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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 27.06.2006
Aktenzeichen: 9 U 210/05
Rechtsgebiete: ZPO, AVB, VVG


Vorschriften:

ZPO § 256
AVB § 1
AVB § 1 I
AVB § 1 II 1
AVB § 1 II 2
AVB § 3 II 1
AVB § 4
AVB § 4 Nr. 3
AVB § 4 Ziff. 1
AVB § 4 Ziff. 2
AVB § 4 Ziff. 3
AVB § 4 Ziff. 4
AVB § 4 Ziff. 5
AVB § 4 Ziff. 6
AVB § 4 Ziff. 7
AVB § 4 Ziff. 8
AVB § 4 Ziff. 9
AVB § 4 Ziff. 10
AVB § 5 Nr. 2
AVB § 5 Ziff. 2
VVG § 1
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 6 Abs. 3 Satz 2
VVG § 149
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 03.11.2005 verkündete Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 24 O 576/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus Anlass des Schadensfalls "Schadensersatzansprüche des Herrn Dr. D T gemäß Verfahren vor dem Landgericht Göttingen, Az.: 2 O 605/03", bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vermögensschaden-Haftpflichtvertrag - Versicherungsschein-Nr. ####1 - zu gewähren.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger unterhielt seit dem 29.08.1997 bei der Beklagten für seine unter der Firma "Q U Investment-Shop" ausgeübte Tätigkeit als Finanzdienstleister eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung; auf den Inhalt des Versicherungsscheins, Bl. 9 d.A., sowie der "Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden" (AVB) der Beklagten (im Folgenden: AVB, Bl. 10 f. d.A.) sowie die "Besonderen Vereinbarungen", Bl. 75 f. d.A., wird Bezug genommen. Mit der vorliegenden Klage begehrt er Deckungsschutz für einen Haftpflichtfall, der Gegenstand eines gegen ihn vor dem Landgericht Göttingen geführten Rechtsstreits ist.

Der Kläger befasste sich im Rahmen seiner Tätigkeit als Finanzdienstleister mit Kapitalanlageberatung, zudem verwaltete er fremdes Vermögen im Rahmen von Vermögensverwalterverträgen. Am 21.02.2000 schloss Herr Dr. D T mit dem Kläger eine Vermögensverwaltungsvereinbarung (Bl. 195 d.A.), eröffnete unter Einschaltung des Klägers als Vermögensverwalter ein Depotkonto und überwies auf dieses "online-Depot" im März 2000 einen Betrag von 100.000,- DM. Die vom Kläger in der Folgezeit über dieses Depotkonto abgewickelten Wertpapiergeschäfte entwickelten sich ungünstig, so dass es zu erheblichen Verlusten kam. Aus diesem Grund erwirkte Dr. T gegen den Kläger einen, diesem am 13.06.2003 zugestellten, Mahnbescheid über 32.558,55 €. Der Kläger legte gegen diesen Mahnbescheid durch seine Prozessbevollmächtigten Widerspruch ein. Nach Eingang der Anspruchsbegründung Anfang November 2003 und Abgabe des Verfahrens an das Landgericht Göttingen meldete der Kläger der Beklagten mit Schadensanzeige vom 09. Dezember 2003 den Schadensfall. In der Zeit bis zur Zustellung des Mahnbescheides hatte sich die Beklagte bereits mit elf weiteren ihr vom Kläger angezeigten Schadensfällen im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltungstätigkeit des Klägers für andere Kunden befasst. Für einen Teil dieser Schadensfälle gewährte die Beklagte Deckungsschutz, in keinem dieser Verfahren strebte die Beklagte einen Vergleichsschluss an oder gab dem Kläger Hinweise auf das notwendige Vorbringen im Verfahren. Der streitgegenständliche Versicherungsvertrag wurde von der Beklagten am 12.08.2002 gekündigt. Insgesamt sind der Beklagten mittlerweile 15 Schadensfälle angezeigt worden.

