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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht München
Urteil verkündet am 01.07.2004
Aktenzeichen: 6 U 2358/03
Rechtsgebiete: PatG


Vorschriften:

PatG § 139
PatG § 9
PatG § 14
PatG § 33
Die Frage, welcher von mehreren aus sachverständiger Sicht in Frage kommenden Definitionen eines im Patentanspruch verwendeten Begriffs der Vorzug zu geben ist, kann nicht je nach der konkreten Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsformen (unterschiedlich), sondern nur nach dem anhand des Klageschutzrechts festzustellenden Erfindungsgegenstand (einheitlich) beantwortet werden.
OBERLANDESGERICHT MÜNCHEN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 2358/03

Verkündet am 01. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzfeststellung u.a. (PatG) erlässt der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterinnen am Oberlandesgericht ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2004 folgendes

ENDURTEIL:

Tenor:

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.02.2003 (21 O 9565/00) wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Streitverkündete trägt die ihr im Berufungsverfahren entstandenen Kosten selbst.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Frage, ob die von der Nebenintervenientin hergestellten und von den Beklagten vertriebenen Infrarot-Bewegungsmelder "Doppelstrahler Typ C" (Art.Nr. 71632/22/30 N1; M ), "Opalstrahler Typ E" (Art.Nr. 71621/01/61 N1; O , H ) und "Halogenstrahler Typ C" (Art.Nr. 74916/21/30 N1; O , H ), welche sämtlich einen Strahlungsempfänger vom Typ PIS 204S der Firma D verwenden (im Original vorgelegt als Anlagen K 9, K 9a), die Rechte der Klägerin aus dem Deutschen Patent DE 3235250 (Anlage K 6) verletzen und ob - dementsprechend - der Klägerin die von ihr gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht sowie Auskunftserteilung zustehen.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst auf das angegriffene Urteil Bezug genommen. Folgende Änderungen und Ergänzungen sind veranlasst:

Die Erfindung betrifft eine Facettenoptik (entsprechend dem Oberbegriff des Anspruches 1) zum Erfassen von Strahlung aus einem großen Raumwinkel, insbesondere für Bewegungsmelder, enthaltend eine Anzahl von benachbarten Linsenelementen, die die erfasste Strahlung auf die Empfängerebene (8) eines Strahlungsempfängers (1) fokussieren, der nur unter einem durch Halterungen, Gehäusewände oder sonstige Bauteile begrenzten maximalen Gesichtswinkel (2 phi) von bis zu 120 Grad Strahlung empfangen kann.

Die Patentschrift geht von einer vorbekannten Facettenoptik gemäß dem Gattungsbegriff des Anspruchs 1 aus (Spalte 1 Zeilen 5 - 11), bei der die optischen Achsen aller Linsenelemente innerhalb des Gesichtswinkels des Strahlungsempfängers liegen, und stellt hierzu fest, dass der Gesichtswinkel im Allgemeinen durch Halterungen, Gehäusewände oder sonstige Bauteile begrenzt und meist nicht größer als 120 Grad ist; in der Regel liegt er bei etwa 110 - 115 Grad (Spalte 1 Zeilen 12-15). Bei der zur Erfassung eines größeren Raumwinkels bekannten Anbringung gesonderter Umlenkspiegel sieht es die Patentschrift als nachteilig an, dass derartige Einrichtungen verhältnismäßig aufwändig sind (Spalte 1 Zeilen 16 - 27). Bei einer weiteren vorbekannten Facettenoptik, bei der die Linsenelemente längs einer Halbkugelfläche angeordnet sind und die Strahlung auf eine halbkugelförmige Brennfläche fokussieren, von wo sie mittels eines Lichtleiterbündels zur Empfängerebene weitergeleitet wird, sieht es die Patentschrift als nachteilig an, dass eine derartige Facettenoptik einen verhältnismäßig großen technischen Aufwand bedingt (Spalte 1 Zeilen 28 - 40). Bei einem vorbekannten Passivinfrarotalarmmelder (Spalte 1 Zeile 41 - Spalte 2 Zeile 6) sieht es die Patentschrift als nachteilig an, dass der horizontale Gesichtswinkel des Strahlungsempfängers durch den trichterförmigen Trägerrahmen auf einen Wert von 80 Grad begrenzt ist, wobei das Gesichtsfeld der Linsenfacettenoptik diesem Gesichtswinkel des Strahlungsempfängers entspricht und ebenfalls 80 Grad beträgt, so dass der Strahlungsempfänger Strahlung nur aus einem Raumwinkel (von 80 Grad) erfassen kann, der nicht größer als der durch den trichterförmigen Trägerrahmen begrenzte Gesichtswinkel ist.

Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, eine Facettenoptik entsprechend dem Oberbegriff des Anspruchs 1 so auszubilden, dass sie bei einfacher Bauweise, insbesondere ohne Verwendung zusätzlicher Umlenkspiegel, Strahlung aus einem Raumwinkel erfasst, der größer als der maximale Gesichtswinkel des Strahlungsempfängers ist (Spalte 2 Zeile 7-13).

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschreibung des Klagepatents wird auf die Patentschrift gemäß Anlage K 6 Bezug genommen. Das Patent ist am 23.09.2002 abgelaufen.

Soweit unstreitig, weist der angegriffene Bewegungsmelder eine Optik aus mehreren Facetten von einzelnen Fresnel-Linsen auf, die in zylindrischen Streifen den Empfänger umgeben und deren gemeinsamer Brennpunkt (idealerweise) mit dem Strahlungsempfängerzentrum in der Sensorebene zusammenfällt (Gutachten des Frauenhofer Instituts, Prof. B Anlage K 12). Der verwendete infrarotempfindliche Strahlungsempfänger ist ein pyroelektrischer Strahlungsempfänger, bestehend aus zwei nebeneinander liegenden Empfängerelementen (so genannter Dualstrahlungsempfänger), welche symmetrisch zur Mittelachse des Gehäuses angeordnet sind.

Hinsichtlich der (unstreitigen) geometrischen Daten der verwendeten, jeweils in ein Gehäuse eingelassenen, Strahlungsempfänger wird auf die technischen Unterlagen der Herstellerfirma gemäß Anlagen 1, 2 und 4 zum Gutachten des Sachverständigen Prof. Ko vom 08.04.2002 (Blatt 172, 173 und 175 d.A.) Bezug genommen. Optik und Empfänger einschließlich elektrischer Signalverarbeitung sind in einem Gehäuse untergebracht, dessen geometrische Abmessungen der Sachverständige von den ihm vorliegenden Originalen der Verletzungsgegenstände (Anlagen K 9, K 9 a) abgenommen und in das Bild 13 zu seinem Gutachten (a.a.O.; Blatt 171 d.A.) übertragen hat. Hinsichtlich des vom Sachverständigen angewandten Berechnungsverfahrens wird ergänzend auf die Anlage A zu dem genannten Gutachten (a.a.O.; Blatt 179/181 d.A.) Bezug genommen. Auf der Grundlage der unstreitigen geometrischen Abmessungen der jeweiligen Gehäuse ist ferner unstreitig, dass der Gesichtswinkel des verwendeten Strahlungsempfängers PIS-204S kleiner ist als der Gesichtswinkel der Optikhalterung des Gerätegehäuses, so dass der Gesichtswinkel der angegriffenen Bewegungsmelder durch das Empfängergehäuse und nicht durch die Halterung des Gerätegehäuses begrenzt wird.

