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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 5 U 116/07
Rechtsgebiete: ZPO, AVB, KHEntG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 313a Abs. 1 Satz 1
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
ZPO § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
ZPO § 540 Abs. 2
AVB § 9
KHEntG § 8 Abs. 8
BGB § 242
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 25. April 2007 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 25 O 382/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V. m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann von dem Beklagten aus dem geschlossenen Behandlungsvertrag die Zahlung der Kosten von 7.403,16 € verlangen, die für die stationäre Behandlung der Ehefrau des Beklagten vom 30.3. bis 8.4.2003 im Klinikum der Klägerin bisher noch nicht beglichen worden sind. Der Beklagte hat seine am 25.6.2004 verstorbene Ehefrau allein beerbt (§ 1922 Abs. 1 BGB).

1. Die Klägerin und die Ehefrau des Beklagten haben eine Abrechnung der stationären Behandlung nach DRG-Fallpauschalen vereinbart. Eines Rückgriffs auf die taxmäßige oder übliche Vergütung (§ 612 Abs. 2 BGB), den das Landgericht vorgenommen hat, bedarf es daher nicht. Im Aufnahmeantrag der Ehefrau des Beklagten vom 30.3.2003 (Anlage HWN 1, Bl. 8 d.A.), den die Klägerin angenommen hat, heißt es, dass "alle durch die Behandlung nach den jeweils geltenden Tarifen entstehenden Kosten von mir getragen werden." Der für eine stationäre Behandlung im Klinikum der Klägerin geltende Tarif war, nachdem diese per 1.3.2003 für eine Umstellung optiert hatte, die Abrechnung nach DRG-Fallpauschalen.

Aus den im März 2003 noch verwendeten Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Klägerin, Stand 1.2.2001 (Anlage HWHN 11, Anlagenband) würde sich selbst dann nichts anderes ergeben, wenn diese in vollem Umfang Vertragsbestandteil geworden sein sollten. Der Beklagte behauptet allerdings, dass seiner Ehefrau lediglich ein Auszug aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen für ambulante Patienten (Anlage 4, Bl. 47 ff. d.A.) überreicht worden sei. In diesem Auszug ist die Bestimmung des § 9 AVB über das zu entrichtende Entgelt schon nicht abgedruckt. Nach § 9 der Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) der Klägerin, Stand 1.2.2001, richtet sich das Entgelt für die Leistungen des Krankenhauses nach dem Pflegekostentarif in der jeweils gültigen Fassung. Nimmt man die allgemein gefasste Bestimmung des Aufnahmeantrags ("jeweils gültiger Tarif") hinzu, liegt der Sinn des § 9 AVB aus der maßgeblichen Sicht des Patienten in einer dynamischen Verweisung auf die für das Krankenhaus aktuell gültige Vergütungsregelung. Ob diese als "Pflegekostentarif" benannt ist oder aufgrund von Veränderungen im Gesundheitswesen einen andere Bezeichnung trägt, ist demgegenüber von nachrangiger Bedeutung.

Soweit die Bundespflegesatzverordnung in der von der Ehefrau des Beklagten geschlossenen Wahlleistungsvereinbarung angeführt worden ist, betraf dies - was der Beklagte in der Berufungsbegründung nicht beachtet - nicht die gesondert geschuldete Vergütung der allgemeinen Leistungen des Krankenhauses.

2. Einen Schadensersatzanspruch wegen einer Aufklärungspflichtverletzung kann der Beklagte dem Vergütungsanspruch der Klägerin nicht entgegen setzen.

a) Es kann dahinstehen, ob die Klägerin gemäß § 8 Abs. 8 KHEntG oder aufgrund einer im Einzelfall bestehenden vorvertraglichen Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung gehalten gewesen wäre, die Ehefrau des Beklagten über die Abrechnung des stationären Aufenthaltes nach DRG-Fallpauschalen und die voraussichtlich entstehenden Kosten zu unterrichten.

Der Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass seine Ehefrau im Falle einer Aufklärung über die Art der Abrechnung und die Höhe der Kosten von einer Operation im Klinikum der Klägerin Abstand genommen und sich stattdessen in einem Krankenhaus hätte operieren lassen, das im Jahr 2003 noch nach der Bundespflegesatzverordnung abrechnete.

Anders als der Beklagte meint, obliegt ihm insoweit die Darlegungs- und Beweislast. Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung folgt den üblichen Beweisregeln und nicht denen der Selbstbestimmungsaufklärung (vgl. Frahm/Nixdorf, Arzthaftungsrecht 3. Aufl. Rdn. 166). Die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden stellt eine von mehreren anspruchsbegründenden Voraussetzungen dar, die nach allgemeinen Grundsätzen vom Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen sind. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, die bei der Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten grundsätzlich in Betracht kommt, greift im Streitfall nicht zu Gunsten des Beklagten ein. Die Vermutung gilt nicht, sofern - wie hier - mehrere gleichwertige Verhaltensalternativen in Frage kommen (vgl. BGHZ 123, 311, 313 ff.; BGH NJW 2005, 1113, 1114). Geht man, wie in den vom Beklagten in den Schriftsätzen vom 02.04.2008 und 14.04.2008 zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGHZ 94, 256, 363; BGH MDR 1984, 557, NJW 1994, 512, 513f.; NJW 1996, 2503), im Falle einer Aufklärungspflichtverletzung nicht nur von einer Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, sondern grundsätzlich von einer Umkehr der Beweislast aus, ist das Ergebnis im Streitfall kein anderes. Kommen mehrere gleichwertige Verhaltensalternativen in Betracht, liegt der die Beweislastumkehr rechtfertigende Grund nicht vor. Nach der Lebenserfahrung ist dann gerade nicht zu erwarten, dass sich der Gläubiger regelmäßig entsprechend dem erteilten Hinweis verhalten wird. Die in der Berufungsbegründung und im Schriftsatz des Beklagten vom 2.4.2008 zitierte Stelle aus Baumgärtel, Handbuch der Beweislast (2. Aufl., § 249 Rdn. 12) betrifft den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens.

