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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 11.05.2004
Aktenzeichen: 30 UF 303/03
Rechtsgebiete: BSHG, BGB, GSiG


Vorschriften:

BSHG § 68
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 2
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG § 91
BGB § 1601
BGB § 1603 Abs. 1
GSiG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN - ZIVILSENATE IN AUGSBURG - IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 30 UF 303/03

Verkündet am 11.05.04

In der Familiensache

erlässt der 30. Zivilsenat - zugleich Familiensenat - des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Barth und die Richter am Oberlandesgericht Wurm und Dr. Huber aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. März 2004 folgendes

Endurteil:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Amtsgerichts Dillingen vom 6. August 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500 Euro abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten (geb. 17. Februar 1955) aus übergegangenem Recht (§ 91 BSHG) in Anspruch.

Die Mutter des Beklagten, die am 13. April 1922 geborene Frau Anna B erhält vom Kläger seit 1. Dezember 2001 Hilfe zur Pflege nach § 68 BSHG, weil sie im privaten Pflege- und Seniorenheim ... untergebracht ist. Im eingeklagten Zeitraum (1. Dezember 2001 bis 30. Juni 2002) hat der Kläger 4.680,80 Euro aufgewendet, weil die Einkünfte der Mutter des Beklagten aus Altersrente, Witwenrente und Leistungen nach der Pflegeversicherung den Aufwand nicht decken.

Der Beklagte zahlt an den Träger des Heims zur Deckung weiterer Aufwendungen des Heims für die Mutter, die der Kläger nicht übernommen hat, ca. 100 DM, seit 1. Januar 2002 ca. 100 Euro monatlich.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2001 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass der Unterhaltsanspruch der Mutter gegen ihn auf den Bezirk ab Zugang dieser Mitteilung übergehe und forderte den Beklagten zur Erklärung über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse auf, nachdem am 27. Februar 2001 Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe gestellt worden war.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2002 wurde die Sozialhilfe bewilligt und mit Schreiben vom 11. Januar 2002 dem Beklagten die Gewährung von Sozialhilfe und der Übergang des Unterhaltsanspruchs mitgeteilt.

Der Beklagte hat unter dem 21. November 2001 ein monatliches Nettoeinkommen mit 2.602,33 DM, seine jährlichen Kapitalerträge mit 1.313 DM und seinen jährlichen Fahrtkostenersatz mit 6.306,30 DM angegeben.

Sein Vermögen bewertete er wie folgt:

Girokonten 40.110 DM 89.675 DM Rückkaufswerte zweier Lebensversicherungen 13.933 DM 23.100 DM Wertpapiere 33.825 DM Gold und Schmuck 21.150 DM

Der Beklagte wohnt zur Miete. Hierfür zahlt er einschließlich Nebenkosten und Garage 364,55 Euro (713 DM). Sein Weg zum Arbeitsplatz beträgt 39 km. Seine weiteren Belastungen hat er auf Bl. 31 Rückseite der Akten dargestellt, worauf Bezug genommen wird.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt der Beklagte seinen Vermögensstand wie folgt an:

Girokonten 46.184,76 Euro Sparbücher 17.490,32 Euro Festgeld 11.927,36 Euro Investment Fonds 16.352,63 Euro Goldbarren 6.706,26 Euro Rückkaufswert einer Lebensversicherung 15.583,10 Euro Summe 114.244,43 Euro

Sein Pkw hat inzwischen eine Laufleistung von 215000 km und wird ersetzt.

Der Wert der früheren 2. Lebensversicherung ist jetzt als Festgeld vorhanden.

Die weitere Lebensversicherung ist mit dem 65. Lebensjahr des Beklagten zur Auszahlung fällig.

Der Beklagte hat wegen der Insolvenz seines bisherigen Arbeitgebers seit 1. November 2002 einen neuen Arbeitgeber und verdient monatlich 1.337,73 Euro netto. Der neue Arbeitgeber ist eine Einzelhandelsfirma, und zwar der Geschäftsführer der insolventen GmbH, bei der der Beklagte früher beschäftigt war.

Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Beklagte aus seinem Einkommen nicht leistungsfähig ist.

Der Kläger war der Auffassung, vom Gesamtvermögen des Beklagten in Höhe von 221.793 DM zum Zeitpunkt der erstmaligen Inanspruchnahme auf Unterhalt seien nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG und den Richtlinien des Bezirks Schwaben ein Betrag in Höhe von 90.000 DM und darüber hinaus ein weiterer Betrag in Höhe von 50 % des die Freigrenze übersteigenden Vermögens in Höhe von 65.896,50 DM anrechnungsfrei, sodass 65.896,50 DM (33.692,00 Euro) zur Deckung des Unterhaltsanspruchs einzusetzen seien.

