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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.07.2007
Aktenzeichen: 32 Wx 93/07
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 259
BGB § 666
BGB § 667
BGB § 675 Abs. 1
WEG § 28
Die Verpflichtung des Verwalters, nach Beendigung seiner Tätigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft Rechnung zu legen, umfasst neben der verständlichen und nachvollziehbaren Darlegung aller Einnahmen und Ausgaben auch - unter Beifügung der entsprechenden Belege - eine Aufstellung der noch bestehenden Forderungen, Verbindlichkeiten und Kontostände.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist eine Wohnungseigentümergemeinschaft, die bis zum 30.5.2004 von der Antragsgegnerin verwaltet wurde.

Die Antragstellerin macht, soweit dies für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung ist, gegen die Antragsgegnerin die Rückzahlung zuviel bezahlter Verwaltervergütung in Höhe von 711,13 EUR, Schadensersatz für die erforderliche Erstellung der Einnahmen-Ausgabenübersicht und des Finanzstatus für die Zeit vom 1.1.2004 bis 31.5.2004 durch die neue Verwalterin in Höhe von 401,94 EUR, Schadensersatz für Verfahrens- und Vollstreckungskosten aus einem Gerichtsverfahren wegen nicht bezahlter Handwerkerrechnungen in Höhe von insgesamt 2.173,35 EUR und Schadensersatz wegen nicht bezahlter Müllgebühren in Höhe von insgesamt 208,-- EUR zuzüglich entsprechender Zinsen geltend. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sachverhaltsdarstellung im Beschluss des Amtsgerichts verwiesen.

Das Amtsgericht hat dem Antrag mit Beschluss vom 12.4.2006 in vollem Umfang stattgegeben. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht, soweit sie im Rechtsbeschwerdeverfahren noch maßgeblich ist, mit Beschluss vom 18.4.2007 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Verfahrens- und materiellrechtlich ist das bis 30.6.2007 geltende Wohnungseigentumsgesetz anzuwenden (vgl. § 62 Abs. 1 WEG n.F.; Elzer WuM 2007, 295/305).

2. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Antragstellerin habe gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Rückerstattung der zuviel gezahlten Verwaltervergütung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Die mit Schriftsatz vom 27.2.2007 übergebenen Zahlungsbelege ergäben in Verbindung mit den am 11.10.2006 vorgelegten Ausgabeprotokollen eine Überzahlung in Höhe von 711,72 EUR, wovon die Antragstellerin einen Betrag von 711,13 EUR eingefordert habe.

Weiter habe die Antragstellerin Anspruch auf Ersatz des Aufwandes für die Neuerstellung der Einnahmen- und Ausgabenrechnung sowie des Finanzstatus aus § 280 Abs. 1 und 2, § 281 Abs. 1 BGB, da die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung zur Rechnungslegung aus §§ 675, 667 BGB trotz mehrmaliger Fristsetzung grob fahrlässig verletzt habe und hierdurch die Kosten für die Neuerstellung durch die neue Verwalterin verursacht worden seien.

Gleiches gelte für die durch das Gerichtsverfahren bezüglich der Handwerkerrechnungen entstandenen Kosten. Hier habe die Antragsgegnerin ihre Verpflichtung zum Ausgleich berechtigter Forderungen bzw. zur Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung zur Beschlussfassung über eine Sonderumlage verletzt. Auch die Einlegung eines Einspruchs gegen das Versäumnisurteil in dem entsprechenden Gerichtsverfahren stelle eine Pflichtverletzung dar, da es aufgrund der Sachlage geboten gewesen sei, das weitere Vorgehen in einer außerordentlichen Eigentümerversammlung abzustimmen. Die in § 4 des Verwaltervertrages geregelten Haftungsbeschränkungen verstießen gegen § 309 Nr. 7 a BGB und seien deshalb unwirksam.

Die entstandenen Gerichts- und Vollstreckungskosten seien auch durch die Pflichtverletzungen verursacht, da sich die Wohnungseigentümer bei Kenntnis der Rechtslage hätten anders verhalten können.

Gleiches gelte für die Schadensersatzansprüche wegen der Kosten für verspätet gezahlte Müllgebühren.

3. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Der Antragstellerin steht ein Schadensersatzanspruch für die nicht erstellte Einnahmen- und Ausgabenrechnung und die nicht vorgelegte Finanzübersicht aus § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1, § 675 Abs. 1, § 666, § 667, § 259 BGB in der geltend gemachten Höhe zu.

aa) Die Antragsgegnerin ist als Verwalterin für die Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund des Verwaltervertrages vom 20.5.1998 in der Zeit vom 1.6.1998 bis 30.5.2004 tätig gewesen. Ihre Rechte und Pflichten bestimmen sich deshalb gemäß § 675 Abs. 1 BGB nach den Vorschriften des Auftragsrechts, insbesondere nach den §§ 666 und 667 BGB (BayObLG ZMR 2000, 325/326; 1999, 844/845 m.w.N.). Nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB sind auf das Schuldverhältnis ab 1.1.2003 die dann geltenden Vorschriften anzuwenden.

bb) Der Abschluss eines Verwaltervertrages gehört zu den Teilbereichen des Rechtslebens, bei denen die Wohnungseigentümer im Rahmen der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums als Gemeinschaft am Rechtsverkehr teilnehmen (BGH ZMR 2005, 555 = NJW 2005, 2061). Damit ist grundsätzlich der Verband der Wohnungseigentümer Vertragspartner des Verwalters und infolge dessen aktivlegitimiert für Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Verwalterpflichten (OLG Hamm ZMR 2006, 633/634 = NZM 2006, 632/633). Inwieweit daneben Ansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer unter dem Gesichtspunkt des Vertrages zugunsten Dritter (vgl. hierzu KK-WEG Abramenko § 26 Rdnr. 34 b; OLG Düsseldorf NJW 2007, 161 = NZM 2007, 137 = WUM 2006, 639) bestehen, kann hier dahingestellt bleiben, da die Schadensersatzforderungen ausdrücklich durch den Verband geltend gemacht wurden.

cc) Aus §§ 666, 259 BGB war die Antragsgegnerin bei Beendigung ihrer Tätigkeit verpflichtet, der Wohnungseigentümergemeinschaft Rechnung zu legen (BayObLG ZMR 2000, 325). Diese Rechnungslegung dient der Kontrolle der bisherigen Geschäftsführungstätigkeit des ausscheidenden Verwalters und soll den neuen Verwalter in die Lage versetzen, auch während eines Wirtschaftsjahres die Verwaltung nahtlos fortzusetzen (KK-WEG Happ, § 28 Rn. 57). Daraus folgt, dass der ausscheidende Verwalter unter Beifügung der entsprechenden Belege alle Einnahmen und Ausgaben verständlich und nachvollziehbar darzulegen, die noch bestehenden Verbindlichkeiten und Forderungen aufzulisten und die Kontostände der vorhandenen Bankkonten aufzuführen und vorhandene Guthaben zu übergeben hat (BayObLGZ 1979, 30; ZMR 2000, 325).

dd) Aufgrund der nach Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei getroffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen des Landgerichts (§ 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO) ist die Antragsgegnerin trotz zweimaliger Fristsetzung zum 24.9.2004 und zum 29.10.2004 den oben genannten Verpflichtungen nicht in vollem Umfang nachgekommen.

Zwar ist der gegen den ausscheidenden Verwalter gerichtete Anspruch auf Rechnungslegung und Erstellung einer Forderungsübersicht grundsätzlich im Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG durchzusetzen. Dies schließt aber nicht aus, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nach erfolgloser Setzung einer angemessenen Frist (§ 281 Abs. 1 BGB) statt der Leistung Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB verlangen kann. In diesem Zusammenhang ist es völlig ohne Belang, zu welchem Zeitpunkt die neue Verwalterin die erforderlichen Unterlagen erstellt hat.

ee) Das Verhalten der Antragsgegnerin stellt eine schwere Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dar, da ihr einleuchten musste, dass eine geordnete Weiterführung der Verwaltung nur bei Erfüllung der genannten Rechnungslegungspflichten möglich war (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 277 Rn. 5). Nachdem das Nichtvertretenmüssen nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB als Einwendungstatbestand formuliert ist, hätte es an der Antragsgegnerin gelegen, auch im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit darzulegen, warum im konkreten Fall nicht von einer groben Pflichtverletzung auszugehen ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, FGG, 15. Aufl., § 12 Rn. 121 f.). Dies ist nicht geschehen.

Auf die Frage der Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses kommt es somit hier nicht an.

ff) Weiter hat das Landgericht ohne Rechtsfehler auf Grund der Beweisaufnahme festgestellt, dass die geltend gemachten Kosten in Höhe von 401,94 EUR für die Erstellung der Buchhaltung 2004, die Zusammenstellung der Forderungen/Verbindlichkeiten und die Gegenüberstellung Einnahmen/Ausgaben 2004 mit Vermögensvergleich tatsächlich angefallen sind, auf der Pflichtverletzung der Antragsgegnerin beruhen und deshalb von dieser zu erstatten sind.

