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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 01.04.2005
Aktenzeichen: 4 UF 249/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1613 Abs. 1
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 UF 249/04

In der Familiensache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Schrübbers, sowie die Richterin am Oberlandesgericht Bourmer-Schwellenbach und den Richter am Oberlandesgericht Blank

am 1. April 2005

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Beklagten, ihm zur Durchführung des beabsichtigten Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten war zurückzuweisen, da die von ihm beabsichtigte Berufung gegen das am 16.11.2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn - 41 F 54/04 - nicht die gemäß § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht bietet.

Zu Recht hat das Familiengericht den Beklagten in dem angefochtenen Urteil, das sich nunmehr in vollständiger Fassung bei den Akten befindet, in der tenorierten Höhe zur Zahlung von rückständigem und laufendem Kinderunterhalt verurteil. Mit der beabsichtigten Berufung will der Beklagte nicht die Höhe des ausgeurteilten Unterhaltes angreifen. Vielmehr rügt der Beklagten insoweit, dass das Familiengericht zu Unrecht die von ihm angenommene Verwirkung von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit und Zukunft nicht bejaht hat.

Dieser Angriff geht allerdings im Ergebnis fehl. Gemäß § 1613 Abs. 1 BGB können für die Vergangenheit Unterhaltsrückstände wegen Nichterfüllung von dem Zeitpunkt an gefordert werden, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist.

Unterhaltsrückstände werden geltend gemacht ab August 2001. Ab diesem Zeitpunkt sind sie auch ausgeurteilt worden. Zu diesem Zeitpunkt war, wie sich aus der Aufstellung des Beklagten in seiner Begründungsschrift zum PKH-Gesuch selbst ergibt, ein Auskunftsverlangen der Kläger an den Beklagten gerichtet gewesen. Bereits seit April 1998 versuchte die Kindesmutter über ihre bevollmächtigten Rechtsanwälte Auskunft vom Beklagten über seine Einkommensverhältnisse zu erhalten, um erhöhte Unterhaltszahlungen geltend zu machen. Dies führte schließlich dazu, dass die Kläger unter dem 02.08.2001 eine mit einem PKH-Gesuch verbundene Stufenklage beim Amtsgericht Linz einreichten, nachdem der Beklagte durch seinen hiesigen Verfahrensbevollmächtigten mit Schreiben vom 02.05.2001 erhöhte Unterhaltszahlungen sowie die Auskunft unter Hinweis auf § 1605 BGB abgelehnt hatte. Ab diesem Zeitpunkt waren praktisch in ununterbrochener Folge Unterhaltsklagen gegen den Beklagten anhängig. Zunächst wurde vor dem Amtsgericht Linz, wie sich aus dem Tatbestand des amtsgerichtlichen Urteils ergibt, versucht Auskunft zu erhalten. Nachdem der Beklagte Auskunft erteilt hatte, gingen die Kläger ins Betragsverfahren über. Allerdings sind die Klageschriften zu keiner Zeit durch das Amtsgericht Linz an den Beklagten zugestellt worden. Dies geschah auch zu Recht, da die Kläger den Prozesskostenvorschuss nicht eingezahlt hatten. Insoweit war das Prozesskostenhilfeverfahren vorrangig zu betreiben. Erst mit Abschluss des Verfahrens konnte festgestellt werden, ob eine Vorschusspflicht der Kläger entfiel. Gemäß § 65 Abs. 1 GKG a.F. soll die Klageschrift nicht vor Einzahlung des Prozesskostenvorschusses zugestellt werden. Entsprechend dieser Vorschrift hat das Amtsgericht Linz gehandelt. Ihm ist insoweit nichts vorzuwerfen.

Vor dem Amtsgericht Linz blieb die Unterhaltsklage bis zum 03.09.2003 jedenfalls anhängig. Denn erst mit Beschluss vom 03.09.2003 wies das Amtsgericht Linz die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wegen Unzuständigkeit des Gerichts zurück. Währen dieses Verfahrens sind die Kläger auch nicht untätig geblieben. Vielmehr haben sie den Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 04.07.2002 erneut hinsichtlich der Unterhaltsansprüche der Kläger angeschrieben und sowohl laufenden als auch Ausgleich von rückständigem Unterhalt verlangt.

Nachdem sodann das Amtsgericht Linz mit dem vorgenannten Beschluss das Prozesskostenhilfegesuch der Kläger zurückgewiesen hatte, reichten die Verfahrensbevollmächtigten der Kläger mit Datum vom 17.09.2003 beim Amtsgericht Dinslaken erneut Klage hinsichtlich der Unterhaltsrückstände und laufenden Unterhalts ein. Auch diese Klage war mit einem Prozesskostenhilfegesuch verbunden. Auch hier wurde die Klage wiederum nicht zugestellt, da der Prozesskostenvorschuss im Hinblick auf das laufende Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren nicht eingezahlt wurde. Auch hier handelte das Amtsgericht Dinslaken korrekt im Sinne des § 65 Abs. 1 GKG a.F.. Jedenfalls bis zur Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch mit Beschluss vom 10.12.2003, durch den das Gesuch ebenfalls wegen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts zurückgewiesen wurde, blieb das dortige Klageverfahren anhängig. Rechtshängigkeit war auch hier nicht eingetreten.

