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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 19.10.2004
Aktenzeichen: 4 UF 123/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 621 e
BGB § 1671
BGB § 1684 Abs. 4 Satz 3
BGB § 1684 Abs. 4 Satz 4
BGB § 1686
BGB § 1696 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 UF 123/03

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers und die Richter am Oberlandesgericht Blank und Schlemm am 19. Oktober 2004 beschlossen:

Tenor:

I.

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 18. August 2003 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 4. April 2003 teilweise im Hinblick auf die der Kindesmutter auferlegte jährliche Berichtspflicht wie folgt geändert:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, dem Antragsteller wie folgt Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes L zu erteilen:

1. durch einen halbjährlichen Bericht, jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres, beginnend mit dem 1. Januar 2005, der Informationen enthält

- über die schulische Entwicklung Ls unter Beifügung einer Kopie des jeweils letzten Zeugnisses;

- über seine persönliche Lebenssituation einschließlich seiner besonderen Neigungen und Interessen;

- über seine allgemeine gesundheitliche Situation;

2. durch Übersendung eines aktuellen Lichtbildes von L in voller Größe jeweils zum 1. Januar eines Jahres;

3. durch sofortige unaufgeforderte Mitteilung lebensbedrohlicher Erkrankungen oder Unfallverletzungen des Kindes sowie Mitteilung der neuen Anschrift Ls bei jedem Wohnortwechsel.

II.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

IV.

Der Antragsgegnerin wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin C in B beigeordnet.

Gründe:

Die gemäß §§ 621 e, 621 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ZPO statthafte (befristete) Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat in der Sache jedoch nur in geringem Umfang Erfolg.

I. Sorgerecht

Der Senat sieht ebenso wenig wie das Familiengericht einen Anlass, das der Antragsgegnerin mit dem Scheidungsurteil vom 22. Mai 1996 übertragene alleinige Sorgerecht über L nunmehr wegen wesentlicher Änderungen der Verhältnisse dem Antragsteller auch nur teilweise in Form des Aufenthaltsbestimmungsrechtes zu übertragen. Auch eine Übertragung auf das Jugendamt ist aus Gründen des Kindeswohls nicht geboten.

Gemäß § 1696 Abs. 1 BGB haben das Vormundschaftsgericht und das Familiengericht ihre Anordnungen zu ändern, wenn dies aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt ist. Diese Bestimmung gilt insbesondere auch für die sorgerechtlichen Anordnungen des Familiengerichts wie hier die Übertragung des Alleinsorgerechts auf die Kindesmutter nach § 1671 BGB (vgl. dazu Palandt/Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1696 Rdnr. 11). Triftige, das Wohl des Kindes nachhaltig berührende Gründe für eine Änderung der seinerzeitigen Übertragung des alleinigen Sorgerechtes auf die Kindesmutter liegen nach Auffassung des Senats aufgrund der Übersiedlung von L nach Singapur zu Verwandten der Antragsgegnerin nicht vor. Dies wäre nur der Fall, wenn die Vorteile einer Änderung der im Jahre 1996 getroffenen Sorgerechtsentscheidung des Familiengerichts die mit einer Änderung verbundenen Nachteile deutlich überwiegen würden (Palandt/Diederichsen, a.a.O., Rdnr. 21 m.w.N.). Es kann vorliegend schon nicht festgestellt werden, dass eine Änderung der Sorgerechtsregelung zugunsten des Antragstellers überhaupt Vorteile für L bringen würde. Auf der Grundlage der in beiden Instanzen eingeholten Berichte des Internationalen Sozialdienstes vom 20.08.2002 (Bl. 93 ff. d.A.) und 19.07.2004 (Bl. 281 ff. d.A.) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass L bei den Verwandten der Antragsgegnerin in Singapur gut aufgehoben ist und seine Entwicklung positiv voranschreitet. Es kann insbesondere keine Rede davon sein, dass die Antragsgegnerin ihr Kind nach Singapur "abgeschoben" habe, wie der Antragsteller mit der Antragsschrift vom 22.03.2002 vortragen lässt, und L in einen ihm völlig fremden "fundamentalistisch-hinduistischen Kulturkreis" verbracht habe, in dem eine adäquate religiöse und ethische Erziehung nicht gewährleistet sei (so die der Antragsschrift beigefügte Eidesstattliche Versicherung des Antragstellers vom 20.03.2002). Ebenso fehlt es an jeglichen Anzeichen dafür, dass L in Singapur "einer Art Gehirnwäsche" unterzogen worden ist (so der Schriftsatz des Antragstellers vom 11.04.2002).