Die Beklagte lehnte für den streitgegenständlichen Schadensfall ihre Eintrittspflicht unter dem 18.12.2003 und 16.03.2004 wegen Verletzung der Anzeigeobliegenheit ab. Ein zunächst vor dem Landgericht Göttingen durchgeführtes Mediationsverfahren, in dessen Verlauf eine vom Gericht vorgeschlagene vergleichsweise Beilegung des von Herrn Dr. T angestrengten Rechtsstreits scheiterte, weil die Beklagte dem Vergleich nicht zustimmte und Deckungsschutz ablehnte, wurde Mitte 2004 ergebnislos beendet; das streitig fortgeführte Verfahren vor dem Landgericht Göttingen - 2 O 605/03 - ist erstinstanzlich noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, für die von ihm ausgeübte Tätigkeit als Vermögensverwalter bestehe Versicherungsschutz. Die verspätete Schadenanzeige beruhe weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit. Er habe sich darauf verlassen, dass seine Prozessbevollmächtigten alles Erforderliche veranlassen würden, diese seien wiederum davon ausgegangen, dass er, der Kläger, der Beklagten den Schadensfall bereits gemeldet habe. Die verspätete Meldung des Schadensfalls habe jedenfalls keine Auswirkungen auf Grund oder Umfang der Inanspruchnahme der Beklagten gehabt.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus Anlass des Schadensfalls "Schadensersatzansprüche des Herrn Dr. D T gemäß Verfahren vor dem Landgericht Göttingen, Az.: 2 O 605/03," bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vermögensschaden-Haftpflichtvertrag - Versicherungsschein-Nr. ####1 - zu gewähren.

hilfsweise,

1. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. ####1 verpflichtet ist, den Kläger von den Schadensersatzansprüchen des Herrn Dr. D T zu dem Gerichtsverfahren Landgericht Göttingen mit dem Aktenzeichen 2 O 605/03 freizustellen,

2. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. ####1 verpflichtet ist, den Kläger hinsichtlich der festzusetzenden Kosten zu dem Gerichtsverfahren Landgericht Göttingen mit dem Aktenzeichen 2 O 605/03 freizustellen,

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, für eine Tätigkeit des Klägers als Vermögensverwalter habe kein Versicherungsschutz bestanden. Dies ergebe sich aus Ziffer 2 a.), 2. Spiegelstrich, letzter Satz, der "Besonderen Vereinbarungen". Zudem sei sie aufgrund der verspäteten Schadenanzeige leistungsfrei. Bei rechtzeitiger Anzeige unmittelbar nach Zustellung des Mahnbescheides, so hat sie behauptet, hätte sie den Sachverhalt geprüft und - je nach Ausgang der Prüfung - mit dem Anspruchsteller eine vergleichsweise Regelung gesucht. Der Kläger habe ihr jedoch die Möglichkeit genommen, auf diese Weise die Kosten zu vermindern. Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts vom 03.11.2005 - 24 O 576/04 - Bezug genommen.

Durch dieses Urteil, auf dessen Inhalt auch im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, gemäß Ziffer 2 a), 2. Spiegelstrich, der "Besonderen Vereinbarungen" bestehe für eine Tätigkeit als Vermögensverwalter kein Deckungsschutz. Die in dieser Bestimmung getroffene Regelung, dass "eine Tätigkeit als Vermögensverwalter ... nicht versichert" ist, beziehe sich nicht nur auf den Bereich der Haus-, Gründstücks- und Wohnungseigentumsverwaltung und sei als umfassender Deckungsausschluss zu verstehen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er hält die Auslegung der Vertragsbedingungen durch das Landgericht für unzutreffend. Nach den vereinbarten Versicherungsbedingungen bestehe, wie von den Sachbearbeitern der Beklagten zunächst auch nie in Zweifel gezogen, Deckungsschutz. Die Beklagte könne sich auch nicht auf Leistungsfreiheit wegen verspäteter Anzeige berufen, denn der Kausalitätsgegenbeweis sei geführt.

