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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.10.2008
Aktenzeichen: 6 W 104/08
Rechtsgebiete: ZPO, UmwG


Vorschriften:

ZPO § 727
ZPO § 750
ZPO § 779
ZPO § 794
ZPO § 795
ZPO § 890
ZPO § 929
ZPO § 936
UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

1.) Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss der 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9.7.2008 - 33 O 432/06 SH I - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der Kammer vom 13.5.2008, durch den der Ordnungsmittelbeschluss vom 8.5.2007 aufgehoben und der auf seinen Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen worden ist, wird zurückgewiesen.

2.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.

3.) Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I

Durch Beschluss vom 30.10.2006 hat das Landgericht der früheren G-AG (im Folgenden: "G.de") im Wege der einstweiligen Verfügung u.a. untersagt, in einer bildlich dargestellten konkreten Verletzungsform für sog. G. DSL Speed - Pakete mit dem Angebot "inkl. Telefonflat 6 Monate kostenlos" zu werben. Die G.de verwendete daraufhin die Aussage in abgeänderter Form weiter. Hiergegen richtet sich der Bestrafungsantrag der Gläubigerin vom 29.11.2006.

Die G.de, die zuvor noch eine Abschlusserklärung abgegeben hatte, ist gem. § 20 UmwG mit Wirkung zum 2.3.2007 durch Eintragung in das Handelsregister mit der U-AG verschmolzen, die am selben Tage in G. AG umfirmiert worden ist.

Durch Beschluss vom 8.5.2007 im Verfahren 33 O 432/06 SH I hat das Landgericht, dem die Verschmelzung nicht mitgeteilt worden war, gegen die G.de wegen mindestens zweier unterschiedlicher Verstöße ein Ordnungsgeld von 30.000 € sowie Ersatzordnungshaft festgesetzt. Der gegen diese Entscheidung gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Kammer durch Beschluss vom 13.5.2008 mit der Begründung abgeholfen, die G.de existiere nicht mehr und eine Haftung der Rechtsnachfolgerin komme auf der Grundlage der Entscheidung "Schuldnachfolge" des BGH (GRUR 2007, 995 f) nicht in Betracht. Gegen diesen Beschluss hat die Gläubigerin, der in dem vorangegangenen Beschwerdeverfahren auf ihren Antrag durch den Rechtspfleger gem. § 727 Abs. 1 ZPO noch eine (wenn auch mit dem unzutreffenden Zusatz "SH II" zum Aktenzeichen versehene) vollstreckbare Ausfertigung des Ordnungsmittelbeschlusses vom 8.5.2007 gegen die G. AG als Rechtsnachfolgerin erteilt worden war, ihrerseits sofortige Beschwerde, und zwar mit dem Ziel der Festsetzung von Ordnungsmitteln nunmehr gegen die G. AG (im Folgenden: "Schuldnerin") eingelegt und darüber hinaus u.a. beantragt, auch den Beschluss vom 30.10.2006, durch den die einstweilige Verfügung erlassen worden ist, gem. § 727 ZPO als jetzt gegen die Schuldnerin gerichtet umzuschreiben. Daraufhin hat das Landgericht u.a. mit der Begründung, die Grundsätze der erwähnten BGH Entscheidung seien im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht anwendbar, seine Entscheidung vom 13.5.2008 aufgehoben und gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 € sowie Ersatzordnungshaft von einem Tag für je 500 € festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Schuldnerin, der die Kammer nicht abgeholfen hat und die Gegenstand der vorliegenden Entscheidung ist.

II

Die gem. §§ 793, 890, 891 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.

1.) Die angegriffene Entscheidung durfte bereits deshalb nicht ergehen, weil der Titel nicht gegen die Schuldnerin gerichtet ist und eine Umschreibung gem. § 727 ZPO nicht erfolgt war.

Die Festsetzung von Ordnungsmitteln gem. §§ 890 f ZPO stellt eine - auf die Durchsetzung eines titulierten Unterlassungsanspruches gerichtete - Vollstreckungsmaßnahme dar. Wird - wie im vorliegenden Verfahren - aus einer einstweiligen Verfügung vorgegangen, so darf die Zwangsvollstreckung gem. §§ 750 Abs.1, 794 Abs. 1 Nr. 3, 795 ZPO nur beginnen, wenn die Person, gegen die sie stattfinden soll, in der einstweiligen Verfügung, aus der vollstreckt wird, selbst, oder in einer ihr beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet ist. Dabei bedarf es gem. §§ 929 Abs.1, 936 ZPO einer Vollstreckungsklausel - soweit hier von Bedeutung - allerdings nur dann, wenn die Zwangsvollstreckung gegen einen anderen als den in der Entscheidung bezeichneten Schuldner gerichtet werden soll. Die einstweilige Verfügung ist nicht gegen die Schuldnerin, sondern die G.de ergangen. Es hätte danach der vorherigen, auch im Verfügungsverfahren erforderlichen Erteilung einer Vollstreckungsklausel gegen die Schuldnerin bedurft. An einer solchen fehlt es. Die von dem Rechtspfleger unter dem 26.3.2008 vorgenommene Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen die Schuldnerin hatte nicht den Titel, aus dem die Gläubigerin vollstreckt, sondern den am 8.5.2007 ergangenen und inzwischen wieder aufgehobenen Ordnungsmittelbeschluss der Kammer gegen die G.de zum Gegenstand und konnte damit allenfalls für dessen das vorliegende Beschwerdeverfahren nicht betreffende Vollstreckung nach der Justizbeitreibungsordnung von Bedeutung sein.

