Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 25.05.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 42/07
Rechtsgebiete: AufenthG, FGG, FreihEntzG


Vorschriften:

AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
FGG § 12
FreihEntzG § 5 Abs. 3
1. Ob die Verlobte des Betroffenen im Abschiebungshaftverfahren richterlich anzuhören ist, ergibt sich nicht aus § 5 Abs. 3 FreihEntzG, sondern aus der Sachaufklärungspflicht nach § 12 FGG.

2. Will der Tatrichter aus dem Bestehen enger sozialer Bindungen des Betroffenen zu seiner Verlobten auf dessen Entziehungsabsicht schließen, erfordert dies grundsätzlich die richterliche Anhörung der Bezugsperson als Mittel der Sachaufklärung. Es gilt insoweit nichts anderes, als wenn das Bestehen enger sozialer Bindungen zur Begründung fehlender Entziehungsabsicht herangezogen werden soll.


Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, eines armenischen Staatsangehörigen. Der Betroffene reiste etwa im November 2002 mit einem Schengen-Visum (vgl. § 2 Abs. 5 AufenthG) in die Bundesrepublik Deutschland ein. Trotz dessen befristeter Gültigkeitsdauer blieb er fortan in der Bundesrepublik, ohne sich um einen Aufenthaltstitel zu kümmern. Er lebte zuletzt unangemeldet in der Stadt E. bei einer armenischen Staatsangehörigen, Frau A., mit er verlobt ist. Er hat Frau A. seinen Angaben zufolge in den 90er-Jahren in Armenien kirchlich geheiratet. Aus dieser Beziehung ist ein 1996 geborenes Kind hervorgegangen. Frau A. verfügt über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis.

Am 29.11.2006 wurde der Betroffene anlässlich eines Ladendiebstahls vorläufig festgenommen und befand sich aufgrund Haftbefehls vom 30.11.2006 in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 6.3.2007 wurde dieser Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt.

Mit am 15.1.2007 ausgehändigtem Bescheid vom 9.1.2007 ordnete die Ausländerbehörde die Abschiebung des Betroffenen nach Armenien an. Am 15.2.2007 hat die Ausländerbehörde beim Amtsgericht Abschiebungshaft gegen den Betroffenen für die Dauer von drei Monaten beantragt. Dem hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen mit für sofort wirksam erklärtem Beschluss vom 22.2.2007 entsprochen und das Haftende auf den 22.5.2007 festgesetzt. Hiergegen hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt, die das Landgericht nach dessen Anhörung mit Beschluss vom 19.3.2007 mit der Maßgabe zurückgewiesen hat, dass die Abschiebungshaft spätestens am 21.5.2007 endet. Hiergegen richtete sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.

Der Betroffene hatte am 21.2.2007 Asylantrag gestellt. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 23.3.2007 als offensichtlich unbegründet ab und drohte dem Betroffenen unter Fristsetzung die Abschiebung an. Auf Antrag des Betroffenen ordnete das Verwaltungsgericht am 4.4.2007 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Asylbescheid vom 23.3.2007 an. Maßgeblich dafür waren mögliche Mängel im Verwaltungsverfahren, weil nicht zu belegen war, dass der Bevollmächtigte des Betroffenen von dessen Anhörung ordnungsgemäß verständigt worden war. Die Ausländerbehörde nahm daraufhin am 10.4.2007 den Haftantrag zurück, der Betroffene wurde zugleich aus der Haft entlassen.

