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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 25.11.1999
Aktenzeichen: 29 U 3842/99
Rechtsgebiete: ZPO, UWG


Vorschriften:

Der Antrag, der Beklagten zu untersagen, über die Klägerin in Rundschreiben an Kunden herabsetzende Erklärungen über die Tätigkeit der Klägerin abzugeben, ist nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

OLG München Urteil 25.11.1999 - 29 U 3842/99 - 4 HKO 1533/99 LG München I


hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter Mangstl und die Richter Haußmann und Jackson aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. November 1999 für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 20. 5. 1999 - 4 HKO 1533/99 - wird zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 19/20, die Beklagte trägt 1/20.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,-- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Klägerin übersteigt 60.000,-- DM.

Gründe:

Die Parteien arbeiten auf der Grundlage eines gemäß Vertrag vom 21. 2. 1991 (Anlage K 3) auf sie übergegangenen Vertrages vom 29. 9. 1989 (Anlage K 2) bei dem Betrieb eines elektronischen Eintrittskarten-Vorverkaufssystems zusammen. Dabei ist die Klägerin als "Systembetreiber" Inhaberin der Kundenbeziehungen zu den Veranstaltern und Vorverkaufsstellen, während die Beklagte als "Softwarehersteller, Leitungs- und Rechnerbetreiber" das System technisch betreibt. Die Vertragsbeziehungen enden am 31. 12. 1999. Von diesem Zeitpunkt an werden die Parteien bei dem Betrieb elektronischer Eintrittskarten-Vorverkaufssysteme miteinander - insbesondere auch bei den bisherigen Kunden der Klägerin - in Wettbewerb stehen.

Mit einem Rundschreiben vom 27. 10. 1998 (Anl. K 4) hat die Beklagte sich an Kunden der Klägerin gewandt. Die Klägerin hat geltend gemacht, das Schreiben ziele auf eine bewußte Schmälerung des Ansehens der Klägerin bei ihren Kunden (Vorverkaufsstellen und Veranstaltern). Die Beklagte sei aufgrund vertraglicher Nebenpflicht und gemäß § 1 UWG verpflichtet, derartige Rundschreiben zu unterlassen. Sie hat zunächst angekündigt, sie werde beantragen,

den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, sich mit Rundschreiben an die Kunden der Klägerin (Vorverkaufsstellen und Veranstalter) zu wenden und hierin Erklärungen über die Tätigkeit der Klägerin bezüglich des Betriebes des C.-Netzes abzugeben, insbesondere das als Anlage K 4 beigefügte Rundschreiben vom 27. 10. 1998 weiter zu verbreiten.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten nach dem vorstehend wiedergegebenen Antrag zu verurteilen mit der Maßgabe, daß nach dem Wort "hierin" das Wort "herabsetzende" eingefügt wird,

hilfsweise,

die Beklagten nach dem so formulierten Antrag zu verurteilen mit der Maßgabe, daß das Wort "insbesondere" durch das Wort "nämlich" ersetzt wird.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Klageantrag schieße weit über die mögliche Verletzungsform hinaus. Das Schreiben sei wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Beklagten nach dem Hilfsantrag verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich des Hauptantrages sei die Klage mangels hinreichender Bestimmtheit des Antrages unzulässig. Hinsichtlich des Hilfsantrages sei sie zulässig und begründet.

Die Beklagten haben nach Verkündung dieses Urteils eine auf die konkrete Verletzungshandlung bezogene strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Mit der gegen das erwähnte Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel einer weitergehenden Verurteilung der Beklagten weiter. Sie macht geltend, das auf den konkreten Verletzungsfall bezogene Urteil des Landgerichts sei für sie praktisch wertlos, da mit einer Wiederholung der Verletzung in der konkreten Form nicht zu rechnen sei. Mit ähnlichen Verletzungshandlungen müsse jedoch angesichts der Wettbewerbssituation zwischen den Parteien gerechnet werden. Der vor dem Landgericht gestellte Hauptantrag sei hinreichend bestimmt; "herabsetzend" sei jede Äußerung, die nicht positiv oder neutral sei. Der Antrag sei auch begründet; die Beklagten dürften sich in die Kundenbeziehungen der Klägerin in keiner Weise einmischen.

Die Klägerin hat angekündigt, sie werde beantragen,

den Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verbieten, sich bis zum 31. Dezember 1999 mit Rundschreiben an die Kunden der Klägerin (Vorverkaufsstellen und Veranstalter) zu wenden und hierin herabsetzende Erklärungen über die Tätigkeit der Klägerin bezüglich des C.-Netzes abzugeben, insbesondere das als Anlage K 4 beigefügte Rundschreiben vom 20. 10. 1998 zu verbreiten,

hilfsweise

sich bis zum 31. 12. 1999 mit Rundschreiben an die Kunden der Klägerin (Vorverkaufsstellen und Veranstalter) zu wenden und hierin Erklärungen über die Tätigkeit der Klägerin bezüglich des C.-Netzes abzugeben, insbesondere das als Anlage K 4 beigefügte Rundschreiben vom 27. 10. 1998 zu verbreiten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat die Klägerin die Berufung hinsichtlich des Hilfsantrags zurückgenommen. Insoweit, als das Landgericht die Beklagten zur Unterlassung verurteilt hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Im übrigen hat die Klägerin den vorstehend wiedergegebenen Hauptantrag gestellt.

