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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.09.2000
Aktenzeichen: 3 U 99/00
Rechtsgebiete: CMR, HGB, ZPO


Vorschriften:

CMR § 17 Abs. 2 letzte Alternative
CMR § 3
HGB § 352
HGB § 353
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 U 99/00 91 O 155/99 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 22. September 2000

Verkündet am 22.09.2000

Berghaus, JS'in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Lampenscherf sowie die Richterin am Oberlandesgericht Caesar und den Richter am Oberlandesgericht Blank

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 01. März 2000 verkündete Urteil der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 91 O 155/99 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 135.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien bleibt nachgelassen, eine zu erbringende Sicherheitsleistung auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft einer bundesdeutschen Großbank, Volks- oder Raiffeisenbank oder öffentlich rechtlichen Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Transportversicherer der Firma R.L. Contribution und Distribution GmbH (im folgenden Firma R.) in B.. Am 23.03.1998 erteilt die Firma R. der Beklagten den Auftrag, zum festen Preis von "5.400,00 DM all in" eine Sendung Schokolade vom Lager der Spedition Sch. in Q./Bundesrepublik Deutschland im grenzüberschreitenden Güterverkehr nach Moskau/Rußland zu besorgen. In Erfüllung dieses Auftrages beauftragte die Beklagte das litauische Transportunternehmen A. UAB, V. 44, V./Litauen mit der Durchführung der Beföderung. Dieses Transportunternehmen erteilte wiederum der Transportfirma T. UAB, ul. B., d. 25 e, K./Litauen als Unterfrachtführerin den Auftrag zur Transportdurchführung. Die die Beförderung durchführende Unterfrachtführerin übernahm die zu befördernde Komplettladung Schokolade in Q./Bundesrepublik Deutschland zum Transport nach Moskau/Rußland am 24. März 1998. Fahrer des Transportfahrzeuges war der bei der Unterfrachtführerin angestellte Zeuge O..

Bei der Auftragserteilung gab die Firma R. u.a. schriftliche Anweisungen dahin, dass der Fahrer bei Ankunft in Moskau den Zollpunkt Nord "T. Terminal" anfahren solle, wo auch die Zollabfertigung und Entladung stattzufinden habe. Der Fahrer sollte die Empfängerin der Sendung, die Firma E. Trust unter der in der Fahreranweisung angegebenen Telefonnummer ... anrufen und den Anweisungen der Vertreter der Firma Folge leisten. Die vorgenannte Telefonnummer war auch im CMR-Frachtbrief aufgeführt.

Der Fahrer der Unterfrachtführerin bestätigte durch Unterschrift den Erhalt der erwähnten Anweisungen in russischer Sprache. Auf deren Wortlaut und den Inhalt des CMR-Frachtbriefes wird Bezug genommen (vgl. Blatt 9, 11 GA).

In dem zwischen der Beklagten und der Firma ANDROMA UAB geschlossenen Transportauftrag wurde eine weitere Telefonnummer genannt, welche der Fahrer in bestimmten Fällen anzurufen hatte. Die Nummer lautete .... Diese Nummer war gemäß dem Transportauftrag im Falle des Verderbens oder der Beschädigung des Gutes anzuwählen. Darüber hinaus heißt es gemäß der beglaubigten Übersetzung aus der russischen Sprache auf Seite 2 der übersetzten Urkunde im zweiten Absatz wie folgt:

"Bei der Anfahrt zu Moskau muß der Fahrer eine Kontrollnummer bei dem Vertreter der Firma in Moskau, B. O.V., Telefon ..., erhalten.

Beim Fehlen der Kontrollnummer im CMR wird eine Geldstrafe in Höhe von DM 100 auferlegt.

.....".

Tatsächlich war im CMR-Frachtbrief diese Telefonnummer nicht aufgeführt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Inhaltes des vorgenannten Transportauftrages wird auf die beglaubigte Übersetzung der vorgenannten Urkunde aus der russischen Sprache verwiesen (Anlage B 2, Blatt 38, 39 GA).

