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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: 33 Wx 151/06
Rechtsgebiete: FGG, KostO


Vorschriften:

FGG § 43
KostO § 131
KostO § 136
1. Dem Betroffenen bzw. einem nichtanwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten ist zur Wahrung des rechtlichen Gehörs grundsätzlich Einsicht in die Betreuungsakten auf der Geschäftsstelle und die Fertigung von Kopien zu gestatten. Die Nichterhebung von Auslagen für Ablichtungen wird dabei insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Einsichtsberechtigte geltend macht, dass er aus sachlichen Gründen benötigte Schriftstücke noch nicht erhalten habe oder aus nachvollziehbaren Gründen über diese nicht (mehr) verfüge.

2. Der schriftlichen Anforderung von zu kopierenden Aktenbestandteilen muss nur entsprochen werden, wenn geltend gemacht werden kann, dass ein Aufsuchen der Geschäftsstelle zum Zweck des eigenhändigen Kopierens unzumutbar ist oder die angeforderten Schriftstücke zuvor unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht von Amts wegen übermittelt wurden.


Tatbestand:

Für den Betroffenen ist eine Betreuerin für alle Angelegenheiten einschließlich Entgegennahme und Öffnen der Post bestellt. Mit Beschluss vom 28.3.2006 lehnte das Amtsgericht den Antrag des Betroffenen auf Entlassung der Betreuerin und Bestellung seines Verfahrensbevollmächtigten als neuen Betreuer ab. Hiergegen erhob der Betroffene Beschwerde. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurde dem nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht in die Betreuungsakten auf der Geschäftsstelle des Gerichts gewährt. Mit Schreiben vom 25.5.2006 bat der Verfahrensbevollmächtigte um Überlassung von Abschriften einer größeren Zahl von Aktenblättern. Mit Verfügung des Landgerichts vom 2.6.2006 wurde ihm mitgeteilt, dass Gelegenheit binnen zwei Wochen bestehe, auf der Geschäftsstelle des Landgerichts entgeltlich Kopien der Akten zu fertigen. Aufgrund der geringen Personalkapazitäten sei eine Fertigung der Kopien durch das Landgericht nicht möglich. Hiergegen erhob der Verfahrensbevollmächtigte Beschwerde, der das Landgericht nicht abhalf. Die zulässige Beschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.

Gründe:

Gegen die Versagung von Akteneinsicht durch das Landgericht im Beschwerdeverfahren ist die Erstbeschwerde und nicht die weitere Beschwerde gegeben (vgl. BayObLG FamRZ 2001, 1246 m.w.N.). Dies muss entsprechend auch für die Verweigerung von Abschriften gelten (so auch OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1361 = BtPrax 1996, 188).

1. Das Landgericht hat sich bei seiner Abhilfeentscheidung auf folgende Erwägungen gestützt:

Dem Betroffenen sei Akteneinsicht durch seinen Verfahrensbevollmächtigten gewährt worden. Dieser habe auch Akteneinsicht genommen. Die Fertigung und Zusendung der geforderten Kopien seien aus Gründen der Personalkapazität nicht durchführbar, insbesondere nachdem die tatsächlich zu kopierenden Seiten in seinem Schreiben vom 25.5.2006 teilweise nicht genannt worden seien. Ein Anspruch des Betroffenen darauf, dass die gewünschten Seiten herausgesucht und kopiert würden, bestehe nicht. Die in der Beschwerde angeführte Entscheidung des OLG Düsseldorf betreffe die Bekanntgabe des Gutachtens über den Gesundheitszustand des Betroffenen. Vorliegend begehre der Verfahrensbevollmächtigte aber die Ablichtung von Schreiben der Betreuerin, des Verfahrenspflegers, früherer Gutachten aus den Jahren 2000 und 2003 sowie sonstiger Aktenbestandteile. Er begehre aber weder die Zusendung aktueller Gutachten noch die Ablichtung von Protokollen oder Entscheidungen, die von § 34 FGG erfasst seien. Dass die Kopien nur gegen Entgelt gefertigt würden, ergebe sich bereits aus § 136 KostO.

2. Die Beschwerde des Betroffenen ist unbegründet. Ein Anspruch auf die kostenlose Fertigung von Kopien einer größeren Zahl von Aktenbestandteilen besteht im vorliegenden Fall nicht.

