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Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 04.07.2002
Aktenzeichen: 29 U 2090/02
Rechtsgebiete: RBerG, ZPO


Vorschriften:

RBerG § 1
RBerG § 5 Abs. 1
RBerG § 5 Nr. 1
RBerG § 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
ZPO § 543 Abs. 2
Ein Stromversorgungsunternehmen verstößt nicht gegen Art. 1 § 1 RBerG, wenn es aufgrund einer ihm im Versorgungsvertrag vom Kunden formularmäßig erteilten Vollmacht für den Kunden dessen bisherigen Stromversorgungsvertrag kündigt und für ihn einen Netzanschluss- und Netznutzungsvertrag mit dem Netzbetreiber abschließt.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 29 U 2090/02

Verkündet am 4. Juli 2002

hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Wörle und die Richter Dr. Kartzke und Jackson aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Landgericht München I vom 15.01.2002 - 9 HKO 13691/01 - werden zurückgewiesen.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,-- EUR abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten, soweit der Rechtsstreit in die Berufungsinstanz gelangt ist, um die Frage, ob die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluß von Stromlieferungsverträgen unerlaubte Rechtsberatung betreibt.

Die Kläger sind Rechtsanwälte. Die Beklagte ist ein überregional tätiges Stromversorgungsunternehmen, das seine Kunden mit Strom im Wege der Durchleitung durch die Netze örtlicher Netzbetreiber versorgt. Die von ihr beworbenen Stromversorgungsverträge (Formularvertrag: Anlage K 3) sehen vor, daß der Kunde die Beklagte bevollmächtigt, "den für die genannte Stromabnahmestelle derzeit bestehenden Stromlieferungsvertrag zu kündigen und soweit erforderlich mit dem örtlichen Netzbetreiber einen Netznutzungsvertrag, gegebenenfalls einen Netzanschlußvertrag abzuschließen".

Die Kläger haben geltend gemacht, sowohl die Kündigung des bestehenden Stromlieferungsvertrages wie auch der Abschluß eines Netzanschluß- und Netznutzungsvertrages seien Gestaltung fremder Rechtsangelegenheiten und verstießen daher gegen Artikel 1 § 1 RBerG, da die Beklagte - unstreitig - über die nach der genannten Bestimmung erforderliche Genehmigung nicht verfüge. Auch Artikel 1 § 5 Abs. 1 RBerG rechtfertige diese Tätigkeiten nicht. Diese Bestimmung sei ein eng auszulegender Ausnahmetatbestand für mit dem Hauptgeschäft unmittelbar zusammenhängende rechtliche Angelegenheiten; an einem hinreichenden Zusammenhang zwischen dem Abschluß eines Stromlieferungsvertrages einerseits und den erwähnten Rechtsgeschäften andererseits fehle es jedoch. Dies gelte in besonderem Maße für den Abschluß eines Netznutzungsvertrages, eines komplexen Vertragswerkes, das durch die Bevollmächtigung der Beklagten zu seinem Abschluß unter Ausschaltung der Verbraucherseite ganz in die Hände der Stromwirtschaft gezogen werde. Nur eine Rechtsberatung setze den Kunden in die Lage, eine interessengerechte Entscheidung zu treffen. Das Erfordernis des Abschlusses dieses Vertrages zwischen Netzbetreiber und Verbraucher (Kunde des Stromlieferanten) sei zudem in Rechtsprechung und Literatur umstritten; einziger Grund für die Forderung der Stromwirtschaft nach Abschluß dieses Vertrages sei das Insolvenzrisiko des Lieferanten; daraus und aus dem Risiko von Streitigkeiten zwischen Netzbetreiber und Stromlieferant folge das für den Kunden ohne Beratung nicht erkennbare Risiko doppelter Inanspruchnahme auf Zahlung von Netznutzungsgebühren. Die geforderten Netznutzungsentgelte seien stark überhöht, die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Überprüfung und Festsetzung würden nicht genutzt; eine Kontrolle durch die Kartellbehörden erfolge nur verzögert und wirke nur in die Zukunft. Die von den Netzbetreibern verlangten Netznutzungsentgelte dienten durch ihre Höhe der Behinderung des Zugangs von Wettbewerbern zum Markt und der Subventionierung der eigenen Strombeschaffungskosten; darin liege ein Mißbrauch des faktischen Gebietsmonopols. Hinsichtlich dieser Zusammenhänge liege eine systematische Desinformation des Kunden vor. Gerade auch die Tatsache, daß die Beklagte die Forderung des Abschlusses eines Netznutzungsvertrages auch durch den Kunden und damit das "Doppelvertragsmodell" födere, mache die Tätigkeit der Beklagten beanstandungswürdig; die vom Kunden verlangte Vollmacht diene der Durchsetzung kartellrechtswidrigen Verhaltens.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