Über das weitere Schicksal der von der Firma T. am 24. März 1998 übernommenen Ladung herrscht zwischen den Parteien Streit. Mit Schreiben vom 03.06.1998 teilte die Firma E. Trust mit, dass der LKW nicht bei ihr eingetroffen sei. Mit Schreiben vom 02.06.1998 bestätigte der Geschäftsführer von SWX T. Terminal, dass der LKW weder beim Zoll-Terminal, noch auf dessen Parkplätzen eingetroffen sei. Mit Schreiben vom 01.07.1998 bestätigte der stellvertretende Leiter des Zollamtes, Herr O., dass in dieser Sache ein zollamtliches Verfahren eingeleitet worden sei.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht der Firma R. nach Erbringung der entsprechenden Versicherungsleistung auf Schadensersatz in Höhe der Warenrechnung der Firma L. Schokolade GmbH Co. KG vom 24.03.1998 von 106.128,00 DM in Anspruch.

Sie hat behauptet, die Warenlieferung sei während des Transportes in dem angegebenen Wert in Verlust geraten.

Sie hat die Auffassung vertreten, hierfür habe die Beklagte einzustehen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an Sie 106.128,00 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 29.09.1998 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Fahrer O. habe die höchste, ihm zumutbare Sorgfalt nach Ankunft in Moskau beobachtet. Selbst wenn die Ware bei der Empfängerin nicht angekommen sein sollte, was bestritten werde, könne sie daher nicht in Anspruch genommen werden.

Hierzu hat sie behauptet, der Fahrer O. habe weisungsgemäß die Firma E. Trust telefonisch benachrichtigt. Er sei sodann angewiesen worden, an seinem Standort vor dem angefahrenen Zoll-Terminal zu warten und nicht in diesen einzufahren. Nach etwa 30 Minuten sei, wie angekündigt, eine Person an dem Transportfahrzeug erschienen, die sich unter Vorweisen einer Vollmacht als Mitarbeiter der Warenempfängerin vorgestellt habe. Der Fahrer O. habe die Vollmacht und den Pass kontrolliert und verglichen, ebenso das Lichtbild des Passes mit der erschienenen Person. Er habe daraufhin die Frachtpapiere zur Verzollung ausgehändigt. Weisungsgemäß sei er bei dem LKW verblieben. Er habe deswegen in den Terminal nicht einfahren sollen, wie ihm erklärt worden sei, weil dort keine Umschlagmöglichkeiten vorhanden gewesen seien. Ihm sei erklärt worden, das Transportgut solle an einem anderen Ort umgeschlagen werden. Nach ca. 20 Minuten sei die erwähnte Person mit einem uniformierten Zollbeamten aus dem Zollgebäude gekommen. Der Zollbeamte habe nach Entfernen der Zollplombe die Ladung kontrolliert. Weisungsgemäß sei der Fahrer O. dann auf ein ehemaliges Militärgelände in Moskau gefahren. Dort sei die Entladung erfolgt. Danach habe er von dem Mitarbeiter der Empfängerin den quittierten CMR-Frachtbrief und die Zolldokumente erhalten. Am 31.03.1998 seien die Warenpapiere bei einer Kontrolle beschlagnahmt worden.

Mit Urteil vom 01. März 2000 hat das Landgericht Köln der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der Firma R. gemäß Artikel 17, 23, 3 CMR auf Schadensersatz für die in Verlust geratene Transportware hafte. Den Verlust müsse sich die Beklagte zurechnen lassen, da sie nicht in nachprüfbarer Weise dargelegt habe, dass sie bei Übergabe der Ware in Moskau die größtmögliche Sorgfalt angewandt habe, um einen Verlust der Ware zu verhindern und es dennoch zu dem Verlust gekommen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf den Inhalt des landgerichtlichen Urteils (Blatt 86-98 GA) verwiesen.