Hinsichtlich des Sachvortrags der Parteien in der ersten Instanz und der dort gestellten Anträge sowie der Prozessgeschichte wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass auf der Grundlage der überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen Prof. Ko die Rechte der Klägerin aus dem Klagepatent durch die angegriffenen Bewegungsmelder verletzt würden. Ausgehend von der Fragestellung, ob die angegriffenen Bewegungsmelder einen Strahlungsempfänger aufweisen, "der nur unter einem durch Halterungen, Gehäusewände und sonstige Bauteile begrenzten maximalen Gesichtswinkel (2 phi) von bis zum 120 Grad Strahlung empfangen kann" (Merkmale 2.1 und 2.2 der Merkmalsanalyse; Seite 8 des Urteils) und ob dementsprechend die jeweilige optische Achse der erfindungsgemäß angeordneten und ausgebildeten Linsensegmente mit der Winkelhalbierenden des Gesichtswinkels des Strahlungsempfängers einen Winkel (psi) einschließt, der größer ist als die Hälfte des Gesichtswinkels (2 phi) des Strahlungsempfängers, so dass die Linsenelemente einen Gesichtsfeldwinkel (2 psi) von mehr als 120 Grad erfassen (Merkmal 3.1 der Merkmalsanalyse; a.a.O.), habe der Sachverständige sich zunächst damit befasst, wie überhaupt der sog. "Gesichtswinkel" von pyroelektrischen Empfängern im Sinne des Klagepatents zu definieren und dementsprechend zu bestimmen bzw. zu berechnen ist. Hierbei sei der Sachverständige zunächst davon ausgegangen, dass der Begriff des Gesichtswinkels aus der technisch-optischen Sicht des Durchschnittsfachmanns nicht streng definiert sei, sondern aus dem Kontext der jeweiligen Sachlage anwendungsbezogen festzulegen sei. Gleiches gelte für die Begriffe Blickwinkel, Gesichtsfeldwinkel, Öffnungswinkel u.a., die, wie der Begriff des Gesichtswinkels, dazu dienen, die Strahlenbegrenzung von Lichtquellen, optischen Instrumenten oder auch Empfängern zu beschreiben. Bei Strahlungsempfängern könnten zur Kennzeichnung der Einstrahlbegrenzung in einer Ebene drei Gesichtswinkeldefinitionen unterschieden werden (Abbildung gemäß Seite 17 des Urteils), welche im Prioritätszeitpunkt alle drei gebräuchlich gewesen seien, so dass anhand der Patentschrift festzustellen sei, welche Definition dem Klagepatent zugrunde zu legen sei. Auf der Grundlage des Patentanspruchs, der gegebenen Beschreibung und der Patentzeichnung sei der Sachverständige zu dem Schluss gekommen, dass nach dem Klagepatent von einer Gesichtswinkeldefinition auszugehen sei, bei welcher der Geradenschnittpunkt, welcher das Koordinatensystem zur Zählung und Berechnung des Winkels festlegt, im Zentrum des Empfängers liege, also entsprechend der sog. Definition 2. Ausgehend von dem solcherart definierten Gesichtswinkel sowie den bekannten geometrischen Daten der angegriffenen Bewegungsmelder sei mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass der Gesichtswinkel (2 phi) der angegriffenen Bewegungsmelder bei 118,9 Grad +/- 1,7 Grad liege. Die Überschreitung des Wertes von 120 Grad bei voller Ausschöpfung des Toleranzbereichs (117,2 Grad - 120,6 Grad) ändere - aus Rechtsgründen - an der Patentverletzung nichts. Den Toleranzbereich von +/- 1,7 Grad habe der Sachverständige nachvollziehbar auf der Grundlage seiner Annahme errechnet, die Empfängerabmessungen wiesen eine Unsicherheit von 0,025 mm auf. Hiernach wiesen die angegriffenen Empfängerelemente zwar die bei Serienfertigungen unvermeidbaren Toleranzen auf, machten aber nach ihren Sollwerten vom Patent Gebrauch. Auf der Grundlage des Klagepatents handele es sich bei der Angabe des Gesichtswinkels "von bis zu 120 Grad" nicht um einen sog. "kritischen" Wert in dem Sinne, dass es aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns auf dessen genaue Einhaltung ankäme. Zu der vom Sachverständigen auch diskutierten Unterdefinition 2 a (Bild 4 des Gutachtens a.a.O.; Blatt 164 d.A.) hat das Landgericht ausgeführt, diese Definition könne nicht zugrunde gelegt werden, da sie sich an der angegriffenen Ausführungsform und nicht am Klagepatent orientiere, wovon auch der Sachverständige ausgegangen sei. Die Auslegung eines Patentanspruchs habe aber nicht anhand der angegriffenen Ausführungsform zu erfolgen, sondern anhand der Patentschrift. Hiervon ausgehend sei auch das Merkmal 3.1 der Merkmalsanalyse erfüllt, denn für den Gesichtsfeldwinkel (2 psi) ergebe sich ein Wert von 140 Grad +/- 2 Grad (Bild 8 und 13 des Gutachtens a.a.O.; Blatt 166, 171 d.A.). Schließlich hat das Landgericht ausgeführt, auch die mehr als 3 Jahre vor Klageeinreichung zurückliegenden geltend gemachten Schadensersatzansprüche seien nicht verjährt, denn unter den vorliegend gegebenen besonderen Umständen habe erst nach rechtskräftigem Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens am 14.04.1999 mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg Klage erhoben werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe der angegriffenen Entscheidung Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher sie insbesondere ihren erstinstanziellen Sachvortrag zur Frage der Verletzung des Klagepatents sowie ihre Angriffe auf die seitens des gerichtlichen Sachverständigen vorgenommene Beurteilung des patentrelevanten Gesichtswinkels wiederholen und vertiefen und ihr ursprüngliches Begehren der Klageabweisung weiterverfolgen. In diesem Zusammenhang stützen sich die Beklagten auch auf durchgeführte experimentelle Versuche (Anlage B 22) sowie ein Privatgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch vom 21.03.2004 (Anlage B 23).

Die Beklagten sind vor allem der Auffassung, dass es sich bei der Angabe im Oberbegriff des Patentanspruchs 1, wonach die geschützte Facettenoptik nur unter einem maximalen Gesichtswinkel von bis zu 120 Grad Strahlung empfangen kann, um einen echten Grenzwert handele. Damit werde jede noch so geringfügige Überschreitung dieses Winkels durch die Anspruchsformulierung ausgeschlossen. Da die angegriffenen Ausführungsformen nach den Definitionen 1,2 a und 2 im Sinne des Sachverständigengutachtens bereits ohne die vom Klagepatent geschützte Facettenoptik Strahlung in einem Gesichtswinkel größer als 120 Grad erfassen könnten, könne von einer Verletzung der Rechte der Klägerin aus dem Klagepatent nicht ausgegangen werden. Mit dem Sachverständigen sei in diesem Zusammenhang davon auszugehen, dass die Definition 3 zur Gesichtswinkelbestimmung ausgeschlossen werden könne. Dagegen habe der Sachverständige eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum der Durchschnittsfachmann die Definition 1 gegenüber den Definitionen 2 und 2 a außer Acht lasse, nicht gegeben. Allerdings werde der kritische Grenzwert von 120 Grad bei den angegriffenen Ausführungsformen bereits bei Anwendung der Definition 2, erst Recht bei Anwendung der Definitionen 1 und 2 a, überschritten. Bei der Prüfung der Frage, ob die angegriffenen Ausführungsformen von dem ermittelten Sinngehalt eines Patentanspruchs Gebrauch machen, seien die konkreten Verhältnisse der angegriffenen Ausführungsformen, hier sog. Dualempfänger, zu berücksichtigen. Da der Sachverständige mehrfach ausgeführt habe, dass die Definition 2 a speziell auf Dualempfänger mit zwei voneinander beabstandeten Empfängerelementen passe, sei diese Definition auf die vorliegend angegriffenen pyroelektrischen Dualempfänger anzuwenden.