Auch hier wäre es von der Darlegungspflicht der Antragsgegnerin umfasst gewesen, im Einzelnen aufzuführen, warum die entsprechenden Kosten auch bei einem ordnungsgemäßen Verhalten ihrerseits in gleicher Höhe entstanden wären. Hierzu fehlt es an einem schlüssigen Vortrag.

b) Im Wesentlichen das Gleiche gilt für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen der Prozess- bzw. Vollstreckungskosten sowie der Säumniskosten für die verspätet bezahlten Müllgebühren. Hier stehen der Antragstellerin Forderungen wegen Schlechterfüllung von vertraglichen Pflichten zu. Nachdem diese Schlechterfüllung jeweils zu einem endgültigen Schadenseintritt geführt hat, ist § 280 BGB die alleinig maßgebende Anspruchsgrundlage (Palandt a.a.O., § 281 Rn. 2).

aa) Zu den sich aus dem Verwaltervertrag ergebenden Pflichten gehört es auch, dass die Verwalterin berechtigte Forderung gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft fristgerecht begleicht, oder, wenn das Guthaben auf dem Konto des Verbandes nicht ausreicht oder Zweifel an der Berechtigung einer Forderung bestehen, rechtzeitig die Wohnungseigentümer informiert und berät und entsprechende Beschlussfassungen einleitet. Nichts davon ist im vorliegenden Falle geschehen.

bb) Wegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen wird im Wesentlichen auf die oben gemachten Ausführungen sowie auf die zutreffende und ausführliche Begründung des landgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.

cc) Insbesondere hat das Landgericht in zutreffender Weise festgestellt, dass es sich bei der Klausel in § 4 des Verwaltervertrages zur Haftungsbeschränkung um allgemeine Geschäftsbedingungen (vgl. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB, § 305 Abs. 1 BGB) handelt und dass diese Regelung gemäß § 309 Ziff. 7 a BGB unwirksam ist. Eine geltungserhaltende Reduktion auf sonstige Schadensfälle außer wegen Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit ist nicht erlaubt (Palandt a.a.O. vor § 307 Rn. 8).

dd) Die hier geltend gemachten Schadensersatzforderungen beruhen jeweils auf der Verletzung von vertraglichen Beratungs- und Aufklärungspflichten die Berechtigung der jeweiligen Forderungen bzw. die finanzielle Situation der Wohnungseigentümergemeinschaft betreffend. Bei einer derartigen Pflichtverletzung besteht die Vermutung, dass sich der Geschädigte "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (BGHZ 124, 159 m.w.N.). Damit war die Antragsgegnerin für die behauptete mangelnde Kausalität des eingetretenen Schadens darlegungspflichtig. Ihr Vorbringen hierzu war nicht so konkret, dass es Anlass für weitere Ermittlungen der Tatsacheninstanzen geboten hätte (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler/Schmidt, FGG, 15. Aufl., § 12 Rn. 121 f.).

c) Der Anspruch auf Rückzahlung der zuviel bezahlten Verwaltervergütung beruht auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch hier hat das Landgericht ohne Rechtsverstoß und damit für den Senat bindend festgestellt, dass eine Überzahlung in Höhe von 711,72 EUR vorliegt.

Insbesondere hat das Landgericht nicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen, in dem es als Beleg für die Höhe der Rückzahlungsforderung die mit Schriftsatz vom 27.2.2007 vorgelegten Zahlungsnachweise herangezogen hat. Der Antragsgegnerin wurde dieser Schriftsatz am 2.3.2007 zugeleitet. Sie hatte somit bis zum Erlass des Beschlusses ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich nämlich nicht, dass den Beteiligten die Möglichkeit zur Stellungnahme in einer bestimmten Form zu gewähren ist (Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.O., § 12 Rn. 157). Es genügt vielmehr, wenn das Gericht bei einem Vortrag neuer Tatsachen eine angemessene Zeit auf eine Stellungnahme wartet (BVerfGE 4, 190/192).

4. Es erscheint nach § 47 WEG angemessen, der insoweit in allen Rechtszügen unterlegenen Antragsgegnerin die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen.

Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG.

Ende der Entscheidung

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