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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 12.07.2006
Aktenzeichen: 4 St RR 113/06
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 22
StGB § 25
StPO § 354 Abs. 1 lit. a S. 1
1. Wird zum Begehen einer Straftat in mittelbarer Täterschaft dadurch angesetzt, dass der Täter einen gutgläubigen Rechtsanwalt einschaltet, so liegt zumindest dann ein Versuch vor, wenn der dem Rechtsanwalt zur Erledigung übergebene Fall in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht derart einfach gelagert war, dass der Angeklagte aus seiner - alleine maßgeblichen - Sicht davon ausging, der Rechtsanwalt werde ohne weitere Prüfung in engem zeitlichen Zusammenhang die Forderung für den Angeklagten geltend machen.

2. § 354 Abs. 1a StPO ist auch anwendbar bei Änderung des Schuldspruchs im Allgemeinen und einer Änderung des Schuldspruchs infolge einer teilweisen Verfahrensbeschränkung (Anschluss an BGH NJW 2005, 912 und 913).


Tatbestand:

1. Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in Tatmehrheit jeweils mit sechs Fällen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, drei Fällen der Urkundenfälschung, einem Fall des versuchten Betrugs und einem Fall der Beihilfe zum Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Dem Urteil liegen u.a. vorgetäuschte Verkehrsunfälle zugrunde, die der Angeklagte gegenüber der Haftpflichtversicherung mit Hilfe von gefälschten Urkunden betrügerisch abrechnete. Die hiergegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht verworfen und auf die Berufung der Staatsanwaltschaft den Angeklagten wegen Betrugs, versuchten Betrugs, Beihilfe zum versuchten Betrug, Urkundenfälschung in drei Fällen und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen, jeweils in Tatmehrheit unter Einbeziehung der Strafen aus zwei weiteren Urteilen des Amtsgerichts zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren zwei Monaten verurteilt. Darüber hinaus hat es den Angeklagten wegen eines weiteren Falles des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 30 EUR verurteilt. Die Beschränkung der Berufungen auf den Rechtsfolgenausspruch hat das Landgericht für unwirksam erachtet, da der vom Amtsgericht festgestellte Sachverhalt nicht den Schuldspruch gedeckt habe.

2. Der Angeklagte hat innerhalb der Frist des § 345 Abs. 1 StPO lediglich die allgemeine Sachrüge erhoben. Diese ist mit einem nach Ablauf der genannten Frist eingegangenem Schriftsatz ergänzt worden. Gerügt wird zunächst die Würdigung des Landgerichts, der Angeklagte habe die ihm zur Last liegenden Straftaten tatmehrheitlich verwirklicht. Aufgrund der vom Landgericht getroffenen Feststellungen sei jedoch der Angeklagte, soweit er sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung strafbar gemacht habe, jeweils in Tateinheit mit dem jeweiligen Betrugsdelikt zu verurteilen gewesen. Die Ansicht des Landgerichts, das Versuchsstadium der Betrugstaten beginne erst mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen bei der Versicherung, sei unzutreffend. Das unmittelbare Ansetzen zur Straftat sei vielmehr bereits in der Fahrt des Angeklagten zur Beschädigung des jeweiligen Fahrzeugs zu sehen. Dies gelte erst recht für die dem Angeklagten zur Last liegenden Urkundenfälschungen. Denn mit der Beauftragung des Rechtsanwalts, der im weiteren Verlauf nur noch undoloses Werkzeug im Rahmen der Schadensmeldung gewesen sei, habe der Angeklagte den letzten Tatbeitrag verwirklicht. Zweifelsfrei sei die rechtliche Würdigung des Landgerichts jedenfalls betreffend den Sachverhalt gemäß Ziffer III. 2.3. der Urteilsgründe unzutreffend. Die dem Angeklagten hier zur Last liegende Beihilfe zum versuchten Betrug des anderweitig verfolgten O bestehe einzig darin, dass der Angeklagte das Kraftfahrzeug des anderweitig Verfolgten beschädigt habe. Dies sei ohne Verwirklichung des Tatbestands des Fahrens ohne Fahrerlaubnis nicht möglich gewesen.

Darüber hinaus rügt die Revision, das Landgericht habe im Rahmen der Strafzumessung die Tatsache der Schadenswiedergutmachung durch den Angeklagten nicht beachtet.

Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft wurde das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO insoweit eingestellt, als dem Angeklagten ein Vergehen des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 7.7.2003 zur Last lag. Die insoweit in Betracht kommende Strafe fällt angesichts der Strafen, die der Angeklagte wegen der übrigen verfahrensgegenständlichen Taten zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht. Die gemäß § 333 StPO statthafte Revision erwies sich als zulässig, § 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO. Das Rechtsmittel hatte jedoch im Ergebnis keinen Erfolg.

