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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 08.04.2005
Aktenzeichen: 4 UF 68/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1361 b Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

4 UF 68/05

In dem einstweiligen Anordnungsverfahren auf Wohnungszuweisung

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln als Familiensenat durch den Richter am Oberlandesgericht Blank als Einzelrichter

am 08. April 2005

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Bonn vom 11. März 2005 - 41 F 57/05 EAWH I -, mit dem das eheliche Haus I-Str. 11 a in #### C dem Antragsteller vorläufig zur alleinigen Nutzung zugewiesen und der Antragsgegnerin aufgegeben worden ist, das vorgenannte Haus sofort unter Mitnahme ihrer persönlichen Sachen zu verlassen und es ohne Einverständnis des Antragstellers nicht wieder zu betreten, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Gründe:

Die gemäß § 620 c Satz 1 ZPO zulässige - insbesondere fristgerecht eingelegte - sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung das eheliche Haus dem Antragsteller zur alleinigen Nutzung zugewiesen und der Antragsgegnerin aufgegeben, dieses sofort zu verlassen und nicht wieder zu betreten (§ 1361 b BGB).

Nach Absatz 1 dieser Vorschrift kann unter Anderem ein Ehegatte, der von seinem Ehepartner getrennt leben will, verlangen, dass ihm der Andere die Ehewohnung zur alleinigen Nutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden.

Nach Auffassung des Senates ist auf Seiten des Antragstellers eine solche unbillige Härte gegeben. Der Begriff der unbilligen Härte ist gesetzlich nicht definiert und daher Einzelfall bezogen auszufüllen. Das Richtmaß "unbillige Härte" weist über den Bereich der häuslichen Gewalt hinaus. Durch ausdrückliche Erwähnung herausgehoben sind als Tatbestände, die eine unbillige Härte begründen können, die Anwendung von Gewalt (in § 1361 b Abs. 2 BGB) und die Beeinträchtigung des Kindeswohles (§ 1361 b Abs. 1 Satz 1 BGB). Damit sind Härtefälle vor Allem durch häusliche Gewalt indiziert. Hierbei kann jede Gewaltform als Tatbestand in Betracht kommen. Sie kann sich auch in grob unbeherrschtem und unberechenbarem Verhalten sowie Sachbeschädigungen äußern. Insbesondere kann die Gewalt sich auch in indirekter Aggression gegen eine Person äußern, wobei es auf die objektive Ernsthaftigkeit z.B. von Bedrohungen nicht entscheidend ankommt, sondern darauf, ob sich der betroffene Ehegatte subjektiv so belastet fühlt, dass ihm objektiv die Fortsetzung der häuslichen Gemeinschaft nicht mehr zumutbar ist. In Abgrenzung hierzu stellen keine Härtefälle bloße Unannehmlichkeiten und Belästigungen, wie sie bei einer zerrütteten Ehe regelmäßig auftreten, dar. Auch wirtschaftliche Interessen sind in die Schutzfunktion der Norm, die auf die bei Gewalttaten betroffenen Rechtsgüter wie Körper, Gesundheit und Freiheit ausgerichtet ist, nicht zu berücksichtigen (vgl. hierzu Palandt-Brudermüller, BGB, 64. Aufl. 2005, § 1361 b Rn. 9, 10 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Vorgaben kann auch nach Auffassung des Senates nicht zweifelhaft sein, dass es für den Antragsteller eine unbillige Härte bedeuten würde, wenn die Antragsgegnerin weiterhin das ehemals eheliche, gemeinsam genutzte Haus mit nutzen könnte.

Der Antragsteller hat ausreichend glaubhaft gemacht (§ 620 a Abs. 2 Satz 2 ZPO), dass die Antragsgegnerin ihn in der Vergangenheit dermaßen beeinträchtigt hat, dass hierdurch seine persönliche Freiheit in nicht unerheblichem Umfang eingeschränkt war und das Verhalten der Antragsgegnerin ihm gegenüber eine schwere psychische Belastung darstellte. So hat der Antragsteller an Eides statt versichert, dass er in der Vergangenheit zumindest zeitweilig daran gehindert bzw. jedenfalls behindert wurde, mit seinen Kindern Kontakt aufzunehmen und das auch im Übrigen seine persönliche Freiheit eingeschränkt war. Darüber hinaus hat die Schwiegertochter des Antragstellers, Frau W X, an Eides statt versichert, dass sie ebenfalls von solchen Einschränkungen der persönlichen Freiheit wisse und selbst telefonisch mitbekommen habe, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller in nicht unerheblicher Weise beschimpft habe.