Der Kläger beantragt

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus Anlass des Schadensfalls "Schadensersatzansprüche des Herrn Dr. D T gemäß Verfahren vor dem Landgericht Göttingen, Az.: 2 O 605/03," bedingungsgemäß Versicherungsschutz aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vermögensschaden-Haftpflichtvertrag - Versicherungsschein-Nr. ####1 - zu gewähren.

hilfsweise,

1. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. ####1 verpflichtet ist, den Kläger von den Schadensersatzansprüchen des Herrn Dr. D T zu dem Gerichtsverfahren Landgericht Göttingen mit dem Aktenzeichen 2 O 605/03 freizustellen,

2. festzustellen, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsschein-Nr. ####1 verpflichtet ist, den Kläger hinsichtlich der festzusetzenden Kosten zu dem Gerichtsverfahren Landgericht Göttingen mit dem Aktenzeichen 2 O 605/03 freizustellen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die "Besonderen Bedingungen" seien dahingehend auszulegen, dass in ihnen der Umfang des Versicherungsschutzes "positiv beschrieben" sei, daher sei - zumal ausdrücklich "Teildeckung" vereinbart gewesen sei - die Tätigkeit als Vermögensverwalter nicht in den Versicherungsschutz eingeschlossen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und eingereichten Unterlagen verwiesen. Die Akten 24 O 376/04 Landgericht Köln sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, sie hat auch in vollem Umfang Erfolg.

1.

Die - gemäß § 256 ZPO zulässige - Feststellungsklage ist mit dem gestellten Hauptantrag begründet. Der Kläger kann von der Beklagten gemäß I. § 1 I., 3 II. 1 AVB, §§ 1, 149 VVG Deckungsschutz hinsichtlich des gegen ihn vor dem Landgericht Göttingen - 2 O 605/03 - geführten Rechtstreites verlangen.

a.

Gemäß I. § 1 I. AVB besteht Versicherungsschutz für den Fall der Inanspruchnahme des Versicherungsnehmers wegen eines bei der Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen Verstoßes, infolge dessen er von einem anderen aufgrund gesetzlicher privatrechtlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden in Anspruch genommen wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt: Der Kläger wird vor dem Landgericht Göttingen wegen Verletzung seiner vertraglichen Pflichten aus der mit dem dortigen Kläger geschlossenen "Vermögensverwaltungsvereinbarung" in Anspruch genommen. Da die Übernahme der Vermögensverwaltung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers erfolgt ist und zu einem Vermögensschaden seines Auftraggebers geführt haben soll, besteht gemäß I. § 1 I. AVB Deckungsschutz. Die Beschränkungen des I. § 1 II. 1. und 2. AVB greifen vorliegend nicht ein. 31 (1.) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tätigkeit als Vermögensverwalter nicht deshalb von dem gemäß I. § 1 I. AVB zu gewährenden Versicherungsschutz ausgenommen, weil unter Ziffer 2. des Versicherungsscheins ("Versicherungsumfang/versichertes Risiko") "Teildeckung" vereinbart war. Der Begriff der "Teildeckung" bezieht sich ausdrücklich auf die Bestimmung der Ziffer 2. a. ("Teildeckung") der "Besonderen Vereinbarungen" im Unterschied zu Ziffer 2. b. ("Volldeckung"). Die unter Ziffer 2. a. getroffene Regelung, dass Versicherungsschutz im Rahmen der Teildeckung für die unter den nachfolgenden Spiegelstrichen aufgeführten Tätigkeiten besteht, stellt nach ihrem Wortlaut ("Abweichend von § 4 Ziffer 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVB) besteht Versicherungsschutz ...") keine enumerative Aufzählung der - allein - versicherten Tätigkeiten dar, sondern eine abweichende Regelung bezüglich der nach § 4 Nr. 3 AVB von dem Versicherungsschutz ausgenommenen Tätigkeiten. Ziffer 2 der "Besonderen Vereinbarungen" schränkt also nur Umfang und Reichweite des Ausschlusses nach I. § 4 Ziff. 3 AVB ein, erweitert aber nicht die dort aufgeführten Ausschlüsse. Im Gegenteil: Nach Wortlaut und Systematik der Regelungen erweitert Ziffer 2. a. den Versicherungsschutz für die im einzelnen aufgeführten Tätigkeiten im Sinne eines Wiedereinschlusses gegenüber den Ausschlüssen des I. § 4 Ziff. 3 AVB. Angesichts des nur in diesem Sinne zu verstehenden eindeutigen Wortlauts der Ziffer 2. a. kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Bestimmung inhaltlich tatsächlich - nur - nach I § 4 Ziff. 3 AVB ausgeschlossene Tätigkeiten wieder einschließt.