Der Kläger hat deshalb im 1. Rechtszug beantragt,

den Beklagten zur Zahlung von 4.680,80 Euro nebst 5 % Zinsen über den jeweils aktuellen Basiszinssatz seit 24. September 2002 zu verurteilen.

Der Beklagte hat die kostenpflichtige Abweisung der Klage beantragt.

Er hat vorgetragen, die auf den Girokonten vorhandenen Beträge seien als Eigenkapital für den Erwerb eines angemessenen Hausgrundstücks oder einer angemessenen Eigentumswohnung gedacht. In verfassungskonformer Anwendung von § 88 Abs. 2 Nrn. 2 und 7 BSHG müsse dies sozialhilferechtlich und unterhaltsrechtlich respektiert werden. Die Lebensversicherungen dürften als Altersversorgung nicht angerechnet werden.

Außerdem hat er Verwirkung der Unterhaltsansprüche eingewendet.

Auch die Entscheidung des Gesetzgebers im Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für ein anrechnungsfreies Einkommen in Höhe von 100.000 Euro jährlich müsse berücksichtigt werden.

Das Amtsgericht Dillingen hat mit Endurteil vom 6. August 2003 den Beklagten zur Zahlung von 4.680,80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweils aktuellen Basiszinssatz seit 24. September 2002 verurteilt.

Zur Begründung hat es ausgeführt:

Das Arbeitseinkommen reiche für den angemessenen Unterhalt des Beklagten. Für eine Altersversorgung über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus bestehe kein Anlass. Angesammeltes Vermögen zur Beschaffung eines Hausgrundstücks bleibe nur dann anrechnungsfrei, wenn bereits ein Grundstück gekauft und noch nicht bezahlt worden sei.

Beim Grundsicherungsgesetz bleibe nur ein Gesamteinkommen in Höhe von 100.000 Euro unberücksichtigt. Vermögen müsse eingesetzt werden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten.

Er wiederholt im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und weist auf die Willkürlichkeit der Regelung hin, dass ein bereits angeschafftes Hausgrundstück unberücksichtigt bleibe, nicht aber die Mittel, die für eine Anschaffung vorgesehen seien.

Es stimme keinesfalls mehr, dass die gesetzliche Rentenversicherung zur angemessenen Altersvorsorge ausreiche.

Der Beklagte beantragt

die Aufhebung des Ersturteils und die Abweisung der Klage.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Er hält das Ersturteil für richtig. Das angesparte Geld könne schon deshalb nicht vollständig anrechnungsfrei bleiben, weil der Beklagte kein konkretes Hausgrundstück vorzuweisen habe, für dessen Kauf er es verwenden wolle.

Der jetzige Kauf eines Ersatz-Pkw dürfe für den Unterhaltszeitraum nicht berücksichtigt werden.

Eine zusätzliche Lebensversicherung für Altersversorgung brauche der Beklagte nicht.

Die Mutter des Beklagten befindet sich noch immer im selben Heim, und zwar jetzt in einem hilflosen Zustand (Pflegestufe III). Der Kläger gewährt noch immer Sozialhilfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Ersturteil Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Auf den Kläger ist kein Unterhaltsanspruch der Mutter des Beklagten nach § 91 BSHG übergegangen, weil diese mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten keinen solchen hat.

Durch den gesetzlichen Übergang von Unterhaltsansprüchen wird deren Natur, Inhalt und Umfang nicht verändert (vgl. z.B. BGH FamRZ 2002, 1698 (1699)), weshalb der Lebenssachverhalt so zu würdigen ist, als mache der ursprüngliche Unterhaltsgläubiger, nämlich die Mutter des Beklagten, ihren Unterhaltsanspruch geltend.

Dieser Unterhaltsanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 1601 BGB.

Darüber, dass die Mutter des Beklagten trotz dessen freiwilliger Leistung in Höhe von monatlich ca. 100 DM bzw. jetzt ca. 100 Euro bedürftig war und ist (§ 1602 BGB), besteht zwischen den Parteien kein Streit.

Im vorliegenden Fall kommt es entscheidend darauf an, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beklagte nach § 1603 Abs. 1 BGB leistungsfähig war.

Wiederum besteht kein Streit zwischen den Parteien, dass der Beklagte sein Einkommen nicht für den Elternunterhalt einzusetzen hat.