Schließlich wird das Einwirken der Antragsgegnerin auf die Freizügigkeit des Antragstellers auch dadurch belegt, dass es eines weiteren einstweiligen Anordnungsverfahrens bedurfte, damit der Antragsteller persönliche Gegenstände, die er für das tägliche Leben dringend benötigte, heraus bekommen konnte. Soweit die Antragsgegnerin ihr Verhalten damit zu entschuldigen versuchte, dass der Sohn des Antragstellers sich ihr gegenüber vorher nicht angemeldet und sodann ungehörig verhalten habe, rechtfertigt dies das schroffe Verhalten der Antragsgegnerin gegenüber den berechtigten Belangen des Antragstellers nicht. Ihr war erkennbar, dass der Antragsteller die herausverlangten Gegenstände dringend benötigte. Es hätte ihrerseits keiner großen Mühe bedurft, die Gegenstände an den Sohn des Antragstellers auszuhändigen. Isoliert gesehen mag dieser Vorgang nicht ausreichen, um eine unbillige Härte im Sinne des § 1361 b BGB anzunehmen. In der Gesamtheit des Verhaltens der Antragsgegnerin dem Antragsteller gegenüber ist dies jedoch ein weiterer Mosaikstein in dem Gesamtbild, das sich der Senat aufgrund des Akteninhalts von den Verhältnissen machen konnte.

Unberücksichtigt durfte auch nicht bleiben, dass der Antragsteller bei seiner persönlichen Anhörung durch das Familiengericht nochmals die Beeinträchtigungen, die er durch das Verhalten der Antragsgegnerin erfahren musste, eindringlich schilderte, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 11.03.2005 (Bl. 31 GA) ergibt. Hier wird insbesondere das tiefe Zerwürfnis zwischen den Ehepartnern deutlich, welches ganz entschieden über die "normalen" Unannehmlichkeiten und Belästigungen hinausgeht, wie sie bei einer zerrütteten Ehe regelmäßig auftreten.

Bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen den Belangen des Antragstellers und der Antragsgegnerin war zu berücksichtigen, dass eine gemeinsame Zuteilung der Ehewohnung aufgrund des gestörten Verhältnisses der Parteien untragbar gewesen wäre. Denn der Antragsteller hat unmissverständlich im Termin zur mündlichen Verhandlung am 11.03.2005 zum Ausdruck gebracht, dass er nicht mehr gemeinsam mit der Antragsgegnerin in einem Hause wohnen wolle und könne. Von dieser Auffassung hat die Antragstellerin den Antragsgegner auch in einem persönlichen Gespräch nicht mehr umstimmen können. Daher ist im Ergebnis festzuhalten, dass der Senat aufgrund der gegebenen Umstände jedenfalls nur einer Partei die Wohnung zuweisen kann.

Im Hinblick auf das hohe Alter und die eingeschränkte Beweglichkeit des Antragstellers ist diesem das Haus zur alleinigen Nutzung zuzuweisen. Auch wenn die Antragsgegnerin bestreitet, dass dieses Haus besonders behindertengerecht ausgebaut worden sei, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass einzelne Räumlichkeiten bzw. örtliche Gegebenheiten bei der Sanierung des Hauses so verändert wurden, dass den körperlichen Gebrechen des Antragstellers Rechnung getragen wurde. Auch wenn der Antragsteller nicht ständig auf einen Rollstuhl angewiesen sein sollte, ist es plausibel, dass dieser aufgrund eines 2002 erlittenen Schlaganfalls in seiner Beweglichkeit erheblich eingeschränkt ist und zumindest zeitweise den Rollstuhl nutzt.

Zudem war zu berücksichtigen, dass das ihm zur Nutzung zugewiesene Haus in seinem, des Antragstellers, Alleineigentum steht und dass der Antragsteller hier schon sehr lange Zeit heimisch ist. Dagegen bewohnt die Antragstellerin das Haus erst seit wesentlich kürzerer Zeit, nämlich seit Ende 2002. Sie ist erheblich jünger als der Antragsteller und in ihrer Beweglichkeit in keiner Weise eingeschränkt. Ihr kann es eher zugemutet werden umzuziehen. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller der Antragsgegnerin eine Zweizimmerwohnung zur alleinigen Benutzung angeboten hat. Dem Antragsteller kann dagegen die Nutzung dieser Wohnung aufgrund der vorgeschilderten Gegebenheiten - insbesondere seines gesundheitlichen Zustandes - nicht zugemutet werden. Gleiches gilt für einen möglichen Verbleib des Antragstellers bei einem seiner Kinder.

Da die Eheleute sich nicht über die Nutzung der Wohnung einigen können und eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann, ist ein Reglungsbedürfnis gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 36.000,- € (wie in der ersten Instanz)

Ende der Entscheidung

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