Im übrigen werde von den angegriffenen Ausführungsformen eine sichere Bewegungsmeldung auch dann erzielt, wenn eines ihrer Empfängerelemente gar nicht und das zweite Empfängerelement nur im Randbereich teilweise ausgeleuchtet werde (entsprechend der Definition 1 im Sinne des Sachverständigengutachten). Dass der Gesichtswinkel der angegriffenen Ausführungsformen tatsächlich erheblich größer sei als 120 Grad werde auch von den durchgeführten experimentellen Versuchen gemäß Anlage B 22 bestätigt. Auch aus dem vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen Prof. Sch vom 21.03.2004 (Anlage B 23) ergebe sich, dass bei den angegriffenen Sensoren die vorgeschaltete Fresnel-Optik keinen Einfluss auf den erfassbaren Winkelbereich des Sensors habe, sondern lediglich dessen Empfindlichkeit gegenüber entfernten Objekten steigere. Dieses Ergebnis folge aus den von dem Sachverständigen durchgeführten experimentellen Versuchen. Wenn sich aus den durchgeführten Versuchen ergebe, dass es überhaupt keinen Unterschied im abdeckbaren Winkelbereich mache, ob der angegriffene Bewegungsmelder mit oder ohne Facettenoptik betrieben werde, müsse der hier zu beurteilende Verletzungsfall allein unter Berücksichtigung der Definitionen 1 und 2 a entschieden werden. Somit belege das Gutachten gemäß Anlage B 23 experimentell ausdrücklich, dass die Definition 2 zur Beurteilung des Verletzungsgegenstandes ungeeignet sei. Im übrigen sei auch die Annahme des Landgerichts, der Fachmann werde den Wert von 120 Grad nicht als kritische Grenze im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BGH ansehen, unzutreffend. Immerhin habe der Sachverständige ausgeführt, wie bei Prüfentscheidungen üblich, seien Messunsicherheiten der Beklagtenseite zugute zu halten, so dass der gemessene Gesichtswinkel der angegriffenen Ausführungsformen "statistisch nicht signifikant unter 120 Grad" liege. Von dieser Beurteilung habe das Landgericht nicht abweichen dürfen. Rechtsfehlerhaft seien auch die Ausführungen des Landgerichts zur geltend gemachten Verjährungseinrede. Wie sich aus dem Schreiben der Klägerin vom 14.11.1996 (Anlage K 13) ergebe, habe die Klägerin nach Einholung des Gutachtens des Frauenhofer Instituts vom 30.07.1996 (Anlage K 12) eine angebliche Verletzung des Klagepatents geltend gemacht. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 17. Mai 1999 (Anlage K 15) ergebe sich, dass die Klägerin bereits im Jahre 1995 Kenntnis von den erforderlichen Umständen gehabt habe. Dass sich die Klägerin "in Verteidigung gegen diese Verletzungsklage einer Nichtigkeitsklage ausgesetzt" gesehen habe, habe keineswegs zur Unmöglichkeit der Klageerhebung oder zu einer besonders verwickelten und zweifelhaften Rechtslage geführt. Die Erhebung von Nichtigkeitsklagen sei in Patentverletzungsstreitigkeiten geradezu der Normalfall. Bei Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage könne ein Verletzungsprozess ausgesetzt werden. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass dann, wenn es dem Patentinhaber nicht zumutbar sein sollte, einen mutmaßlichen Verletzer zu verklagen, weil aufgrund einer Nichtigkeitsklage die Möglichkeit besteht, dass das Klagepatent nicht rechtsbeständig ist, auch das Handeln eines etwaigen Patentverletzers, der aufgrund der selben Nichtigkeitsklage ebenfalls nicht in der Lage ist, sicher festzustellen, ob das Patent rechtsbeständig ist, nicht als schuldhaft angesehen werden kann.

Die Beklagten und die Nebenintervenientin beantragen,

das Urteil des Landgerichts München I vom 05.02.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen;

hilfsweise das Urteil des LG München I vom 05.02.2003 in Ziffer I und II wie folgt abzuändern:

I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin das nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben haben, was die Beklagten auf Kosten des Herrn Dr. P S vom 01.10.1993 bis 21.11.1994 und der Klägerin vom 22.11.1994 bis 23.09.2002 dadurch erlangt haben, dass die Beklagten zwischen dem 01.10.1993 und dem 23.09.2002 in der Bundesrepublik Deutschland Bewegungsmelder angeboten, in den Verkehr gebracht und zu diesen Zwecken besessen haben, die folgende Merkmale aufweisen:

a) enthaltend eine Facettenoptik zum Erfassen von Strahlung aus einem großen Raumwinkel, mit einer Anzahl von benachbarten Linsenelementen, die die erfasste Strahlung auf die Empfängerebene eines Strahlungsempfängers fokussieren,

b) wobei der Strahlungsempfänger nur unter einem durch Halterungen, Gehäusewände oder sonstige Bauteile begrenzten maximalen Gesichtswinkel von bis zu 120 Grad Strahlung empfangen kann,

c) und wobei zumindest die im Randbereich des Gesichtswinkels des Strahlungsempfängers angeordneten Linsenelemente als Segmente von Linsen ausgebildet sind,

d) deren jeweilige optische Achse mit der Winkelhalbierenden des Gesichtswinkels des Strahlungsempfängers einen Winkel einschließt, der größer ist als die Hälfte des Gesichtswinkels des Strahlungsempfängers, so dass die Linsenelemente einen Gesichtsfeldwinkel von mehr als 120 Grad erfassen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten der Klägerin nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung

a) eine nach den Umständen angemessene Entschädigung für die im Zeitraum zwischen dem 30.03.1984 und dem 30.09.1993 in den alten Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Benutzung gemäß Ziffer I schulden,

b) eine nach den Umständen angemessene Entschädigung für die im Zeitraum zwischen dem 01.05.1992 und dem 30.09.1993 in den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland erfolgte Benutzung gemäß Ziffer I schulden.

Die Klägerin ist in erster Linie der Auffassung, dass sich aus den bereits in erster Instanz vorgelegten Privatgutachten von Dr. B (Anlagen K 12 und K 27), Prof. Dr. Ka (Anlagen K 17, K 17 a und K 26) und Prof. Dr. S (Anlage K 31) ergebe, dass dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Ko bei der Auslegung des Begriffs "Gesichtswinkel" entscheidende Irrtümer und grundsätzliche Fehler in der Methodik und im Ergebnis unterlaufen seien. Auf der Grundlage der genannten Privatgutachten sei nämlich richtigerweise davon auszugehen, dass der Begriff des Gesichtswinkels patentgemäß nur im Sinne der vom Sachverständigen Prof. Dr. Ko so bezeichneten Definition 3 bestimmt werden könne mit der Folge, dass das Patent der Klägerin durch die angegriffenen Bewegungsmelder der Beklagten jedenfalls verletzt werde, weil sich bei Berechnung des Gesichtswinkels für die angegriffenen Strahlungsempfänger gemäß Definition 3 ein Gesichtswinkel (2 phi) von 41,7 +/- 2,9 Grad ergebe (Bild 12 des Sachverständigenngutachtens a.a.O.; Blatt 170 d.A.).