Das sich aus den Berichten des Internationalen Sozialdienstes ergebende Gesamtbild über die Lebenssituation von L in Singapur ist in jeder Hinsicht positiv. Nach seiner Übersiedlung nach Singapur im Jahre 2001 lebte L zunächst in der Familie seines Onkels D T, eines Generaldirektors einer Reiseagentur (vgl. dazu und zu den im Folgenden geschilderten weiteren Einzelheiten den ersten Sozialbericht des Internationalen Sozialdienstes vom 20.08.2002, Bl. 93 ff. d.A.). Die Ehefrau dieses Onkels kümmerte sich um den Haushalt und neben L um die eigenen vier Kinder. Von diesen befanden sich drei Kinder in einer weiterführenden Schule, ein Kind war Privatstudentin an einer Computerschule. Die Wohnung verfügte über drei Schlafzimmer, von denen eines von L und einem Cousin benutzt wurde, ferner über ein Wohnzimmer, Essbereich und Küche. Die Wohnung wird im Sozialbericht als geräumig, gut gepflegt und angemessen möbliert geschildert. L ging zum Zeitpunkt der Erstellung des Sozialberichtes in die 2. Klasse einer Grundschule. Seine schulischen Leistungen werden in dem Bericht als gut bezeichnet; L habe nach eigenen Angaben keine Probleme bei seiner schulischen Arbeit. Seine Hausaufgaben überarbeite er nachmittags mit seinen Cousins und Kusinen, wenn diese von der Schule nach Hause kämen. Mit seinem Onkel und den anderen Familienmitgliedern spreche er englisch; er habe sich auch während des Interviews mit der Sozialarbeiterin gut auf englisch unterhalten können. Daneben könne er auch tamilisch sprechen und schreiben. Während die Familie des Onkels hinduistischen Glaubens ist, geht L jedoch sonntags mit einer Tante mütterlicherseits, einer Katholikin, in eine katholische Kirche. Zum Erziehungsstil des Onkels und seiner Ehefrau ist im Sozialbericht ausgeführt, dass den Kindern normalerweise Ratschläge erteilt würden und mit ihnen argumentiert würde, wenn sie sich daneben benommen hätten; weder bei L noch bei den eigenen Kindern benutzten sie den Stock. Während eines Gespräches der Sozialarbeiterin mit L allein in ihrem Büro habe dieser geäußert, er sei glücklich, in Singapur zu sein, obwohl er seine Mutter, mit der er regelmäßig telefoniere und die ihn in Singapur etwa einmal im Jahr besuche, manchmal vermisse. Dennoch ziehe er es vor, weiterhin in Singapur zu bleiben; er habe eine enge Beziehung zu der Familie seines Onkels; es gebe zudem in der Nachbarschaft Kinder in seinem Alter, mit denen er spielen könne, was in Deutschland nicht der Fall gewesen sei. In einer Schlussbemerkung äußerte sich die Sozialarbeiterin sodann im Bericht dahingehend, dass L sich gut in Singapur eingelebt habe; sie habe beobachtet, dass er sich wohl fühle und dass ihn eine herzliche Beziehung mit der Familie, in der er lebe, verbinde.