2.) Es besteht kein Anlass, dem Landgericht auf den entsprechenden von der Gläubigerin gestellten Antrag Gelegenheit zur Erteilung einer die einstweilige Verfügung betreffenden Vollstreckungsklausel gem. § 727 Abs.1 ZPO gegen die Schuldnerin zu geben. Denn auch wenn eine solche Klausel erteilt würde, müsste die sofortige Beschwerde Erfolg haben.

Die Gläubigerin nimmt die Schuldnerin wegen angeblicher Verstöße in Anspruch, die nicht diese selbst, sondern ihre Rechtsvorgängerin, die G.de, begangen haben soll. Eine derartige Haftung kann indes aus § 890 ZPO nicht hergeleitet werden.

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass aus § 890 ZPO nur derjenige in Anspruch genommen werden kann, der selbst gegen den Vollstreckungstitel verstoßen hat, und z.B. eine Haftung für Handlungen eines Erfüllungsgehilfen nicht in Betracht kommt (BVerfG NJW 81, 2457; Zöller-Stöber, ZPO, 26. Auflage, § 890 Rz 5; Musielak/Lackmann, ZPO, § 890 Rz 4 f; MünchKommZPO/Gruber, ZPO, 3. Aufl., § 890 Rz 22; Thomas/Putzo, ZPO, 28. Aufl. § 890 Rz 12). Zudem muss den Schuldner ein Verschulden treffen (BVerfG a.a.O. und NJW 91, 3139, vgl. auch die vorstehend aufgeführten Kommentarstellen). An beiden Voraussetzungen fehlt es in Bezug auf die Person der Schuldnerin. Diese haftet auch nicht als Rechtsnachfolgerin der G.de. Das Vollstreckungsverfahren dient nicht nur der Beugung des Willens des Vollstreckungsschuldners, sondern weist auch repressive strafrechtliche Elemente auf (vgl. BVerfG NJW-RR 2007, 860 f; Stöber a.a.O. Rz 5; Lackmann a.a.O. Rz 5; Gruber a.a.O. Rz 2). Das verbietet es, dem Schuldner als Rechtsnachfolger Verstöße zuzurechnen, die sein Rechtsvorgänger begangen hat. So fehlt es für eine Bestrafung an dem aus rechtsstaatlichen Gründen (vgl. BVerfG a.a.O.) zwingend erforderlichen Verschulden der Schuldnerin und ist für die Beugung ihres Willens kein Anlass, weil sie gegen das Verbot nicht verstoßen hat. Der Senat sieht sich insoweit im Einklang mit der Entscheidung "Schuldnachfolge" des BGH (GRUR 2007, 995). Diese betrifft allerdings - insoweit ist der Auffassung der Kammer in der angefochtenen Entscheidung beizupflichten - nicht die Zwangsvollstreckung, sondern das Erkenntnisverfahren. Geht indes nach der in jener Entscheidung geäußerten Auffassung des BGH die Wiederholungsgefahr nach Verschmelzung nicht auf die übernehmende Gesellschaft über, weil es sich bei der Wiederholungsgefahr um einen tatsächlichen Umstand handelt, der in der Person des in Anspruch Genommenen zu beurteilen ist (a.a.O., Rz 11), so muss erst recht gelten, dass die Verschmelzung nicht eine Haftung der übernehmenden Gesellschaft für Verstöße nach sich ziehen kann, die nicht sie, sondern ihre inzwischen gem. § 20 Abs.1 Nr. 2 S. 1 UmwG erloschene Rechtsvorgängerin begangen hat.