Für die Ehefrau des Beklagten gab es im Falle eines Hinweises auf die zu erwartenden Kosten zwei zumindest gleichwertige Verhaltensalternativen. Sie litt an einem Ovarialkarzinom und hatte sich am 18.9.2002 im C Krankenhaus in X einer primären Radikaloperation unterzogen, bei der ein Tumorrest im Bereich des Milzpols verblieb. Wie es im Schreiben des Beklagten vom 3.2.2006 (Bl. 23 ff. d.A.) heißt, erkundigte sie sich in der Folgezeit, um die Erfolgaussichten der Chemotherapie zu erhöhen, nach einem Chirurgen, der die Tumormasse verringern konnte. Von Prof. D aus L wurde ihr am 30.1.2003 Prof. Q, der für die Klägerin tätig war, empfohlen, der am 26.2.2003 zu einer Komplettierungsoperation riet. Prof. I, der den Ersteingriff durchgeführt hatte, bot sich daraufhin an, bei der Operation zugegen zu sein. In dem Schreiben des Beklagten vom 3.2.2006 heißt es weiter: "Herr Prof. I erkannte, dass wir in unserer Verzweifelung nichts unversucht lassen wollten, um eine Lebensverlängerung meiner Ehefrau zu erreichen." Vor diesem Hintergrund erscheint es fernliegend, dass die Ehefrau des Beklagten Kostengesichtspunkten den Vorrang vor einer von ihr als medizinisch richtig angesehenen Behandlung gegeben hätte. Für die in der Berufungsbegründung angesprochene, in einem Gespräch vom 17.2.2003 erörterte Operation bei Prof. E aus F hatte sich die Ehefrau des Beklagten gerade nicht entschieden. Hinzu kommt, dass der Gesichtspunkt, der aus Sicht des Beklagten die nach DRG-Fallpauschalen abgerechneten Kosten als unverhältnismäßig erscheinen lässt, nämlich der Abbruch der Operation ohne Tumorentfernung, im Entscheidungszeitpunkt nicht sicher absehbar war. Schließlich ist darauf zu verweisen, dass auf die Ehefrau des Beklagten nach dessen Darstellung lediglich ein nicht durch Beihilfe (50 %) und Krankenversicherung (20 %) gedeckter Eigenanteil von 30 % entfiel, der - wenn auch möglicherweise von einer geringen Summe - auch bei einem stationären Eingriff in einem anderen Krankenhaus aufzubringen gewesen wäre.

Eine Parteivernehmung des Beklagten, die von diesem in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat beantragt worden ist, war nicht veranlasst. Die Klägerin hat sich mit einer Parteivernehmung des Prozessgegners nicht einverstanden erklärt (§ 447 ZPO). Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung von Amts wegen (§ 448 ZPO), sind nicht gegeben, nachdem es - wie die vorstehenden Ausführungen zeigen - an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit der Behauptung des Beklagten fehlt.

b) Soweit der Beklagte in der Berufungsbegründung unter dem Gesichtspunkt eines "Beratungsverschuldens von Prof. Q" einen vermeintlichen Schadensersatzanspruch wegen unzureichender Eingriffs- und Risikoaufklärung andeutet, ist er mit seinem Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO ausgeschlossen. Die Voraussetzungen, unter denen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel ausnahmsweise zulässig sind, sind weder dargetan noch ersichtlich. Das neue Vorbringen ist darüber hinaus ohne jede Substanz. Auch wenn Prof. Q keine Zweifel am Gelingen der von ihm vorgeschlagenen Operation geäußert haben sollte, lag es für die Ehefrau des Beklagten auf der Hand, dass der Eingriff fehlschlagen konnte und nicht zur Entfernung des Resttumors führen würde. Prof. I, der die erste Operation geleitet hatte, hatte sich schließlich gegen einen weiteren Eingriff ausgesprochen.

3. Der Beklagte kann der Klägerin weder nach § 242 BGB noch aus einem anderen rechtlichen Grund mit Erfolg entgegenhalten, dass die Abrechnung nach DRG-Fallpauschalen in Einzelfällen zu Vergütungen führt, die den Aufwand - wie möglicherweise im vorliegenden Fall - deutlich überschreiten oder aber den Aufwand nur unzureichend abgelten. Die Klägerin verstößt im Verhältnis zu ihren Patienten nicht gegen Treu und Glauben, indem sie ein Abrechnungssystem anwendet, dessen Inhalt ihr selbst vorgegeben ist.

4. Der Beklagte schuldet der Klägerin noch die Zahlung von 7.403,16 €. Der unter dem 28.7.2003 für den streitgegenständlichen Eingriff nach DRG-Fallpauschalen abgerechnete Betrag von 9.253,95 € ist, wie der Beklagte im Senatstermin erklärt hat, im Berufungsverfahren der Höhe nach außer Streit, nachdem vom Beklagten nach Abschluss der ersten Instanz Gutachten der Sachverständigen Dr. G und Dr. N eingeholt worden sind.

5. Soweit das Landgericht Zinsen zugesprochen hat, rechtfertigt sich die Entscheidung aus § 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Beklagten vom 2.4.2008 und 14.4.2008 geben aus den vorstehend dargelegten Gründen keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

Berufungsstreitwert: 7.403,16 €

Ende der Entscheidung

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