Nachdem L Anfang des Jahres 2003 zu einem anderen Onkel mütterlicherseits in Singapur gezogen war, hat der Senat einen weiteren Bericht des Internationalen Sozialdienstes eingeholt (Bl. 281 ff. d.A.), der sich ähnlich wie der erste Bericht ebenfalls positiv über die Entwicklung und die Lebensumstände von L äußert. Es heißt dort: Der Wechsel in die Familie des anderen Bruders der Antragsgegnerin habe stattgefunden, um Ls religiöser Ausrichtung gerecht zu werden. Zwar sei auch dieser Onkel Hindu, aber seine Frau und seine drei Töchter seien getaufte Katholiken (Nach Angaben der Antragsgegnerin ist L im Oktober 2002 zur Erstkommunion gegangen. Nach eigenen Angaben von L gegenüber der Sozialarbeiterin ist er seit diesem Jahr stärker als Ministrant in der Kirche engagiert). L wohne jetzt mit dem Onkel, dessen Frau und drei Kusinen im Alter von 14 und 11 Jahren sowie der Schwiegermutter des Onkels, mit der er sich ein Zimmer teile, in einer Fünfzimmerwohnung. Die Wohnung sei gut eingerichtet und gepflegt. L sei nunmehr Schüler der Grundstufe 4 in einer Grundschule und werde im Jahre 2005 Deutschunterricht bekommen. Seine schulischen Leistungen und sein Verhalten in der Schule seien gut; er sei auf Platz 21 von 269 Schülern seiner Klassenstufe. Er sei außerdem Mitglied im "Maths Genius-Klub" seiner Schule und hoffe, einem Leichtathletikverein beitreten zu können. Seine Tante würde ihm dies aber nur erlauben, wenn er in den bevorstehenden Prüfungen gut abschneide und sie sicher sein könne, dass die Teilnahme nicht zu Lasten seiner schulischen Leistungen gingen. L habe im übrigen erzählt, er fände seine Tante und seinen Onkel zwar streng, aber fair; die Schule habe für sie Priorität. Zum Erziehungsstil des Onkels und der Tante äußert sich der Sozialbericht dahingehend, dass die Tante diejenige sei, die in erster Linie für Disziplin sorge; der Onkel greife nur bei "schwerem" Fehlverhalten ein. Beide bevorzugten einen Erziehungsstil, bei dem mit den Kindern argumentiert und diskutiert werde und ihnen das Problem erklärt werde. Allerdings würden sie die Kinder auch schon einmal anschreien; früher hätten sie mit einem Stock manchmal auf die Handflächen geschlagen. Zu seiner Entscheidung, in Singapur leben zu wollen, habe L erklärt, er habe, als er noch jünger gewesen sei, darum gebeten, in Singapur zu bleiben, weil er gern mit seinen vielen Kusinen und Cousins zusammen sei, während er sich in Deutschland einsam gefühlt habe. Jetzt, da er älter sei, würde er aber lieber bei seiner Mutter bleiben, wenn er die Wahl hätte. Seine Mutter beschäftige sich mit dem Gedanken, in einem anderen Land zu leben, zum Beispiel in Australien. Er würde ihr ohne den geringsten Zweifel dorthin folgen und sei von der Idee begeistert gewesen, bei seiner Mutter zu leben. Zur Beziehung zu seinem Vater habe L in einem Gespräch unter vier Augen mit der Sozialarbeiterin gesagt, er habe nie eine Beziehung zu seinem Vater gehabt und habe auch nicht den Wunsch danach. Er nehme es seinem Vater übel, dass er ihn nie finanziell unterstützt und seiner Mutter Probleme und Stress verursacht habe. Sein Ärger über seinen Vater wäre wahrscheinlich noch viel intensiver, wenn er ihn persönlich kennen lernen würde. Selbst wenn sein Vater den Prozess in Bezug auf das Sorgerecht gewinnen würde, würde er sich weigern, bei ihm zu leben. Würde man ihn dazu zwingen, würde er "etwas unternehmen", zum Beispiel Selbstmord. Die Sozialarbeiterin hatte im Rahmen ihrer Erhebungen auch Gelegenheit, mit der Antragsgegnerin zu sprechen, die vom 28. Mai bis zum 25. Juni 2004 in Singapur zu Besuch war. Ihre Pläne in Bezug auf L seien, dass die jetzige Regelung beibehalten werden solle, bis L bestimmte Abschlussprüfungen in Singapur absolviert habe. Sie habe während ihres Besuches in Singapur eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für L beantragt, um zukünftige Pläne für ihn zu erleichtern, während er in Singapur lebt. Zusammenfassend kommt der Sozialbericht zu dem Ergebnis, dass die Verwandten in Singapur sehr gewissenhaft in ihrem Bemühen seien, Ls physische, emotionale und soziale Entwicklung zu begleiten. L schien gut integriert zu sein und mache den Eindruck eines selbstbewussten Kindes. Er habe, obwohl er in einem anderen Land lebe als seine Mutter, eine starke Zuneigung zu ihr und schätze ihre Bemühungen, ihn zu unterstützen sehr. Besonders genieße er die Zeit, die er mit ihr in Singapur verbringt, wenn sie jedes Jahr zu Besuch kommt. L habe zwar kein Bedauern darüber geäußert, dass er sich dafür entschieden habe, ohne seine Mutter in Singapur zu bleiben, letztendlich würde er aber in Zukunft wieder gern mit ihr zusammenleben. Seinen Vater kenne er nicht und habe auch keine Beziehung zu ihm.