Sodann haben die Kläger mit Schriftsatz vom 05.02.2004 vor dem zuständigen Amtsgericht in Bonn die Klage auf rückständigen und laufenden Unterhalt eingereicht, und der Beklagte ist durch das angefochtene Urteil in dem dort tenorierten Umfang zur Zahlung von rückständigem und laufendem Unterhalt verurteilt worden.

Bei dieser Sachlage konnte sich der Beklagte in ausreichendem Maße darauf einstellen, dass er im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit jedenfalls ab August 2001 zu Unterhaltszahlungen für seine beiden minderjährigen Kinder in Anspruch genommen werden sollte. Ab diesem Zeitpunkt waren Unterhaltsklagen vor Gerichten anhängig. Dass die Kläger bei der gegebenen Sachlage ihre Ansprüche ab August 2001 nicht mehr durchsetzen wollten, konnte der Beklagte bei der gegebenen Sachlage zu keinem Zeitpunkt ab August 2001 annehmen. Dem Verfahren vor dem Amtsgericht Linz wurde nur deswegen kein Fortgang gegeben, weil dieses nicht zeitnah über die Prozesskostenhilfeanträge der Kläger entschieden hatte. Von daher liegen keine Umstände, die im Verantwortungsbereich der Kläger liegen, vor, die bei dem Beklagten einen Vertrauenstatbestand dahin hätten schaffen können, dass er von seinen minderjährigen Kindern für die Vergangenheit nicht mehr in Anspruch genommen werden sollte. Der Sachverhalt stellt sich gerade nicht so dar, dass die Kläger über längere Zeit derart untätig geblieben waren, dass der Beklagte hätte davon ausgehen können, sie würden für die zurückliegende Zeit keinen Unterhalt mehr geltend machen. Hiergegen spricht bereits die Tatsache, dass sie die erste Unterhaltsklage anhängig hielten und nach Übergang von der Auskunfts- zur Leistungsstufe im Rahmen der anhängigen Stufenklage auf eine Entscheidung über den für die Zahlungsanträge gestellten Prozesskostenhilfeantrag warteten. Als hierüber durch das Amtsgericht Linz negativ entschieden worden war, reichten sie Klage beim Amtsgericht Dinslaken ein. Auch hier war die Klage mit einem Prozesskostenhilfeantrag verbunden. Auch hier musste und konnte der Beklagte erkennen, dass er weiterhin ab dem in der Klageschrift genannten Zeitraum auf erhöhten rückständigen und laufenden Unterhalt in Anspruch genommen werden sollte.

Bei dieser Sachlage sind weder das Zeit- noch das Umstandsmoment gegeben, welche erforderlich sind, um einen Verwirkungstatbestand annehmen zu können. Über die Jahre hinweg musste dem Beklagten klar sein, dass er seit erstmaliger Klageeinreichung im August 2001 vor dem Amtsgericht Linz auf erhöhten Unterhalt in Anspruch genommen wurde. Nahezu über die ganze Zeit, mit kleinen zeitlichen Zwischenräumen, waren Unterhaltsklagen der Kläger gegen den Beklagten anhängig. Von daher kann unter keinen Umständen angenommen werden, dass die Kläger über längere Zeit ihre Unterhaltsansprüche nicht geltend gemacht hätten.

Jedenfalls ist aber das Umstandsmoment nicht gegeben. Für den Beklagten wurden seitens der Kläger keine Tatbestände gesetzt, die ihn hätten darauf vertrauen lassen dürfen, dass die Kläger keinen Unterhalt mehr geltend machen würden. Gegenteiliges ist vielmehr der Fall. Wie das amtsgerichtliche Urteil zeigt, ist der Beklagte in dem Umfang, in dem er zu Unterhaltszahlungen verurteilt worden ist, leistungsfähig. Insoweit greift er das Urteil auch gar nicht an. Der Beklagte konnte sich seit August 2001 ausreichend darauf einstellen, dass er zu Unterhaltszahlungen herangezogen werden sollte. Er kannte seine Leistungsfähigkeit. Von daher lag nichts näher, als Rücklagen zu bilden. Vertraute er darauf, dass die anhängig gemachten Klagen aus welchen Gründen auch immer nicht zum Erfolg führten, so handelte er auf eigenes Risiko. Ein Vertrauenstatbestand hatten die Kläger jedenfalls nicht gesetzt.

Deswegen kann sich der Beklagte auch nicht auf die von ihm zitierte Entscheidung des OLG Brandenburg (veröffentlicht in FamRZ 2004, 972 f.) berufen. Es kann gerade nicht festgestellt werden, dass, worauf das OLG Brandenburg abstellt, ein längerfristiger Zeitraum zwischen einer Tenorierung und späteren Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen verstrichen wäre. Insoweit kann auf das oben Gesagte verwiesen werden.

Nach alldem kann die beabsichtigte Berufung des Beklagten keine Aussicht auf Erfolg haben. Ihm ist daher für das beabsichtigte Berufungsverfahren die beantragte Prozesskostenhilfe zu verweigern.

Ende der Entscheidung

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