1. sich von Strombezugskunden bevollmächtigen zu lassen, bestehende Stromlieferungsverträge ihrer Kunden zu kündigen und/oder für ihre Kunden mit örtlichen Netzbetreibern einen Netznutzungsvertrag oder einen Netzanschlußvertrag abzuschließen und

2. im geschäftlichen Verkehr für die Erteilung der in Ziff. 1. näher bezeichneten Vollmachten zu werben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet, die Kündigung des bestehenden Stromlieferungsvertrages sei mit dem Neuabschluß eines Stromlieferungsvertrags notwendig verbunden; es sei sinnvoll, daß der Stromlieferant den Ausspruch der Kündigung für den Kunden übernehme, um diesem den Wechsel des Lieferanten, der sonst oft nicht erfolgen würde, zu erleichtern; dies diene somit der Belebung des Wettbewerbs. Der Neuabschluß eines Netzanschlußvertrages sei notwendig, wenn er mit dem bisherigen Liefervertrag verbunden gewesen sei. Der Abschluß eines Netznutzungsvertrages mit dem Abnehmer werde vom Netzbetreiber in der Regel wegen des Insolvenzrisikos des Stomlieferanten und aus umsatzsteuerrechtlichen Gründen verlangt. Bei beiden Verträgen handele es sich um standardisierte Formularverträge, bei deren Abschluß ein Verhandlungsspielraum - insbesondere hinsichtlich der Höhe der Entgelte - nicht bestehe. Eine Auseinandersetzung hierüber mit dem Netzbetreiber sei sinnlos und überfordere die Abnehmer. Durch die Kartellbehörden sei eine ausreichende Kontrolle der Vertragsinhalte gewährleistet. Der Abschluß der Verträge durch den Stromlieferanten für seine Kunden diene, wie der Ausspruch der Kündigung durch ihn, der Ersparnis von Zeit und Aufwand insbesondere auch im Hinblick auf die kurze Zeit der Bindung des Kunden an seinen Antrag. Die streitigen Handlungen seien erlaubsnisfreie Rechtsbesorgung, da keine umfassende Beratung und Vertretung des Kunden auch nur auf einem beschränkten Rechtsgebiet angeboten werde. Da nur Willenserklärungen für den Kunden ohne Beratung zu ihrem Inhalt und ihrer Ausgestaltung angeboten werde, liege eine kaufmännische Hilfsleistung, eine vom Verkehr erwartete Übernahme von Formalitäten zur Vereinfachung des Anbieterwechsels vor.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen Ausgeführt, die Tätigkeit der Beklagten stelle keine Rechtsberatung, sondern eine erlaubnisfreie Rechtsbesorgung, eine kaufmännische Hilfsleistung dar. Jedenfalls unterfalle sie aber der Ausnahmevorschrift des Artikel 1 § 5 Nr. 1 RBerG.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen der Kläger. Sie wiederholen und vertiefen ihren Sach- und Rechtsvortrag aus dem ersten Rechtszug und machen im wesentlichen geltend, die Tätigkeit der Beklagten, nämlich die Vertretung des Kunden bei der Kündigung des bisherigen Belieferungsvertrages und beim Abschluß eines Netzanschluß- und Netznutzungsvertrages einschließlich der Entscheidung über das "ob" des Vertragsschlusses betreffe die Gestaltung fremder Rechtsverhältnisse und damit die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten; wenn tatsächlich keine umfassende Beratung und Vertretung bei der inhaltlichen Prüfung der Gestaltung und dem Abschluß der Verträge erfolge, sei dies um so schlimmer. Der Abschluß eines Netznutzungsvertrages zwischen Kunden und Netzbetreiber sei nach inzwischen gesicherter Rechtsprechung nicht erforderlich. Der Abschluß des Netznutzungsvertrages durch die Beklagte in Vollmacht des Kunden setze diesen der Gefahr eines Streites über die Wirksamkeit des Vertragsverhältnisses und der Gefahr doppelter Inanspruchnahme aus. Jedenfalls treffe die Beklagte die Pflicht, die Erforderlichkeit des Vertragsabschlusses zu prüfen und die Interessen des Kunden zu wahren, der sich hierauf verlasse. Der Kern der Tätigkeit der Beklagten liege nicht auf wirtschaftlichem, sondern auf rechtlichem Gebiet. Artikel 1 § 5 RBerG könne mangels eines unmittelbaren Zusammenhanges zwischen der Stromlieferung und der Rechtsbesorgung nicht angewandt werden. Daß standardisierte Verträge vorlägen, sei für die Beurteilung ohne Bedeutung.