Die beiden Sozialberichte stehen der Annahme, dass in der Übersiedlung von L nach Singapur im Jahre 2001 ein "triftiger, das Wohl des Kindes nachhaltig berührender Grund" für eine Änderung der Sorgerechtsregelung zugunsten des Antragstellers gemäß § 1696 Abs. 1 BGB liege, entschieden entgegen. Es ist nicht einmal ein Vorteil erkennbar, der in einer Übertragung des Alleinsorgerechts oder auch nur des Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf den Antragsteller zu sehen sein könnte. Ein Wechsel von L zum Antragsteller wäre vielmehr mit einer weiteren einschneidenden Umstellung für das Kind verbunden. Er müsste sich nochmals auf ein anderes Land, auf eine andere Sprache und ein anderes Lebensumfeld einstellen. Er würde auch für diesen Fall nach wie vor von seiner Mutter getrennt leben und hätte nicht einmal mehr ihre Verwandten in der Nähe, die ihm offensichtlich helfen, die räumliche Trennung von seiner Mutter zu ertragen. Eine schon aus diesen Gründen für L besonders einschneidende Veränderung wäre für ihn insbesondere auch deshalb belastend, weil er seinen Vater, der ihn zu sich auf die Kanarischen Inseln nehmen würde, nie bewusst als Vater erlebt hat und keinerlei innere Beziehung zu ihm hat aufbauen können. Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang der Antragsgegnerin vorwirft, sie habe nichts unterlassen, um L von ihm zu entfremden, und habe ihre Stellung dazu ausgenutzt, das Kind gemeinsam mit ihren Verwandten permanent gegen ihn aufzuwiegeln, ist sein Vorbringen unsubstantiiert und schon von daher keiner weiteren Aufklärung zugänglich. Der Umstand, dass L unzweifelhaft ganz auf der Seite seiner Mutter steht und zum Antragsteller keinerlei emotionale Bindung besteht, hat seine Ursache darin, dass es aufgrund der schon seit 1994 bestehenden räumlichen Trennung zwischen dem Antragsteller und L nicht gelungen ist, frühzeitig in der frühen Kindheit von L eine prägende und starke Beziehung zwischen Vater und Kind aufzubauen, die es L überhaupt erst ermöglicht hätte, in seine Überlegungen Ende 2000/Anfang 2001, als er sich in Deutschland nicht mehr wohl fühlte, auch die Alternative, zu seinem Vater auf die Kanarischen Inseln überzusiedeln, einzubeziehen. Er kannte seinen Vater praktisch nicht. Dieser war schon 1994 auf die Kanarischen Inseln gezogen, nachdem sich die Eltern bereits im September 1992 getrennt hatten. L war daher stets auf die Antragsgegnerin fixiert. Dabei hat er vermutlich auch miterlebt, wie sich seine Mutter vergeblich bemüht hat, von seinem Vater ausreichende finanzielle Unterstützung bei der Betreuung des gemeinsamen Kindes in Form von Kindesunterhalt zu bekommen. Unter diesen Umständen wäre es nicht einmal verwunderlich, wenn L mit der Zeit unbewusst die bei seiner Mutter vorhandene negative Einstellung gegenüber dem Antragsteller übernommen hätte. Einer "Aufwiegelung" seitens der Antragsgegnerin mit Hilfe ihrer Verwandten hätte es hierfür nicht bedurft.

Der Senat ist nach alledem überzeugt davon, dass eine Änderung der Sorgerechtsregelung zugunsten des Antragstellers das Wohl des Kindes L eher beeinträchtigen würde als dass es ihm dienen würde.

Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller hilfsweise beantragte Übertragung des Sorgerechtes auf das Jugendamt. Eine solche Maßnahme käme nur dann in Betracht, wenn die Antragsgegnerin nicht in der Lage wäre, das Sorgerecht für L in gehöriger Weise auszuüben. Dies kann jedoch nicht festgestellt werden. Der Umstand, dass sie L entsprechend seinem Willen, in Singapur bei den Verwandten der Mutter zu leben, aus ihrer unmittelbaren Obhut entlassen und in die Obhut ihrer Verwandten gegeben hat, lässt sie noch nicht als erziehungsungeeignet erscheinen. Sie hat sich nicht etwa des Kindes aus eigennützigen Motiven heraus "entledigt", weil sie die Verantwortung für das Wohl und Wehe des Kindes nicht weiter übernehmen wollte. Sie hat das Schicksal ihres Kindes auch nicht völlig fremden Menschen in einem für das Kind völlig fremden Land und Kulturkreis überlassen. Für L war aufgrund der schon vor seiner Übersiedelung nach Singapur erfolgten regelmäßigen Besuche bei den Verwandten das Land nicht fremd und insbesondere nicht diejenigen Menschen, in deren Mitte er dort bis heute lebt. Nach den Befragungen durch die Sozialarbeiterinnen vor Ort in Singapur war es unzweifelhaft L selbst, der seine Mutter förmlich bedrängt hatte, ihn bei ihren Verwandten in Singapur leben zu lassen. Zu dieser Entscheidung steht L, der heute rund 12 1/2 Jahre alt ist, nach den Angaben in den Sozialberichten auch jetzt noch. Ob es letztlich nur der Umstand war, dass er in Deutschland keine Kinder zum Spielen in der Nachbarschaft hatte und er sich deshalb einsam fühlte, der ihn bewogen hat, in Singapur zu leben, ist nicht ersichtlich. Es mag sein, wie der Antragsteller mutmaßt, dass dabei auch Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen ihm und seiner Mutter im Rahmen der Kindeserziehung eine Rolle gespielt haben. Im Ergebnis hat sich aber erwiesen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Willen des Kindes nachzugeben, diesem nicht geschadet, sondern, wenn man die Sozialberichte liest, eher genützt hat. L ist nach seinen Äußerungen gegenüber den Sozialarbeiterinnen in Singapur glücklich, bei den Verwandten seiner Mutter leben zu können, und seine Zuneigung zu seiner Mutter ist trotz der großen räumlichen Entfernung sogar stärker geworden. Es widerspricht im vorliegenden Fall somit nicht der dem Sorgeberechtigten zuvörderst obliegenden, ihn als höchstpersönliche Verantwortung treffenden Erziehungspflicht gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG, wenn die Antragsgegnerin für eine vorübergehende Zeit die Pflege und Erziehung von L ihren Verwandten in Singapur überlässt, solange sie die Fremdbetreuung in eigener Verantwortung durch regelmäßige Besuche in Singapur, schriftliche und telefonische Kontakte mit der Familie, in der L lebt, und mit L selbst kontrolliert und überwacht (vgl. zur Frage der Erfüllung des elterlichen Erziehungsauftrages durch Überlassung der Betreuung des Kindes an Dritte insbesondere BVerfG FamRZ 1999, 285 ff. zu B. I.1. der Gründe).

Allerdings hat L gegenüber der Sozialarbeiterin auch geäußert, er würde heute, wenn er noch einmal die Wahl hätte, lieber bei seiner Mutter bleiben und würde auch heute gerne wieder mit ihr zusammenleben. Die Antragsgegnerin wird deshalb zu überlegen haben, wie sie diesem Wunsch des Kindes unter Berücksichtigung seiner schulischen Belange möglichst bald entsprechen kann.