Hilfsweise verteidigt die Klägerin das landgerichtliche Urteil insoweit, als auch nach Auffassung der Klägerin die Gesichtswinkeldefinitionen 1 und 2 a für infrarotempfindliche Strahlungsempfänger, insbesondere für Bewegungsmelder mit Dualstrahlungsempfängern, keine Gültigkeit beanspruchen könnten Dies ergebe sich zunächst daraus, dass der im Klagepatent verwendete Begriff "Gesichtswinkel" in der Fachliteratur zum Prioritätszeitpunkt ausschließlich im Sinne der Definition 3 (Vollausleuchtbarkeit der gesamten Empfängerfläche) verstanden worden sei. Demgegenüber gebe es in der einschlägigen Fachliteratur keine einzige Fundstelle, die die Gesichtswinkeldefinition 1 stützen könnte, welche der gerichtliche Sachverständige daher zu Recht verworfen habe. Zu dem selben Ergebnis seien auch die oben zitierten Privatgutachter gelangt. Gerade bei Bewegungsmeldern mit Dualstrahlungsempfängern sei zur Gewährleistung ihrer Funktionalität eine Vollausleuchtung der gesamten Empfängerfläche (entspricht Definition 3) erforderlich. Sei hiernach schon die Definition 2 abzulehnen, so gelte dies erst recht für die Definitionen 1 und 2 a. Dementsprechend gebe es in der einschlägigen Fachliteratur zum Prioritätszeitpunkt auch keine einzige Fundstelle, die die Gesichtswinkeldefinition 2 a stützen könnte. Die Meinung des gerichtlichen Sachverständigen, bei Dualempfängern komme außer der Definition 2 auch die Definition 2 a (Ausleuchtung nur eines Empfängerelements) in Betracht, sei unrichtig. Wie sich aus dem Gutachten B (Anlage K 27) ergebe, seien die beiden Empfangszonen eines Dualempfängers (in Differenzialschaltung) direkt miteinander verknüpft, so dass der Dualempfänger physikalisch richtig nicht wie zwei unabhängige Einzelelemente behandelt werden könne. Dies gelte erst recht, wenn die Dualempfänger miteinander verschränkte oder konzentrische Empfangsflächen aufweisen. Wollte man nun mit dem Landgericht die nach Auffassung der Klägerin unzutreffende Gesichtswinkeldefinition 2 zugrunde legen, so habe das Landgericht mit im übrigen zutreffenden Erwägungen die angegriffenen Ausführungsformen als patentverletzend eingestuft. Unrichtig sei insbesondere die Auffassung der Beklagten, der im Anspruch 1 des Klagepatents enthaltene Zahlenwert von 120 Grad sei als "echter Grenzwert" anzusehen. Dass es sich nicht um einen "kritischen" Wert im Sinne der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2002, 515, 519, 522 Schneidmesser I, Schneidmesser II) handele, folge insbesondere aus der Patentbeschreibung, wonach der Gesichtswinkel im Stand der Technik "in der Regel" bei 110 - 115 Grad liege und "meist" nicht größer sei als 120 Grad (Anlage K 6, Spalte 1, Zeile 14 f.). Daher werde der Fachmann diesen Wert als eine Circa-Angabe, keineswegs jedoch als eine zwingend einzuhaltende "kritische" Grenze ansehen. Der von den angegriffenen Strahlungsempfängern bei maximaler Ausschöpfung der vom gerichtlichen Sachverständigen angegebenen Toleranzwerte erreichte Gesichtswinkel von maximal 120,6 Grad sei daher jedenfalls als wortsinngemäß anzusehen. Die Ansprüche der Klägerin seien auch nicht verjährt, denn bei verwickelten und zweifelhaften Rechtsfragen liege nach der Rechtsprechung des BGH die erforderliche Kenntnis des Verletzten erst vor, wenn die zweifelhaften Rechtsfragen eine gewisse Klärung gefunden haben und dem Verletzten daher die Erhebung einer Klage zugemutet werden kann. Zu berücksichtigen sei hierbei insbesondere/dass das Nichtigkeitsverfahren im vorliegenden Fall einen in technischer Hinsicht recht komplizierten Gegen- stand zum Inhalt gehabt habe, und zwar nicht nur, was die eigentliche Lehre des Patents anbelange, sondern auch hinsichtlich des im vorangegangenen Beschränkungsverfahren berücksichtigten und im Nichtigkeitsverfahren nochmals überprüften weiteren Standes der Technik. Dass der Gegenstand des Klagepatents auch für Fachleute erhebliche Auslegungsprobleme aufwerfe, zeige sich im vorliegenden Verletzungsverfahren besonders deutlich an den äußerst unterschiedlichen Auffassungen der verschiedenen Sachverständigen. Bei vernünftiger Betrachtungsweise habe die Klägerin unter diesen Umständen damit rechnen müssen, dass der Bestand des Patents im Nichtigkeitsverfahren in Gefahr sein könnte. Wollte man dennoch von einer Verjährung der Schadensersatzansprüche ausgehen, so bliebe der Klägerin jedenfalls ein Entschädigungsanspruch gemäß §§ 33, 141 Satz 3 PatG, welcher hilfsweise geltend gemacht werde.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien und seiner Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien, die von ihnen in Bezug genommenen Urkunden und Unterlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 01.07.2004 Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat der zulässigen Klage mit zutreffenden Erwägungen stattgegeben. Der Senat folgt der Entscheidung des Landgerichts und ihrer ausführlichen Begründung in vollem Umfang.

Die diesbezüglichen Angriffe der Berufungsführerin vermögen nicht durchzugreifen. Unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens ist auf folgende Gesichtspunkte hinzuweisen:

1. Der Klägerin stehen die von ihr gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche auf Feststellung der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht sowie auf Auskunftserteilung gemäß §§ 139 Abs. 1, Abs. 2, 9, 14, 33 Abs.1 PatG, 242 BGB zu, denn die angegriffenen Bewegungsmelder der Beklagten verletzen die Rechte der Klägerin aus dem Patentanspruch 1 des Klagepatents (Anlage K 6), weil die in den angegriffenen Ausführungsformen verwendeten Strahlungsempfänger einen nur durch die Gehäusehalterung (Empfängergehäuse) begrenzten maximalen Gesichtswinkel (2 phi) von 118, 9 Grad +/- 1,7 Grad sowie einen Gesichtsfeldwinkel (2 psi) von 140 Grad +/- 2 Grad aufweisen und damit unter den Patentanspruch 1 des Klagepatents fallen (Merkmale 2.1, 2.2 und 3.1 der Merkmalsanalyse).

1.1 Ausgehend davon, dass es für die Ermittlung des Gegenstands der Erfindung, d.h. für das Verständnis der beanspruchten Lehre zum technischen Handeln, entscheidend auf die technische Vorstellung ankommt, die der mit den durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten am Prioritätstag ausgerüstete Fachmann den Patentansprüchen unter Heranziehung der Patentbeschreibung und des darin mitgeteilten oder sonst zu seinem allgemeinen Fachwissen gehörenden Standes der Technik entnimmt, war auf den durchschnittlichen Wissensstand eines Praktikers abzustellen, den dieser bei ordnungsgemäßem Ausbildungsgang zur sachgerechten Ausübung seines Berufsbildes aufweisen muss.