Soweit die in Ziffer 2. a. aufgeführten Tatbestände ihrerseits wieder Einschränkungen (2. Spiegelstrich: Vermögensverwaltung, 5. Spiegelstrich: Prospektangaben) enthalten, können sich diese nur auf die unter den jeweiligen Spiegelstrichen positiv beschriebenen Tätigkeiten beziehen, die - abweichend von § 4 Ziffer 3 AVB - versichert sein sollen. Diese Einschränkungen bewirken aber nicht, dass - darüber hinaus - der Versicherungsschutz auch für von der Deckung nach I. § 1 AVB umfasste, nicht nach I. § 4 AVB ausgeschlossene Tätigkeiten beschränkt wird. Die in Ziffer 2. a., 2. Spiegelstrich, Satz 2 der "Besonderen Vereinbarungen" getroffene Regelung ("Eine Tätigkeit als Vermögensverwalter ist nicht versichert"), bezieht sich mithin allein auf die in Satz 1 und 2 dieses Spiegelstriches aufgeführten "Tätigkeiten als Haus-, Grundstücks- und Wohnungseigentumsverwalter". Eine darüber hinausgehende, eigenständige Regelung, dass Vermögensverwaltung - allgemein - nicht versichert sei, wird hierdurch nicht getroffen.

Soweit die Beklagte geltend macht, die Tätigkeit des Klägers als Vermögensverwalter werde von der von ihm geführten Firmenbezeichnung "Investment-Shop" nicht umfasst, ist dies unzutreffend. Die berufliche Tätigkeit des Klägers ist mit der Bezeichnung "Investment-Shop" offen beschrieben und von der Beklagten bei der Gewährung des Versicherungsschutzes so akzeptiert worden. Wenn die Beklagte den Versicherungsschutz auf ein konkreteres Tätigkeitsfeld beschränken wollte, wäre es ihr ohne weiteres möglich gewesen, dies bei Vertragsabschluss eindeutig festzulegen. Da die Ausübung von Vermögensverwaltung nicht so erheblich vom üblichen Bild eines "Investment-Shops" abweicht, ist nicht davon auszugehen, dass diese von dem von der Beklagten gewährten Versicherungsschutz nicht gedeckt ist. Im Übrigen belegt die Regelung in Ziffer 2. a., 2. Spiegelstrich, Satz 3, der "Besonderen Vereinbarungen", dass als versicherte berufliche Tätigkeit grundsätzlich auch die Vermögensverwaltung in Betracht kommt.

Soweit die Beklagte schließlich die Auffassung vertritt, dem Kläger habe aufgrund der Verwendung des Begriffes "Teildeckung" klar sein müssen, dass er "keine Komplettdeckung bei der Beklagten eingekauft" habe, ist darauf hinzuweisen, dass die Sachbearbeiter der Beklagten - aufgrund des insoweit eindeutigen Wortlautes und der Systematik der allgemeinen Vertragsbedingungen und der "Besonderen Vereinbarungen" auch zu Recht - zunächst selbst davon ausgegangen sind, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Vermögensverwalter versichert ist. Denn in den vorangegangenen Schadensfällen wurde - zumindest teilweise - Deckungsschutz gewährt, und auch im vorliegenden Verfahren hat sich die Beklagte zunächst nicht auf einen diesbezüglichen Deckungsausschluss, sondern allein auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung berufen.