Zwar hat ein Betroffener als Beteiligter im Betreuungsverfahren einen Anspruch auf rechtliches Gehör, der nicht nur die Übersendung wesentlicher verfahrenserheblicher Schriftstücke, sondern auch das Recht auf Akteneinsicht einschließt (Art. 103 Abs. 1 GG; vgl. Keidel/Kahl FGG 15. Aufl. § 34 Rn. 13a). Der Inhalt eines gemäß § 68b Abs. 1 Satz 1 FGG eingeholten Gutachtens eines Sachverständigen ist dem Betroffenen grundsätzlich vollständig in schriftlicher Form und rechtzeitig vor seiner persönlichen Anhörung zum Zwecke der Gewährung des gebotenen rechtlichen Gehörs bekannt zu geben. Eine Abweichung hiervon kann nur bei Vorliegen der engen Voraussetzungen des § 68 Abs. 2 FGG in Betracht kommen (vgl. BayObLG BtPrax 1993, 208/209). Dasselbe gilt z. B. für Stellungnahmen der Betreuungsbehörde und sonstige Äußerungen von Beteiligten oder Dritten, die das Gericht verwerten will. Diese sind dem Betroffenen bzw. seinem Verfahrensbevollmächtigten oder Verfahrenspfleger regelmäßig unverzüglich zuzuleiten.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann es auch gebieten, dem Betroffenen im Beschwerdeverfahren weitere Abschriften aus den Akten, die er zu seiner Rechtsverfolgung benötigt, zunächst ohne Berechnung eines Auslagenvorschusses zur Verfügung zu stellen (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1361 = BtPrax 1996, 188). Die Erhebung der Auslagen unterbleibt nur dann endgültig, wenn die Beschwerde Erfolg hat (§ 131 Abs. 5 KostO).

Sieht der Betroffene bzw. sein Verfahrensbevollmächtigter die Akten auf der Geschäftsstelle des Gerichts ein, ist ihm grundsätzlich die Fertigung von Ablichtungen zu gestatten. Die Nichterhebung von Auslagen wird dabei insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Einsichtsberechtigte geltend macht, dass er aus sachlichen Gründen benötigte Schriftstücke noch nicht erhalten habe oder aus nachvollziehbaren Gründen über diese nicht (mehr) verfüge.

Hingegen wird der schriftlichen Anforderung von Aktenbestandteilen - unabhängig von der Frage der Auslagenerhebung - zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Geschäftstellen regelmäßig nur dann zu entsprechen sein, wenn geltend gemacht werden kann, dass ein Aufsuchen der Geschäftsstelle zum Zweck des eigenhändigen Kopierens unzumutbar ist oder die angeforderten Schriftstücke zuvor unter Verstoß gegen das rechtliche Gehör nicht von Amts wegen übermittelt wurden.

Im vorliegenden Fall hatte der Verfahrensbevollmächtigte bereits früher die Geschäftsstelle zum Zweck der Akteneinsicht aufgesucht. Es ist weder dargetan noch ersichtlich, weshalb ihm das eigenhändige Kopieren von Aktenbestandteilen dort nicht möglich sein sollte.

Soweit er zudem auf auslagenfreier Überlassung von Kopien besteht, ist für die Vielzahl der begehrten Abschriften von Aktenbestandteilen schon nicht hinreichend dargelegt, dass sie zur Gewährung rechtlichen Gehörs für die Rechtsverfolgung erforderlich sind.

Teilweise wurden die Unterlagen dem Betroffenen bereits früher übermittelt (z.B. Bl. 26 ff., 56 ff.) oder es handelt sich um ein länger zurückliegendes Gutachten bzw. das erste Vermögensverzeichnis der früheren Betreuerin, die beide im derzeit laufenden Beschwerdeverfahren über den beantragten Betreuerwechsel nicht von Belang sein können (Bl. 10 ff., 16 ff.).

Im Übrigen erscheint es auch nicht gerechtfertigt, den Betroffenen, der durch einen nicht als Rechtsanwalt zugelassenen Bevollmächtigten vertreten wird, gegenüber einem anwaltlich vertretenen zu bevorzugen. Einem Anwalt würden - abgesehen etwa vom Gutachten und vergleichbaren entscheidungserheblichen Stellungnahmen - keine unentgeltlichen Abschriften zur Verfügung gestellt, sondern die Akten zur eigenen - und damit nicht kostenlosen - Fertigung von Kopien überlassen. Eine spätere Erstattung der Kopierkosten durch die Staatskasse käme nur ausnahmsweise nach § 13a Abs. 1, 2 FGG in Betracht.

Ende der Entscheidung

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