Als Durchschnittsfachmann in diesem Sinne war vorliegend (unstreitig) ein Ingenieur oder Physiker mit einer technisch-optischen Hochschulausbildung anzusehen, welcher über vertiefte Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Strahlenoptik sowie zumindest übersichtsartige Kenntnisse auf den angrenzenden Gebieten, wie Signalverarbeitung und Sensortechnik, verfügt.

1.2 Diesen Anforderungen entspricht der zugezogene Sachverständige, dessen überzeugenden, nachvollziehbaren und schlüssigen schriftlichen und mündlichen Ausführungen sich der Senat in vollem Umfang anschließt, soweit tatsächliche Feststellungen in Rede stehen.

Der Sachverständige ist ordentlicher Professor am Lichttechnischen Institut der Universität Karlsruhe. Wie dem Senat aus dem Parallelverfahren 6 U 5157/02, in welchem der Sachverständige vor dem Senat angehört wurde und welches dasselbe Klagepatent betraf, bekannt ist, befasst sich der Sachverständige nach eigenen Angaben mit den vorliegend relevanten Fragen beruflich seit fast 40 Jahren intensiv in Forschung und Lehre. So hat er in seiner Promotion zum Thema "Strahlungsbewertung im mesopischen Bereich" den Gesichtsfeldeinfluss beim Sehen in der Dämmerung untersucht. Ferner ist er für das Lehrgebiet "Visuelle Optik und Lichtmesstechnik" habilitiert sowie in zahlreichen nationalen und internationalen Fachausschüssen auf dem Gebiet der Licht- und Strahlungsmessung tätig.

Auf dieser Grundlage bestehen nach Auffassung des Senats keine vernünftigen Zweifel an der Qualifikation des Sachverständigen auf den vorliegend relevanten Fachgebieten. Die Beklagten haben gegen die Kompetenz des Sachverständigen keine Einwendungen erhoben. Den von der Klägerin erhobenen Einwendungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Insbesondere hat der Sachverständige die von ihm für maßgeblich gehaltene und berücksichtigte Literatur zitiert (vgl. Seite 28 des Gutachtens vom 08.04.2002 sowie die Anlagen zu diesem Gutachten und zu dem Ergänzungsgutachten vom 09.07.2002). Damit sind Zweifel an der Qualifikation des Sachverständigen auf dem vorliegend relevanten Fachgebiet aus der Sicht des Senats nicht angezeigt, so dass sich der Senat nicht veranlasst gesehen hat, einen weiteren Sachverständigen zuzuziehen, zumal die Parteien substantiell nicht etwa den Tatsachenfeststellungen des Sachverständigen, sondern den von ihm gezogenen Schlussfolgerungen entgegentreten.

1.3 Auf der Grundlage der erstinstanziell durchgeführten Beweisaufnahme und der Feststellungen des Erstgerichts hierzu geht der Senat davon aus, dass es Gegenstand des Klagepatents ist, ausgehend von dem in der Patentschrift mitgeteilten Stand der Technik (Spalte 1 Zeile 5 - Spalte 2 Zeile 6), den Erfassungsbereich einer dem Oberbegriff des Anspruchs 1 entsprechenden Facettenoptik dadurch zu erweitern, dass die äußeren Fresnel-Linsen mit Linsensegmenten ausgestattet werden, die zu einer gedachten Linse gehören, deren optische Achse zur Empfängerachse einen Winkel (psi) einschließt, der größer ist als der begrenzende Gesichtswinkel (phi). Damit wird eine Facettenoptik zum Erfassen von Strahlung aus einem großen Raumwinkel, insbesondere für Bewegungsmelder, zur Verfügung gestellt, die einfach aufgebaut ist und insbesondere ohne optische Bauelemente, wie Prismen oder zusätzliche Umlenkspiegel, auskommt.

Hierzu hat der Sachverständige ausgeführt, Ausgangspunkt der Erfindung sei die bekannte Optik aus Facettenlinsen, deren optische Achsen symmetrisch zum Zentrum des Strahlungsempfängers ausgerichtet seien, wobei nur diejenigen Elemente der Fresnel-Linsen Strahlung zum Empfänger fokussieren könnten, die sich innerhalb des Gesichtswinkels (phi) des Strahlungsempfängers befinden, so dass nur die Strahlung zum Empfänger fokussiert werden könne, deren Einfallswinkel nicht größer als phi sei. Zur Erweiterung des Gesichtswinkels einer Facettenoptik, insbesondere für Bewegungsmelder, seien mehrere, auch in der Patentschrift näher beschriebene, Verfahren bekannt gewesen, wobei es im Prinzip darauf angekommen sei, im Gesichtswinkelbereich anstatt der Linsen solche optischen Bauelemente, wie Prismen oder Spiegel, anzubringen, die Strahlung mit einem Einfallswinkel größer als phi auf den Empfänger fokussieren können. Die Idee des Klagepatents bestehe nun darin, insbesondere die äußeren Fresnel-Linsen mit Linsensegmenten auszustatten, die zu einer gedachten Linse gehören, deren optische Achse zur Empfängerachse einen Winkel psi einschließt, der größer ist als der begrenzende Gesichtswinkel phi.

Den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen im Zusammenhang mit der Beschreibung des Erfindungsgegenstandes sind die Parteien nicht entgegen getreten.

1.4 Auf dieser Grundlage gehen die Parteien übereinstimmend mit dem Landgericht und dem Senat davon aus, dass eine Verletzung der Ansprüche der Klägerin aus dem Klagepatent durch die angegriffenen Bewegungsmelder nur dann angenommen werden kann, wenn der Empfänger der angegriffenen Bewegungsmelder nicht von vorn herein einen Gesichtswinkel (2 phi) von mehr als 120 Grad aufweist.

Mit dem Landgericht ist auch nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass die Empfänger der angegriffenen Bewegungsmelder bei Anwendung der vom Sachverständigen aus der Sicht des angesprochenen Durchschnittsfachmanns auf der Grundlage der Patentschrift für richtig gehaltenen Definition des dort verwendeten Begriffs des Gesichtswinkels (nämlich der sog. Definition 2) einen nur durch die Gehäusehalterung (Empfängergehäuse) begrenzten maximalen Gesichtswinkel (2 phi) von 118,9 Grad +/- 1,7 Grad sowie einen Gesichtsfeldwinkel (2 psi) von 140 Grad +/- 2 Grad aufweisen und damit wortsinngemäß unter den Patentanspruch 1 des Klagepatents fallen.

Die gegen diese Beurteilung des Erstgerichts einerseits und des Sachverständigen andererseits gerichteten Einwendungen der Beklagten vermögen nicht durchzugreifen.

1.4.1 Zu Recht ist der Sachverständige zunächst davon ausgegangen, dass eine allgemein verbindliche Definition für den Begriff des Gesichtswinkels in der technisch-optischen Literatur zum Prioritätszeitpunkt nicht existiert hat, sondern die Größe des Gesichtswinkels in der Praxis anwendungsbezogen interpretiert wurde. Dementsprechend hat es für pyroelektrische Empfänger zum Prioritätszeitpunkt keine einheitliche Gesichtswinkeldefinition gegeben.

