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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 06.07.2006
Aktenzeichen: 29 U 1853/06
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 3
UWG § 4 Nr. 7
Zum zulässigen Inhalt und Adressatenkreis eines Richtigstellungsschreibens, das ein Mitbewerber im Anschluss an ein wettbewerbswidriges Rundschreiben eines anderen Mitbewerbers an Marktteilnehmer versendet.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 1853/06

In dem Rechtsstreit

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Zwirlein sowie Richter am Oberlandesgericht Cassardt und Richter am Oberlandesgericht Lehner auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 06.07.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 06.12.2005 aufgehoben.

2. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 01.09.2005 wird aufgehoben.

Der auf ihren Erlass gerichtete Verfügungsantrag vom 30.08.2005 wird zurückgewiesen.

3. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der in erster Instanz angefallenen Kosten zu tragen.

Gründe:

I.

Den Gegenstand des Verfahrens bildet eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit im Zusammenhang mit Rundschreiben zum Zwecke der Richtigstellung von Äußerungen eines Wettbewerbers.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Arzneimitteln zur Behandlung der Anämie. Dabei handelt es sich um eine übermäßige Absenkung des Hämoglobinniveaus im Blut aufgrund zu geringer Zahl roter Blutkörperchen. Die Antragstellerin vertreibt das Präparat A. (Wirkstoff Darbepoetin alfa), die Antragsgegnerin E. (Wirkstoff Epoetin).

Mit Rundschreiben vom Juni 2005 (nachfolgend: Festbetragsschreiben) wandte sich die Antragstellerin an Fachärzte zur Behandlung von Nierenkrankheiten (Nephrologen). Dieses Rundschreiben lautet auszugsweise wie folgt (Anl. ASt 3):

"...

Die Preise von A. (Darbepoetin alfa) werden ab 1. Juli 2005 auf Festbetragsniveau angepasst. Das bedeutet für Sie und Ihre Patienten volle Erstattungssicherheit ohne Zuzahlung.

Innerhalb dieser Festbetragsgruppe ist A. aufgrund seiner höheren Effektivität und längeren Applikationsfrequenz vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Vergleich zu E. besser bewertet worden.

Dies spricht für die hohe Wirtschaftlichkeit von A.: In klinischen Studien konnte bei gleichem Hb-Wert unter A. im Durchschnitt 20% Dosis im Vergleich zu E. eingespart werden. ..."

Mit Abmahnschreiben vom 18.07.2005 (Anl. ASt 4) forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Hinblick auf die Äußerungen im Festbetragsschreiben:

- A. sei vom gemeinsamen Bundesausschuss im Vergleich zu E. besser bewertet worden und

- "In klinischen Studien konnte bei gleichem Hb-Wert unter A. im Durchschnitt 20% Dosis im Vergleich zu E. eingespart werden"

auf.

Daraufhin ließ die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 26.07.2005 erklären (Anl. ASt 5):

" ... Jedoch ist unsere Mandantschaft aus wirtschaftlichen Gründen nicht an einer weiteren Auseinandersetzung über diese Formulierung interessiert. Daher geben wir namens und im Auftrag unserer Mandantin, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, gleichwohl rechtsverbindlich, die folgende Erklärung ab:

Die A. GmbH, [Antragstellerin] verpflichtet sich gegenüber der J. GmbH, [Antragsgegnerin] es ab sofort bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung verwirkten und an die J. GmbH zu zahlenden Vertragsstrafe in Höhe von EUR 5.100.- zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für das Fertigarzneimittel "A." mit der Aussage "Innerhalb dieser Festbetragsgruppe ist A. aufgrund seiner höheren Effektivität und längeren Applikationsfrequenz vom gemeinsamen Bundesausschuss im Vergleich zu E. besser bewertet worden" in Deutschland zu werben oder werben zu lassen. ... "