Das vorgenannte Urteil ist der Beklagten zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 06.03.2000 zugestellt worden (Blatt 90 GA). Die Berufung der Beklagten vom 06.04.2000 ist am gleichen Tage bei Gericht eingegangen (Blatt 108 GA). Nach fristgerechtem Verlängerungsantrag der Beklagten vom 27.04.2000 (Blatt 115 GA) ist gemäß Verfügung des Vorsitzenden vom 28.04.2000 die Berufungsbegründungsfrist verlängert worden zum 06.06.2000 (Blatt 116 GA). Die Berufung ist mit Schriftsatz vom 02.06.2000, bei Gericht eingegangen am 06.06.2000, begründet worden (Blatt 118 GA).

Die Beklagte rügt mit der Berufung, dass das Landgericht zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass das Transportgut während des Transportes in Verlust geraten sei. Vielmehr habe der Fahrer der Unterfrachtführerin alles unternommen, um das Transportgut weisungsgemäß an die Empfängerin zu übergeben. Erst nach Übergabe der Ware sei diese dann in Verlust geraten. Unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages behauptet die Beklagte hierzu, der Zeuge O. habe bei Ankunft in Moskau unter der vorgegebenen Telefonnummer 095/7281692 angerufen und die Ankunft mitgeteilt. Der Gesprächspartner habe sich unter der Firma E. Trust gemeldet und den Fahrer angewiesen, vor dem Zollpunkt Nord auf ihn zu warten. Hieran habe sich der Zeuge gehalten. Nach der avisierten Wartezeit von ca. 30 Minuten sei eine Person, die der Zeuge O. schon an der Stimme wiedererkannt habe, erschienen und habe sich ihm als der Dispetscher der Firma E. Trust vorgestellt. Er habe dem Zeugen O. das weitere Vorgehen erläutert. Hierbei habe sich der Zeuge zunächst die von der Firma E. Trust ausgestellte, gestempelte und unterschriebene Vollmacht vorzeigen und ebenso den russischen Pass des Mitarbeiters, den er anhand des Lichtbildes und Namen als Bevollmächtigten habe identifizieren können, zeigen lassen. Nach der Identitätsprüfung habe er sich entsprechend der ihm übergebenen Fahreranweisung strikt an die Weisungen des als Bevollmächtigten der Firma E. Trust Ausgewiesenen gehalten. Diese Person habe dann die Verzollung durchgeführt. Nach Ablieferung des Transportgutes auf dem ehemaligen Militärgelände habe dieser Mitarbeiter der Firma E. Trust mit dem Stempel dieser Firma auf den CMR-Frachtbrief eine Quittung erteilt und den Frachtbrief unterschrieben.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, damit habe der Zeuge O. das Transportgut ordnungsgemäß an die Empfängerin übergeben. Selbst wenn aber von einem Verlust des Transportgutes vor Übergabe an die Empfängerin auszugehen sei, sei sie jedenfalls gem. Artikel 17 Abs. 2 CMR von der Haftung befreit. Der angebliche Schaden sei auf verbindliche Weisungen von Absender und Empfänger zurückzuführen, jedenfalls vom Frachtführer/Fahrer auch unter Aufbietung der zu verlangenden Sorgfalt nicht vermeidbar gewesen. Der Sachverhalt hätte sich auch nicht anders entwickelt, wenn sich der Zeuge O. den Namen des Mitarbeiters der Empfängerin notiert hätte.

Die Beklagte bestreitet auch die Höhe des Schadens im Hinblick darauf, dass die Absenderin und Versicherungsnehmerin in den Warenbegleitpapieren zur Vorlage beim Zoll eine Rechnung (= Invoice) über einen Gesamtpreis von 51.235,00 US-Dollar vorgelegt habe. Bei einem Dollarkurs im März 1998 von ca. 1,70 DM / USD entspreche dies einem Warenwert von lediglich 87.099,50 DM.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages das landgerichtliche Urteil.