Ohne Erfolg beruft sich die Gläubigerin auf die die Vollstreckung im Falle des Todes des Schuldners betreffende Norm des § 779 Abs. 1 ZPO. Nach dieser Bestimmung wird die Zwangsvollstreckung, die zur Zeit des Todes des Schuldners bereits begonnen hatte, in den Nachlass des Schuldners fortgesetzt. Die Norm kann entgegen der Auffassung der Gläubigerin nicht auf den Fall des Erlöschens der Schuldnerin infolge Verschmelzung gem. § 20 Abs.1 Nr. 2 S. 1 UmwG analog angewendet werden, was auch - soweit ersichtlich - in der Literatur nicht diskutiert wird. Die Regelung bestimmt eine Haftung nur des Nachlasses, betrifft also das übrige Vermögen der Erben nicht. Demgegenüber steht im vorliegenden Verfahren die uneingeschränkte Haftung der Schuldnerin mit ihrem gesamten Vermögen für Handlungen in Rede, die sie nicht begangen hat. Danach kommt es nicht weiter darauf an, dass nach ganz überwiegender Auffassung die Bestimmung des § 779 ZPO auf Unterlassungsvollstreckungen ohnehin nicht anwendbar ist (vgl. OLG Hamm WRP 1985, 573; Stöber a.a.O. § 779 Rz 2; Lackmann a.a.O. § 779 Rz 1; Stein-Jonas/Münzberg a.a.O. § 779 Rz 5; Schuschke/Walker/Raebel, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 4. Aufl. § 779 Rz 1). Nach Auffassung von Schmidt kommt eine Anwendung der Bestimmungen auf Unterlassungsvollstreckungen nach § 890 ZPO zwar in Betracht, dies soll sich aber gerade auf Zuwiderhandlungen der Erben beziehen (MünchKommZPO/Karsten Schmidt, ZPO, 3. Aufl., § 779 Rz 2).

Die vorliegende Fallgestaltung ist - soweit ersichtlich - noch nicht Gegenstand von Beschwerdeentscheidungen gewesen.

Allerdings hat das OLG Hamm (a.a.O.) für den von der Gläubigerin als vergleichbar angeführten Fall, in dem der Unterlassungsschuldner während des Vollstreckungsverfahrens verstorben ist, entschieden, die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen die Erben des Schuldners komme nicht in Betracht. Vielmehr sei das Verfahren in Analogie zu strafrechtlichen Grundsätzen zu beenden. Die Sanktion träfe nicht mehr den Schuldner als den Täter der Zuwiderhandlung, sondern dessen Erben, die indes an dem Verstoß schuldlos seien. Zudem wäre es nicht verständlich, das Ordnungsmittelverfahren fortzusetzen, während ein Strafverfahren, das den Ausdruck stärkerer Missbilligung durch den Staat darstelle, mit dem Tod des Angeklagten beendet werde. Diese Gesichtspunkte macht sich der Senat zu eigen, sie stehen auch der Fortsetzung der Zwangsvollstreckung gegen die Schuldnerin als der gem. § 20 UmwG übernehmenden Rechtsträgerin entgegen.

Für den Fall des Anspruchs auf Unterlassung einer Zustandsstörung vertritt Stein-Jonas/Brehm, a.a.O. § 890, Rz 66 die Auffassung, gegen den neuen Schuldner könne - soweit eine Rechtsnachfolge auf Schuldnerseite überhaupt in Betracht komme - nicht wegen solcher Verstöße vollstreckt werden, die der Rechtsvorgänger begangen habe. Dem schließt sich der Senat aus den dargestellten Gründen für die vorliegende Fallgestaltung an. Ein Grund, insoweit zwischen einer Zustands- und der hier gegebenen Handlungsstörung zu differenzieren, ist nicht ersichtlich.

Der Gläubigerin und dem Landgericht ist einzuräumen, dass auf der Grundlage der vorliegenden Entscheidung im Vorfeld begangene Verstöße nach einer Verschmelzung des Vollstreckungsschuldners nicht mehr geahndet werden können. Das ist indes hinzunehmen. Im Regelfall wird eine Verschmelzung verschiedener Unternehmen nicht im Hinblick auf schon begangene Verstöße gegen Unterlassungstitel vorgenommen. Zudem steht - sofern eine entsprechende Vollstreckungsklausel erteilt wird - die Auffassung des Senats einer Vollstreckung aus dem Titel gegen Verstöße der Schuldnerin nicht entgegen, die diese selbst vorgenommnen hat.

Ob es Fallgestaltungen gibt - etwa des kollusivem Zusammenwirkens zwischen ursprünglicher Schuldnerin und Rechtsnachfolgerin - die etwa unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs ein anderes Ergebnis rechtfertigen, kann der Senat offen lassen. Dafür sind im Streitfall keine tragfähigen Anhaltspunkte vorgebracht. Es ist schon zweifelhaft, ob die mehrfachen Bitten der Verfahrensbevollmächtigten der G.de um Fristverlängerung dem Ziel dienten, eine Entscheidung des Landgerichts vor Wirksamwerden der Verschmelzung zu verhindern. Jedenfalls würde dieses Verhalten nicht der jetzigen Schuldnerin zuzurechnen sein, die damals noch nicht mit der G.de verschmolzen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage einer Vollstreckung gegen die Schuldnerin als Rechtsnachfolgerin der gem. § 20 Abs.1 Nr. 2 S. 1 UmwG erloschenen G.de wegen etwa von dieser begangener Zuwiderhandlungen gem. § 574 Abs.1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.

Beschwerdewert: 30.000 €.

Ende der Entscheidung

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