Hinsichtlich der Aussage "In klinischen Studien ... eingespart werden" (vgl. vorstehende Ausführungen) gab die Antragstellerin keine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Diesbezüglich erwirkte die Antragsgegnerin gegen die Antragstellerin vor dem Landgericht Hamburg am 10.08.2005 eine einstweilige Verfügung, wonach der Antragstellerin bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten wurde (vgl. Anl. ASt 13),

"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken für das Fertigarzneimittel A. zu werben und/oder werben zu lassen mit der Aussage:

"In klinischen Studien konnte bei gleichem Hb-Wert unter A. im Durchschnitt 20% Dosis im Vergleich zu E. eingespart werden."

wie im Rundschreiben mit dem Betreff "Ab Juli 2005: A. zum Festbetrag", Anlage AS 3."

Daraufhin wandte sich die Antragsgegnerin mit dem als Anl. ASt 14 vorgelegten verfahrensgegenständlichen Rundschreiben wie folgt an sämtliche Nephrologen in Deutschland (nachfolgend: Richtigstellungsschreiben):

Die Antragstellerin, die das Richtigstellungsschreiben für wettbewerbswidrig hält, erwirkte bei dem Landgericht München I im Beschlußwege am 01.09.2005 eine einstweilige Verfügung, wonach es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel verboten wurde, dieses Rundschreiben an Dritte zu versenden, es sei denn, es handelt sich um eine Weiterleitung an Rechtsanwälte zum Zwecke der Rechtsverteidigung.

Nach Widerspruch der Antragsgegnerin bestätigte das Landgericht mit Urteil vom 06.12.2005 die einstweilige Verfügung vom 01.09.2005. Seiner Auffassung nach seien die Ausführungen der Antragsgegnerin im beanstandeten Richtigstellungsschreiben zur Unterlassungserklärung der Antragstellerin vom 26.07.2005 wettbewerbswidrig. Die Antragsgegnerin habe nämlich verschwiegen, dass die Unterlassungserklärung von Seiten der Antragstellerin lediglich aus wirtschaftlichen Gründen und unter Aufrechterhaltung ihres eigenen Standpunktes sowie ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben worden sei. Hierauf hätte im Richtigstellungsschreiben hingewiesen werden müssen. Hinzu komme, dass das Richtigstellungsschreiben an eine unbekannte Anzahl von Ärzten in Deutschland und nicht nur an die Adressaten des Festbetragsschreibens der Antragstellerin versandt worden sei. Nachdem bereits aus diesen Gründen ein Verfügungsanspruch bestehe, könne offen bleiben, ob auch die im Richtigstellungsschreiben der Antragsgegnerin erfolgte Information über die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 10.08.2005 wettbewerbswidrig war. Auch dies sei indessen der Fall. Zwar sei darauf hingewiesen worden, dass es sich bei der einstweiligen Verfügung lediglich um eine vorläufige Regelung handle und die Antragsgegnerin hiergegen Widerspruch einlegen könne. Jedoch suggeriere die Antragsgegnerin mit dem einleitenden Satz im Richtigstellungsschreiben, dass ein solcher Widerspruch keinen Erfolg haben werde, weil das Festbetragsschreiben "zwei gravierende Fehler" beinhalte. Demgegenüber hätte die Antragsgegnerin bei korrektem Vorgehen den vom Richtigstellungsschreiben angesprochenen Adressatenkreis darüber informieren müssen, dass die Antragstellerin ihren bisher verfolgten Standpunkt aufrecht erhalte und das Vorliegen der von der Antragsgegnerin behaupteten Fehler erst noch endgültig gerichtlich geklärt werden müsse.

Auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils wird Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin. Ihrer Auffassung nach sei der Inhalt des Richtigstellungsschreibens nicht wettbewerbswidrig. Angesichts der Abwehrlage, in der sich die Antragsgegnerin befunden habe, stelle sich das Richtigstellungsschreiben als eine angemessene und erforderliche Gegenmaßnahme gegen die falschen und irreführenden Behauptungen der Antragstellerin im Festbetragsschreiben dar. Das Richtigstellungsschreiben habe sich auf das zulässige Mindestmaß an Information beschränkt; es sei inhaltlich und sachlich zutreffend gewesen. Die Information über die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 26.07.2005 sei grundsätzlich zulässig gewesen. Hieran ändere auch die Senatsentscheidung vom 06.11.1995 (WRP 1996, 236), der ein anderer Fall zugrunde gelegen habe, nichts. Ein Hinweis darauf, dass die Unterlassungserklärung aus wirtschaftlichen Gründen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben worden sei, sei aus wettbewerbsrechtlicher Sicht nicht veranlasst gewesen. Dieser Zusatz ändere nichts an der Tatsache, dass sich die Antragstellerin zu einem Unterlassen verpflichtet habe und bei einem Verstoß mit rechtlichen Konsequenzen in Form einer Vertragsstrafe rechnen müsse. Ein Hinweis auf das Fehlen einer "Rechtspflicht" würde sich für den Empfänger des Richtigstellungsschreibens vielmehr als irreführend erweisen, weil dieser nämlich in einem solchen Fall fälschlicherweise davon ausgehe, die Unterlassungserklärung sei nur in eingeschränktem oder abgeschwächtem Umfang rechtsverbindlich. Das Landgericht habe hierbei auch verkannt, dass aufgrund der zugunsten der Antragsgegnerin vorliegenden Abwehrlage die Grenzen des im Rahmen des Richtigstellungsschreibens zu beurteilenden zulässigen Verhaltens weiter zu ziehen seien als bei Fehlen einer Abwehrlage. Sollte man mit dem Landgericht durch den unterlassenen Hinweis darauf, dass die Unterlassungserklärung lediglich aus wirtschaftlichen Gründen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben worden sei, gleichwohl von einem wettbewerbswidrigen Verhalten auf Seiten der Antragsgegnerin ausgehen, fehlte es zumindest an der Erheblichkeit eines Wettbewerbsverstoßes im Sinne von § 3 UWG. Auch der Vergleich der Adressatenkreise der beiden Rundschreiben führe nicht dazu, dass das streitgegenständliche Rundschreiben wettbewerbswidrig sei. Nach ihrem eigenen Vortrag habe sich die Antragstellerin mit dem Festbetragsschreiben an sämtliche Nephrologen in Deutschland gewandt. Dies treffe auch auf das streitgegenständliche Richtigstellungsschreiben zu, wie die Antragsgegnerin im Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 13.10.2005 vorgetragen habe. Schließlich stelle auch die Bezugnahme auf das Verfügungsverfahren entgegen der Auffassung des Landgerichts keinen Wettbewerbsverstoß dar. Es sei schon fraglich, ob die Ausführungen des Landgerichts zu diesem Thema nicht nur lediglich als obiter dictum anzusehen seien, so dass es für die Begründetheit der Berufung ohnehin nicht darauf ankomme, ob dem Landgericht in dieser Frage zu folgen sei. Im Übrigen sei der Hinweis im Richtigstellungsschreiben, dass die einstweilige Verfügung noch mit Rechtsmitteln angreifbar sei, aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ausreichend gewesen. Die von der Antragsgegnerin zu