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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 11.04.2003
Aktenzeichen: 6 U 206/02
Rechtsgebiete: AGBG, BGB, LuftVG


Vorschriften:

AGBG § 8
BGB § 254 Abs. 1
BGB §§ 307 ff.
BGB § 308
BGB § 309
BGB § 307 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 1
BGB § 307 Abs. 1 Satz 2
BGB § 307 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 307 Abs. 3
BGB § 307 Abs. 3 Satz 1
BGB § 702 Abs. 3 Satz 1
LuftVG § 44
LuftVG § 44 Abs. 1 Satz 1
LuftVG § 44 Abs. 1 Satz 2
LuftVG § 44 Abs. 2
LuftVG § 44 Abs. 2 Satz 1
LuftVG § 44 Abs. 2 Satz 2
LuftVG § 49 Abs. 1
LuftVG § 49 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04.09.2002 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 26 O 48/02 - teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu einer Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu einer Dauer von sechs Monaten, zu verhängen gegen die gesetzlichen Vertreter der Beklagten, zu unterlassen, die folgende oder eine dieser inhaltsgleiche Klausel in Bezug auf Luftbeförderungsverträge zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausführung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

"Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder verderblichen Gegenständen (Computer oder sonstigen elektronischen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapiere, Sicherheiten oder anderen Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des Abkommens bleiben unberührt."

II.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts zu erbringen.

V.

Im Umfange der Verurteilung der Beklagten wird die Revision zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Beklagte, die D. L. AG, betreibt ein Luftfahrtunternehmen. In ihren Beförderungsbedingungen, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird (Blatt 6 ff. des Anlagenheftes), verwendet sie u.a. zwei AGB-Klauseln, die der Kläger - eine Verbraucherzentrale - wegen Verstoßes gegen die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB als unwirksam erachtet. Es handelt sich dabei um folgende, nachfolgend auch als "1. Klausel" und "2. Klausel" bezeichnete Beförderungsbedingungen:

1.

"Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und anderen Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung dieser Gegenstände als aufzugebendes Gepäck verweigern."

...

2.

"Der Luftfrachtführer haftet für Schäden an zerbrechlichen oder verderblichen Gegenständen (Computer oder sonstigen elektronischen Geräten), Schmuck, Silbersachen, Geld, Wertpapiere, Sicherheiten oder anderen Wertsachen, Geschäftspapieren oder Mustern, Reisepässen oder Personalausweisen, welche im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthalten sind, gleichgültig, ob mit oder ohne Wissen des Luftfrachtführers, nur, wenn er diese grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht hat; die Vorschriften des Abkommens bleiben unberührt."

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung, auf die wegen der weiteren Einzelheiten und auch des weiteren Sachvortrages der Parteien verwiesen wird (Blatt 68 ff. d.A.), hat es im wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständlichen Beförderungsbedingungen stellten lediglich Leistungsbeschreibungen dar und seien deshalb einer Inhaltskontrolle entzogen, im übrigen seien sie weder intransparent noch benachteiligten sie die Kunden der Beklagten unangemessen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

II.

Die in formeller Hinsicht einwandfreie und insgesamt zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache zum Teil Erfolg. Sie führt zur Änderung der angefochtenen Entscheidung und antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten in Bezug auf die zweite Klausel (2.). Dagegen bleibt der Berufung der Erfolg versagt, soweit die erste Klausel (1.) in Rede steht.

1.

