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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Beschluss verkündet am 30.05.2007
Aktenzeichen: 5St RR 35/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 26a Abs. 1 Nr. 2
Die Beteiligung der Mitglieder des Senats an einer von der StPO vorgesehenen Vorentscheidung vermag als solche die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Stützt sich ein alle Mitglieder der Spruchgruppe des Senats betreffendes Ablehnungsgesuch allein auf diesen Umstand, so ist es mangels geeigneter Begründung unzulässig.
Tatbestand:

Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Schwangerschaftsabbruchs in zwei tatmehrheitlichen Fällen jeweils mit Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.

Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hin hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wird. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 21.2.2007 beantragt, auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Senat hat mit Schreiben der Berichterstatterin vom 2.4.2007, gerichtet an den Verteidiger des Angeklagten, darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Revision des Angeklagten als unbegründet zu verwerfen, sofern ein entsprechender Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gestellt werden sollte. Ferner enthält das Schreiben eine nähere Begründung der diesbezüglichen Rechtsansichten des Senats. Am 12.3.2007 hat der Angeklagte die Mitglieder der Spruchgruppe wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.

Zur Begründung trägt der Angeklagte im Wesentlichen vor, aus dem Schreiben der Berichterstatterin vom 2.4.2007 werde deutlich, "dass die zur Entscheidung berufenen Richter des Senats sich bereits bis zum 2.4.2007 eine abschließende Meinung gebildet haben, wonach die Revision des Angeklagten zu verwerfen ist." Dem Schreiben der Berichterstatterin vom 2.4.2007 lasse sich ohne weiteres entnehmen, dass sämtliche Mitglieder des Senats entschlossen sind, die Revision zu verwerfen. Hieraus resultiere auch aus der Sicht eines vernünftigen Angeklagten der Eindruck der Befangenheit. Dieser Eindruck resultiere weiter aus dem Versuch der abgelehnten Richter, die gesetzliche Vorschrift des § 349 Abs. 2 StPO durch die "Bestellung" eines Verwerfungsantrags der Generalstaatsanwaltschaft zu umgehen. Der Eindruck der Befangenheit werde noch durch den Umstand verstärkt, dass die im Schreiben der Berichterstatterin vom 2.4.2007 herangezogenen Überlegungen rechtlicher Überprüfung nicht standhalten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat am 25.4.2007 beantragt, die Ablehnung der Richter des Senats wegen Besorgnis der Befangenheit als unzulässig zu verwerfen und die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts vom 5.12.2006 durch Beschluss nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet kostenpflichtig zu verwerfen.

Hierzu hat der Angeklagte mit Schreiben vom 2.5.2007 unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags eine Gegenerklärung abgegeben.

Gründe:

1. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig (§ 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO).

Die zur Entscheidung berufenen, aus dem Beschlusstenor ersichtlichen, Mitglieder des Senats können wegen Besorgnis der Befangenheit nur abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richter zu rechtfertigen (§ 24 Abs. 1 und Abs. 2 StPO). Das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes ist grundsätzlich vom Standpunkt des Ablehnenden aus zu beurteilen (Meyer-Goßner StPO 49. Aufl. § 24 Rn. 6). Maßgeblich ist die Sicht eines verständigen und vernünftigen Verfahrensbeteiligten. Der Ablehnende muss daher Gründe für sein Ablehnungsbegehren vorbringen, die jedem Unbeteiligten Dritten einleuchten (Meyer-Goßner § 24 Rn. 8).

In dem Ablehnungsgesuch müssen die Tatsachen bezeichnet sein, auf die sich die Ablehnung stützt. Unzulässig ist die Ablehnung eines Richters, wenn ein Grund zur Ablehnung oder ein Mittel zur Glaubhaftmachung nicht angegeben wird (§ 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO).