Allerdings muss der Unterhaltspflichtige unter Umständen auch den Vermögensstamm verwerten (vgl. z.B. Palandt-Diederichsen, BGB, 63. Aufl., § 1603 Rn 3 m.w.N.; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rn 641 ff., 623, 624). Hierbei ist zu beachten, dass der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen die Kinder vergleichsweise schwächer ausgestaltet ist als der der Kinder gegen die Eltern (vgl. z.B. BGH NJW 2003, 128 ff. = FamRZ 2002, 1698 ff.). § 1603 Abs. 1 BGB gewährleistet jedem Unterhaltspflichtigen vorrangig die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts, ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt. Beim Einkommen wird diesem Gesichtspunkt dadurch Rechnung getragen, dass der den notwendigen Selbstbehalt des Verpflichteten (mindestens 1.250 Euro monatlich) übersteigende Teil des Einkommens zusätzlich mit 50 % anrechnungsfrei bleibt (vgl. BGH FamRZ 2002, 1698 (1701) mit Anmerkung Klinkhammer; SüdL, Stand 1.7.03, Nr. 21.3.2.).

Wie beim Einkommen wird man auch beim Vermögen die Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang des Verpflichteten entspricht, berücksichtigen müssen. Der angemessene Bedarf des Verpflichteten ist entsprechend den Umständen des Einzelfalls veränderlich.

Beim Beklagten sind folgende Umstände zu beachten:

Er ist ledig und hat im Bedarfsfall keinen Unterhaltsanspruch.

Er hat zwar eine Arbeitsstelle, diese ist jedoch keinesfalls sicher, wie die Insolvenz seines vormaligen Arbeitgebers ausweist und auch deshalb, weil er jetzt beim früheren Geschäftsführer in dessen jetziger Einzelhandelsfirma beschäftigt ist.

Angesichts der jetzigen hohen Arbeitslosigkeit und seines Alters von 49 Jahren wird er im Falle einer neuerlichen Insolvenz nur schwer wieder eine Arbeit finden.

Die Absenkung des Arbeitslosengeldes, dessen zeitliche Beschränkung und die Auswirkungen auf die künftige Rente müssen bedacht werden.

Sein derzeitiger Rentenanspruch bei voller Erwerbsminderung beträgt monatlich 882,94 Euro, seine künftige Altersrente wird bei Vollbeschäftigung bis zum 65. Lebensjahr ohne gesetzliche Rentenanpassung 1.143,70 Euro betragen.

Der Pkw, mit dem der Beklagte zur Arbeit fährt, war im streitgegenständlichen Unterhaltszeitraum schon 10 Jahre alt.

Bei der Bemessung der Vermögensgrenze wird man auch das Grundsicherungsgesetz nicht außer Betracht lassen können. Hier bleibt ein Einkommen (§ 16 SGB IV mit Verweis auf das EStG) in Höhe von jährlich lOO.OOO Euro unberücksichtigt (§ 2 Abs. 1 GSiG). Vermögen wird, anders als das Amtsgericht meint, bei dem Unterhaltsverpflichteten nicht berücksichtigt. § 3 Abs. 2 GSiG meint das Vermögen des Antragsberechtigten. Wollte das GSiG Unterhaltsansprüche der Eltern gegen ihre Kinder dem Vermögen nach § 3 Abs. 2 GSiG zurechnen, hätte es dies ausdrücklich bestimmen müssen (vgl. zum Ganzen z. B. Klinkhammer, Die bedarfsorientierte Grundsicherung nach dem GSiG und ihre Auswirkungen auf den Unterhalt, FamRZ 2002, 997 ff., dort Abschnitte B III und C I).

Die vom Kläger im vorliegenden Fall für richtig gehaltene Erhöhung des 20-fachen Betrages nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zu § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG um 50 % des den 20-fachen Betrag übersteigenden Vermögens ist fragwürdig, auch wenn sie wohl der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum angemessenen Eigenbedarf aufgrund des Einkommens nachempfunden ist (z.B. NJW 2003, 2306 (2309)). Dies mag bei einer nur einmaligen Inanspruchnahme zu erwägen sein. Lebt aber wie hier der Unterhaltsberechtigte noch auf unbestimmte Zeit und wird die Inanspruchnahme daher zwangsläufig auf mehrere Zeiträume aufgeteilt, so würde das zu schonende Vermögen nach mathematischen Grundsätzen sich gegen den 20-fachen Betrag hin mindern. Nichts anderes gilt, wenn bei jeder monatlichen Zahlung aus dem Vermögen das Schonvermögen neu berechnet werden müsste. Die 50 %-Grenze wird gegen 0 gehen.