Dieser Prämisse des Sachverständigen treten die Beklagten ebenso wenig entgegen, wie den weiteren Ausführungen des Sachverständigen dazu, dass die Frage, welche der von ihm im einzelnen erläuterten, unterschiedlichen Gesichtswinkeldefinitionen, nämlich die Definitionen 1, 2, 2 a oder 3, jeweils anzuwenden ist, vom konkreten Anwendungsfall abhänge. Ferner ist dem Sachverständigen auch nach Auffassung der Beklagten darin zu folgen, dass die Interpretation dieser Größe nur auf der Grundlage des Gesamtinhalts der Patentschrift erfolgen kann. Soweit die Beklagten allerdings meinen, der Sachverständige habe eine nachvollziehbare Begründung dafür, warum der Durchschnittsfachmann auf der Grundlage des Gesamtinhalts der Patentschrift der Definition 2 gegenüber den Definitionen 1 und/oder 2 a den Vorzug gebe, nicht gegeben, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Da in der Patentschrift selbst unstreitig (und unbestreitbar) die Größe des Gesichtswinkels ebenfalls weder umschrieben noch definiert wird, hat der Sachverständige aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns die Definition und Interpretation des streitgegenständlichen Begriffs Gesichtswinkel aus den Aussagen der Patentschrift abgeleitet.

Ausgehend von der Beschreibung in der Patentschrift (Spalte 2 Zeile 20 - 26), wonach sich die Empfängerebene des Strahlungsempfängers in einem Gehäuse befindet und nur unter einem Gesichtswinkel Strahlung empfangen kann, der gemäß der Zeichnung durch die Rotationsachse (9) und die Begrenzung (2) gebildet wird, könne man der Patentzeichnung trotz einiger Vorbehalte entnehmen, dass der Schnittpunkt der Rotationsachse (9) mit der Begrenzung (2) etwa in unmittelbarer Nähe des Zentrums der Empfängerebene liegen müsse. Die Vorbehalte ergeben sich nach Auffassung des Sachverständigen daraus, dass die Patentzeichnung keine geometrischen Merkmale aufweise, die die Begrenzung (2) eindeutig festlegen würden, so dass die exakte Lage des Schnittpunktes der Begrenzungsgeraden (2) mit der Empfängerachse bzw. Rotationsachse (9) nur vage auszumachen sei. Dennoch spreche die Beschreibung in Verbindung mit der Patentzeichnung dafür, dass das Patent am ehesten von einer Gesichtswinkeldefinition gemäß Definition 2 ausgehe, bei der der Gesichtswinkel durch das Empfängerzentrum und den begrenzenden Kantenpunkt festgelegt ist und bei der der Empfänger gerade zur Hälfte ausgeleuchtet ist. Hierfür spreche auch, dass aus der Beschreibung der Patentschrift (Spalte 2 Zeilen 25 - 30 und Zeilen 40 - 45) hervorgehe, dass der Schnittpunkt der Begrenzungsgeraden, die den so genannten Gesichtsfeldwinkel (psi) bilden, nämlich der durch die optische Achse der geschützten Patentlinse und die Empfängerachse gebildete Winkel, in der Empfängerebene liegen müsse. Der Gesichtsfeldwinkel sei nämlich der maximal mögliche Einfallswinkel, der von den äußersten Linsensegmenten der patentierten Facettenoptik zur Empfängermitte fokussiert wird, vorausgesetzt, diese Linsensegmente liegen im Bereich des Empfängergesichtswinkels (phi). Auch wenn also die Schnittpunktlage aus der Patentzeichnung nur relativ vage zu erkennen sei, könne doch mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass in der Patentzeichnung der den Gesichtswinkel kennzeichnende Schnittpunkt etwa in der Nähe des Zentrums der Empfängerebene liegen müsse. Aus dem Hinweis in der Patentschrift, dass die Linsenelemente oder Linsensegmente die Strahlung auf die Empfängerebene fokussieren (Spalte 2 Zeilen 26 -30), werde der Fachmann aber diese Unsicherheit überwinden und davon ausgehen, dass der Schnittpunkt im Zentrum des Empfängers liegt, was für die Definition 2 spreche.

Unter diesen Umständen ist nach Auffassung des Senats der Einwand der Beklagten, es fehle an einer nachvollziehbaren Begründung für die Bevorzugung der Definition 2 jedenfalls gegenüber den Definitionen 1 und 3, so nicht zutreffend. Denn der Sachverständige hat offensichtlich den gesamten Patentinhalt zugezogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser dann mit der Patentzeichnung in Einklang steht, wenn man von der Definition 2 ausgeht. Dementsprechend hat der Sachverständige auch ausgeführt, der Hinweis im Klagepatent, dass die Strahlung in die Empfängerebene fokussiert wird (Spalte 2 Zeile 25 -30), könne als Präjudiz für die Definition 2 (halbe Empfängerausleuchtung) gegenüber der Definition 1 (Beginn der Empfängerausleuchtung) angesehen werden, weil der den Gesichtswinkel kennzeichnende Geradenschnittpunkt bei Definition 2 im Zentrum der Empfängerfläche liege und bei Definition 1 etwa oberhalb, wenn auch nur geringfügig. Ferner hat der Sachverständige ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Grundsatzes, wonach bei unklaren Gesichtswinkelbedingungen mindestens die Ausleuchtung der halben Empfängerfläche zu gewährleisten sei, dem Klagepatent am ehesten eine Gesichtswinkeldefinition 2 entnommen werden könne.

Von dieser Definition scheint auch das Bundespatentgericht in seinem Urteil vom 23. April 1998 (Anlage K 7), das vorliegende Streitpatent betreffend, ausgegangen zu sein (dort Ziffer II. 1.). In dem genannten Urteil wird ausgeführt, die Facettenoptik nach Patentanspruch 1 bestehe aus einer Anzahl von Linsenelementen, die, "wie die Figur der Streitpatentschrift" zeige, so nebeneinander angeordnet seien, dass sich ihre optischen Achsen in einem einzigen Punkt schneiden, "der in der Empfängerebene" eines Strahlungsempfängers liege. Im Zusammenhang mit der Vergrößerung des Sichtfeldes entsprechend dem Merkmal 3.1. der hiesigen Merkmalanalyse heißt es u.a., dass von einem parallel zur optischen Achse verlaufenden Strahlenbündel ein Teilstrahlenbündel durch das Linsensegment hindurchtrete und in dem gemeinsamen Schnittpunkt der optischen Achsen "in der Empfängerebene" vereinigt werde, "vgl. die Figur in der Streitpatentschrift".

1.4.2 Die Beklagten meinen nun allerdings, auf der Grundlage der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen sei die Definition 2 a auf die angegriffenen Ausführungsformen anzuwenden, bei welchen es sich um sog. Dualempfänger handelt, weil bei der Prüfung der Frage, ob die konkret angegriffenen Ausführungsformen von dem festgestellten Wortsinn des Klageschutzrechts Gebrauch machen auf die konkreten Verhältnisse der angegriffenen Ausführungsformen abgestellt werden müsse.