(2.) Der Versicherungsschutz ist auch nicht gemäß I. § 4 Ziffer 1. bis 10 AVB ausgeschlossen. Der allein in Betracht kommende Ausschluss gemäß I. § 4 Ziffer 3 AVB greift nicht ein, denn vorliegend resultieren die gegen den Kläger erhobenen Haftpflichtansprüche nicht "aus der Überschreitung von Voranschlägen und Krediten; aus der entgeltlichen oder unentgeltlichen Vermittlung oder Empfehlung von Geld-, Grundstücks- und anderen wirtschaftlichen Geschäften". Der Kläger hat keine Geschäfte empfohlen oder vermittelt, er hat sich vielmehr als Vermögensverwalter betätigt. Die Verwaltung fremden Vermögens stellt gegenüber der Vermittlung von Finanzdienstleistungen nach allgemeinem wirtschaftlichen und rechtlichen Verständnis ein aliud dar. Dem Umstand, dass Vermittlungstätigkeit und Vermögensverwaltung voneinander abzugrenzen und auch versicherungsrechtlich als unterschiedliche Tätigkeitsbereiche zu behandeln sind, hat im Übrigen auch die Beklagte selbst bei der Fassung der insoweit genau differenzierenden Regelungen der Ziffer 2. a.) der "Besonderen Vereinbarungen" Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund verbietet sich im Rahmen der Auslegung der Ausschlussklauseln, die zu Gunsten des Versicherungsnehmers ohnehin mit der gebotenen Zurückhaltung zu erfolgen hat (vgl. Prölss in Prölss/Martin VVG, 27. Aufl., Vorbem. III, Rn. 13), die Annahme, die Vermögensverwaltung sei als Unterfall entgeltlicher Vermittlung oder Empfehlung von Geldgeschäften zu verstehen und gemäß I. § 4 Ziffer 3 AVB ausgeschlossen.

b. Die Beklagte kann sich nicht auf Leistungsfreiheit gemäß II. § 5 Ziff. 2. AVB, § 6 Abs. 3 VVG wegen Verletzung der Anzeigepflicht berufen.

Ein objektiver Verstoß gegen I. § 5 Ziff. 2 AVB liegt zwar vor, denn der Kläger hat die Zustellung des Mahnbescheides (13. Juni 2003) der Beklagten nicht unverzüglich, sondern erst am 9. Dezember 2003 angezeigt. Der Kläger hat diesen Obliegenheitsverstoß jedoch nicht vorsätzlich, sondern allenfalls grob fahrlässig verschuldet. Da dieser Verstoß folgenlos geblieben ist, kann sich die Beklagte nicht gemäß § 6 Abs. 3 VVG auf Leistungsfreiheit berufen.

(1.) Der Kläger hat im Hinblick auf die Obliegenheitsverletzung die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG widerlegt. Vorsatz setzt das Wollen der Obliegenheitsverletzung im Bewusstsein der Verhaltensnorm voraus, wobei es nicht ausreicht, dass der Versicherungsnehmer die Tatsachen kennt, aus denen die Anzeigepflicht folgt. Ihm muss auch bewusst sein, dass er aufgrund dieser Umstände zu einer Anzeige verpflichtet ist (BGH VersR 1979, 1117). Da ein Versicherungsnehmer regelmäßig nicht vorsätzlich Rechtsnachteile in Kauf nehmen wird, kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass eine verspätete Anzeige auf Vorsatz beruht (BGH aaO., OLG Stuttgart, BauR 2004, 140). Vorsatz wird aber dann angenommen, wenn der Versicherungsnehmer keine nachvollziehbare oder einleuchtende Begründung für die verspätete Erfüllung der Anzeigeobliegenheit gibt, oder wenn triftige Gründe dafür sprechen, dass der Versicherungsnehmer bewusst den Verlust des Versicherungsschutzes in Kauf genommen hat. Hiervon kann nach Lage der Dinge nicht ausgegangen werden. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, dass der Kläger die Beklagte unter Inkaufnahme des Anspruchsverlustes bewusst im Unklaren lassen wollte. Der Einwand der Beklagten, die Nichtanzeige habe der Vermeidung der Kündigung des bereits aufgrund anderer Schadensfälle belasteten Vertragsverhältnisses gedient, greift nicht durch. Denn der Versicherungsvertrag war im Zeitpunkt des Entstehens der Anzeigepflicht bereits gekündigt. Soweit der Kläger angibt, er sei davon ausgegangen, sein Prozessbevollmächtigter werde alles Erforderliche veranlassen, zudem habe er geglaubt, dass eine Anzeige nach Eingang der Anspruchsbegründung ausreiche, auch habe er die Bedeutung der Angelegenheit verkannt, mag ihn dies zwar nicht vom Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens entlasten. Dieser Vortrag stellt aber eine nachvollziehbare Begründung für die verspätete Schadensanzeige dar, so dass zu Gunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass er nicht vorsätzlich gehandelt hat.