Beginn des verfahrensgegenständlichen Richtigstellungsschreibens gewählte Formulierung, wonach das Festbetragsschreiben zwei gravierende Fehler aufweise, suggeriere beim Adressatenkreis des Richtigstellungsschreibens entgegen der Auffassung des Erstgerichts nicht, dass ein Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung keine Aussicht auf Erfolg habe. Der Empfänger erkenne ohne weiteres, dass es sich bei der Aussage "zwei gravierende Fehler" lediglich um eine subjektive Einschätzung bzw. Meinungsäußerung der Antragsgegnerin handle. Dass diese von gravierenden Fehlern ausgehe, sei schon deshalb selbstverständlich, weil anderenfalls die Bagatellgrenze des § 3 UWG im Festbetragsschreiben nicht überschritten worden wäre.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils vom 06.12.2005 die einstweilige Verfügung des Landgerichts München I vom 01.09.2005 aufzuheben und den auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Berufung der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach sei das Landgericht zutreffend von der Wettbewerbswidrigkeit des streitgegenständlichen Richtigstellungsschreibens ausgegangen. Dies folge schon daraus, dass sich die Antragsgegnerin mit dem Richtigstellungsscheiben an sämtliche Nephrologen in Deutschland gewandt habe, wohingegen das Festbetragsschreiben der Antragstellerin lediglich an ausgewählte Nierenfachärzte versandt worden sei. Auch habe keine Veranlassung bestanden, im Richtigstellungsschreiben ausdrücklich auf die Unterlassungserklärung der Antragstellerin vom 26.07.2005 hinzuweisen. Eine bloße Richtigstellung der von der Antragsgegnerin kritisierten Passagen des Festbetragsschreibens wäre völlig ausreichend gewesen. Dies sei bereits der Senatsentscheidung vom 06.11.1995 (WRP 1996, 236) zu entnehmen. Zumindest hätte, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe, im Richtigstellungsschreiben darauf hingewiesen werden müssen, dass die Unterlassungserklärung nur aus wirtschaftlichen Gründen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben worden sei. Damit habe nämlich die Antragstellerin zu erkennen gegeben, dass sie den gegen sie geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht anerkenne und die Erklärung nur abgegeben habe, um eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf eine Abwehrlage berufen, nachdem sie bereits vor der Versendung des Festbetragsschreibens ihre Produkte auf wettbewerbswidrige Weise beworben habe. Dadurch habe sie das streitgegenständliche Verhalten der Antragstellerin provoziert. Das Landgericht habe auch zu Recht in der konkreten Bezugnahme auf die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg im Richtigstellungsschreiben ein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerin gesehen. Die Antragsgegnerin hätte nicht - wie geschehen - durch den Hinweis auf "zwei gravierende Fehler" im Festbetragsschreiben den Eindruck erwecken dürfen, die einstweilige Verfügung sei so gut wie unangreifbar. Vielmehr hätte den Lesern des Richtigstellungsschreibens deutlich gemacht werden müssen, dass ein Widerspruch der Antragstellerin gegen die einstweilige Verfügung nicht von vorneherein ohne Erfolgsaussichten sei. Dadurch, dass das Verhalten der Antragstellerin von der Antragsgegnerin als besonders schwerwiegend qualifiziert wurde, liege auf der Hand, dass die Bagatellgrenze des § 3 UWG überschritten worden sei.

Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll des Termins vom 06.07.2006 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils sowie der einstweiligen Verfügung vom 01.09.2005 unter Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Verfügungsantrags.

1. Die von der Antragsgegnerin angegriffenen Werbebehauptungen der Antragstellerin im Festbetragsschreiben (Anl. ASt 3)

" Innerhalb dieser Festbetragsgruppe ist A. aufgrund seiner höheren Effektivität und längeren Applikationsfrequenz vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Vergleich zu E. besser bewertet worden.

Dies spricht für die hohe Wirtschaftlichkeit von A.: In klinischen Studien konnte bei gleichem Hb-Wert unter Aranesp im Durchschnitt 20% Dosis im Vergleich zu E. eingespart werden. "

sind nach § 3 HWG, §§ 3, 4 Nr. 11, 5 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UWG wettbewerbswidrig. Näherer Ausführungen hierzu bedarf es nicht, nachdem dies auch durch die Antragstellerin im Rahmen ihres Vorbringens in der Berufungsinstanz nicht mehr in Frage gestellt worden ist.

Dies hat zur Folge, dass die Antragsgegnerin als Verletzte grundsätzlich berechtigt war, den Inhalt der ihr gegenüber abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung der Antragstellerin vom 26.07.2005 (Anl. ASt. 5) sowie der einstweiligen Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 01.08.2005 (Anl. AG 1) auch ohne gerichtlich zugesprochene Befugnis zu veröffentlichen; allerdings hatte dies in einer Weise zu geschehen, die ihrerseits nicht gegen § 3 UWG verstieß (vgl. Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl., § 12 Rn. 4.20). Diesen Anforderungen entsprach das streitgegenständliche Richtigstellungsschreiben (Anl. ASt 14). Es enthält keine herabsetzenden bzw. in sonstiger Weise wettbewerbswidrigen Aussagen im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 7 UWG.

2. Die Ansicht der Antragstellerin, dem berechtigten Bekanntmachungsinteresse der Antragsgegnerin wäre schon in ausreichendem Umfang Rechnung getragen worden, wenn sich das verfahrensgegenständliche Rundschreiben gemäß Anl. ASt. 14 ohne Hinweis auf die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Antragstellerin vom 26.07.2005 darauf beschränkt hätte, richtig zu stellen, dass die Behauptung der Antragstellerin im Festbetragsschreiben, A. sei vom Gemeinsamen Bundesausschuss im Vergleich zu E. besser bewertet worden, unzutreffend sei, überzeugt nicht. Dieses Vorbringen der Antragstellerin berücksichtigt nicht die oben dargestellte, grundsätzlich weitgehende Veröffentlichungsbefugnis des Verletzten in Bezug auf eine vom Verletzer abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung. Darüber hinaus musste es der Antragsgegnerin unbenommen bleiben, die Adressaten des Richtigstellungsschreibens - allesamt Fachkreise - nicht nur über ihre eigene Rechtsauffassung als Wettbewerberin auf dem Markt in Richtung auf den wettbewerbsrechtlich relevanten Inhalt des Festbetragsschreibens zu informieren, sondern diese auch darüber in Kenntnis zu setzen, dass die Antragstellerin durch die Unterlassungserklärung bei Meidung einer Vertragsstrafe im Falle der Zuwiderhandlung davon Abstand genommen habe, die Behauptung über eine bessere Bewertung von A. durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu wiederholen. Die vollständige Wiedergabe dieses Vorgangs war angemessen und geeignet, den berechtigten Belangen der Antragsgegnerin in ausreichendem Umfang Rechnung zu tragen, da bei einer Richtigstellung ohne Bezugnahme auf die strafbewehrte Unterlassungserklärung der Antragstellerin die sich widersprechenden Aussagen der Parteien lediglich nebeneinander im Raum gestanden hätten, ohne dass für die vom Richtigstellungsschreiben angesprochenen Fachärzte klar gewesen wäre, dass die Antragstellerin von ihrer Behauptung zwischenzeitlich abgerückt war. Die Antragsgegnerin befand sich in einer Abwehrlage, die es rechtfertigte, klar und deutlich auf die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung vom 26.07.2005 hinzuweisen, um durch das wettbewerbswidrige Verhalten der Antragstellerin drohenden Schäden in Form von Umsatzeinbußen für ihr Präparat E. entgegenzuwirken. Soweit die Antragstellerin dem entgegenhielt, die Antragsgegnerin habe durch ihr vorausgegangenes Verhalten diese Abwehrsituation provoziert, ist diese Behauptung nicht näher spezifiziert worden und somit nicht geeignet, das Bestehen einer Abwehrlage auf Seiten der Antragsgegnerin in Frage zu stellen.