Die mit der Klage angegriffene Beförderungsbedingung

"Im aufzugebenden Gepäck des Fluggastes dürfen zerbrechliche oder verderbliche Gegenstände, Computer oder sonstige elektronische Geräte, Geld, Juwelen, Edelmetalle, Wertpapiere, Effekten und anderen Wertsachen und ferner Geschäftspapiere und Muster nicht enthalten sein; der Luftfrachtführer darf die Beförderung dieser Gegenstände als aufzugebendes Gepäck verweigern."

ist allerdings entgegen der Auffassung des Landgerichts - gleiches gilt für die zweite Klausel - einer Inhaltskontrolle zugänglich. Soweit das Landgericht die Argumentation der Beklagten aufgegriffen und sich auf den Standpunkt gestellt hat, diese Vertragsbedingung beinhalte lediglich eine Leistungsbeschreibung, deshalb finde nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB eine Inhaltskontrolle nicht statt, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Nach der Vorschrift des § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB, die inhaltlich der vormaligen Regelung des § 8 AGBG entspricht, gelten die Vorschriften der Absätze 1 und 2 sowie die Bestimmungen der §§ 308 und 309 BGB nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende und diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Das hat seinen Grund darin, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen, die den Leistungsinhalt oder das zu zahlende Entgelt festlegen, von einer Anwendung der Inhaltskontrolle insbesondere nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 ausgenommen werden müssen, weil die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB eine gerichtliche Überwachung von Leistungsangeboten und Preisen nicht ermöglichen wollen und aus verfassungsrechtlichen Gründen auch nicht ermöglichen dürfen. Die richterliche Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen muss außerdem dort ihre Grenze finden, wo diese lediglich den Inhalt der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften wiederholen. § 307 Abs. 3 BGB beschränkt wie schon § 8 AGBG die Inhaltskontrolle daher auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen und diese ergänzende Regelungen enthalten. Der Inhaltskontrolle entzogen sind Abreden, die ihrer Art nach nicht der Regelung durch Gesetz oder andere Rechtsvorschriften unterliegen, sondern von den Vertragspartnern festgelegt werden müssen (vgl. BGH NJW 1994, 318 und NJW 1993, 2369). Zu letzteren zählen namentlich die bloßen Leistungsbeschreibungen, die Art, Umfang und Güte der geschilderten Leistung unmittelbar festlegen und mit denen die für die Leistungen geltenden Vorschriften unberührt gelassen werden. Klauseln, die Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich nach den Maßstäben insbesondere der §§ 307 bis 309 BGB zu kontrollieren (so ausdrücklich der Bundesgerichtshof in seiner die damals noch geltenden Vorschriften der §§ 8 bis 11 AGBG betreffenden, in NJW 1993, 2369 veröffentlichen Entscheidung vom 23.06.1993). Für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung verbleibt damit nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (BGH a.a.O.; Brandner in: Ulmer/Brandner/Hensen, 9. Aufl., § 8 Rn. 10). Zu diesem engen Bereich der Leistungsbeschreibung gehören beide mit der Klage angegriffenen Klauseln nicht. Denn sie modifizieren die Hauptleistungspflicht (Beförderung von Fluggästen mit Gepäck) und enthalten im übrigen Haftungsbeschränkungen. Beide Klauseln sind nicht notwendig, um den wesentlichen Vertragsinhalt zu bestimmen, und stellen daher entgegen der vom Landgericht mitgetragenen Auffassung der Beklagten keine kontrollfreien Leistungsbeschreibungen dar.

Gleichwohl hat die Klage keinen Erfolg, soweit die vorformulierte Vertragsbedingung der Beklagten in Rede steht, bestimmte Gegenstände dürften im aufzugebenden Gepäck nicht enthalten sein und die Beklagte dürfe die Beförderung solcher Gegenstände als aufzugebendes Gepäck verweigern. Diese Bestimmung benachteiligt den Vertragspartner der Beklagten nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn eine solche Benachteiligung ist nach allgemeiner Meinung und insbesondere der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichthofs (BGHZ 90, 280, 284; BGHZ 120, 108, 118 und BGH NJW 2000, 1110) nur dann gegeben, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorne herein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen. Von einem so verstandenen Missbrauch kann im Streitfall keine Rede sein. Vielmehr hat die Beklagte als Luftfrachtführer ein legitimes Interesse daran, dass zerbrechliche oder verderbliche, insbesondere aber wertvolle und nur schwer wiederzubeschaffende Gegenstände nicht in das aufzugebende Gepäck gelangen. Schon jeder vernünftige Durchschnittsverbraucher wird leicht zu beschädigende, wertvolle oder für ihn aus anderem Grund besonders wichtige Sachen nicht in den Koffer legen, sondern in sein Handgepäck nehmen, über das er auch während des Fluges ständige Aufsicht hat. Dadurch, dass die Beklagte ihren Passagieren es ermöglicht, solche Gegenstände mitzunehmen, allerdings im Handgepäck, trägt sie deren Interessen hinreichend Rechnung, und es verbietet sich die Annahme, die Beklagte setze durch die angegriffene Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten ihrer Flugpassagiere durch.