Der Senat ist daher der Auffassung, dass eine dem jeweiligen Unterhaltszeitraum angemessene individuelle Schonvermögensgrenze gefunden werden muss (so auch z.B. OLG Karlsruhe NJW 2004, 296 ff. (297)). Der Unterhalt muss, wie im Unterhaltsrecht auch sonst bei Einkommensänderungen des Berechtigten und/oder des Verpflichteten, immer neu berechnet werden. Der Senat ermittelt daher die unterhaltsrechtliche Schonvermögensgrenze für den eingeklagten Zeitraum vom 1. Dezember 2001 bis 30. Juni 2002.

Hierbei hält es der Senat für angemessen, die Lebensversicherung, die der Beklagte zur Altersvorsorge abgeschlossen hat, von vorneherein anrechnungsfrei zu lassen. Bekanntermaßen sinkt nicht nur das Rentenniveau, sondern die Belastungen der Rentner (z.B. Eigenanteile der Krankheitskosten) haben steigende Tendenz. Der Senat kann auch nicht unberücksichtigt lassen, dass von den Trägern der politischen Entscheidungen die zusätzliche Altersvorsorge durch Lebensversicherungen nahegelegt wird.

Dem Beklagten ist auch für den streitgegenständlichen Zeitraum ein angemessener Betrag für die Anschaffung eines neuen Pkw's zu belassen.

Gegen den Ersatz des bisher gefahrenen Pkw Audi 80 durch einen neuen Pkw Audi A3, der den Beklagten 21.700 Euro kosten wird (Anlage B 14), bestehen keine Bedenken. Auch der Kläger hat nicht behauptet, dass für den bisher gefahrenen Pkw, Baujahr 1992 mit einer Laufleistung von rund 21 5.000 km, noch ein nennenswerter Erlös erzielt werden wird.

Schließlich muss dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Beklagte kein Grundvermögen hat. Dies führt zwar einerseits wegen des Fehlens eines Wohnwerts mit dazu, dass der Beklagte aufgrund seines Einkommens allein nicht leistungsfähig ist. Andererseits kann er im Notfall auch nicht selbst genutzten Grundbesitz als zusätzliche Altersversorgung verwerten. Dem Beklagten ist schon aus diesem Grund eine angemessene Vermögensreserve zu belassen. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge für die Heranziehung Unterhaltspflichtiger in der Sozialhilfe ist diese in Durchschnittsfällen auf 75.000 Euro zu bemessen (vgl. FamRZ 2002, 931 ff., hier Nr. 91.5). Berücksichtigt man die oben angeführten besonderen Umstände des Beklagten, wie den nicht allzu sicheren Arbeitsplatz, sein Alter, das verhältnismäßig niedrige Einkommen und den Umstand, dass er keine Familie hat, hält es der Senat für angemessen, das Schonvermögen hier mit 80.000 Euro anzusetzen.

Auf die sozialhilferechtlichen Schonvermögensgrenzen stellt der Senat nicht ab, weil es nicht in allen Bundesländern Regelungen hierfür gibt und soweit es sie gibt, diese sehr stark differieren, wofür kein einleuchtender Grund besteht (vgl. die Darstellung bei OLG Köln MDR 2003, 31 und auch OLG Koblenz NJW-RR 2000, 293 (295)).

Die Sozialhilferichtlinien des Klägers (Nr. 91.37 b) gehen zwar im Grundsatz vom 20-fachen des kleinen Barbetrages nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG i.V.m. der zugehörigen Verordnung aus, lassen aber Raum für die Würdigung der individuellen Verhältnisse. Diese hat der Kläger nach Meinung des Senats nicht hinreichend berücksichtigt.

Damit verbleibt keine Zahlungsverpflichtung des Beklagten aus seinem Vermögen von 114.244,13 Euro, denn die von diesem abzusetzenden Beträge

Rückkaufswert Lebensversicherung 15.583,10 Euro Rücklage für Pkw 21.700,00 Euro Freibetrag 80.000,00 Euro belaufen sich bereits auf insgesamt 117.283,10 Euro.

Auf die Berufung des Beklagten ist unter Abänderung des Ersturteils die Klage daher abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Der Senat lässt nach § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 ZPO die Revision zur Frage der Ermittlung der unterhaltsrechtlichen Schonvermögensgrenze zu.

Ende der Entscheidung

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