Sie bestreitet nach wie vor, dass die Ware bei der Empfängerin angelangt sei. Es stünde nicht einmal fest, dass der Zeuge O. unter der nunmehr in zweiter Instanz angegebenen Telefonnummer angerufen habe. So sei dem Zeugen eine weitere Moskauer Telefonnummer vorgegeben worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge unter dieser Nummer angerufen habe. Letztendlich stehe nicht einmal fest, ob er überhaupt telefoniert habe.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Warenwert ergebe sich aus der Handelsrechnung. Dieser Rechnung entsprechend sei auch der Schaden ausgeglichen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst in Bezug genommener Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin die Klageforderung in voller Höhe zugesprochen. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beklagten gehen fehl.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der Firma R., B. gemäß Artikel 17, 23, 3 CMR einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 106.128,00 DM.

Gemäß Artikel 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer u.a. für den Verlust des Transportgutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Der Senat geht wie auch das Landgericht davon aus, dass das Transportgut während des Transportes vor Übergabe an die Empfängerin in Verlust geraten ist. Die Beklagte konnte nämlich nicht darlegen und beweisen, dass sie das Transportgut bei der Empfängerin abgeliefert hat.

Zur Ablieferung des Transportgutes im Sinne von Artikel 17 Abs. 1 CMR genügt es nämlich nicht, dass die bloße Ankunft des Gutes am Bestimmungsort dargetan wird. Vielmehr ist es grundsätzlich notwendig, dass der Empfänger den unmittelbaren Besitz erlangt (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Auflage 2000, Randnummer 6). Jedenfalls muss der Frachtführer den Gewahrsam über das beförderte Gut aufgegeben und den Empfänger mit dessen Willen und Einverständnis in den Stand versetzt haben, die tatsächliche Gewalt über das Gut auszuüben. Hierfür trägt der Frachtführer die Beweislast, weil die Ablieferung der Waren ein ihn entlastendes Tatbestandmerkmal ist (vgl. Koller a.a.O. Randnummer 12).

Die Beklagte war weder in der Lage eine ordnungsgemäße Übergabe darzutun, noch kann sie eine solche Übergabe ordnungsgemäß unter Beweis zu stellen.

Zur Annahme einer ordnungsgemäßen Übergabe war es erforderlich darzulegen, dass die Ware tatsächlich an einen Bevollmächtigten der Empfängerfirma übergeben worden ist. Steht aber die Person, an die übergeben worden sein soll, gar nicht fest, kann über dessen Bevollmächtigung zur Entgegennahme der Ware nichts ausgesagt werden. Insbesondere fehlt auch jeder überprüfbare Nachweis dahin, dass die Ware tatsächlich in den Gewahrsam der Empfängerin gelangt ist bzw. dieser die Möglichkeit gegeben wurde, in Besitz der transportierten Ware zu gelangen.

Dies gilt um so mehr, als die Ware nicht auf dem Betriebsgelände der Empfängerfirma übergeben worden ist. Vielmehr soll die Ware in einer alten russischen Kaserne - und nicht wie vorgesehen am Zollpunkt - übergeben worden sein.

Da der Zeuge O. keine näheren Angaben zu der Person machen kann, an die übergeben worden ist, kann nicht festgestellt werden, dass die Empfängerin tatsächlich in die Lage versetzt worden ist, an der Transportware Gewahrsam zu erlangen. Von daher war seine Vernehmung als Zeuge entbehrlich. Selbst wenn man die Angaben zu den näheren Umständen der angeblichen Warenübergabe in Moskau als richtig unterstellt, kann ohne Nachweis der Vollmacht nicht davon ausgegangen werden, dass die Ware ordnungsgemäß abgeliefert worden ist. Denn wegen der Unmöglichkeit der Identitätsfeststellung der Person, an die übergeben worden sein soll, kann deren Empfangsvollmacht nicht festgestellt werden. Selbst wenn diese Person irgend welche Papiere vorgelegt haben sollte, die auf eine Vollmacht schließen lassen könnten, kann nicht ausgeschlossen werden, das diese Unterlagen gefälscht waren. Das Risiko einer möglichen Urkundenfälschung trägt aber die Beklagte.

Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn von einer Duldungs- oder Anscheinsvollmacht der die Ware entgegennehmenden Person ausgegangen werden könnte. Hierzu fehlt aber jeglicher Sachvortrag. Allein die Tatsache, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin eine für den Fahrer verbindliche Moskauer Telefonnummer angegeben hat, unter der sich angeblich die behauptete Person gemeldet hat, reicht nicht aus für die Annahme, dass die Versicherungsnehmerin einen Rechtsschein dahin gesetzt hat, dass eine unter dieser Rufnummer sich meldende Person für die Übernahme des Transportgutes bevollmächtigt sein sollte. Schon gar nicht kann davon ausgegangen werden, dass durch die Bekanntgabe der Telefonnummer konkludent erklärt worden ist, dass die unter der Rufnummer sich meldende Person auch zum Empfang der Ware berechtigt sei.

Steht aber eine ordnungsgemäße Übergabe der transportierten Ware nicht fest, haftet die Beklagte gem. Artikel 17 Abs. 1 CMR für den Verlust des Transportgutes im Zeitraum zwischen den Übernahme des Gutes in Deutschland und dessen Ablieferung in Moskau.

Tatsache für eine Haftungsbefreiung gem. Artikel 17 Abs. 2 CMR, für die die Beklagte ebenfalls gem. Artikel 18 Abs. 1 CMR die Beweislast trägt, sind nicht gegeben. Der Verlust der Ware dürfte weder auf einem Verschulden des Empfängers beruhen, noch ist er durch Umstände verursacht worden, die der Frachtführer nicht hätte vermeiden und deren Folgen er nicht hätte abwenden können. Vielmehr beruht der Schaden auf einem Verschulden des Fahrers des Unterfrachtführers, für das die Beklagte gem. Artikel 3 CMR haftet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Haftungsausschluss des Artikels 17 Abs. 2 letzte Alternative CMR nur dann durchgreift, wenn der Verlust selbst mit Aufwendung der äußersten Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen wäre (vgl. Koller, Transportrecht, 4. Auflage 2000, Randnummern 15 ff. m.d.N.).

Diese äußerste Sorgfalt hat der Fahrer des Unterfrachtführers jedenfalls nicht gewahrt. Angesichts der bekannten Risiken bei Moskau-Transporten, bei denen bekanntermaßen aufgrund der dort herrschenden Zustände häufig Ware mit kriminellen Methoden abgefangen wird, genügt das Verhalten des Fahrers - selbst wenn man dem Vortrag der Beklagten zur Überprüfung der Vollmacht der nicht identifizierten Person als richtig unterstellt - nicht den Sorgfaltsanforderungen des Artikel 17 Abs. 2 CMR. Allein der Umstand, dass sich der Fahrer lediglich eine Vollmacht des angeblichen Bevollmächtigten der Empfängerin und dessen Pass zeigen ließ, genügt den zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht (vgl. insoweit LG B. VersR 2000, 1002 ff.). Unter den gegebenen Risiken in Moskau war es dringend erforderlich, sich im einzelnen Namen und Anschrift des angeblich Bevollmächtigten sowie die Passnummer und weitere Einzelheiten der Legitimationspapiere zu notieren, gegebenenfalls hiervon Fotokopien machen zu lassen. Gerade die Umstände, dass der Zeuge O. die Zollpapiere zur Zollabfertigung an die erschienenen Person auszuhändigen hatte und sodann die Ware - nicht wie zuvor abgesprochen - in oder an der Zollstation übergeben wurde, sondern außerhalb in einer ehemaligen russischen Kaserne, waren weitere Verdachtsmomente, die misstrauisch hätten machen müssen. Damit war dem Zeugen als erstes jegliche Kontrolle auf die eigentliche Zollabfertigung entzogen. Dementsprechend konnte er gar nicht bemerken, dass die Zollabfertigung durch nicht autorisierte Personen stattfand, wie sich später herausstellte. Eine sorgfältige Prüfung der Legitimationspapiere mit auch späteren Nachprüfungsmöglichkeiten über die Empfangsperson und eine Kontrolle bei der Zollabfertigung hätte möglicherweise den Täter abgeschreckt. So, wie der Fahrer des Unterfrachtführers vor Ort verfahren ist, war die Anonymität der die Fracht übernehmenden Person weitgehend gewahrt. Dieser brauchte keine Angst zu haben, entdeckt zu werden, wie gerade das Verfahren vorliegend zeigt.