Der vom Kläger in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassung, die von der Beklagten in ihren Beförderungsbedingungen getroffene Regelung weiche von den Bestimmungen der §§ 44 Abs. 2, 49 Abs. 1 und 2 LuftVG sowie von Art. 18 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12.10.1929 in der Fassung von Den Haag 1959 (im folgenden nur noch als "Warschauer Abkommen" bezeichnet) ab, deshalb sei gemäß § 307 Abs. 1 Nr. 1 BGB die für § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendige unangemessene Benachteiligung im Streitfall anzunehmen, folgt der Senat nicht. Denn weder das Warschauer Abkommen noch das Luftverkehrsgesetz definieren oder regeln, welche Sachen der Fluggast an sich tragen oder mit sich führen darf bzw. welche Gegenstände Frachtgut oder aufzugebendes Reisegepäck darstellen. Im Falle eines Schadenseintritts haftet der Luftfrachtführer in dem einen wie in dem anderen Falle, vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 LuftVG einerseits und § 44 Abs. 2 Satz 1 LuftVG andererseits. Lediglich der Haftungszeitraum ist unterschiedlich (§ 44 Abs. 2 Satz 2 LuftVG). Enthalten die Bestimmungen des Luftverkehrsgesetzes wie auch diejenigen des Warschauer Abkommens aber überhaupt keine Regelungen darüber, welcher Gegenstand wie zu befördern ist, ist § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Streitfall nicht einschlägig und kann daher zur Stützung des Klagebegehrens nicht herangezogen werden. Gleiches gilt für die vom Kläger ins Feld gebrachte Bestimmung des § 309 Nr. 7 b BGB. Diese ist im Streitfall schon ihrem Wortlaut nach nicht einschlägig. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang die Auffassung vertreten hat, durch diese Klausel schließe die Beklagte die Grundlage ihrer Haftung aus, trifft das nicht zu, weil sie nicht nur für Schäden am aufzugebenden Gepäck, sondern gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 LuftVG auch für solche Schäden an Gegenständen haftet, die der Fluggast an sich trägt oder mit sich führt.

Letztlich kann entgegen der Auffassung des Klägers auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht festgestellt werden. Die vom Kläger beanstandete Klausel ist eindeutig und unmissverständlich: Die Beklagte möchte bestimmte Gegenstände nur im Handgepäck und nicht im aufzugebenden Gut befördert wissen. Es handelt sich auch nicht um einen verhüllten Haftungsausschluss. Es mag zwar sein, dass ein durchschnittlicher Endverbraucher nicht weiß, dass es sich bei "Effekten" um vertretbare, zur Kapitalanlage geeignete Wertpapiere wie Aktien, Pfandbriefe usw. handelt. Unter Transparenzgesichtspunkten kann die Beklagte aber nicht deutlicher als durch die Angabe des Fachbegriffs klarstellen, welche Gegenstände sie meint. Zwar trifft es im übrigen zu, dass im Einzelfall ausgelegt werden muss, was unter dem Begriff der "anderen Wertsachen" zu verstehen ist. Diese Klausel wird jedoch dadurch nicht intransparent. Die Transparenzanforderungen dürfen nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 112, 119 und BGH NJW 1993, 2054) nicht überspannt werden. Die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht vielmehr nur im Rahmen des Möglichen (BGH NJW 1998, 3114, 3116 und Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl. 2003, § 307 Rn. 18). Im Streitfall hat die Beklagte durch die Angabe von Beispielen hinreichend erläutert, welche Gegenstände als aufzugebendes Gepäck sie nicht befördern möchte, und hat sich im übrigen der Terminologie des Gesetzgebers bedient, indem sie den in § 702 Abs. 3 Satz 1 BGB verwendeten Begriff der "anderen Wertsachen" aufgegriffen hat.