Dieser Beurteilung steht auch nicht der Senatsbeschluss vom 06.11.1995 - Az. 29 W 1814/95 (WRP 1996, 236) entgegen. Die Senatsentscheidung vom 06.11.1995 hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Richtigstellung in Form der Wiedergabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls nach Maßgabe des § 1 UWG a.F. wettbewerbswidrig war. Hierzu ist anzumerken, dass das UWG in der aktuellen Fassung vom 03.07.2004 den der Senatsentscheidung vom 06.11.1995 zugrunde liegenden Begriff der "guten Sitten im Wettbewerb" nicht mehr verwendet, die Frage der Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens der Antragsgegnerin sich vielmehr ausschließlich am Maßstab des § 3 UWG zu orientieren hat, also danach, ob dieses unlauter und geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil ihrer Mitbewerber nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Insoweit bedarf es einer Neubewertung auf der Grundlage der aktuellen Rechtslage. Der hier zu entscheidende Fall liegt auch wesentlich anders als der Vorgang, über den der Senat im Jahre 1995 zu entscheiden hatte, da damals zur Richtigstellung nicht notwendige Informationen weitergegeben wurden, die geeignet waren, die Gegenseite unnötig bloßzustellen. Dagegen war es im hier zu entscheidenden Fall, wie bereits ausgeführt, für die Antragsgegnerin aufgrund der bestehenden Abwehrlage ein angemessenes und geeignetes Mittel, die Adressaten des Richtigstellungsschreibens gemäß Anl. ASt. 14 darüber zu informieren, dass die Antragstellerin durch Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung von ihrer wettbewerbswidrigen Behauptung zur Bewertung von A. im Vergleich zu E. durch den gemeinsamen Bundesausschuss Abstand genommen habe. Anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 06.11.1995 zugrunde liegenden Fall wurden im Streitfall durch die Veröffentlichung der Unterlassungserklärung auch nicht unnötig Interna preisgegeben.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin bestand für die Antragsgegnerin auch keine Veranlassung, im Richtigstellungsschreiben darauf hinzuweisen, dass die Antragstellerin die Unterlassungserklärung vom 26.07.2005 lediglich aus wirtschaftlichen Gründen und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht abgegeben habe. In der Unterlassung eines solchen Hinweises kann kein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragstellerin, insbesondere in Form einer herabsetzenden oder verunglimpfenden Äußerung (§ 4 Nr. 7 UWG) gesehen werden. Dies folgt schon aus dem Umstand, dass die Unterlassungserklärung vom 26.07.2005 insofern rechtsverbindlichen Charakter aufweist, als sich die Antragstellerin für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtete. In der Nichterwähnung des Zusatzes "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht", der beim ganz überwiegend nicht rechtskundigen Adressatenkreis die Gefahr eines Missverständnisses in Richtung auf den Bedeutungsgehalt der abgegebenen Unterlassungserklärung hervorgerufen hätte, ist daher kein wettbewerbswidriges Verhalten der Antragsgegnerin zu sehen. Ein herabsetzendes Verhalten der Antragsgegnerin im Sinne von § 4 Nr. 7 UWG ist auch insoweit nicht erkennbar, als im Richtigstellungsschreiben unerwähnt blieb, dass die Antragstellerin ausweislich der Erklärung ihrer Prozessbevollmächtigten vom 26.07.2005 aus wirtschaftlichen Gründen nicht an einer weiteren Auseinandersetzung interessiert sei und deshalb die Unterlassungserklärung abgegeben werde (vgl. Anl. ASt 5). Die Antragstellerin war nicht verpflichtet, zur Vermeidung eines wettbewerbswidrigen Verhaltens im Richtigstellungsschreiben auf die Motivlage der Antragstellerin bei Abgabe der Unterlassungserklärung hinzuweisen.