Dem kann aus mehreren Gründen nicht beigetreten werden. Völlig zu Recht hat das Erstgericht in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Klagepatent keinen bestimmen Empfängertyp beschreibt und die Auslegung einer Patentschrift nicht von der angegriffenen Ausführungsform her zu erfolgen habe, sondern anhand der Patentschrift. Der Senat sieht sich veranlasst, ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Erfindungsgegenstand des Klagepatents eine optische Erfindung, nämlich eine bestimmte Ausgestaltung der Facettenoptik, betrifft und nicht einen Strahlungsempfänger bzw. Dualstrahlungsempfänger oder gar einen Bewegungsmelder an sich. Wenn nun aber das Klagepatent die spezielle Ausbildung einer Facettenoptik und nicht die Funktionalität eines Dualstrahlungsempfängers betrifft, so dient die Beantwortung der Frage, welche der in Rede stehenden Definitionen auf den im Anspruch 1 des Klagepatents verwendeten Begriff des "Gesichtswinkels" anzuwenden ist, allein der Feststellung des Erfindungsgegenstandes anhand des Klageschutzrechts. Die konkreten Verhältnisse der angegriffenen Ausführungsformen können und dürfen in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Sie finden erst bei der Prüfung der Frage Berücksichtigung, ob die angegriffenen Ausführungsformen von dem solcherart festgestellten Wortsinn des Klageschutzrechts Gebrauch machen oder nicht. Die Auffassung der Beklagten würde nämlich in der Konsequenz dazu führen, dass der Erfindungsgegenstand eines Klageschutzrechts je nach der angegriffenen Ausführungsform unterschiedlich zu definieren wäre. Dass dies nicht richtig sein kann, versteht sich von selbst. Entscheidungserheblich kann folglich nur die Frage sein, ob die Definition 2 a auf den Erfindungsgegenstand anzuwenden ist oder nicht. Auf der Grundlage der schriftlichen und mündlichen Ausführungen des Sachverständigen kann die Definition 2 a auf den Erfindungsgegenstand nicht angewandt werden, weil der Erfindungsgegenstand die spezielle Ausbildung einer Facettenoptik und nicht einen Strahlungsempfänger bzw. Dualstrahlungsempfänger oder gar einen Bewegungsmelder an sich betrifft, wie dies bereits ausgeführt wurde.

Es trifft zwar zu, dass der Sachverständige die Definitionen 2 und 2 a als "patentrelevant" hervorgehoben und ausgeführt hat, bei einem einheitlichen Strahlungsempfänger gewährleiste dieser Gesichtswinkel die Ausleuchtung der halben Empfängerfläche insgesamt bzw. die volle Ausleuchtung eines Einzelempfängers, so dass bei konsequenter Anwendung auf pyroelektrische Dualempfänger auch eine Bewertung nach Definition 2 a in Frage komme, die auch die volle Ausleuchtung eines der beiden Empfängerelemente gewährleiste. Allerdings hat der Sachverständige mit Blick auf den Erfindungsgegenstand konsequenterweise auch ausgeführt, dass der Definition 2 der Vorzug zu geben sei, weil sie allgemeingültiger sei und näher am Klagepatent liege, in dem spezielle Empfängerausführungen keine Rolle spielen, während die Definition 2 a näher an den angegriffenen Ausführungsformen liege. Ferner hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 09.07.2002 ausgeführt, dass bei "üblichen" Empfängeranordnungen der Abstand zwischen den Empfängerelementen gleich Null sei mit der Folge, dass die Messung sowohl nach der Definition 2 als auch nach der Definition 2 a zu identischen Ergebnissen führe. Schließlich hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Frage nach dem patentrelevanten Gesichtswinkel von Empfängern für Bewegungsmelder grundsätzlich unabhängig von der speziellen Empfängerphysik zu beantworten sei.

Unter diesen Umständen ist das Erstgericht nach Auffassung des Senats völlig zu Recht bei der Bestimmung des Erfindungsgegenstandes von der Definition 2 ausgegangen.

1.4.3 Soweit die Beklagten unter Berufung auf die durchgeführten Versuche gemäß Anlage B 22 sowie unter Berufung auf die durch den Privatgutachter Prof. Sch durchgeführten Versuche gemäß Anlage B 23 vortragen, der Gesichtswinkel der angegriffenen Ausführungsformen sei tatsächlich von Anfang an erheblich größer als 120 Grad, denn "im abdeckbaren Winkelbereich" mache es überhaupt keinen Unterschied, ob die angegriffenen Bewegungsmelder mit oder ohne Facettenoptik betrieben würden, woraus folge, dass die Definition 2 auf die angegriffenen Bewegungsmelder nicht anzuwenden sei, vermag dies nicht weiter zu führen.

In diesem Zusammenhang kann zunächst auf die obigen Ausführungen zum Erfindungsgegenstand Bezug genommen werden. Die Argumentation der Beklagten, die Definition 2 könne nicht zutreffen, denn diese impliziere einen signifikanten Unterschied des Winkelbereichs mit und ohne Optik, lässt ferner den Umstand außer Betracht, dass sich bei Anwendung der Definition 2 auf die völlig unstreitigen konkreten Messergebnisse des gerichtlichen Sachverständigen für die angegriffenen Ausführungsformen ein Gesichtswinkel von 118,9 Grad +/- 1,7 Grad und ein Gesichtsfeldwinkel von 140 Grad +/- 2 Grad ergab. Ganz abgesehen davon, dass die tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen im Zusammenhang mit den angegriffenen Ausführungsformen, insbesondere seine Feststellungen zu den geometrischen Empfänger- und Gerätegehäusedaten sowie seine hieraus abgeleiteten Berechnungen zu den patentrelevanten Gesichtswinkeln, völlig unstreitig sind, ist mit dem Erstgericht und dem Sachverständigen davon auszugehen, dass bei der Bestimmung des patentrelevanten Gesichtswinkels der Berechnung aus den geometrischen Empfänger- und Gerätegehäusedaten, wenn sie, wie vorliegend entweder bekannt oder ermittelbar sind, der Vorzug vor Messungen zu geben ist, weil diese direkte Berechnungsmethode nachprüfbare Ergebnisse liefert. Die Anwendung von Messungen zur Bestimmung des Gesichtswinkels sei nur dann erforderlich, wenn die benötigten geometrischen Daten nicht bekannt seien, denn das Problem bestehe in der Wahl eines adäquaten Messverfahrens, das tatsächlich nichts anderes als nur den Gesichtswinkel im geometrischen Sinne als Ergebnis liefere. Da die Ergebnisse derartiger Messungen wesentlich durch die Technik der elektronischen Signalverarbeitung und die gewählten Versuchsparameter bestimmt würden, seien Messungen des Gesichtswinkels bei Verwendung der gesamten im Bewegungsmelder integrierten Signalverarbeitung äußerst problematisch.

Bei dieser Sachlage ist auch nach Auffassung des Senats der vom gerichtlichen Sachverständigen angewandten Berechnungsmethode, die überdies völlig unbestrittene Ergebnisse geliefert hat, in jedem Fall der Vorzug zu geben, so dass auf die von den Beklagten durchgeführten Versuche auch unter diesem Gesichtspunkt nicht abgestellt werden kann.