Der Betroffene hat im Rahmen seines Rechtsmittels zuletzt festzustellen beantragt, dass der Haftanordnungsbeschluss des Amtsgerichts vom 22.2.2007 und der ihn im Wesentlichen bestätigende Beschluss des Landgerichts vom 19.3.2007 rechtswidrig waren. Außerdem hat er beantragt, die Rechtsvertretung durch seinen Bevollmächtigten als notwendig anzuerkennen und ihm dafür die angefallenen Kosten zu erstatten. Er begründet dies im Wesentlichen folgendermaßen:

Die Ausländerbehörde habe es versäumt, dem Amtsgericht mitzuteilen, dass er von einem anwaltlichen Bevollmächtigten vertreten werde. Die Ausländerbehörde sei verpflichtet gewesen, dieses Wissen dem Amtsgericht mitzuteilen, damit seine Interessen vor dem Amtsgericht sachgerecht hätten dargestellt werden können. Dadurch sei sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Schließlich sei das Landgericht verpflichtet gewesen, auch die Verlobte des Betroffenen anzuhören. Es bilde einen Verfahrensfehler, dies aus Zeitmangel trotz deren Anwesenheit im Anhörungstermin unterlassen zu haben.

II.

Das Rechtsmittel erweist sich im Feststellungsbegehren als erfolgreich.

1. Durch die Entlassung des Betroffenen aus der Abschiebungshaft ist im Lauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens Erledigung der Hauptsache eingetreten. Denn der Beendigung der Freiheitsentziehung lag zugrunde, dass die Ausländerbehörde ihren Haftantrag zurückgenommen hat. Die Erledigung hat nicht die Unzulässigkeit des Rechtsmittels zur Folge. Dieses kann vielmehr, wenn auch mit veränderter Zielrichtung, aufrechterhalten werden. Dem hat der Betroffene Rechnung getragen, indem er nunmehr neben der Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Kostenerstattung in der Hauptsache die Feststellung begehrt, dass die der Freiheitsentziehung zugrunde liegenden gerichtlichen Beschlüsse rechtswidrig waren. Das notwendige Feststellungsinteresse ist bei Freiheitsentziehungen wegen des damit verbundenen tiefen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG regelmäßig zu bejahen. Daran ändert nichts, dass sich der Betroffene jedenfalls bis 6.3.2007 in Strafhaft befand und die angeordnete Abschiebungshaft insoweit nicht die maßgebliche Grundlage für die Freiheitsentziehung war. Jedenfalls für die Zeit nach dem 6.3.2007 stellt sich dies nämlich anders dar. Ohne die noch bis 10.4.2007 vollzogene Abschiebungshaft hätte der Betroffene die Möglichkeit gehabt, sich, wenn auch gemäß dem strafrechtlichen Außervollzugsetzungsbeschluss vom 6.3.2007 unter gewissen Beschränkungen wie etwa der Verpflichtung zur Wohnsitznahme und Meldeauflagen, frei zu bewegen.

2. Gegenstand der Rechtmäßigkeitsüberprüfung durch den Senat bilden gemäß dem Antrag des Betroffenen die beiden gerichtlichen Beschlüsse vom 22.2. und 19.3.2007. Damit setzt der zuletzt genannte Beschluss des Landgerichts grundsätzlich auch die zeitliche Grenze für die Überprüfung. Ob durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.4.2007 eine veränderte Tatsachenlage eintrat mit der Folge, dass der Betroffene deswegen unverzüglich aus der Haft hätte entlassen werden müssen, spielt an dieser Stelle keine Rolle.

3. Das Landgericht hat, soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung, ausgeführt:

Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Es bestehe der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG. Der Betroffene habe sich mehrere Jahre lang unerlaubt und unangemeldet im Bundesgebiet aufgehalten. Er habe eine Meldung bei der Ausländerbehörde unterlassen, weil er eine Abschiebung befürchtet habe. Dies begründe auch ohne Hinzutreten weiterer Umstände bereits den ausreichenden Verdacht, der Betroffene werde sich, in Freiheit belassen, der Abschiebung in einer Weise entziehen, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung darstellenden Zwang überwunden werden könne. Der außer Vollzug gesetzte Haftbefehl begründe keine ausreichende Sicherheit gegen ein erneutes Untertauchen.