II. Umgangsrecht

Der Antragsteller begehrt ferner ein Umgangsrecht mit L in den ersten zwei Wochen der Sommerferien sowie in den ersten beiden Wochen in den Winterferien, entweder an seinem Wohnort auf den Kanarischen Inseln oder in Deutschland oder Singapur. Auch diesem Antrag kann nicht entsprochen werden. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zum Sorgerecht ergibt, wäre das Wohl des Kindes L gefährdet (§ 1684 Abs. 4 Satz 2 BGB), würde man es gerichtlicherseits zwingen, übergangslos jeweils zwei Wochen im Sommer und im Winter mit dem ihm faktisch unbekannten Vater zu verbringen, über den er nach seinen Angaben gegenüber der Sozialarbeiterin zudem sehr verärgert ist. L wäre mit einem ihm gegen seinen Willen auferlegten Ferienurlaub mit dem Antragsteller psychisch völlig überfordert. Dies gilt für einen Aufenthalt auf den ihm fremden Kanarischen Inseln ebenso wie für Aufenthalte in Deutschland oder Singapur. Ein Ferienumgang setzt in jedem Falle ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zwischen dem Kind und dem umgangsberechtigten Elternteil voraus, das nur durch bereits erfolgte kontinuierliche Umgangskontakte geschaffen werden kann (vgl. Schwab/Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., Teil III Rdnr. 247). In Betracht käme daher allenfalls eine behutsame Anbahnung von Umgangskontakten, gegebenenfalls in Anwesenheit dritter Personen gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 3 und 4 BGB, bei denen es zunächst erst einmal um ein gegenseitiges persönliches Kennenlernen gehen kann (vgl. dazu auch Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1684 Rdnr. 15 mit Bezug auf OLG Braunschweig FamRZ 1999, 185). Eine solche Anbahnung von Umgangskontakten ist allerdings derzeit wegen der großen räumlichen Entfernung zwischen Vater und Kind nicht durchführbar und wird vom Antragsteller auch nicht begehrt. Da im übrigen die Entscheidung der alleinsorgeberechtigten Antragsgegnerin, L in Singapur in der Obhut ihrer Verwandten leben zu lassen, rechtlich - auch verfassungsrechtlich - nicht zu beanstanden ist, muss es der Antragsteller hinnehmen, dass das von ihm beantragte Umgangsrecht derzeit nicht eingeräumt werden kann (vgl. zu den ähnlichen Fällen der Auswanderung des Sorgeberechtigten mit dem Kind Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1684 Rdnr. 17 und 18). Der Herausgabeanspruch zum Zwecke des Umgangs mit dem Kind ist nach alledem gegenstandslos.

Unbegründet ist auch der - im Zusammenhang mit dem Recht auf Umgang stehende - Antrag des Antragstellers zu Ziff. 2. c) seiner Beschwerdebegründung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm telefonischen Kontakt alle zwei Wochen mit dem Sohn L sowie ungestörten Briefkontakt mit L zu ermöglichen. Soweit es um briefliche Kontakte zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn geht, steht es dem Antragsteller frei, solche Kontakte anzubahnen. Die Anschrift von L ist ihm bekannt und kann im übrigen dem Sozialbericht vom 19.07.2004 sowie diesem Beschluss entnommen werden. Soweit sich der Antragsteller darüber beklagt, dass zahlreiche Briefe an L "offenbar" von den Verwandten der Antragsgegnerin nicht an L ausgehändigt würden, liegen für diese Vermutung keinerlei konkrete Anhaltspunkte vor. Es ist auch nicht ersichtlich, in welcher Weise die Antragsgegnerin insoweit einen ungestörten Briefkontakt mit L ermöglichen könnte. Dass sie ihre Verwandten in Singapur angewiesen haben könnte, Briefe des Antragstellers nicht an L auszuhändigen, wird vom Antragsteller selbst nicht behauptet. Soweit L gegenüber der Sozialarbeiterin geäußert hat, er wisse die Postadresse des Antragstellers nicht, sollte die Antragsgegnerin sie L mitteilen; im übrigen hatte L selbst sie allem Anschein nach auf einen Briefumschlag an den Antragsteller Ende Mai 2003 geschrieben (vgl. Seite 10 der Beschwerdebegründung nebst Anlage 6).

Auch dem Antrag, die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller alle zwei Wochen einen telefonischen Kontakt mit L zu ermöglichen, kann nicht entsprochen werden. L lehnt es nach seinen Äußerungen gegenüber der Sozialarbeiterin derzeit ab, mit seinem Vater in Kontakt zu treten. Dem muss bei der Entscheidung über eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, telefonische Kontakte zwischen L und seinem Vater zu ermöglichen, Rechnung getragen werden. Da sich L, anders als bei Versuchen des Antragstellers, brieflichen Kontakt zu ihm herzustellen, einem telefonischen Kontakt nicht entziehen kann, weil er nicht weiß, wer gerade anruft, erscheint die begehrte gerichtliche Anordnung mit dem Kindeswohl zur Zeit nicht vereinbar.