Die Beklagten haben beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze und die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als unbegründet. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung die Klage in dem Umfang, in dem es sie abgewiesen hat, für unzulässig gehalten.

Zwischen der Frage der Zulässigkeit der Klage unter dem Gesichtspunkt des hinreichend bestimmten Antrages gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO einerseits und der Frage der vollständigen oder teilweisen Begründetheit eines über den konkreten Verletzungstatbestand hinausgehenden, ihn verallgemeinernden Antrages ist strikt zu trennen. Ist ein Antrag nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, so ist die Klage durch Prozeßurteil als unzulässig abzuweisen. Wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen eines Prozeßurteils und eines Sachurteils ist eine Hilfsbegründung des die Klage abweisenden Urteils mit der Unbegründetheit der Klage nicht statthaft. Geht ein gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässiger Antrag über die konkrete Verletzungsform hinaus, so ist er insoweit, als eine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr sich aus der konkreten Verletzungshandlung nicht ergibt, als unbegründet abzuweisen. Um hinreichende Bestimmtheit des Antrages im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. zu gewährleisten, muß der Antrag konkret gefasst sein, damit für Rechtsverteidigung und Vollstreckung klar ist, worauf sich das Gebot erstreckt. Die zu unterlassende Verletzungshandlung muß so genau wie möglich beschrieben werden; bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen lassen sich allerdings Verallgemeinerungen oft nicht ganz vermeiden. In geeigneten Fällen kann durch einen mit "insbesondere" eingeleiteten Zusatz eine ausreichende Konkretisierung erreicht werden; auch die Auslegung des Antrages anhand der Klagebegründung kann unter Umständen die ausreichende Bestimmtheit herbeiführen (Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl., § 253, Rdnr. 11; Zöller, ZPO. 21. Aufl., § 253, Rdnr. 13 b). Nach diesen Maßstäben genügt der von der Klägerin gestellte Antrag den nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 zu stellenden Anforderungen nicht.

Der Begriff "herabsetzende Äußerungen" ist so weit und vage gefasst, daß für die Zwangsvollstreckung nicht hinreichend klar ist, welche Äußerungen inhaltlich untersagt sind. Auch die Erläuterung, "herabsetzend" sei alles, was nicht "positiv" oder "neutral" sei, führt nicht weiter, da auch mit Hilfe dieser Erläuterung eine ausreichende Abgrenzung der durch das Urteil verbotenen Äußerungen von zulässigen Äußerungen nicht möglich ist. Der Begriff der weder positiven noch neutralen, sondern herabsetzenden Äußerung ist weiter als der Begriff der kreditschädigenden Äußerung im Sinne von § 14 Abs. 1 UWG, da er auch "herabsetzende" Äußerungen erfassen würde, die nicht geeignet sind, "den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen". Der Antrag enthält daher keine hinreichend konkrete Beschreibung der begehrten Unterlassung im Sinne eines hinreichend bestimmten Antrages gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Der Antrag enthält aber auch keinen über den konkreten Verletzungstatbestand hinausgehenden konkreten "Kern" des begehrten Verbots, in dem im Sinne einer das typische der Verletzungshandlung herausarbeitenden Verallgemeinerung der konkreten Verletzungshandlung ein hinreichend bestimmter Streitgegenstand gefunden werden könnte. Es mag zwar zutreffen, daß die Wettbewerbssituation zwischen den extrem zerstrittenen Parteien weitere Wettbewerbsverstöße der Beklagten befürchten läßt. Diese Gefahr besteht aber generell und nicht in Bezug auf Abwandlungen des konkreten Verletzungstatbestandes, die einer Typisierung und Verallgemeinerung zugänglich wären. Der Klägerin ist es nicht gelungen, eine solche konkrete Gefahr darzulegen. Auch der Senat sieht sich daher nicht in der Lage, den mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässigen Antrag der Klägerin auf einen hinreichend bestimmten, über die konkrete Verletzungsform hinausgehenden Kernantrag zurückzuführen. Die Berufung kann daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 515 Abs. 3, § 91 a Abs. 1 ZPO. Es entspricht der Billigkeit, die Kosten des Rechtsstreits insoweit, als die Parteien diesen übereinstimmend für erledigt erklärt haben, der Beklagten aufzuerlegen, da die Klage hinsichtlich des auf die konkrete Verletzungshandlung gerichteten Unterlassungsanspruches ursprünglich zulässig und begründet war. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des Landgerichts an.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Abs. 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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