Das bestehende Verlöbnis widerlege nicht die Entziehungsgefahr. Es sei zwar nicht zweifelhaft, dass der Betroffene ernsthafte Heiratsabsichten verfolge und mit Frau A. und dem gemeinsamen Kind zusammen leben wolle. Dem Betroffenen sei jedoch bekannt, dass die Ausländerbehörde dessen ungeachtet an ihrer Absicht festhalte, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden. Es liege deshalb ausgesprochen nahe, dass der Betroffene zwar nach Aufhebung des Haftbefehls und nach Wegfall der Meldeauflagen im Bundesgebiet verbleibe, jedoch erneut seinen Aufenthalt verheimliche, wie er dies über Jahre hinweg getan habe.

§ 62 Abs. 2 Satz 4 AufenthG stehe der Haftanordnung nicht entgegen. Ob die Ausländerbehörde die Abschiebung im Übrigen, besonders im Hinblick auf die familiären Pläne des Betroffenen, zu Recht betreibe, sei nicht von den Haftgerichten, sondern von den Verwaltungsgerichten zu prüfen. Die angeordnete Haftdauer sei nicht zu beanstanden.

4. Dies hält nicht in vollem Umfang der rechtlichen Nachprüfung stand.

a) Die Haftanordnung des Amtsgerichts (§ 6 Abs. 1 FreihEntzG) war allerdings nicht deshalb rechtswidrig, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen nicht zu dessen richterlicher Anhörung geladen worden war.

(1) Grundsätzlich kann die unterbliebene Ladung des (bestellten) Verfahrensbevollmächtigten einen die Aufhebung der Haftanordnung rechtfertigenden Verfahrensfehler darstellen (OLG Rostock vom 27.3.2006, bei Melchior, www.Abschiebungshaft.de; OLG Celle InfAuslR 1999, 462). Allerdings wäre ein derartiger Fehler, sofern er vorläge, schon deshalb geheilt, weil das Landgericht den Betroffenen am 16.3.2007 angehört und dessen Bevollmächtigten zum Anhörungstermin geladen hatte, mag dieser auch am Termin nicht teilgenommen haben. Das Beschwerdegericht tritt nämlich in den Grenzen der Beschwerde als Tatsacheninstanz an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts. Das hat zur Folge, dass Fehler des erstinstanzlichen Gerichts grundsätzlich nicht zur Aufhebung seiner Entscheidung und zu einer Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht, sondern dazu führen, dass das Beschwerdegericht selbst die sachlich gebotene Entscheidung trifft. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall im Hinblick auf einen Verfahrensfehler ausnahmsweise die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht gegeben sein sollten (BGH vom 8.3.2007, V ZB 149/06 m.w.N.).

(2) Im Übrigen kann der Senat auch den behaupteten Verfahrensfehler des Amtsgerichts nicht feststellen. Dem Amtsgericht lagen am 22.2.2007 weder eine schriftliche Vollmacht des anwaltlichen Vertreters noch auch nur dessen Vertretungsanzeige vor. Der Betroffene berief sich in der Anhörung auch nicht darauf, im Abschiebungshaftverfahren anwaltlich vertreten zu werden. Wie die Ausländerbehörde im Rechtsbeschwerdeverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, wurde ihr gegenüber eine anwaltliche Vertretung erst unter dem 8.3.2007, und zwar mit einer Vollmacht vom 6.12.2006, angezeigt. Dass der Betroffene im strafrechtlichen Verfahren einen Verteidiger hatte, ist ohne Belang. Denn aus der Verteidigung des Betroffenen im Strafverfahren lässt sich nicht folgern, dass er von demselben Bevollmächtigten auch in anderen zeitgleich anhängigen Verfahren vertreten wird. Entsprechende Nachforschungspflichten bestehen insoweit weder für die Verwaltungsbehörde noch für den Richter, der die Freiheitsentziehung verfügt. Das Gesetz geht in § 13 FGG (über § 3 Satz 2 FreihEntzG) davon aus, dass der Betroffene das Recht hat, sich eines Bevollmächtigten zu bedienen (Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 13 Rn. 1). Von diesem Recht muss der Betroffene Gebrauch machen, wozu auch die Information des Gerichts gehört. Geschieht dies, kann die unterlassene Beteiligung des Bevollmächtigten einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör begründen (Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler § 13 Rn. 13; vgl. auch OLG Celle aaO). Hier jedoch hat der unter Hinzuziehung eines Dolmetschers vom Amtsgericht angehörte Betroffene von diesem Recht gerade keinen Gebrauch gemacht.