Die - nicht zu entziffernde - Unterschrift und ein Stempelabdruck im Feld Nr. 24 des Frachtbriefes für "Gut empfangen" genügen von daher weder für den Nachweis der Tatsache, dass die Ware beim Empfänger angekommen ist noch für eine Entlastung der Beklagten (vgl. LG B. VersR 2000, 1002, 1003). Für den Haftungsausschluss gem. § 17 Abs. 2 letzte Alternative CMR ist nämlich für die Annahme der Unvermeidbarkeit des Schadens erforderlich, dass diese auch bei Anwendung äußerster Sorgfalt eingetreten wäre. Bei der Ausfüllung dieses Tatbestandsmerkmals für die Haftungsfreistellung ist zunächst zu beachten, dass es sich bei der CMR-Haftung um eine verschuldensunabhängige Haftung handelt. Der Frachtführer haftet notwendig auch dort, wo eine Schadensverhütung unwirtschaftlich und unzumutbar ist, das heißt, wo der Frachtführer sinnvoller weise nicht versuchen wird, Schäden zu verhüten, sondern wo er lediglich das Schadensrisiko einkalkulieren wird. Die Tatsache, dass Schäden im Sinne des Artikels 17 Abs. 2 CMR "vermeidbar" sind, bedeutet daher nicht, dass der Frachtführer gegen seine Pflichten verstoßen hat. Es stellt sich nur die Frage, bis zu welchem Grad der Unwirtschaftlichkeit und Unzumutbarkeit der Schadensverhütung der Frachtführer haftet, mit anderen Worten, wann die "äußerste Sorgfalt" erreicht ist. So ist zum Begriff der höheren Gewalt vielfach auf die Figur der außerordentlichen (äußersten) Sorgfalt zurückgegriffen worden. Dem ist entgegen zu halten, dass diese Begriffsbestimmung unpraktikabel erscheint. Es kann zwar gesagt werden, wo die verkehrserforderliche Sorgfalt aufhört und wo Sorgfaltsanforderungen unzumutbar werden. Kaum abgrenzbar ist aber, wo die äußerste Sorgfalt aufhört, weil Verhütungsmaßnahmen nahezu beliebig steigerungsfähig sind (vgl. Koller a.a.O. Artikel 17 CMR Randnummer 21).

Zur Lösung dieser Problemstruktur werden im wesentlichen zwei Lösungsansätze vertreten. Entweder legt man das Schwergewicht auf die Rechtssicherheit und bessere Motivation zur Verbesserung der Schadensverhütung (Innovation). Dann sind Schäden auch mit "äußerster Sorgfalt" erst dort nicht vermeidbar und deren Folgen nicht mehr abwendbar, wo alle denkbaren Maßnahmen den Schaden nicht verhütet hätten. Stellt man darauf ab, ob nur absurde Verhütungsmaßnahmen den Schaden verhindert hätten, so ist die Rechtssicherheit zwar nicht in dem Maße wie bei der absoluten Unvermeidbarkeit des Schadens gewährleistet. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Meinungen darüber, von welchem Punkt an Schadensverhütungsmaßnahmen evident absurd sind und von daher von vornherein auf den ersten Blick nicht in Betracht zu ziehen sind, nicht all zu weit auseinander gehen werden. Die Entscheidungen werden also berechenbar bleiben.