Dem Fehlen einer Begründung steht der Fall gleich, dass die Begründung aus zwingenden rechtlichen Gründen zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgesuchs völlig ungeeignet ist (BGH NJW 2005, 3434, 3435; BGH NStZ 2006, 50, 51; als verfassungsrechtlich unbedenklich bewertet von BverfG NJW 1995, 2912, 2913; Meyer-Goßner § 26 a Rn. 4 a jeweils m.w.N.).

Bei der Prüfung, ob die für eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit gegebene Begründung in dem genannten Sinne völlig ungeeignet ist, muss allerdings ein strenger Maßstab angelegt werden. Von der Beurteilung dieser Voraussetzung hängt die Zusammensetzung der Richterbank für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ab. Die Mitwirkung des abgelehnten Richters bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Ablehnungsgesuchs gerät bei strenger Prüfung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen mit der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht in Konflikt, weil die Prüfung keine Beurteilung des eigenen Verhaltens des abgelehnten Richters voraussetzt und deshalb keine echte Entscheidung in der Sache ist (BVerfG NJW 2005, 3412). Das ist der Fall, wenn das Ablehnungsgesuch ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zur Begründung der Besorgnis der Befangenheit gänzlich ungeeignet ist (aaO).

Hiernach ist das Ablehnungsgesuch des Angeklagten unzulässig, weil die Beteiligung der Mitglieder des Senats an einer von der Strafprozessordnung vorgesehenen Vorentscheidung (§ 349 StPO) als solche die Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen vermag. Es entspricht ferner der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (BVerfG NJW 2005, 3413 m.w.N.), dass auch eine vermeintlich oder tatsächlich rechtsfehlerhafte Vorentscheidung für sich genommen die Besorgnis der Befangenheit nicht zu rechtfertigen vermag - mit der Folge, dass ein darauf gestütztes Ablehnungsgesuch als unzulässig im Sinn des § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO anzusehen ist.

Die Vorberatung der Revisionssache im Hinblick auf die ursprünglich gestellten Anträge ist erforderlich, da sich der Senat über die Behandlung der Revision des Angeklagten Klarheit verschaffen muss. Es kann dahinstehen, ob die mit Schreiben des Senats vom 2.4.2007 erfolgte Offenlegung des vorläufigen Beratungsergebnisses als Anregung an die Generalstaatsanwaltschaft auszulegen ist, einen Antrag nach § 349 Abs. 2 StPO zu stellen. Denn einerseits ist es dem Revisionsgericht im Einzelfall nicht verwehrt, die Stellung eines Antrags nach § 349 Abs. 2 StPO anzuregen (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 3.4.2002, 1 Ss 224/01; OLG Zweibrücken NJW 2001, 2110; KG StV 2001, 153, 154 jeweils m.w.N.) und andererseits wahrt die Offenlegung des vorläufigen Beratungsergebnisses den Grundsatz der Gewährung des rechtlichen Gehörs und den Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 103 Abs. 1 GG). In jedem Fall ist der Anspruch des Revisionsführers auf rechtliches Gehör durch das Anhörungsverfahren gemäß § 349 Abs. 3 StPO gesichert.

Hinzutretende besondere Umstände, die über die Tatsache einer - auch negativen - Vorentscheidung als solcher sowie die damit notwendig verbundenen inhaltlichen Äußerungen hinausgehen (BGH StV 2007, 119, 120 m.w.N.), insbesondere unnötige oder unsachliche Äußerungen, werden vorliegend nicht geltend gemacht.

Entsprechend der Gewährleistung des Prinzips des gesetzlichen Richters stellt § 26a StPO die Entscheidung über die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs durch den mit dem Verfahren befassten Spruchkörper unter Mitwirkung des abgelehnten Richters nicht etwa in das freie Ermessen des Gerichts. Vielmehr hat das Gericht, wenn eine der in § 26a Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 StPO genannten Voraussetzungen der Vorschrift vorliegt, in dem vereinfachten Verfahren unter Mitwirkung des Abgelehnten zu entscheiden (BGH NJW 2005, 3434, 3436 m.w.N.).

2. Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO)... (wird ausgeführt)

Ende der Entscheidung

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