b) Jedoch begründet die unterbliebene Anhörung der Verlobten hier die Rechtswidrigkeit der Haft.

(1) Das folgt allerdings nicht bereits aus § 5 Abs. 3 Satz 2 FreihEntzG. Die Bestimmung erfasst nur Personen, die in der vorgeschriebenen Form die Ehe geschlossen haben (vgl. § 1310 BGB, Art. 13 EGBGB). Eine derartige Verbindung ist nicht feststellbar. Eine analoge Heranziehung scheitert schon daran, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (dazu z.B. BGH NJW 2007, 992/993 m.w.N.; offen gelassen von OLG Brandenburg, InfAuslR 2002, 138), zumal der Gesetzgeber mit § 5 Abs. 3 Satz 3 FreihEntzG erst 2001 eine entsprechende Regelung für Lebenspartner im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes geschaffen hat (Gesetz vom 16.2.2001 BGBl I S. 266), dabei aber keine Notwendigkeit erkannte, die Bestimmung auf weitere Formen des Zusammenlebens wie etwa Verlöbnisse oder nichteheliche Gemeinschaften auszudehnen.

(2) Eine Rechtsverletzung ergibt sich hier jedoch aus § 12 FGG. Wenn es in einem Abschiebungshaftverfahren auf die Art und die Intensität von familiären Bindungen ankommt, bedarf es grundsätzlich der (persönlichen) Anhörung des Partners (vgl. OLG Celle InfAuslR 2005, 423; OLG Köln OLG-Report 2005, 408). Davon wird in der Regel nur nach den in § 5 Abs. 3 Satz 4 FreihEntzG aufgeführten Maßstäben abgesehen werden können, also etwa dann, wenn die Person im Ausland lebt oder ihre alsbaldige Erreichbarkeit erkennbar nicht gewährleistet ist. Hingegen kann es nicht davon abhängen, ob die Verlobte bei der richterlichen Anhörung des Betroffenen, mehr oder minder zufällig, bereits anwesend ist (so aber wohl OLG Brandenburg InfAuslR 2002, 138). Auf die strittige Frage, ob die Verlobte gemäß dem Vorbringen des anwaltlichen Vertreters des Betroffenen beim Anhörungstermin vor dem Landgericht zugegen war und nur aus Zeitmangel nicht mehr hatte angehört werden können, kommt es deshalb nicht an.

Dass zwischen dem Betroffenen und Frau A. eine enge eheähnliche Beziehung bestand, wird vom Landgericht nicht in Zweifel gezogen und ergibt sich aus folgenden Umständen:

aa) Der Betroffene gibt unwidersprochen an, mit Frau A. in der gemeinsamen Heimat Armenien kirchlich getraut worden zu sein, weshalb er sie als seine Ehefrau betrachtet. Er hat mit ihr einen 1996 geborenen Sohn.

bb) Der Betroffene und seine Verlobte haben konkrete Heiratspläne in Deutschland, was durch entsprechende Kontaktaufnahme mit dem Standesamt und die Beschaffung notwendiger Papiere wie etwa von Ehefähigkeitszeugnissen auch nach außen hin dokumentiert ist.

cc) Der Betroffene verfügt nach seiner Einlassung in der Bundesrepublik Deutschland über soziale Bindungen. So will er zunächst (seit 2002) bei der Mutter seiner Verlobten und die letzten sieben Monate vor seiner Festnahme bei seiner Verlobten, freilich unangemeldet, gewohnt haben.

dd) Der gegen den Betroffenen ergangene Haftbefehl wegen Verdachts des Kaufhausdiebstahls und des unerlaubten Aufenthalts wurde am 6.3.2007 gegen Wohnsitz- und Meldeauflagen außer Vollzug gesetzt. Auch dort wurde, trotz Bejahung einer fortbestehenden Fluchtgefahr, von sozialen Bindungen des Betroffenen im Inland ausgegangen.