Setzt man die Schwelle der äußersten Sorgfalt dagegen noch niedriger an, so fällt jeder intersubjektive Maßstab für die Ermittlung der "äußersten Sorgfalt". Im wesentlichen spielen dann vier Faktoren für die Frage, was bei "äußerster Sorgfalt" zu verlangen ist, eine Rolle: die Wahrscheinlichkeit der Schädigung, die Machbarkeit und Zweckmäßigkeit der Schadensverhütungsmaßnahmen, deren Rechtmäßigkeit, das Informationsniveau in der Branche der Frachtführer. Unerheblich sind dabei die Branchen- gepflogenheiten. Dabei kann nicht abstrakt umschrieben werden, was nun die verkehrserforderliche Sorgfalt von der so definierten äußersten Sorgfalt unterscheidet. Vielmehr ist dies eine Frage der Gewichtung, die am besten durch die Betrachtung der bereits entschiedenen Fälle vorgenommen wird. Auch nach diesem Lösungsansatz kommt es selten vor, dass sich der Frachtführer auf äußerste Sorgfalt berufen kann. Kritisch anzumerken ist hierzu aber, dass eine Fallgruppenbildung nur beschränkte Abhilfe für die Abgrenzungschwierigkeiten zur verkehrserforderlichen Sorgfalt bietet, da es immer auf alle Umstände des Einzelfalles ankommt und weil sich die Transportverhältnisse auf der Straße relativ schnell ändern (vgl. hierzu Koller a.a.O. Randnummer 22).

Vorliegend braucht eine Auswahl zwischen den genannten Lösungsansätzen, die durch die CMR nicht exakt vorgegeben ist und die in den Vertragsstaaten der CMR unterschiedlich vertreten werden, nicht vorgenommen zu werden. Denn unter allen Gesichtspunkten ist - wie oben dargelegt - von dem Fahrer der Unterfrachtführerin, dem Zeugen O. die gemäß Artikel 17 Abs. 2 letzte Alternative CMR zu fordernde "äußerste Sorgfalt" nicht eingehalten worden.

Gerade im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit der Schädigung bei Transporten in den russischen Raum waren seitens der Unterfrachtführerin, deren Verhalten sich die Beklagte gem. § 3 CMR anrechnen lassen muss, besondere Schadensverhütungsmaßnahmen zu treffen. Hierauf war der Zeuge O., soweit er die besondere Gefährdung von Waren in Russland und insbesondere im Moskauer Raum nicht kannte, hinzuweisen. Aufgrund eines solchen Hinweises hätten durchaus zumutbare weitere Kontrollmöglichkeiten eingebaut werden können. So hätte dann der Zeuge wissen müssen, dass die bloße Inaugenscheinnahme von Ausweispapieren und das Vertrauen auf die Richtigkeit von benutzten Firmenstempeln keine Gewähr dafür bot, dass die die Stempel benutzende Person auch berechtigt war, die Ware entgegen zu nehmen.

Der hier eingetretene konkrete Schaden kann gerade unter Berücksichtigung der oben aufgestellten Grundsätze nicht als unvermeidbar angesehen werden. Der hier eingetretene Schaden wäre nicht nur mit absurden Maßnahmen zu verhüten gewesen (vgl. insoweit Koller a.a.O. Artikel 17 CMR Randnummer 23 m.w.N.).

