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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 22.05.2007
Aktenzeichen: 34 Wx 61/07
Rechtsgebiete: AsylVfG, AufenthG, FGG, FreihEntzG


Vorschriften:

AsylVfG § 55 Abs. 1 Satz 1
AufenthG § 58 Abs. 1
AufenthG § 58 Abs. 2
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AufenthG § 106 Abs. 2 Satz 1
FGG § 27
FreihEntzG § 3 Satz 2
1. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde kann nicht geltend gemacht werden, dass die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters nicht die einzig möglichen (also nicht zwingend) sind oder dass eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte.

2. Es ist nicht Aufgabe der ordentlichen Gerichte, die zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung berufen sind, zu klären, in welches Land die Betroffene abzuschieben ist; diese Entscheidung obliegt der Ausländerbehörde, die gegebenenfalls im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden kann.


Gründe:

I.

Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung der Betroffenen, einer nigerianischen Staatsangehörigen. Die Betroffene wurde am 10.12.2006 am Flughafen München bei der Ausreisekontrolle für einen Flug nach Kanada festgenommen, als sie sich bei dieser Gelegenheit mit auf eine andere Peron ausgestellten, als gestohlen gemeldeten kanadischen Urkunden, insbesondere einem kanadischen Reisepass, auszuweisen versuchte. Bei ihrer polizeilichen Vernehmung gab die Betroffene an, die Ausweispapiere und das Flugticket nach Kanada in Italien gefunden zu haben. Sie habe sich entschlossen, damit wieder nach Deutschland zu reisen. Die Betroffene war unter anderen Personalien von der Ausländerbehörde der Stadt Duisburg mit Bescheid vom 24.11.2003, bestandskräftig seit 16.1.2004, mit unbefristeter Wirkung ausgewiesen worden. Die Betroffene ist nicht im Besitz eigener Ausweispapiere.

Gegen die Betroffene wurde mit Beschluss des Amtsgerichts vom 11.12.2006 Abschiebungshaft längstens bis zum Ablauf des 10.3.2007 angeordnet. Rechtsmittel der Betroffenen gegen diesen Beschluss blieben erfolglos. Mit Beschluss vom 5.3.2007 hat das Amtsgerichts mit sofortiger Wirksamkeit die weitere Abschiebungshaft bis zur möglichen Abschiebung, längstens jedoch für weitere drei Monate im Anschluss an die bestehende Abschiebungshaft, angeordnet. Gegen diesen Beschluss hat die Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt.

Erstmals mit Schriftsatz vom 28.12.2006 ließ die Betroffene angeben, sie habe am 20.10.2004 unter dem Namen A. F., geboren am 13.10.1981 in Lagos/Nigeria, mit dem italienischen Staatsbürger E. V., geboren am ....1981, die Ehe geschlossen und führe seitdem mit diesem in Italien eine eheliche Lebensgemeinschaft. Anlässlich ihrer Vorführung bei der nigerianischen Botschaft am 13.3.2007 erklärte die Betroffene, aufgrund ihrer Ehe nicht nach Nigeria, sondern nach Italien zurückkehren zu wollen. Die nigerianische Botschaft bestätigte daraufhin, dass es sich bei der Betroffenen zwar um eine nigerianische Staatsangehörige handele, jedoch müsse vor einer Ausstellung von Heimreisepapieren ihre Heirat mit einem Italiener und die Rückkehr nach Italien überprüft werden. Die Betroffene ist nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels für Italien. Die Ausländerbehörde ermittelte hierzu, dass die italienischen Behörden der Betroffenen schon deshalb keinen Aufenthaltstitel erteilen würden, weil es sich bei der am 20.10.2004 erfolgten Eheschließung um eine Scheinehe handele. Zudem prüfe die italienische Justiz die Ausstellung eines Haftbefehls wegen krimineller Vereinigung und Fälschung.

Der Aufforderung des Beschwerdegerichts an die Betroffene, ihre Identität mit der Person nachzuweisen, die am 20.10.2004 mit dem genannten italienischen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen hat, sowie den dabei benutzten vorläufigen italienischen Passnachweis vorzulegen, kam die Betroffene nicht nach. Mit Beschluss vom 24.4.2007 hat das Landgericht die sofortige Beschwerde der Betroffenen zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Betroffenen. Sie macht geltend, solange ihre Ehe nicht für ungültig erklärt worden sei, sei sie berechtigt, als Angehörige eines EU-Bürgers in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen. Jedenfalls aber wolle sie nach Italien, nicht nach Nigeria, zurückkehren.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Betroffene könne abgeschoben werden, da ihre Ausreisepflicht vollziehbar sei (§ 58 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG). Die Einreise der Betroffenen in das Bundesgebiet sei unerlaubt gewesen, da sie bei ihrer Einreise weder im Besitz einer erforderlichen Passes noch eines Aufenthaltstitels gewesen sei. Die Betroffene habe auch nicht nachgewiesen, dass sie als mit einem EU-Bürger verheiratete Person zur Einreise ohne Aufenthaltstitel berechtigt sei. Vielmehr sprächen ihr Verhalten bei der Festnahme, ihre Angaben bei der ED-Behandlung sowie ihre Einlassung als Beschuldigte gegen die Richtigkeit ihres Vorbringens, mit einem italienischen Staatsbürger verheiratet zu sein. Sie habe immer wieder wechselnde Angaben zu ihrer Familie und ihren Lebensumständen gemacht.

