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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 16.05.2007
Aktenzeichen: 31 AR 119/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 32b Abs. 1 Nr. 1
1. Die Zuständigkeitskonzentration am Sitz des Anbieters der Vermögensanlage für Schadensersatzklagen gegen Prospektverantwortliche aufgrund fehlerhafter öffentlicher Kapitalmarktinformationen setzt nicht voraus, dass der Anbieter mitverklagt ist.

2. Ist der Anbieter der Vermögensanlage bereits im Handelsregister gelöscht, so kann für die Bestimmung des konzentriert zuständigen Gerichts auf den letzten Sitz des Anbieters abgestellt werden.


Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage in Anspruch. Die Klage ist u.a. auf fehlerhafte Anlageberatung sowie auf Prospekthaftung gestützt, mit der Behauptung, die Beklagten seien als Initiatoren des Projekts auch für den fehlerhaften Prospekt der Anlagegesellschaft verantwortlich. Mit Beschluss vom 6.3.2007 erklärte sich das angerufene Amtsgericht München für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht München I. Zur Begründung ist auf die vom Streitwert unabhängige Zuständigkeit des Landgerichts für Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Kapitalmarktinformationen hingewiesen (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG). Das Landgericht München I verwies den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11.4.2007 unter Hinweis auf § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO an das Landgericht Frankenthal, in dessen Bezirk die Anlagegesellschaft ihren Sitz hatte. Da dieses Gericht die Übernahme ablehnte, legte das Landgericht München I die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor.

II.

Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor.

Zuständig ist das Landgericht Frankenthal. Das ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Landgerichts München I (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Ein Fall, in dem die Bindungswirkung ausnahmsweise entfiele (vgl. Zöller/Greger ZPO 26. Aufl. § 281 Rn. 17, 17 a, m.w.N.), liegt nicht vor.

1. Der Verweisung durch das Landgericht stand nicht entgegen, dass der Rechtsstreit zuvor bereits vom Amtsgericht an das Landgericht verwiesen worden war. Diese Verweisung betraf ausdrücklich nur die sachliche Zuständigkeit und hinderte nicht die Weiterverweisung wegen der örtlichen Zuständigkeit.

2. Der Einwand des Landgerichts Frankenthal, es hätte beim Landgericht München I statt des Einzelrichters die Kammer entscheiden müssen, trifft nicht zu. Die Zuständigkeit der Kammer nach § 348 Abs. 1 Nr. 2 lit. k ZPO i.V.m. § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG setzt neben einer - hier gegebenen - dem Landgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert zugewiesenen Streitigkeit voraus, dass die Zuständigkeit der Kammer nach dem Geschäftsverteilungsplan des Gerichts wegen der Zuordnung zu diesem Sachgebiet begründet ist. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts München I sieht für das in § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG geregelte Sachgebiet keine Zuordnung an bestimmte Kammern vor.

3. Die Auffassung des Landgerichts München I, dass für die Klage beim Landgericht Frankenthal der ausschließliche Gerichtsstand nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet ist, ist zutreffend oder jedenfalls vertretbar.

a) Der Prospekt, für dessen Fehlerhaftigkeit die Beklagten als Prospektverantwortliche auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, stellt eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO dar. Von dieser Vorschrift erfasst sind auch Kapitalanlagen, für die eine Prospektpflicht nicht besteht (BGH NJW 2007, 1365). Der Umstand, dass die Beklagten zugleich wegen Verletzung eines Anlageberatungsvertrages in Anspruch genommen werden und § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO insoweit isoliert gesehen nicht eingreifen würde (vgl. BGH NJW 2007, 1364), ändert nichts an der aus der Prospektverantwortlichkeit begründeten Zuständigkeit. Das danach zuständige Gericht ist zur umfassenden Entscheidung des Rechtsstreits unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zuständig (Zöller/Vollkommer § 32b Rn. 7).

b) § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründet eine Zuständigkeit ausschließlich am Sitz des Anbieters der Vermögensanlage. Als Anbieterin sieht das Landgericht München I die (hier nicht mitverklagte) Anlagegesellschaft. Das ist nicht zu beanstanden; die Anlagegesellschaft ist auch als Emittentin des Prospekts nach außen in Erscheinung getreten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts Frankenthal ist für die Anwendbarkeit des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht erforderlich, dass der Anbieter der Vermögensanlage, dessen Sitz die Zuständigkeit des Gerichts bestimmt, mitverklagt ist. Die Vorschrift begründet eine Zuständigkeitskonzentration am Sitz des Anbieters auch für Klagen gegen andere Prospektverantwortliche (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 15/5091; Zöller/Vollkommer § 32 b Rn. 6).

c) Die zwischenzeitlich im Handelsregister gelöschte Anlagegesellschaft hatte ihren letzten Sitz in Ludwigshafen im Bezirk des Landgerichts Frankenthal. Die Auffassung des Landgerichts München I, dass es im hier erörterten Zusammenhang auf die Löschung der Gesellschaft nicht ankommt, hat einiges für sich. Sinn und Zweck des § 32 b Abs. 1 Satz 1 ZPO ist die Konzentration einer Vielzahl von auf dieselbe öffentliche Kapitalmarktinformation gestützten Klagen bei demselben Gericht. Die Konzentration nur solange eingreifen zu lassen, wie die Anbieter-Gesellschaft einen Sitz im Rechtssinne hat, nach deren Löschung im Handelsregister aber nicht mehr, hieße die Anwendbarkeit der Konzentrationsvorschrift von dem eher zufälligen Zeitpunkt abhängig zu machen, wann die Gesellschaft im Handelsregister gelöscht wird und ob die Klage davor oder danach erhoben wird. Eine solche Absicht kann dem Gesetzgeber schwerlich unterstellt werden. Vielmehr liegt die Auslegung nahe, dass in Fällen einer gelöschten Anbieter-Gesellschaft auf deren letzten Sitz abzustellen ist. Jedenfalls ist diese Auffassung des Landgerichts München I gut vertretbar und der darauf gestützte Verweisungsbeschluss für das Empfangsgericht bindend.

Ende der Entscheidung

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