III. Auskunftsrecht

Im Hinblick auf die Anträge zu 2. a) und b) der Beschwerdebegründung hat die Beschwerde des Antragstellers teilweise geringfügigen Erfolg. Gemäß § 1686 BGB kann jeder Elternteil vom anderen Elternteil bei berechtigtem Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Das Auskunftsrecht dient dazu, dem Elternteil, der nicht mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebt, zu ermöglichen, sich von der Entwicklung des Kindes und seinem Wohlergehen laufend überzeugen zu können. Es erlangt dort besondere Bedeutung, wo ein regelmäßiger Besuchskontakt nicht stattfindet, insbesondere wegen großer räumlicher Entfernung (vgl. Schwab/Motzer, a.a.O., Rdnr. 70). Ein berechtigtes Interesse, vom anderen Elternteil Auskunft zu verlangen, kann nicht deshalb verneint werden, weil sich der auskunftsbegehrende Elternteil vorher längere Zeit nicht um das Kind gekümmert hat (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 1487; OLG Schleswig FamRZ 1996, 1355). Dies gilt hier umso mehr, als das betroffene Kind nicht mehr im mütterlichen Haushalt lebt, sondern bei Verwandten im entfernten Ausland. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass im vorliegenden Fall das Auskunftsrecht an die Stelle des persönlichen Umgangs mit dem Kind tritt, erscheint die im angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts der Antragsgegnerin auferlegte Auskunftsverpflichtung nicht umfassend genug, um den berechtigten Interessen des Antragstellers genügend Rechnung zu tragen (vgl. auch Johannsen/Henrich/Jaeger, a.a.O., § 1686 Rdnr. 4). Dem Antragsteller kann vorliegend nur über sein Auskunftsrecht nach § 1686 BGB ermöglicht werden, seiner aus Art. 6 Abs. 2 GG fließenden elterlichen Verantwortung gerecht zu werden, wenn er in regelmäßigen kürzeren Zeitabschnitten als einmal im Jahr und zusätzlich auch aus besonders wichtigen Anlässen heraus wie bei einer ernsthaften Erkrankung oder einem schweren Unfall des Kindes unterrichtet und mit den nötigen Informationen versehen wird. Zu diesem Zweck hält es der Senat für erforderlich aber auch für ausreichend, die aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Konkretisierungen der vom Amtsgericht bereits festgelegten Auskunftsverpflichtung und weitere Informationspflichten der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

IV.

Zusätzliche Aufklärungsmaßnahmen hält der Senat im vorliegenden Fall für nicht erfolgversprechend. Es ist nicht zu erwarten, dass eine persönliche Anhörung des Kindes gegenüber den Ergebnissen der Feststellungen der zuständigen Sozialbehörde in Singapur weitere Erkenntnisse bringen würde. Entsprechendes gilt für eine nochmalige Beteiligung des Jugendamtes, das sich ohnehin nur auf die Schilderungen der Kindesmutter im Rahmen eines persönlichen Gespräches mit ihr beziehen könnte (so schon der Bericht des Jugendamtes Bonn vom 31. Mai 2002, Bl. 61 d.A.). Die Kindesmutter ist zudem auch vom Amtsgericht im Termin am 04.04.2003 persönlich angehört worden. Eine erneute Anhörung vor dem Senat lässt ebenso wenig neue Erkenntnisse erwarten wie eine persönliche Anhörung des Kindesvaters. Da dem Antragsteller ein Ferienumgang an seinem Wohnort auf den Kanarischen Inseln nicht zuerkannt werden konnte, bedarf es auch nicht einer Klärung seiner Lebensumstände vor Ort durch den Internationalen Sozialdienst.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG. Da die Beschwerde des Antragstellers lediglich in geringfügigem Maße ausschließlich im Rahmen seiner Anträge zum Auskunftsrecht Erfolg hatte, erscheint es angemessen, ihm die gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Beschwerdewert: 6.000,00 Euro (Sorgerecht 3.000,00 Euro, Umgangsrecht einschließlich Auskunftsrecht ebenfalls 3.000,00 Euro).

Ende der Entscheidung

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