Ein Aufenthaltsrecht ergebe sich auch nicht aus § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, da die Betroffene bislang keinen ausreichenden Asylantrag gestellt habe. Da sie aus einem sicheren Drittstaat (Italien) eingereist sei, werde eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz erst mit Antragstellung bei der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erworben.

Die Frage, ob die Ausweisung und die Abschiebung der Betroffenen zu Recht betrieben würden, sei im Verfahren über die Anordnung der Abschiebungshaft nicht zu prüfen. Insoweit seien zur Gewährung von Rechtsschutz allein die Verwaltungsgerichte berufen.

Bei der Betroffenen lägen die Haftgründe des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vor. Letzteres ergebe sich daraus, dass die Betroffene zahlreiche Alias-Personalien verwendet habe, um einer behördlichen Kontrolle und Überwachung zu entgehen. Zudem habe sie wechselnde Angaben zu ihrem Familienstand, ihren Lebensumständen und dem Zweck ihrer Einreise gemacht. Sie sei nicht im Besitz von auf sich ausgestellten Reisedokumenten gewesen, sondern habe bei der Kontrolle versucht, mit fremden Reisedokumenten über ihre Identität zu täuschen. Es sei daher nicht zu erwarten, dass sich die Betroffene für eine Abschiebung freiwillig zur Verfügung halten werde.

Es stehe nicht fest, dass eine Abschiebung der Betroffenen innerhalb der nächsten drei Monate nicht möglich sei. Die Verlängerung der Abschiebungshaft um weitere drei Monate wahre den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

2. Die angegriffene Entscheidung hält der auf Rechtsfehler beschränkten Nachprüfung durch den Senat stand (§ 106 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, § 3 Satz 2 FreihEntzG, § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, §§ 546, 559 Abs. 2 ZPO).

a) Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass auf die Betroffene das Aufenthaltsgesetz, nicht etwa das Freizügigkeitsgesetz/EU Anwendung findet. Bei der Betroffenen handelt es sich um eine nigerianische Staatsangehörige. Die Annahme des Landgerichts, die von der Betroffenen behauptete Heirat mit einem italienischen Staatsangehörigen sei nicht erwiesen, da die Identität zwischen der Betroffenen und der Frau, die am 20.10.2004 den italienischen Staatsangehörigen E.V. geheiratet hat, unsicher sei, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Landgericht hat sich bei dieser Feststellung darauf gestützt, dass eine Eheschließung am 20.10.2004 in Italien allen früheren Angaben der Betroffenen über ihren Familienstand und ihren Aufenthaltsort seit ihrem Untertauchen widerspricht. Trotz der Aufforderung des Beschwerdegerichts hat die Betroffene keinerlei Nachweis dazu erbracht oder auch nur auf die Aufforderung hin ihre früheren widersprüchlichen Angaben erklärt. Die Schlussfolgerung des Landgerichts, dass die Identität der Betroffenen als nicht gesichert anzusehen ist, ist unter diesen Umständen nicht zu beanstanden. Mit der sofortigen weiteren Beschwerde kann nicht geltend gemacht werden, dass die tatsächlichen Folgerungen des Tatrichters nicht die einzig möglichen, d.h. nicht zwingend sind, oder dass eine andere Schlussfolgerung ebenso nahe oder noch näher gelegen hätte (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler FGG 15. Aufl. § 27 Rn. 42). Eine weitere Sachaufklärung ist, zumal ohne Mitwirkung der Betroffenen (vgl. § 82 AufenthG), nicht möglich. Unter diesen Umständen hat sie die Feststellungslast zu tragen.

Es kann bei dieser Sachlage dahinstehen, ob sich die Betroffene, der die italienischen Behörden wegen des Verdachts einer Scheinehe eine Aufenthaltsgenehmigung verweigern, in Deutschland auf ein abgeleitetes Freizügigkeitsrecht berufen könnte, selbst wenn ihre behauptete Eheschließung stattgefunden hat.

Im Übrigen wird auf den Beschluss des Senats vom 12.1.2007 (34 Wx 006/07) Bezug genommen.

b) Bei der Betroffenen liegen weiterhin die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft gemäß § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 AufenthG vor. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auch insoweit auf den Beschluss des Senats (Az. 34 Wx 006/07) sowie die Ausführungen des Landgerichts im Beschluss vom 24.4.2007 Bezug genommen.

Ergänzend ist auszuführen:

Es ist nicht Aufgabe der ordentlichen Gerichte, die zur Entscheidung über die Freiheitsentziehung berufen sind, zu klären, in welches Land die Betroffene abzuschieben ist, hier also, ob eine Abschiebung nach Nigeria oder aber nach Italien durchzuführen ist. Diese Entscheidung obliegt der Ausländerbehörde, die gegebenenfalls im verwaltungsgerichtlichen Verfahren überprüft werden kann.

Die Ausländerbehörde kommt insoweit insbesondere auch ihren Verpflichtungen im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot nach. Aus den vorgelegten Unterlagen und den Feststellungen des Landgerichts ergibt sich, dass die zuständige Ausländerbehörde mit den italienischen Behörden mehrfach Rücksprache gehalten sowie die Betroffene bei der nigerianischen Botschaft vorgeführt hat. Dabei haben die italienischen Behörden mitgeteilt, dass die Betroffene keinen Aufenthaltstitel für Italien besitzt und einen solchen auch nicht bekommt. Die Ausländerbehörde hat damit zeitgleich die Möglichkeit einer Abschiebung in beide Länder geprüft. Das Verfahren ist nicht zu beanstanden.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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