2.

Ist demgemäß die erste mit der Klage angegriffene Beförderungsbedingung der Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als unwirksam zu beanstanden, ist demgegenüber eine andere Beurteilung der Sach- und Rechtslage angezeigt, soweit es in der zweiten mit der Klage angegriffenen Beförderungsbestimmung heißt, der Luftfrachtführer und damit die Beklagte hafte für Schäden an den dort näher bezeichneten, im aufgegebenen Gepäck des Fluggastes enthaltene "Gegenstände" nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Der Inhalt dieser vorformulierten Vertragsbedingung benachteiligt die Fluggäste der Beklagten unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, und zwar deshalb, weil sie aus den folgenden Gründen eine Abweichung von den zwingenden Regeln des Warschauer Abkommens und des Luftverkehrsgesetzes zum Nachteil des Fluggastes beinhaltet: § 44 LuftVG regelt die Haftung für Fluggäste und deren Reisegepäck. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 LuftVG ist der Luftfrachtführer zum Schadenersatz verpflichtet, wenn ein Fluggast an Bord eines Flugfahrzeugs oder beim Ein- und Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder sonst gesundheitlich geschädigt wird. § 44 Abs. 1 Satz 2 LuftVG bestimmt dasselbe für den Schaden, der an Sachen entsteht, die der Fluggast an sich trägt oder mit sich führt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 LuftVG haftet der Luftfrachtführer ferner für den Schaden, der an Frachtgütern und aufgegebenem Reisegepäck während der Luftbeförderung entsteht. Die Luftbeförderung umfasst nach § 44 Abs. 2 Satz 2 LuftVG den Zeitraum, in dem sich die Güter oder das Reisegepäck auf einem Flughafen, an Bord eines Luftfahrtzeugs oder sonst in der Obhut des Luftfrachtführers befinden. § 49 Abs. 1 LuftVG bestimmt die Unabdingbarkeit des § 44 LuftVG durch eine im Voraus geschlossene Vereinbarung selbst dann, wenn sie individualvertraglich ausgehandelt worden sein sollte. Eine gleichwohl getroffene Vereinbarung ist immer nichtig, lässt aber die Wirksamkeit des geschlossenen Vertragsinhalts im übrigen unberührt, § 49 Abs. 2 LuftVG. Wenn auch § 44 LuftVG seinem Wortlaut nach die Haftung des Luftfrachtführers nicht von einem Verschulden abhängig macht, herrscht - soweit ersichtlich - im Ergebnis gleichwohl Einigkeit, dass die Haftung des Luftfrachtführers nach den Vorschriften der §§ 44 ff. LuftVG eine Verschuldenshaftung mit widerlegbarer Verschuldensvermutung darstellt. Das folgt daraus, dass nach § 45 LuftVG die Zahlungspflicht des Luftfrachtführers nicht eintritt, wenn er beweist, dass er und seine Leute alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Schadens getroffen haben oder dass sie diese Maßnahmen nicht treffen konnten. Denn ein Entlastungsbeweis wie derjenige, den der Gesetzgeber in § 45 LuftVG umschrieben hat, macht nur dann Sinn, wenn Haftungsvoraussetzung ein Verschulden ist.

