die Parteien ein Entgelt vereinbart noch kann die getroffene Sicherungsmaßnahme als Wrackbeseitigung bezeichnet werden. Auch der Ausschlussgrund des § 5 Nr.1 BSchG greift nicht ein; auch als Maßnahme der Bergung lässt sich das zu Sicherungszwecken erfolgte Ausbringen der Wahrschaupontons nicht begreifen. Andere Ausschlussgründe gem. § 5 BSchG kommen ersichtlich nicht in Betracht. Schließlich ist die Haftungsbeschränkung auch nicht gem. § 5b BSchG ausgeschlossen, denn ein leichtfertiges Verhalten eines organschaftlichen Vertreters der Beklagten zu 1. steht ebenso wenig in Rede wie ein leichtfertiges und von dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begleitetes, unfallursächliches Verhalten des Beklagten zu 2. persönlich.

c.

Die Beklagten haben sich wirksam auf das ihnen zustehende Recht zur Haftungsbeschränkung berufen. Die Beklagten sind als Schiffsführer und Schiffseigner gem. §§ 3, 5 c Abs.1 Nr.1, Nr.3 BSchG zur Haftungsbeschränkung berechtigt; der Vorbehalt ist mit Schriftsatz vom 18.04.2005 unter Hinweis auf angeblich die Haftungshöchstsummen nach dem BSchG übersteigende weitere Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden. Nachdem in den vor dem Senat weiter anhängigen Verfahren 3 U 137/05 und 3 U 131/05 noch weiter Beweis über die Unglücksursache zu erheben sein wird, wäre die Erledigung des hiesigen Rechtsstreits im Falle summenmäßiger Berücksichtigung der Ansprüche im Übrigen offensichtlich nicht unwesentlich erschwert, so dass der Senat von der Möglichkeit eines Urteils unter Vorbehalt der Beschränkung der Haftung gem. § 305a ZPO für zweckmäßig erachtet hat.

4.

Der der Höhe nach nicht bestrittene Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 BGB a.F..

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO; dabei hat der Senat den Erfolg der Beklagten in Bezug auf die ihnen vorbehaltene Befugnis zur Haftungsbeschränkung im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens mit 1/10 bewertet. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 709 S.2, 711 ZPO.

6.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 543 Abs.2 Nr.1 ZPO zuzulassen, soweit die Klägerin durch den Vorbehalt der Haftungsbeschränkung gem. §§ 4 bis 5m BSchG beschwert ist. Da zu diesem Fragenkreis, soweit ersichtlich, noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, erscheint eine grundlegende Klärung erforderlich. Soweit hingegen die Beklagten durch die Verurteilung zu Aufwendungsersatz für die von der Klägerin aufgewendeten Sicherungskosten beschwert sind, erübrigt sich eine Zulassung der Revision, da alle maßgeblichen Fragen insoweit bereits ausreichend höchstrichterlich geklärt sind, so dass insoweit weder eine grundsätzliche Bedeutung noch eine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Zulassung der Revision erfordern (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

Streitwert: 7.170,76 Euro

Ende der Entscheidung

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