Die Kläger beantragen, einer Anregung des Senats folgend,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

1. in Vollmacht ihrer Stromkunden bestehende Stromlieferungsverträge zu kündigen oder mit örtlichen Netzbetreibern einen Netznutzungsvertrag oder Netzanschlußvertrag abzuschließen und

2. im geschäftlichen Verkehr für die Erteilung der in Nr. 1. näher bezeichneten Vollmachten zu werben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft und ergänzt ebenfalls ihren Sach- und Rechtsvortrag aus dem ersten Rechtszug. Kern und Schwerpunkt der angebotenen Tätigkeit sei nicht die umfassende Beratung und Vertretung des Kunden bei der inhaltlichen Prüfung und Gestaltung und beim Abschluß des Vertrages, sondern die Erklärung der Kündigung und die Vertretung beim Abschluß der vom Netzbetreiber vorgelegten Musterverträge zur Vereinfachung der Abwicklung dieser Vorgänge im Zusammenhang mit dem Abschluß eines Stromlieferungsvertrages. Kern ihrer Tätigkeit sei die Stromlieferung; die streitigen Tätigkeiten seien daneben ein unselbständiges Nebengeschäft, daß dem Abschluß des Liefervertrages diene. Damit liege eine erlaubnisfreie Geschäftsbesorgung in Form einer kaufmännischen Hilfeleistung vor. Sie diene der Abwicklung von mit dem Lieferantenwechsel notwendig verbundenen Nebengeschäften und der zeitlichen Abstimmung der Vorgänge aufeinander. Es handele sich somit um einen Massenvorgang, eine untergeordnete Umstellungsformalie zum Vollzug der vom Kunden getroffenen Entscheidung für einen Lieferantenwechsel. Für diesen sei die Kündigung und der Abschluß der streitigen Verträge unabdingbar. Die Frage der Erforderlichkeit des Abschlusses eines Netznutzungsvertrages zwischen Kunde und Netzbetreiber sei rechtlich nicht abschließend geklärt; bis zur abschließenden Klärung folge die Beklagte insoweit den Forderungen des jeweiligen Netzbetreibers. Darin liege keine umfassende und vollwertige Beratung eines Rechtssuchenden. Jedenfalls unterfielen die streitigen Geschäfte Artikel 1 § 5 Nr. 1 RBerG, da eine notwendige und mit ihr unmittelbar zusammenhängende Hilfstätigkeit zur gewerblichen Tätigkeit der Beklagten vorliege. Es handle sich um eine allgemein akzeptierte Praxis; die Forderung der Kläger fördere die bürokratische Behinderung der Liberalisierung des Strommarktes und mißbrauche das Rechtsberatungsgesetz als Bollwerk zur Verteidigung etablierter Lieferbeziehungen.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von dem Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger erweist sich als unbegründet.

