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Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 16.01.2006
Aktenzeichen: 5 St RR 259/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 267
Die Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts ist im Berufungsurteil auch dann nicht zulässig, wenn die Berufung rechtswirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war.
Tatbestand:

Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten zu einer Gesamtgeldstrafe. Die Berufungen, welche von der Staatsanwaltschaft von Anfang an und vom Angeklagten im Verlauf der Berufungshauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkt worden waren, verwarf das Landgericht. Der zulässigen Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil war ein vorläufiger Erfolg nicht zu versagen, da im Berufungsurteil eine Bezugnahme auf die Strafzumessungsgründe des Amtsgerichts auch dann unzulässig ist, wenn die Rechtsmittel auf den Straffolgenausspruch wirksam beschränkt waren und das Landgericht auf dieselbe Strafe wie im Ersturteil erkennt.

Gründe:

1. a) Die Urteilsgründe müssen aus sich heraus verständlich sein; Verweisungen oder Bezugnahmen auf Urkunden außerhalb des Urteils sind deshalb nicht zulässig (BGHR StPO § 267 Abs.1 Satz 1 Bezugnahme 1 und 2); eine Ausnahme machen lediglich Abbildungen (§ 267 Abs.1 Satz 3 StPO). Dies gilt nicht nur für Teile der Akten (z.B. Zentralregisterauskunft, Gutachten, Bilanzen, Tabellen), sondern grundsätzlich auch für frühere Urteile, selbst wenn sie in derselben Sache ergangen sind.

b) Eine Ausnahme gilt für das Berufungsurteil, das auf Feststellungen der angefochtenen Entscheidung Bezug nehmen darf, wenn es (im Wesentlichen, Abweichungen sind klar herauszustellen) zu denselben Feststellungen gekommen ist und eine Wiederholung nur müßige Schreibarbeit wäre, wenn die Bezugnahme eindeutig und zweifelsfrei abgrenzbar ist und wenn das angefochtene Urteil insoweit nicht aufgehoben, sondern die Berufung verworfen wurde.

c) Hingegen ist eine Bezugnahme auf die Strafzumessungserwägungen nicht zulässig, da diese Abwägungen jedes Gericht selbst individuell vorzunehmen hat (BGHR StPO § 267 Abs.3 Satz 1 Strafzumessung 7). Solche Erwägungen zur Strafzumessung stellen einen Akt der Bewertung und Gewichtung oft sehr zahlreicher und vielgestaltiger Umstände dar. Diesen Bewertungsvorgang - den durchzuführen das Tatgericht selbständig, in eigener Verantwortung und auf der Grundlage der jeweiligen Hauptverhandlung verpflichtet ist - kann in all seinen Einzelheiten nicht von verschiedenen Gerichten in gleicher Weise vorgenommen werden (OLG Stuttgart MDR 1979, 781).

d) Daher begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn das Landgericht die Strafzumessung des § 46 Abs.1 und 2 StGB ohne jegliche weitere Darstellung und eigene Bewertung damit begründet, es habe sich "sowohl hinsichtlich der Einzelstrafen als auch der Gesamtstrafe in vollem Umfang den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts angeschlossen. Die Strafkammer hielt deshalb nach der Berufungshauptverhandlung die vom Amtsgericht verhängte Gesamtgeldstrafe von 130 Tagessätzen ebenfalls für tat- und schuldangemessen. Nachdem sich auch in der Berufungshauptverhandlung keine Straferschwerungsgründe bezüglich des Angeklagten ergeben haben, war auch dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Straferhöhung nicht zu entsprechen"

Bei einer solchen Ausführung ist das Revisionsgericht nicht in der Lage nachzuprüfen, ob das Landgericht die Strafzumessungserwägungen des Amtsgerichts in jeder Einzelheit bedacht hat, zumal der Erstrichter für die Darstellung der Strafzumessung drei Seiten benötigte.

2. Wegen des aufgezeigten Mangels war das Urteil des Landgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen (§§ 337, 353, 354 Abs.2 Satz 1 StPO), die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.

Ende der Entscheidung

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