Gründe:

1. Auch ohne entsprechende Verfahrensrüge hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, ob eine Berufungsbeschränkung wirksam ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 352 Rn.4). Vorliegend ist das Landgericht zutreffenderweise von der Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkungen ausgegangen, da das amtsgerichtliche Urteil keinerlei tatsächliche Feststellungen zu den drei Fällen der Urkundenfälschung enthält, wegen derer der Angeklagte verurteilt worden war. Ohne entsprechende Feststellungen war jedoch dem Berufungsgericht die Rechtsfolgenentscheidung insoweit nicht möglich.

2. Hinsichtlich des nach Ausscheidung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 7.7.2003 verbleibenden Schuldspruchs hat die Nachprüfung des Urteils keinen zur Aufhebung des Urteils führenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Da innerhalb der Frist des 345 Abs. 1 StPO nur die allgemeine Sachrüge erhoben wurde, beschränkt sich die Prüfung durch das Revisionsgericht auf die schriftlichen Urteilsgründe und die darin getroffenen Feststellungen (BGHSt 35, 238/241). Es kann daher dahinstehen, ob die im nachgereichten Schriftsatz vom 19.5.2006 ausgeführten Rügen (teilweise) auch als Verfahrensrügen auszulegen wären.

3. Soweit mit der Sachrüge die rechtliche Wertung des Landgerichts, die vom Angeklagten verwirklichten Straftatbestände stünden für jeden Betrugsfall zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß § 53 StGB, angegriffen wird, vermag sich der Senat der von der Revision vorgebrachten Rechtsauffassung nur teilweise anzuschließen. Hinsichtlich der nach Ausscheidung des Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 7.7.2003 noch verbliebenen drei Straftaten des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ist die rechtliche Würdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Die vom Angeklagten durchgeführten Beschädigungen der Fahrzeuge waren lediglich Vorbereitungshandlungen, die Schwelle zum Versuchsstadium war noch nicht erreicht. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte zur Tatbestandverwirklichung noch nicht unmittelbar im Sinne des § 22 StGB angesetzt, sondern lediglich ein Täuschungsmittel für die geplante künftige Täuschungshandlung bereitgestellt (OLG Koblenz VRS 53, 27/28). Nur diese Täuschung ist Tathandlung des § 263 StGB. Zu einer solchen setzte der Angeklagte vorliegend erst dann an, als er in Täuschungsabsicht und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen unter Zuhilfenahme des jeweiligen Rechtsanwaltes mit der geschädigten Versicherung in Verbindung trat.

Gleiches gilt für die vom Angeklagten begangenen Urkundenfälschungen, insoweit diese in der Beauftragung der Sachverständigenbüros unter falschem Namen bestanden. Die damit einhergehende Täuschung über den Namen des Angeklagten erfolgte nicht gegenüber der geschädigten Versicherung und führte auch beim Sachverständigen nicht zu einer den Schaden herbeiführenden Vermögensverfügung. Auch diese beiden Urkundenfälschungen erfolgten daher während des Vorbereitungsstadiums des geplanten Betrugs, so dass das Landgericht zutreffenderweise von Tatmehrheit ausgegangen ist.

4. Hinsichtlich des nach § 154 Absatz 2 StPO ausgeschiedenen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis am 7.7. 2003 stellt sich die Frage des Konkurrenzverhältnisses nicht mehr. Im Übrigen ist die rechtliche Wertung des Landgerichts, das Handeln des Angeklagten erfülle den Tatbestand der Beihilfe zum versuchten Betrug, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beihilfe braucht nicht zur unmittelbaren Ausführung der Haupttat geleistet werden. Es genügt, dass sie zu bloßen Vorbereitungshandlungen der Tat geleistet ist, wenn diese wenigstens bis zum strafbaren Versuchsstadium verwirklicht wird (Schönke/Schröder/Cramer/Heine StGB 27. Auflage § 27 Rn. 13).

5. Allerdings teilt der Senat die Bedenken der Verteidigung, insoweit das Landgericht zwischen der vom Angeklagten am 4.7.2003 begangenen Urkundenfälschung durch Mandatierung eines Rechtsanwaltes unter falschem Namen einerseits und dem versuchten Betrug zu Lasten der Allianz Versicherung andererseits Tatmehrheit angenommen hat.