Haftet der Luftfrachtführer demgemäß im Falle der Beschädigung von aufzugebendem Reisegepäck oder aber von Handgepäck aufgrund der gemäß § 49 Abs. 1 LuftVG zwingenden Vorschriften der §§ 44 Abs. 1 Satz 2 und 44 Abs. 2 Satz 1 LuftVG stets und für jede Art von Verschulden, es sei denn, es gelingt ihm der im Einzelfall möglicherweise nur schwierig oder gar nicht zu führende Beweis von Tatsachen, die die Verschuldensvermutung als widerlegt erscheinen lassen, schließt die mit der Klage angegriffene Allgemeine Beförderungsbedingung der Beklagten ihre Haftung generell für den Fall aus, dass sie lediglich leichte Fahrlässigkeit an der Entstehung des Schadens trifft. Diese Abweichung von den zwingenden Regeln der §§ 44 bis 48 LuftVG benachteiligt den Fluggast im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, was aus Sicht des Senats schon daraus folgt, dass die Haftungsregeln der §§ 44 ff. LuftVG nach dem Willen des Gesetzgebers unabdingbar sein sollen. Das Argument der Beklagten, den Flugreisenden, der zerbrechliche oder wertvolle Gegenstände im aufgegebenen Reisegepäck mit sich führe, statt sie in seinem persönlichen Gewahrsam und damit im Handgepäck zu belassen, treffe dafür stets ein so großes (Mit-) Verschulden an der Entstehung eines Schadens, dass demgegenüber die nur leichte Fahrlässigkeit des Luftfrachtführers mit der Folge eines Haftungsausschlusses gänzlich zurückzutreten habe, verfängt demgegenüber nicht. Denn es mag zwar richtig sein, dass im Einzelfall wie z.B. in den vom Landgericht Köln (ZLW 1988, 265 ff.) und vom Amtsgericht Baden-Baden (RRa 1999, 216 f.) entschiedenen Sachverhalten ein Verschulden des Fluggastes derart überwiegen kann, dass die ansonsten grundsätzlich gegebene Haftung des Luftfrachtführers nach § 254 Abs. 1 BGB gänzlich ausgeschlossen sein kann. Das hängt jedoch von der konkreten Gewichtung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ab, während die Beklagte in ihrem Beförderungsbedingungen in strukturell unterschiedlicher Form den generellen Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit ohne Rücksicht auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles erreichen möchte. Das benachteiligt den Fluggast unangemessen, weil Fallkonstellationen denkbar sind, in denen die Abwägung nach § 254 Abs. 1 BGB zu einer Schadensverteilung auf beide Parteien und nicht zum Haftungsausschluss eines Schadensverursachers führen muss. So kann es im Einzelfall insbesondere einen Unterschied machen, ob der Fluggast Sachen wie etwa Schmuck, Kunstgegenstände oder Bargeld in das aufzugebende Gepäck packt, die namentlich wegen des Diebstahls- oder des Beschädigungsrisikos für jedermann erkennbar nicht im aufzugebenden Reisegepäck, sondern im Handgepäck mit sich zu führen sind, oder ob es sich um dem Regelungsbereich der Beförderungsbedingung unterfallende elektronische Gegenstände wie z.B. ein Mobiltelefon, ein elektronischer Reisewecker oder ein Diktiergerät handelt, deren Aufgabe als Reisegepäck nicht von vorneherein und zwingend ein besonders nachlässiges Verhalten des Fluggastes indiziert.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO. Der Senat hat gemäß § 543 Abs. 2 ZPO im Umfange der Verurteilung der Beklagten die Revision zugelassen, weil die mit der Klage u.a. angegriffene und nach dem Vorgesagten unzulässige 2. Klausel nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien seit langen Jahren von einer Vielzahl von Luftverkehrsunternehmen verwendet wird und die Sache deshalb grundsätzliche Bedeutung hat. Im übrigen liegen keine Revisionszulassungsgründe vor. Der Wert der mit diesem Urteil verbundenen Beschwer des Klägers übersteigt den Betrag von 20.000 EUR nicht.

Ende der Entscheidung

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