3. Das streitgegenständliche Richtigstellungsschreiben begegnet auch im Hinblick auf den darin erfolgten Hinweis auf die einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg vom 10.08.2005 (Anl. ASt 13) keinen wettbewerbsrechtlichen Bedenken. In der Entscheidung "Abnehmerverwarnung" (GRUR 1995, 424) hat der Bundesgerichtshof eine Abnehmerverwarnung wegen Patentverletzung als wettbewerbswidrig angesehen, weil diese unter Beifügung eines Patentverletzungsurteils an einen gewerblichen Abnehmer ohne den deutlichen Hinweis erfolgte, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig sei. Der hier zu entscheidende Fall liegt jedoch ganz anders, da das streitgegenständliche Richtigstellungsschreiben in seiner Ziffer 2. mit dem eindeutigen, sich im Stil an eine Rechtsmittelbelehrung anlehnenden Hinweis endet: "Die einstweilige Verfügung des LG Hamburg ist - wie ihr Name schon sagt - eine vorläufige Regelung und die A. GmbH daher berechtigt, gegen den Gerichtsbeschluss Widerspruch einzulegen." Soweit das Landgericht in einem obiter dictum ausgeführt hat, die Antragsgegnerin suggeriere in herabsetzender Weise durch die Äußerung zu Beginn des Richtigstellungsschreibens, das Festbetragsschreiben enthalte "zwei gravierende Fehler", beim Adressaten des Richtigstellungsschreibens, dass ein Rechtsbehelf gegen diese einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg ohnehin aussichtslos sei, überzeugt dies nicht. Zum einen besteht kein solch enger räumlicher Zusammenhang zwischen der Äußerung "zwei gravierende Fehler" und dem Hinweis auf die Anfechtbarkeit der einstweiligen Verfügung, der den Schluss rechtfertigen würde, dass der angesprochene Adressatenkreis die jeweiligen Passagen des Schreibens unmittelbar miteinander in Verbindung bringen würde. Zum anderen hat die Antragsgegnerin zu Beginn der Ziffer 2. im Richtigstellungsschreiben klargestellt, dass die angegriffene Äußerung "nach unserer Auffassung" wettbewerbswidrig sei, also hinreichend deutlich gemacht, dass es sich hierbei um ihre subjektive Beurteilung des Falles handle.

4. Schließlich kann der Antragsgegnerin auch nicht entgegengehalten werden, dass sich der Adressatenkreis des Richtigstellungsschreibens nicht mit demjenigen des Festbetragsschreibens gedeckt hätte. Die Richtigkeit des - von der Antragsgegnerin bestrittenen - Vortrages der Antragstellerin, wonach das Festbetragsschreiben nur an ausgewählte Fachärzte für Nierenkrankheiten versandt, das Richtigstellungsschreiben hingegen an sämtliche Nephrologen in Deutschland gerichtet worden sei, unterstellt, folgt hieraus gleichwohl nicht die Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Antragsgegnerin. Ist eine Weiterveräußerung der Angriffsäußerung bezweckt oder liegt eine solche nach der Lebenserfahrung nahe, so ist es unschädlich, wenn die Abwehräußerung einen größeren Empfängerkreis anspricht als die Angriffsäußerung (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., 18. Kap., Rn. 12 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Angesichts der Bedeutung der Wirkungsweise eines Medikaments sowie - mit Blick auf die Frage der Wirtschaftlichkeit in Zeiten knapper finanzieller Ressourcen - des Umfangs der erforderlichen Dosierung stand zu erwarten, dass der Inhalt des Festbetragsschreibens auf großes Interesse bei den Fachkreisen stößt und weiterverbreitet wird (etwa bei Ärztekongressen und im sonstigen kollegialen Meinungsaustausch). Hinzu kommt, dass es der Antragsgegnerin ihren unwidersprochen gebliebenen Angaben zufolge in tatsächlicher Hinsicht nicht möglich war, den konkreten Adressatenkreis des Festbetragsschreibens in Erfahrung zu bringen. Die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegen die Antragstellerin im Rahmen eines gerichtlichen Hauptsacheverfahrens wäre für die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Dringlichkeit der Richtigstellung unzumutbar gewesen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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