1.4.4 Nicht gefolgt werden kann den Beklagten auch darin, dass es sich bei der Angabe eines maximalen Gesichtswinkels "von bis zu 120 Grad" im Anspruch 1 des Klagepatents um einen echten Grenzwert handele, so dass jede noch so geringfügige Überschreitung dieses Winkels durch die Anspruchsformulierung ausgeschlossen werde mit der Folge, dass die angegriffenen Ausführungsformen, die bei Anwendung der Definition 2 einen Gesichtswinkel von 117,2 Grad bis 120,6 Grad (118,9 Grad +/- 1,7 Grad) aufweisen, nicht unter die technische Lehre des Anspruchs 1 fallen würden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Ausführungen des Sachverständigen zu diesem Punkt, wonach, wie bei Prüfentscheidungen üblich, Messunsicherheiten der beklagten Partei zugute zu halten seien und ein Patentgebrauch der angegriffenen Bewegungsmelder daher verneint werden müsse, nicht maßgeblich sind, denn die Frage, ob auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Durchschnittsfachmanns eine Patentverletzung anzunehmen ist oder nicht, ist allein vom erkennenden Gericht und nicht vom Sachverständigen zu entscheiden, wovon die Beklagten, wenngleich in anderem Zusammenhang, auch selbst ausgehen.

Hiernach hat das Erstgericht völlig zu Recht in Anlehnung an die Entscheidungen des BGH vom 12.03.2002 (BGH GRUR, 2002, 515 und BGH GRUR 2002, 519 Schneidmesser I und Schneidmesser II) zunächst die Frage geklärt, ob es sich bei der in Rede stehenden Angabe aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns um einen sog. "kritischen" Wert handelt, d.h. um einen solchen, der aus der Sicht des Fachmanns genau einzuhalten ist.

Zutreffend ist das Erstgericht insoweit davon ausgegangen, dass es das gleichgewichtig neben dem Gesichtspunkt eines angemessenen Schutzes der erfinderischen Leistung stehende Gebot der Rechtssicherung erfordert, dass der durch Auslegung zu ermittelnde Sinngehalt der Patentansprüche nicht nur den Ausgangspunkt, sondern die maßgebliche Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs bildet, welcher sich an den Patentansprüchen auszurichten hat. Diese Grundsätze der Schutzbereichsbestimmung sind auch dann anzuwenden, wenn der Patentanspruch Zahlen- oder Maßangaben enthält. Wie jeder Bestandteil eines Patentanspruchs sind derartige Angaben allerdings grundsätzlich der Auslegung fähig, so dass es auch hier darauf ankommt, wie der Fachmann solche Angaben im Gesamtzusammenhang des Patentanspruchs versteht, wobei zur Erläuterung dieses Zusammenhangs Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen sind.

In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige ausgeführt, der von ihm ermittelte Gesichtswinkel (2 phi) sei mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, die den Messwerten zuzuschlagen sei. Verursacht werde diese Unsicherheit durch Toleranzen der Empfängerabmessungen bei der Herstellung der Empfänger, die er mit +/-1,7 Grad geschätzt habe. Ausgehend vom Inhalt der Patentschrift und dem dort mitgeteilten Stand der Technik, wonach der Gesichtswinkel "in der Regel" bei 110 Grad bis 115 Grad liegt und "meist" nicht größer als 120 Grad ist, ist das Erstgericht unter diesen Umständen zu Recht davon ausgegangen, dass dem Klagepatent nicht entnommen werden kann, dass die Vermeidung einer noch so geringfügigen Überschreitung des im Anspruch genannten Bereichs für die unter Schutz gestellte Lehre wesentlich und bestimmend wäre. Bei dieser Lage ist das Erstgericht schließlich zutreffend davon ausgegangen, dass die angegriffenen Ausführungsformen bei Zugrundelegung der richtigerweise anzuwendenden Definition 2 in den Schutzbereich des Klagepatents fallen.

1.5. Nicht zugestimmt werden kann auch der Auffassung der Beklagten, diejenigen Schadensersatzansprüche, welche bezogen auf die Klageerhebung mehr als 3 Jahre zurückliegen, seien verjährt. Mit den Beklagten ist allerdings davon auszugehen, dass die Verjährung von Ansprüchen, gemäß § 141 PatG auch solcher wegen Patentverletzung, dann zu laufen beginnt, wenn der Berechtigte Kenntnis von der Verletzung und der Person des Verpflichteten hat und dass, soweit ersichtlich, in der Rechtsprechung von diesem Grundsatz nur dann eine Ausnahme gemacht wurde, wenn eine "verwickelte und zweifelhafte Rechtslage" vorlag (RGZ 157, 14, 20; BGHZ 6, 195, 202). Hiernach ist von der erforderlichen Kenntnis auszugehen, wenn der Berechtigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststellungsklage, mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg erheben kann. Hieraus folgt zunächst, dass eine Beurteilung der Situation des Berechtigten nur aufgrund der konkret vorliegenden Umstände des Einzelfalls erfolgen kann. Gleiches gilt für die Frage, ob von einer verwickelten und zweifelhaften Rechtslage ausgegangen werden kann.

Den Beklagten ist zwar zuzugeben, dass patentrechtliche Streitigkeiten nicht selten einen in technischer Hinsicht komplizierten Gegenstand zum Inhalt haben und dass sich ebenfalls nicht selten die Frage stellt, ob das streitige Patent aufgrund des bekannten oder auch aufgrund des noch aufzufindenden Standes der Technik Bestand haben wird. Mit dieser Begründung kann allerdings nach Auffassung des Senats die Annahme einer verwickelten und zweifelhaften Rechtslage für Patentsachen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Vielmehr ist auch hier auf die konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls abzustellen. Die Beantwortung der Frage, ob der Berechtigte mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg Klage erheben kann, kann auch nicht mit der Argumentation umgangen werden, der Berechtigte könne ja nach Klageerhebung im Hinblick auf die erhobene Nichtigkeitsklage die Aussetzung des Verfahrens beantragen. Dies gilt ganz unabhängig davon, dass das Verletzungsgericht die für die Frage der Aussetzung maßgebliche Beurteilung der Erfolgsaussichten der Nichtigkeitsklage vor allem bei komplizierten Verfahrensgegenständen unter Umständen ohne sachverständige Hilfe nicht vornehmen kann.

Mit dem Erstgericht ist auch nach Auffassung des Senats davon auszugehen, dass die Klägerin unter den vorliegend obwaltenden Umständen vor dem Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens nicht mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg Klage erheben konnte. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass das Klagepatent zunächst auf Antrag der Klägerin mit Beschluss des Deutschen Patentamts durch Änderung des Anspruchs 1 beschränkt und in der nunmehr maßgeblichen Fassung (Anlage K 6) am 25.4.1996 veröffentlicht wurde. Mit der 1997 erhobenen Nichtigkeitsklage wurden neben dem für das Beschränkungsverfahren des Klagepatents vor dem Deutschen Patentamt maßgeblichen Prospekt weitere 5 Druckschriften zum Stand der Technik vorgelegt, aus welchen sich teils allein, teils in Kombination mit dem genannten Prospekt der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in nahe liegender Weise ergeben sollte. Dass das Nichtigkeitsverfahrens in der Tat einen in technischer Hinsicht recht komplizierten Gegenstand zum Inhalt hatte, ergibt sich aus dem Urteil des Bundespatentgerichts vom 23.4.1998 (Anlage K 7) ebenso, wie aus dem vorliegenden Verletzungsverfahren und den in Teilbereichen recht unterschiedlichen Auffassungen der zugezogenen Sachverständigen zu den hier in Rede stehenden Fragen. Die geschilderte prozessuale Situation des Berechtigten lässt allerdings keinerlei Rückschlüsse auf das Verschulden des Verletzers zu, denn (auch berechtigte) Hoffnung, das Klageschutzrecht werde nicht standhalten, lässt naturgemäß das Verschulden des Verletzers unberührt.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO.



Ende der Entscheidung

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