Demnach bestanden aufgrund der Anhörung des Betroffenen hinreichende Anhaltspunkte, die mit Blick auf Art und Tiefe der Beziehung zu Frau A. für die Beurteilung einer Entziehungsabsicht (§ 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG) von Bedeutung sein können (vgl. auch OLG Köln OLGR 2005, 408; ferner BayObLG InfAuslR 2001, 174). Im Rahmen der gerichtlichen Sachaufklärung gemäß § 12 FGG hätte das Zeugnis der im Gerichtsbezirk wohnhaften, ohne Schwierigkeiten erreichbaren Frau A. zur Verfügung gestanden.

(3) Die Entscheidung des Landgerichts lässt nicht erkennen, dass dieses sich mit dem Erfordernis der Anhörung auseinandergesetzt hat. Die Begründung des Landgerichts zur Entziehungsabsicht macht die Anhörung der Verlobten auch nicht entbehrlich. Ohne deren Anhörung hätten sich nämlich die Voraussetzungen für den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG abschließend weder bejahen (vgl. auch OLG Düsseldorf InfAuslR 1995, 208; OLG Celle Nds. Rpflege 1997, 50/51) noch verneinen lassen. Das Bestehen sozialer Bindungen ist im Allgemeinen kein Grund, gerade daraus eine Entziehungsabsicht herzuleiten. Andererseits wird vom Senat nicht verkannt, dass soziale Bindungen im Inland es im einzelnen Fall gleichermaßen erlauben könnten, auf eine Entziehungsabsicht zu schließen. In der einen wie in der anderen Hinsicht wird jedoch unzulässig einer Beweisaufnahme vorgegriffen, wenn ohne die Anhörung der Verlobten entschieden wird.

5. Ungeachtet der Rechtswidrigkeit beider gerichtlicher Beschlüsse kommt die Anordnung eines Auslagenersatzes zugunsten des Betroffenen, somit insbesondere eine Erstattung seiner Anwaltskosten durch die Körperschaft, der die Ausländerbehörde angehört, nicht in Betracht. § 16 Satz 1 FreihEntzG setzt für die Anordnung der Kostenerstattung voraus, dass das Verfahren ergeben hat, dass ein begründeter Anlass zur Stellung des Antrags nicht vorlag. Ein begründeter Anlass ist nicht dasselbe wie das Vorliegen der materiell-rechtlichen Anordnungsvoraussetzungen. Es kommt darauf an, wie die Behörde den Sachverhalt zurzeit der Antragstellung beurteilen durfte, wenn sie alle ihr zuzumutenden Ermittlungen angestellt hätte (Marschner/Volkart Freiheitsentziehung und Unterbringung 4. Aufl. § 16 Rn. 3). Ungeachtet des vom Senat beanstandeten Mangels im gerichtlichen Verfahren konnte die Ausländerbehörde nach den ihr vorliegenden Erkenntnissen ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, dass der Betroffene sich der Abschiebung entziehen wollte, weil er über längere Zeit illegal und ohne Anmeldung sich im Bundesgebiet aufgehalten hat.

Gerichtsgebühren fallen nicht an, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 FreihEntzG nicht vorliegen. Im Übrigen sind die Verwaltungsbehörden zur Zahlung von Gerichtsgebühren und zur Erstattung der Auslagen im gerichtlichen Verfahren nicht verpflichtet (§ 15 Abs. 2 FreihEntzG).

Ende der Entscheidung

Zurück