1. Gemäß Artikel 1 § 1 RBerG darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig nur von Personen betrieben werden, denen dazu die Erlaubnis erteilt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine danach erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor, wenn eine geschäftsmäßige Tätigkeit darauf gerichtet und geeignet ist, konkrete fremde Rechtsangelegenheiten zu verwirklichen oder konkrete fremde Rechtsverhältnisse zu gestalten. Gegenüber einer erlaubnisfreien Geschäftsbesorgung ist die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten, da eine Besorgung fremder Geschäfte außer mit wirtschaftlichen Belangen vielfach auch mit rechtlichen Vorgängen verknüpft ist, dadurch abzugrenzen, daß festzustellen ist, ob die Tätigkeit überwiegend auf wirtschaftlichem Gebiet liegt und die Wahrnehmung wirtschaftlicher Belange bezweckt oder ob die rechtliche Seite der Angelegenheit im Vordergrund steht und es wesentlich um die Klärung rechtlicher Verhältnisse geht, ohne daß es darauf ankommt, ob es sich um rechtliche Tätigkeiten schwieriger oder einfacher Art handelt. Angesichts der Durchdringung fast aller Lebensbereiche durch rechtliche Regelungen kann es dabei nicht allein auf die rechtlichen Formen und Auswirkungen des Handelns abgestellt werden; es bedarf vielmehr einer abwägenden Beurteilung des jeweils beanstandeten Verhaltens danach, ob es sich hierbei um Rechtsbesorgung handelt oder ob es um eine Tätigkeit geht, welche von anderen Dienstleistern erfüllt werden kann, ohne daß die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden. Insbesondere kann nicht jede eigenständige Begründung von Vertragsverhältnissen für Dritte, die sich nicht im einmaligen sofortigen Leistungsaustausch erschöpft, als erlaubnispflichtige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten angesehen werden, da sonst weite Bereiche üblichen stellvertretenden Handelns durch des Rechtsberatungsgesetz blockiert wären. Entscheidend kommt es vielmehr darauf an, ob der Auftraggeber eine besondere rechtliche Prüfung vom Geschäftsinhalt oder Geschäftsrisiken ausdrücklich wünscht oder zumindest erkennbar erwartet, was sich im Zweifel nach Person und Qualifikation des Geschäftsbesorgers, nach den verkehrstypischen Gepflogenheiten und nach objektiven Maßstäben des jeweiligen Geschäfts richtet. Danach sind Tätigkeiten wirtschaftlicher Art, bei denen sich die mit ihnen notwendig verbundene rechtliche Betätigung in Formen abspielt, die den angesprochenen Verkehrskreisen geläufig sind und die daher ihrer Art nach nicht mehr als Betätigung auf rechtlichem Gebiet empfunden werden und bei denen eine besondere rechtliche Prüfung weder verkehrsüblich noch im Einzelfall offensichtlich geboten ist oder vom Auftraggeber ausdrücklich gewünscht wird, keine Rechtsbesorgung (BGH NJW 2000, 2108/2109 mit umfangreichen Nachweisen für die ständige Rechtsprechung). Dabei kann dahinstehen, ob die vom Landgericht herangezogenen, vom Bundesverfassungsgericht für den Fall der "Abspaltung" einer kaufmännischen Hilfeleistung als eigenständiger Beruf aus einer an und für sich typische rechtsbesorgenden Tätigkeit aus Artikel 12 GG entwickelten Grundsätze in einem Fall der vorliegenden Art anzuwenden sind.

Bei Anwendung der erläuterten Maßstäbe kann in keiner der angegriffenen Tätigkeiten eine rechtsbesorgende Tätigkeit erblickt werden.