(2.) Da dem Kläger daher allenfalls grobe Fahrlässigkeit vorwerfbar ist, kommt eine Leistungsfreiheit der Beklagten nur dann in Betracht, wenn die Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung hatte. Den ihm insoweit obliegenden Kausalitätsgegenbeweis hat der Kläger geführt.

Bei einer verspäteten Anzeige nach § 5 Nr. 2 AHB, der § 5 Nr. 2 der AVB entspricht, genügt es insofern, wenn der Versicherungsnehmer die sich aus dem Sachverhalt ergebenden Möglichkeiten etwaiger Folgen seines Verstoßes ausräumt und dann abwartet, welche Behauptungen der Versicherer über Art und Maß der Kausalität aufstellt, die der Versicherungsnehmer alsdann zu widerlegen hat. Der Versicherer muss die konkrete Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses aufzeigen und darlegen, welche Maßnahmen er bei rechtzeitiger Erfüllung der Anzeigepflicht ergriffen hätte (BGHZ 41, 327; VersR 2001, 756; OLG Düsseldorf VersR 2001, 888). Auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten und nach den unstreitigen Umständen ist davon auszugehen, dass auch bei einer rechtzeitigen Erfüllung der Obliegenheit ein für die Beklagte günstigerer Verlauf nicht eingetreten wäre. Die Beklagte hat sich darauf beschränkt, pauschal zu behaupten, es wäre bei rechtzeitiger Anzeige eine Einigung mit dem Anspruchsteller Dr. T "gesucht worden"; auf diese Weise wäre eine Abgabe an das Hauptsachegericht vermieden worden. Diese Möglichkeit habe der Kläger der Beklagten genommen. Gegen die Richtigkeit dieses Vortrages spricht bereits der Umstand, dass die Beklagte in keinem einzigen der elf parallel gelagerten Fälle, die ihr vor dem streitgegenständlichen Schadensfall angezeigt wurden, Vergleichsgespräche geführt und so eine gerichtliche Auseinandersetzung vermieden oder beendet hat. Im Übrigen hat die Beklagte auch durch ihr Verhalten nach Anzeige des streitgegenständlichen Schadensfalles dokumentiert, dass bei ihr tatsächlich keine Bereitschaft bestand, den Rechtsstreit im Vergleichswege zu erledigen. Nach Anzeige des Schadensfalles bestand im Rahmen des vor dem Landgericht Göttingen geführten Mediationsverfahrens die Möglichkeit einer gütlichen Einigung. Da der Kläger ausweislich der vorgelegten Korrespondenz den gerichtlichen Vergleichsvorschlag für "äußerst akzeptabel" hielt und bei der Beklagten um Zustimmung und Deckungszusage hierfür warb, und nachdem auch Dr. T seine Vergleichsbereitschaft erklärt hatte, hing ein Vergleichsschluss nur noch von der Zustimmung der Beklagten ab. Von dieser Möglichkeit hat die Beklagte jedoch keinen Gebrauch gemacht. Dafür, dass sich die Beklagte bei rechtzeitiger Anzeige des Schadensfalles anders verhalten hätte, sind Gründe weder ersichtlich noch vorgetragen.

2.

Die prozessualen Nebenentscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Sache hat über den konkret zur Entscheidung stehenden Einzelfall mit seinen Besonderheiten hinaus keine Bedeutung.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 30.000,- €

Ende der Entscheidung

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