Indem der Angeklagte den gutgläubigen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der gegnerischen Versicherung beauftragte, bediente er sich des Rechtsanwaltes als undolosem Werkzeug und handelte selbst als mittelbarer Täter, § 25 Absatz 1 2.Alternative StGB. In Fällen der mittelbaren Täterschaft beginnt der Versuch der Tat, wenn der mittelbare Täter aus seiner Sicht das zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat, indem er die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen und das Geschehen aus der Hand gegeben hat und wenn darüber hinaus zu diesem Zeitpunkt aus seiner Sicht das betroffene Rechtsgut bereits unmittelbar konkret gefährdet ist (Schönke/Schröder/Eser aaO. § 22 Rn. 54/54a; Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 22 Rn. 24 - beide mit zahlreichen Nachweisen). Für eine unmittelbare Gefährdung des geschützten Rechtsgutes ist maßgeblich, dass der Tatmittler im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Einwirkung durch den mittelbaren Täter nach dessen Erwartungen die Tathandlung begehen wird (BGHSt 30, 363/365; BGHSt 40, 257/269; BGHSt 43, 177/180; BGH StV 2001, 272/273).

Es kann dahinstehen, ob die Beauftragung eines gutgläubigen Rechtsanwalts zur Durchsetzung rechtlicher Ansprüche unter Vorlage einer gefälschten Urkunde stets ein Ansetzen zum versuchten Betrug darstellt (so Tröndle/Fischer aaO. § 22 Rn. 26 für den Fall des Auftrags zur Klageerhebung). Denn jedenfalls in vorliegendem Fall lassen die Urteilsfeststellungen des Landgerichts noch mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass der dem Rechtsanwalt zur Erledigung übergebene Fall in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht derart einfach gelagert war, dass der Angeklagte aus seiner - alleine maßgeblichen - Sicht davon ausgehen konnte, der Rechtsanwalt werde ohne weitere Prüfung in engem zeitlichen Zusammenhang die Forderung für den Angeklagten geltend machen. Der Senat nimmt daher im Sinne der Revision zugunsten des Angeklagten an, dass mit der Mandatierung des Rechtsanwaltes vorliegend der Angeklagte zum Betrug unmittelbar ansetzte. Die mit der Mandatserteilung begangene Urkundenfälschung und der versuchte Betrug stehen daher zueinander im Verhältnis der Tateinheit. Insoweit war daher der Schuldspruch des Berufungsurteils zu berichtigen.

6. Trotz des teilweisen Wegfalls des Schuldspruchs bzw. seiner Abänderung infolge der Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO und infolge der soeben begründeten abweichenden rechtlicher Bewertung bedarf es gleichwohl keiner Aufhebung des Strafausspruchs, weil die verhängte Rechtsfolge angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO ist. Diese Vorschrift ist auch anwendbar bei Änderung des Schuldspruchs im Allgemeinen und der Änderung des Schuldspruchs in Folge einer teilweisen Verfahrensbeschränkung nach den §§ 154 Abs. 2, 154a Abs. 2 StPO (BGH NJW 2005, 913; BGH NJW 2005, 912). Die Voraussetzungen für eine Rechtsfolgenentscheidung des Senats sind vorliegend gegeben, weil eine neue Hauptverhandlung über den Schuldspruch nicht mehr erforderlich ist und die vom Tatgericht getroffenen Feststellungen die erforderliche Grundlage für eine Strafzumessung bilden. Dass eine neue tatrichterliche Hauptverhandlung hinsichtlich der Strafzumessung neue, für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben könnte, ist nicht ersichtlich. Bei der Bewertung der vom Landgericht verhängten Gesamtstrafe hat der Senat die vom Landgericht festgesetzte Geldstrafe von 90 Tagessätzen für das ausgeschiedene vorsätzliche Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie die Freiheitsstrafe von drei Monaten für die tatmehrheitlich angenommene Urkundenfälschung berücksichtigt und das Gewicht dieser Strafen im Vergleich zu den verbliebenen Taten. Insgesamt sind unter Berücksichtigung auch der in das Urteil einbezogenen Strafen zweier amtsgerichtlicher Verurteilungen und bei Umrechnung der verhängten Geldstrafen in Freiheitsstrafen vom Landgericht Einzelstrafen in einer Gesamthöhe von 6 Jahren 2 Monaten (nicht 6 Jahre 3 Monate wie in der Urteilsurkunde S. 34 irrtümlich festgestellt) verhängt worden. Daraus ergibt sich, dass die wegfallenden Einzelstrafen in einer Gesamthöhe von 6 Monaten im Verhältnis zu den verbliebenen Einzelstrafen nicht erheblich ins Gewicht fallen und unter Berücksichtigung der vom Landgericht vorgenommenen Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Strafzumessungsgesichtspunkte die verhängte Gesamtstrafe angemessen ist. Dies würde auch unter Zugrundelegung der vom Verteidiger mit Schriftsatz vom 19.5.2006 behaupteten teilweisen Schadenswiedergutmachung gelten, die jedoch in der alleine maßgeblichen Urteilsurkunde nicht erwähnt ist. Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten bei der Bemessung der Gesamtstrafe durch das Landgericht sind nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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