a) Der Ausspruch der Kündigung des bestehenden Lieferverhältnisses im Falle des Wechsels des Stromlieferanten stellt eine erlaubnisfreie Geschäftsbesorgung dar. Allerdings ist die Kündigungserklärung darauf gerichtet, den bestehenden Versorgungsvertrag zu beenden und damit unmittelbar eine fremde Rechtsbeziehung durch Beendigung zu gestalten. Darauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Auszugehen ist vielmehr davon, daß der Schwerpunkt der Tätigkeit der Beklagten auf rein wirtschaftlichem Gebiet liegt. Zweck des Vertrages, mit dem zugleich die Vollmacht zur Kündigung des bestehenden Stromlieferungsvertrages erteilt wird, ist die Begründung einer Lieferbeziehung zwischen dem Kunden und Vollmachtgeber einerseits und der Beklagten andererseits und die Aufnahme der Belieferung des Kunden mit Strom durch die Beklagte. Diesem Zweck dient die in Vollmacht des Kunden auszusprechende Kündigung des bisherigen Lieferverhältnisses. Der Kunde, der sich im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages und damit der Vollmacht zum Lieferantenwechsel entschlossen hat, weiß, daß die Begründung der Lieferbeziehung zur Beklagten mit der Beendigung der bisherigen Lieferbeziehung einhergehen muß, wenn er sich nicht dem Risiko doppelter Inanspruchnahme auf Bezahlung der Stromlieferungen aussetzen will. Der Kunde erwartet in diesem Zusammenhang regelmäßig keine besondere rechtliche Prüfung des Inhalts der Kündigung und eventueller mit ihr verbundener Risiken, da solche für ihn nicht ersichtlich und auch nicht erkennbar sind. Er erwartet eine solche rechtliche Prüfung insbesondere auch nicht von dem von ihm ausgewählten neuen Stromlieferanten, von dem er eine besondere Kompetenz in der Besorgung rechtlicher Angelegenheiten nicht erwartet. Der Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung ist vielmehr ein einfaches Geschäft, bei dem eine besondere rechtliche Prüfung weder verkehrsüblich noch geboten ist und das auch durch andere Dienstleister als die zur Rechtsbesorgung befugten Personen ohne Beeinträchtigung der Qualität der Dienstleistung besorgt werden kann. Auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und ihrer Organe ist schließlich ersichtlich nicht beeinträchtigt, da kaum jemand im Zusammenhang mit der Kündigung eines Stromlieferungsvertrages einen Rechtsanwalt aufsuchen wird. Die streitige Kündigung stellt daher keine Rechtsbesorgung im Sinne von Artikel 1 § 1 RBerG dar.

b) Gleiches gilt für den Abschluß eines Netzanschlußvertrages. Auch hier kommt es nicht entscheidend darauf an, daß der Vertragsschluß unmittelbar eine Rechtsbeziehung zwischen dem Kunden und dem Netzbetreiber begründet und damit die Rechtsverhältnisse des Kunden wie des Netzbetreibers unmittelbar gestaltet. Auch hier handelt es sich um eine Erklärung, die dem erläuterten wirtschaftlichen Zweck des gleichzeitig mit der Vollmachtserteilung geschlossenen Stromlieferungsvertrages dient und ihm untergeordnet ist. Der Kunde wünscht und erwartet auch insoweit keine besondere rechtliche Prüfung von Geschäftsinhalt und -risiken; er wird vielmehr regelmäßig damit vertraut sein, daß derartige Verträge Massenverträge sind, die zu formularmäßig festgelegten Bedingungen abgeschlossen werden und bei denen deshalb eine derartige Prüfung regelmäßig nicht erfolgt. Auch nach der Person der Beklagten als der von ihm "ausgewählten" Geschäfts- bzw. Rechtsbesorgerin kann er eine derartige Prüfung und Beratung nicht erwarten. Auch hier handelt es sich um ein geläufiges, dem Bereich des Massengeschäfts zuzuordnendes Geschäft, zu dessen sachgerechter Erledigung es besonderer rechtlicher Qualifikation dessen, der das Geschäft besorgt, nicht bedarf. Die Prüfung der Erforderlichkeit des Abschlusses eines Netzanschlußvertrages beschränkt sich auf technische und tatsächliche Gegebenheiten, nämlich auf die Prüfung der Frage, ob für die Abnahmestelle des Kunden ein Netzanschlußvertrag bereits besteht oder ob dies nicht der Fall ist. Auch hier liegt daher eine Geschäftsbesorgung vor, die die Grenze zur Rechtsbesorgung nicht überschreitet.