Vielmehr hätte der von der Unterfrachtführerin eingesetzte Fahrer, der Zeuge O. anhand der ihm vorgelegten Ausweispapiere und Urkunden die Identität der empfangsbereiten Person genau überprüfen müssen, ohne allein auf die ihm zugewiesene Telefonnummer zu vertrauen. Zugleich bestand nämlich die Möglichkeit, dass auch nicht autorisierte Personen über die anstehende Lieferung informiert waren und sich möglicherweise auch über die Handy-Nummer der Empfängerin Kontakt zu dem Unterfrachtführer verschaffen wollten. Allein dies musste der Beklagten und den weiteren von ihr eingeschalteten Frachtunternehmen aufgrund ihrer Tätigkeiten mit dem russischen Ausland bekannt sein. Ließ sie naheliegende Überprüfungsmaßnahmen außer acht, so ist ihr dies zuzurechnen. Es bestanden durchaus zumutbare Möglichkeiten der weiteren Rückversicherung. Eine erste Maßnahme wäre es gewesen, sich den amtlichen Ausweis der die Ware übernehmen wollenden Person aushändigen zu lassen und die wesentlichen Daten wie Name und Anschrift, Alter und Nummer des Ausweispapieres zu kontrollieren. Danach waren die Daten aus den amtlichen Ausweispapieren mit der dem Zeugen gezeigten Vollmacht zu vergleichen. Anhand der Vollmacht, so sie denn geeignet gewesen war, Vertrauen in ihre Echtheit zu erzeugen, hätte sicherlich die Anschrift der Empfängerin der Firma E. Trust überprüft und dort ein Rückruf dahin erfolgen können, ob die beim Zollamt anwesende Person tatsächlich bevollmächtigt war, die Ware entgegen zu nehmen.

All dies ist unterlassen worden, so dass nicht festgestellt werden kann, dass auch bei Anwendung aller zumutbaren, das heißt nicht völlig absurden, Überprüfungsmöglichkeiten der Schaden nicht auch eingetreten wäre. Die Darlegungs- und Beweislast für die Haftungsfreistellungsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 letzte Alternative CMR trägt aber die Beklagte. Wie oben ausgeführt hat sie weder ihrer Darlegungs- noch ihrer Beweislast genügt.

Dagegen ist ein (Mit) Verschulden der Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht festzustellen. Allein die Tatsache, dass von der dem Zeugen O. mitgeteilten Handy-Nummer aus die Entwendung der Ware organisiert worden sein soll, rechtfertigt nicht den Vorwurf des (Mit) Verschuldens. Eine Kontaktaufnahme mit der Empfängerin der transportierten Ware war notwendig. Wie oben im Einzelnen dargelegt hätten einfachste Überprüfungsmöglichkeiten ausgereicht, um dem Verlust vorzubeugen. Ließ die Beklagte solche Maßnahme außer acht, kann sie sich gegenüber der Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht entlasten.

Auch die Einwendungen der Beklagten zur Schadenshöhe greifen im Ergebnis nicht. Substantiiert hat die Beklagte den Wert der Ware, welcher sich aus der Handelsrechnung ergibt, nicht bestritten. Vielmehr hat sie lediglich den Verdacht geäußert, dass die unterschiedlichen Wertangaben in der Handelsrechnung und in den Warenbegleitpapieren zur Vorlage beim Zoll Argwohn dahin erwecken würde, dass hier russische Einfuhrsteuern hinterzogen werden sollten, woran die Klägerin möglicherweise mitwirke. Damit ist aber in concreto der tatsächlich sich aus der Handelsrechnung ergebende und von der Klägerin erstattete Warennettowert nicht bestritten worden. Tatsächlich hat die Beklagte auch nichts dazu vorgetragen, dass der angegebene Warenwert für die transportierte Schokolade überhöht erscheine.

Die Zinsentscheidung ist begründet aus §§ 352, 353 HGB. Die Parteien sind Kaufleute. Kaufleute sind untereinander berechtigt, für ihre Forderungen aus beiderseitigen Handelsgeschäften vom Tage der Fälligkeit an Zinsen zu fordern. Die Klägerin macht Schadensersatzforderungen aus abgetretenem Recht geltend, welche einem Kaufmann zustehen. Die Schadensersatzforderung resultieren aus einem beiderseitigem Handelsgeschäft. Fälligkeitszinsen können somit vom Tage der Fälligkeit der Schadensersatzforderung geltend gemacht werden. Der Schadensfall ist am 31. März 1998 eingetreten. Die Firma R. hat die Handelsrechnung Nr. 0451565 der Firma L. Schokolade GmbH und Co. KG vom 24.03.1998 am 04.05.1998 gezahlt, so dass jedenfalls mit Verlustanzeige die Schadensersatzforderung fällig war.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist begründet aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten: 106.128,00 DM.

Ende der Entscheidung

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