c) Gleiches gilt schließlich auch für den Abschluß eines Netznutzungsvertrages. Auch hier kommt es nicht entscheidend darauf an, daß durch den Abschluß dieses Vertrages Rechtsbeziehungen des Kunden und des Netzbetreibers unmittelbar gestaltet werden. Auch hier ist entscheidend, daß der Abschluß des Netznutzungsvertrages dem wirtschaftlichen Zweck, eine Lieferbeziehung zur Beklagten zu begründen, untergeordnet ist und daß vom Kunden regelmäßig eine besondere rechtliche Prüfung von Geschäftsinhalt und -risiken des Netznutzungsvertrages nicht erwartet wird und nach der Person der Beklagten auch nicht erwartet werden kann. Darauf, daß unter bestimmten besonderen Umständen das - wirtschaftlich allerdings ersichtlich nach Grund und Höhe sehr begrenzte - Risiko doppelter Inanspruchnahme für den Kunden besteht, kommt es für die Entscheidung nicht an. Angesichts des Ziels, die Stromversorgung des Interessenten durch die Beklagte im Wege der Durchleitung zu ermöglichen, reduziert sich die Prüfung der Erforderlichkeit eines Netznutzungsvertrages auf die Prüfung der Frage, ob der Netzbetreiber den Abschluß eines Netznutzungsvertrages mit dem Stromkunden (noch) verlangt oder ob dies nicht der Fall ist. Die streitige Geschäftsbesorgung kann daher ohne Beeinträchtigung ihrer Qualität durch einen zwar nicht hinsichtlich seiner Rechtskunde, wohl aber hinsichtlich seiner Sachkunde auf dem Strommarkt qualifizierten Dienstleister erfüllt werden. Auch hier ist die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und ihrer Organe ersichtlich nicht beeinträchtigt. Eine erlaubnispflichtige Rechtsberatung liegt mithin nicht vor.

2. In jedem Fall stellen die streitigen Tätigkeiten zudem gemäß Artikel 1 § 5 Nr. 1 RBerG privilegierte Tätigkeiten dar. Nach dieser Vorschrift stehen die Vorschriften des Rechtsberatungsgesetzes dem nicht entgegen, daß kaufmännische oder sonstige gewerbliche Unternehmer für ihre Kunden rechtliche Angelegenheiten erledigen, die mit einem Geschäft ihres Gewerbebetriebs in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Haupttätigkeit der Beklagten besteht in der Versorgung ihrer Kunden mit elektrischer Energie und der Begründung der dazu die Voraussetzung bildenden Vertragsbeziehungen zu ihren Kunden. Bei der Kündigung des bestehenden Liefervertrages und dem Abschluß eines Netzanschluß- bzw. Netznutzungsvertrages handelt es sich, wenn man in diesen Tätigkeiten eine Rechtsbesorgung im Sinne von Artikel 1 § 1 RBerG sieht, um rechtliche Angelegenheiten der Kunden der Beklagten, die mit dem Geschäft des Gewerbebetriebs der Beklagten in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht nicht nur dann, wenn er notwendig und untrennbar ist, sondern auch dann, wenn die Haupttätigkeit bei Verzicht auf die Rechtsbesorgung nicht sachgerecht wäre. Der Abschluß eines Stromversorgungsvertrages zwischen der Beklagten und ihren (neuen) Kunden kann sachgerecht nicht ohne Auflösung des bisherigen Liefervertrages und ohne Abschluß eines Netzanschluß- bzw. Netznutzungsvertrages, soweit dies erforderlich ist bzw. vom Netzbetreiber verlangt wird, erfolgen. Zwischen dem Abschluß des Stromlieferungsvertrages und der Aufnahme der Stromlieferung durch die Beklagte einerseits und den streitigen, von der Beklagten in Vollmacht ihrer Kunden abgegebenen Erklärungen besteht daher ein unmittelbarer Zusammenhang im Sinne von Artikel 1 § 5 Nr. 1 RBerG. Es liegt daher jedenfalls eine nach dieser Vorschrift privilegierte Rechtsbesorgung vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1 ZPO. Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, da die streitigen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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